Interview des Monats: EuroComfort Group, Bocholt
MBO – volle Verantwortung fürs Unternehmen
Seit acht Jahren gibt es die Euro Comfort Group, hervorgegangen aus der Firma Lück. Aus diesem Kern entstand im Laufe der Jahre ein breit aufgestellter Konzern in der Polstermöbel- vor allem aber der Bettwaren- und Matratzen-Branche. Eng verbunden ist die positive Entwicklung der Gruppe mit Thomas Bußkamp, dem heutigen Mehrheitsgesellschafter der Gruppe. Haustex unterhielt sich mit ihm über seinen beruflichen Werdegang, die dynamische Entwicklung der Unternehmensgruppe und die Gründe für seinen Erwerb der Mehrheitsanteile an Euro Comfort.
Haustex: Herr Bußkamp, die Messen für die Heim- und Haustextilien-Branche zu Beginn des Jahres sind inzwischen abgeschlossen. Welches Resümee ziehen Sie nach den Veranstaltungen für die EuroComfort Group?
Thomas Bußkamp: Wir waren im Januar auf insgesamt vier Messen: Heimtextil in Frankfurt, imm in Köln, Maison&Objet in Paris und schließlich noch Intirio in Gent. In Frankfurt stellten wir die Marke Brinkhaus erstmals separat von unserem Hauptstand in Halle 8 im Foyer der Halle 11 vor. Das war finanziell zwar aufwändiger, bot uns aber auf der anderen Seite räumlich die Möglichkeit, in Halle 8 das 60-jährige Jubiläum von Irisette in den Fokus zu nehmen. Die Brinkhaus Markenpräsentation in Halle 11 kam sehr gut an. Das setzte sich in Köln fort, wo wir für diese Marke sehr viele Aufträge schreiben konnten, sodass insgesamt beide Messen für Brinkhaus sehr positiv verlaufen sind. Wir konnten interessante Neukunden gewinnen, unter anderem auch außerhalb der allgemeinen Listungs-Thematik bei diversen Bettenring-Häusern. Wir werden den Umsatz mit der Marke in diesem Jahr in Deutschland sicherlich verdoppeln, wenn nicht sogar verdreifachen. Allerdings hat nach wie vor der Brinkhaus Exportbereich eine größere Bedeutung.
2016 werden wir in Frankfurt mit einem neuen Konzept und neuem Stand auftreten. Eventuell wieder mit allen Marken auf einem Stand.
Auch Köln war für uns sehr positiv. Wir haben dort extrem interessante Gespräche mit Key Accounts führen können, sodass in diesem Jahr viele neue Projekte anlaufen, die in der Branche für Aufsehen sorgen könnten. Aufgrund unserer Präsentation auf den Messen konnten wir mit einem Großkunden im Möbelbereich ein Pilotprojekt für Irisette und Irisette Premium vereinbaren, das alleine 18 Liegeflächen aufweisen wird, dazu Weichwaren und Bettwäsche. Es gibt die Option, das Projekt auf sämtliche Häuser dieses Partners auszurollen.
Meiner Meinung nach sollten sich in Köln alle Matratzen-Aussteller bemühen, die Frequenz in der Halle 9 dadurch zu steigern, dass man die Branche stärker konzentriert. Das habe ich auch in meiner Verbandsfunktion mit den Marktbegleitern so besprochen. Ziel ist es, im nächsten Jahr die entscheidenden Player der Branche in Halle 9 zusammenzufassen. Man hat ja gesehen, was in Halle 5 an Matratzen zu sehen war und was dort sonst noch untergebracht war. Das kann nicht die richtige Plattform für die Matratzenanbieter sein. Ich würde mich sehr freuen, wenn es uns gelänge, im nächsten Jahr eine hoch kompetente Halle 9 zusammenzustellen.
Haustex: Dann gab es noch die zwei ausländischen Messen.
Bußkamp: In Paris waren wir mit Brinkhaus präsent, ähnlich wie in Halle 11 in Frankfurt. Die Maison & Objet, auf der wir zum zweiten Mal ausstellten, war für uns sehr erfolgreich. Es ist interessant, dass sich die Besucher der imm und der Maison & Objet so sehr unterscheiden, obwohl doch beide sehr international ausgerichtete Messen sind. Paris scheint für Besucher aus UK, den USA und dem Nahen Osten attraktiver zu sein. Unser Kunde Harrods kommt definitiv immer nach Paris und nie nach Frankfurt oder Köln.
Für den lokalen Benelux-Markt war auch die Intirio sehr positiv. Wir merken, dass speziell in den Niederlanden das Geschäft wieder deutlich anzieht. Der Markt ist daher für Brinkhaus weiterhin sehr wichtig, aber auch für die gesamte Gruppe sehr positiv.
