Heimtextil – Tapeten

In der Russland-Krise setzt die Branche auf Gefälligkeit

Für eine Überraschung sorgte auf der Heimtextil die Ankündigung von Erismann, aus dem Verband der Deutschen Tapetenindustrie auszutreten. Prägendes Thema war für die exportorientierte Branche aber die Russland-Krise. Dennoch herrschte verhaltene Zuversicht: Mittel- bis langfristig erwarten die Unternehmen eine Lösung des Konflikts und im restlichen Europa verkaufen sich die Produkte gut. Weitere positive Indikatoren sind die guten Konjunkturdaten für Deutschland sowie die gestiegene Zahl der Messebesucher vor allem aus dem Ausland. Momentan setzt die Tapetenindustrie aber auf Sicherheit und vornehmlich konsumige Designs in hoher technischer Qualität. Die Zurückhaltung zeigte sich auch in der im Vergleich zu den Vorjahren geringen Präsenz von TV-Stars. | Cornelia Küsel berichtet über die Tapetentrends in Frankfurt

Glamour war gestern. Vorbei die Aufbruchzeiten, in denen die deutsche Tapetenbranche mit extravaganten und mutigen Kollektionen bei der Heimtextil auf sich aufmerksam macht. Statt Euphorie herrscht jetzt nüchterne Geschäftigkeit. Mit soliden, gut verkäuflichen Produkten, allerdings in hoher Qualität, zollen die Anbieter den aus der Russland-Ukraine-Krise resultierenden Umsatzrückgängen Tribut. Durch den abgestürzten Rubelkurs erlitten sie im vergangenen Jahr empfindliche Verluste, die trotz ansonsten eher positiver Zahlen - vor allem im Inland - nicht kompensiert werden konnten. Russland ist schließlich einer der wichtigsten Märkte für die Branche. Aber auch sonst sind die deutschen Hersteller stark abhängig vom Ausland. Ihr Exportanteil liegt bei bis zu 70 %.

A.S. Création hatte bereits im Dezember bekannt gegeben, wegen der Russland-Krise in die Verlustzone zu geraten. Die Gummersbacher erwarten einen Jahresfehlbetrag im mittleren bis oberen einstelligen Bereich. Rasch gab seine Umsatzeinbußen mit 13 % an. Die übrigen Anbieter sprachen von empfindlichen Einbußen.

Pluspunkte sammelt, wer eigene Produktionsstätten in Russland betreibt. Während Erismann in Deutschland durch den zurückgehenden Export nach Russland Verluste einfährt, geht es nach Angaben von Geschäftsführer Martin Slotty im russischen Werk des Konzerns bergauf. Auch die Tapeten aus dem 2012 in Dzerzhinski eröffneten Werk von A.S. Création verkaufen sich gut. Aber die beiden russischen Töchter des Konzerns werden hauptsächlich auf Euro-Basis finanziert. Bei einem schwachen Rubel-Kurs schlagen sich die Umrechnungsverluste in der Bilanz nieder. Wie Vorstandschef Jörn Kämper erläuterte, seien dies aber nur virtuelle Einbußen. NMC produziert alle Zierprofile für Osteuropa und Asien in Russland. Die dortige Krise zeige zwar Spuren, wirke sich aber nicht dramatisch aus.

Die Hersteller reagieren pragmatisch

Nach Berechnungen des Ostausschusses der Deutschen Wirtschaft sind deutsche Exporte nach Russland über alle Branchen hinweg im vergangenen Jahr um mehr als 6 Mrd. EUR eingebrochen. Und ein Ende der Entwicklung ist kurzfristig nicht abzusehen. Dennoch blicken die deutschen Tapetenhersteller eher zuversichtlich in die Zukunft. "Russland kennt Krisen, auch dieser Konflikt wird bewältigt", meinte Slotty. Ullrich Eitel, Inhaber der Tapetenfabrik Marburg, äußerte sich ähnlich pragmatisch: "Wir bauen auf bessere Zeiten, die Krise wird überwunden." Hoffnungen setzt er unter anderem auf die Messe Mosbuild im Mai in Moskau. "Vielleicht sorgt sie schon für Lichtblicke." "Die Märkte werden sich auf die Gegebenheiten einstellen", ist Wolfgang Schminner, Geschäftsführer bei P+S International, sicher.