Jetzt geht es darum, die vielen Projekte umzusetzen und gemeinsam mit den Key Accounts mit Leben zu füllen. Der Druck wird somit nicht weniger, nimmt vielmehr zu. Hinzu kommt, dass der Januar, den wir schon recht ehrgeizig geplant hatten, mit zehn Prozent über Plan abschloss. Wir brauchen dringend neue Produktionskapazitäten - mal wieder.
Haustex: Die Messen verliefen für EuroComfort also gut.
Bußkamp: Ich würde sogar sagen sehr gut. Aber auch die weichen Faktoren stimmten. Unsere Irisette-Party in Frankfurt kam sehr gut an und fand regen Zulauf. Ich denke schon, dass man uns jetzt als Gruppe wahr nimmt und auf dem Zettel hat, wie es so schön heißt. Was sich in den letzten Jahren sicherlich ein Stück weit erst entwickeln musste, aber jetzt deutlich positiver ist. Wir knüpfen somit mit den Messen dort an, wo wir 2014 sehr erfolgreich geendet haben, denn das abgelaufene Jahr war für die gesamte EuroComfort Gruppe ein sehr erfolgreiches. Wir konnten unseren Umsatz in der Gruppe um 14,5 Prozent auf über 250 Millionen Euro steigern, und auch auf der Ertragsseite haben wir uns sehr erfreulich entwickelt. Wir haben ein Geschäftsjahr abgeschlossen, das alle Rekorde gebrochen hat.
Haustex: Das vergangene Jahr war durch ein weiteres Ereignis ein sehr besonderes: Sie konnten von der schwedischen Bonnier-Gruppe die Mehrheitsanteile an der EuroComfort Group erwerben. Was veranlasste Bonnier, ein offenbar profitables und expansives Unternehmen zu verkaufen?
Bußkamp: Bonnier hat als großer Konzern eine Vielzahl an Beteiligungen und Zeit seines Engagements bei Lück/EuroComfort nie einen Cent an Dividende aus dem Unternehmen gezogen. Man hat die Unternehmensgruppe als Wertanlage betrachtet, war stets auf Wertsteigerung aus und wollte nie wie zum Beispiel ein Finanzinvestor am operativen Ergebnis partizipieren. In Folge eines Generationswechsels in der Inhaber-Familie wurde das Firmenportfolio des Mischkonzerns vor geraumer Zeit analysiert und man kam zu dem Schluss, dass die Geschäfte der Euro Comfort Gruppe nicht mehr zu den Kernkompetenzen des Konzerns gehört. Die liegen einfach im Medien- und Verlagsbereich.
Daraufhin wurde bereits vor ein paar Jahren, wie das so üblich ist, ein Beratungs-Unternehmen mit dem Verkauf von EuroComfort beauftragt. Zahlreiche potentielle Finanzinvestoren interessierten sich für die Gruppe, aber leider kein strategischer Investor. EuroComfort hatte offenbar inzwischen eine Größe erreicht, dass niemand aus dem Markt die Größe oder die Mittel hatte, das Unternehmen zu akquirieren.
Aufgrund meiner Erfahrungen durch diverse Due-Dilligence-Verfahren hier im Hause bin ich schließlich bei Bonnier vorstellig geworden und habe dort eine Alternative zu einer möglichen Übernahme durch einen Finanzinvestor aufgezeigt. Die Interessen eines Finanzinvestors liegen einfach auf einer ganz anderen Ebene. Es gäbe dort wenig Verständnis für die strategische Weiterentwicklung des Unternehmens. Also bin ich den harten Weg gegangen und habe mit Hilfe von kundigen Partnern eine Finanzierung zur mehrheitlichen Übernahme der EuroComfort-Anteile auf die Beine gestellt. Das lief erstaunlich gut und ziemlich schnell. Unter anderem konnte ich die WGZ Bank und die NRW Bank als Finanzier gewinnen. Ich habe bewusst auf Großbanken verzichtet und mit lokalen Kreditinstituten zusammen gearbeitet. Letztlich gelang es mir auf diese Weise, im letzten Jahr insgesamt eine deutliche Mehrheit der Unternehmensanteile zu übernehmen, mit der Option auf 100 Prozent.
Haustex: Seit wann gibt es die EuroComfort Group?
Bußkamp: Gegründet haben wir die EuroComfort Gruppe 2007 als Holding-Struktur, mit der Bündelung sämtlicher Aktivitäten hier in Bocholt.
EuroComfort ist somit die Dachorganisation, unter der wir unsere Einzelmarken noch stärker nach vorne bringen und mehr akzentuieren werden. Bei der Größe, die wir mittlerweile erreicht haben, hat der eine oder andere Kunde doch Schwierigkeiten, sich mit der Struktur der gesamten Gruppe auseinanderzusetzen. Die meisten Kunden interessieren sich zielgerichtet für bestimmte Marken innerhalb der Gruppe. Bei nur ganz wenigen müssen wir die Vorteile der Gruppen-Größe überhaupt spielen.