Weiteren Grund für Optimismus liefert der niedrige Ölpreis, der im Inland als Konjunktuschub wirkt. "Das ist eine Chance. Billiges Erdöl stärkt die Kaufkraft in der westlichen Welt", sagte Dario Rasch, Inhaber der Tapetenfabrik Gebr. Rasch. Der GfK-Verbraucherindex gibt ihm recht. Dieser stieg im Februar auf den höchsten Stand seit November 2001. Parallel legte der Ifo-Index zu. Das wichtigste Stimmungsbarometer der deutschen Wirtschaft kletterte zum dritten Mal in Folge nach oben. Ökonomen erwarten für Deutschland ein Wachstum von rund 1,5 %.

Die Heimtextil sendete ebenfalls positive Signale aus. Bei einer laut Veranstalter um 3 % auf 68.000 gestiegenen Zahl der Fachbesucher bewertete etwa Matthias Rödling, Vertriebs- und Marketingleiter beim Zierprofilhersteller NMC Deutschland, den Verlauf als sehr erfreulich.

Vor allem die zunehmende Internationalität der Veranstaltung wurde von den exportorientierten Tapetenherstellern und ihren Zulieferern begeistert aufgenommen. Der Anteil ausländischer Besucher steig von 67 auf 68 %. Lediglich aus der Ukraine und Russland kamen weniger Gäste. "Die Heimtextil ist unsere wichtigste Messe", sagte Marina Häusler, Marketingleiterin beim Fototapetenhersteller Komar. "Es war eine großartige Messe. Aus allen Teilen der Welt haben wir eine große Resonanz erlebt, vor allem auf unsere neue Armani-Kollektion haben wir gutes Feedback bekommen", bestätigte auch Alessandra Ferretti, Export Manager beim italienischen Hersteller Jannelli & Volpi.

Erismann will Verband verlassen

Für eine unwillkommene Überraschung sorgte Erismann mit der Ankündigung, den Verband der Deutschen Tapetenindustrie zum 1. Juli zu verlassen. Mit dem nach Erfurt und A.S. Création bereits dritten Austritt würde die Zahl der Mitglieder auf sieben schrumpfen. Erismann-Geschäftsführer Slotty begründete das Vorhaben mit den "Verwerfungen, die das Kartellverfahren mit sich gebracht hat". Dadurch sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit im Verband sehr schwierig geworden. Zudem seien die statistischen Angaben nach dem Ausscheiden des Marktführers A.S. Création nicht mehr aussagekräftig genug. "So wie jetzt kann es nicht mehr weiter gehen", betonte Slotty, zeigte aber Bereitschaft zum Einlenken. Erismann werde sich Gesprächen nicht verschließen, "aber es muss sich was bewegen". Damit meinte der Geschäftsführer explizit die Mitglieder, während er die Arbeit von Verbandsgeschäftsführer Karsten Brandt ausdrücklich lobte.

Auch A.S. Création zeigt sich wohlwollend. "Gespräche laufen. Vielleicht gibt es eine Basis für die Zukunft", meinte Vorstandschef Kämper, ohne konkret zu werden.

"Ja, wir reden mit allen Beteiligten", bestätigte Verbands-Geschäftsführer Brandt. Er sei aber erstaunt über die Ankündigung von Erismann: "Es hatte sich doch eigentlich alles wieder eingespielt." Nun müsse eine Lösung gefunden werden.

Dafür macht sich auch P+S-Geschäftsführer Schminner stark, dessen Unternehmen Mitglied im Verband ist. Er hob vor allem die wichtigen Aufgaben des technischen Ausschusses hervor. Gemeinsam könne sich die Industrie besser gegen Vorschriften und Kennzeichnungen wehren. "Wir wollen eine Einigung", machte Schminner deutlich, dessen Unternehmen nicht vom Kartellverfahren betoffen ist.

Technische Raffinesse nimmt zu

Die Tapetenanbieter und ihre Zulieferer wie Follmann, Saueressig und Sügravo repräsentieren eine relativ kleine Branche. Sie stellten ihre jeweils neuen Produkte in der Tapetenhalle 3.1 aus. Um das Angebot in diesem Bereich attraktiver zu machen und mit der Zeit zu gehen, holte die Messe Frankfurt in diesem Jahr auch einige Digitaldruckunternehmen mit ins Boot und öffnete sich damit für einen immer wichtiger werdende Randbereich.

So zeigte in Halle 4 unter anderem die Firma Sihl ihre Digitaldrucktapeten. Dieser Markt wächst um 25 % pro Jahr und wird auch von den klassischen Tapetenherstellern genutzt, zum Beispiel von Marburg: Die Bahnen der Ulf-Moritz-Kollektion wurden per Digitaldruck mit bunten Kolibris versehen.

Insgesamt fiel auf, dass die Wandbeläge technisch immer ausgereifter werden, was Druckformenhersteller Saueressig bestätigte. "Der Trend in Richtung hochwertigen Prägetapete hat Einfluss auf unser Produktportfolio", sagte auch Dieter Meyer, Business Development Manager bei Sihl. Mit den neuen Druck- und Prägewalzen werden Tapeten auf hohem Qualitätsniveau hergestellt, die über tiefe Strukturen verfügen.

So innovativ auch die technische Fertigung ist - mit außergewöhnlichen Designs hält sich die Industrie angesichts der Einbußen durch die Russland-Krise zurück und setzt vor allem auf gefällige Produkte, die sich gut verkaufen lassen.

Trotz dieser auf Sicherheit ausgerichteten Strategie gab es auch den einen oder anderen Hingucker wie die leuchtende Tapete von Marburg. Aufsehen erregte auch die erste Armani/Casa-Kollektion, die Schmitz Tapeten exklusiv vertreibt, sowie die aus Wasserlilien-Fasern bestehende Kollektion "Nomad" von Omexco und die magnetischen Acoustic Pads zur Geräuschreduzierung der Objektschiene Architects Paper von A.S. Création.

Weniger Promis in der Tapetenhalle

Zur neuen Bescheidenheit in der Tapetenhalle passte die gegenüber den Vorjahren geringere Präsenz der Prominenz. Zwar zeigten sich bekannte Designer wie Ulf Moritz und Lars Contzen. Aber TV-Stars waren rar gesät. Nicht einmal Dieter Bohlen kam zur Messe, obwohl P+S International seine dritte Kollektion Spotlight präsentierte. Den Künstler aber bekamen nur geladene Gäste in einem externen Veranstaltungsraum zu sehen.

Vor Ort waren hingegen Jette Joop mit ihren neuen Farben der Marke Signeo und Barbara Becker, die ebenfalls Farben entworfen hatte für die Homelinie B.B Passion.

Trendmäßig geht es in Richtung schliche Eleganz und Gemütlichkeit, wobei hellere Farbtöne die schrillen ablösen. Natürlichen Materialien und Vorlagen aus der Natur bestimmen das Design. Nach wie vor en vogue sind Beton-, Stein- und Holzansichten, jedoch mit farbiger Patina überzogen. Dauerbrenner bleiben Blumen, eine Renaissance erleben Punkte und Tupfen. Farblich startet Blau durch, vor allem in warmen, verwaschenen Tönen. Aber auch Grau hält sich an der Spitze der Modekolorits und sorgt für luxuriöse Ausstrahlung. Dabei steht - völlig unabhängig vom Design - technische Raffinesse mit tiefen Strukturen im Mittelpunkt.

Diesen Trends stellt sich auch der chinesische Tapetenhersteller Topli, der erstmals mit einem Stand bei der Heimtextil vertreten war. Für ihn arbeitet der ehemalige Rasch-Chefdesigner Bernhard Holzapfel. Der lobte den modernen Maschinenpark der ältesten chinesischen Tapetenfabrik, die 1976 gegründet wurde. Sie habe in den vergangenen zwei Jahren zwölf moderne Kollektionen auf den Markt gebracht, die den europäischen Produkten in nichts nach stünden. "In China verändert sich der Geschmack allmählich", sagte Holzapfel. Er sei zwar noch an Traditionen gebunden, entwickle sich aber hin zu globalen Strömungen.
cornelia.kuesel@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 02/15 (Wirtschaft)