Haustex: Kern der Gruppe war das Unternehmen Lück?
Bußkamp: Vor der Gründung der Euro Comfort Gruppe gab es Lück als Einzelfirma. Sie war 1995 durch die Bonnier-Gruppe erworben worden. Lück baute die ersten ausländischen Produktionsstandorte in Litauen und Polen und schließlich in China auf und aus Lück heraus kamen alle wesentlichen technologischen Entwicklungen, die wir für die Gruppe nutzen konnten.
Haustex: Wie kann man Lück charakterisieren?
Bußkamp: Im Ursprung war Lück ein Hersteller von Polsterkissen als Zulieferer der Polstermöbelindustrie und von Medical-Artikeln für Krankenhäuser und Pflegeheime. Groß geworden ist das Unternehmen durch die Entwicklung eines technischen Verfahrens zum Schneiden von kleinen Schaumstoff-Stäbchen aus ganzen Schaumstoff-Blöcken, vermarktet zum Beispiel unter der Marke Rhombo-fill. Es war sicherlich ein Teil des Erfolges, dass Lück diese Technik besaß und heute immer noch in einzigartiger Form besitzt. Bis heute versucht der Wettbewerb zu kopieren, wie wir diese Stäbchen aus den großen Blöcken produzieren. Weiterhin sind wir der Einzige, der diese Vielfalt von Qualitäten direkt aus den großen Blöcken produzieren kann. Alle anderen benötigen dazu Zwischenschritte und können auch nur bestimmte Qualitäten produzieren.
Lange Zeit, bis Anfang der 90-er Jahre, ging es Lück sehr gut mit dieser Technik. Viele der Normen in der Möbelbranche, die teilweise heute noch gültig sind, wurden damals von Lück definiert. Aber die Zeiten verändern sich. Das Bewusstsein für die Qualität und die enorme Langlebigkeit der Lück-Produkte wurde mehr und mehr vom Preiskampf innerhalb der Branche verdrängt. Außerdem hatte der Firmengründer keinen Nachfolger, sodass das Unternehmen 1995 an Bonnier verkauft wurde.
Die Schweden hatten damals eigene Schaumfabriken, und es gab dort einige Technik-affine Mitarbeiter, welche die Produktideen und das Potenzial von Lück erkannten. Als man wenig später erfahren musste, dass es um das Unternehmen noch schlechter stand als versprochen, tauschte Bonnier das Management aus und sprach mich an, ob ich neuer Geschäftsführer werden wollte. Ich war damals bei Lück Prokurist, um die 30 Jahre, hatte keine Angst vor der neuen Aufgabe und sagte zu.
Haustex: Wie kamen Sie zu Lück?
Bußkamp: Von Haus aus bin ich Maschinenbau-Ingenieur, mit der Fachrichtung Konstruktionstechnik. Den technischen Vorsprung erreichte Lück nämlich unter anderem durch seine eigene Maschinenbau-Abteilung zur Konstruktion der Produktionsmaschinen. Ich begann 1991 nach dem Studium als Assistent des Konstruktions- und Betriebsleiters. Meine ersten Aktivitäten bei Lück waren die Konstruktion von Maschinen.
Haustex: Welche Maßnahmen ergriffen Sie als neuer Geschäftsführer, um das Unternehmen zu sanieren?
Bußkamp: Ich habe unter anderem den internen Prozess umgekehrt. Statt zuerst eine Maschine für ein spezielles Produkt zu entwickeln, und danach zu sehen, wer das daraus entstehende Produkt brauchen könnte, haben wir erst einmal geschaut, welche zusätzlichen Produkte wir mit den vorhandenen Maschinen herstellen könnten. Wir haben neue Qualitätsniveaus entwickelt und neue Kunden dazu gewonnen, unter anderem Aldi und Ikea als Key Accounts. Wir haben die Kostenstruktur durch die Verlagerung von Produktion nach Litauen verbessert. Alles also logische Schritte, um die Kostenstruktur zu verbessern.
Wir haben uns beispielsweise das Sortiment von Ikea angesehen und überlegt, was wir davon günstiger produzieren können. Den ersten Auftrag, den wir so bekommen haben, war das Zierkissen Granat. Heute heißt es zwar anders, aber wir liefern es immer noch. Wir haben den Auftrag gegen einen Mitbewerber aus Asien erhalten.
Haustex: Wie ist Ihnen das gelungen?
Bußkamp: Heute kann ein Unternehmen in unserer Branche eigentlich nur Geld verdienen, wenn es die gesamte Produktionskette von den Garnen und Geweben über die Konfektionsstufen bis hin zur Verpackung und der Logistik zum POS selbst abbildet. Wenn man nur Zwischenstufen der textilen Kette abbildet, ist man in einer sehr starken Wettbewerbs- und Konkurrenzsituation, die es unter heutigen Bedingungen schwierig macht, ein Geschäft aufzubauen.
Wir verfügen in der Gruppe mit unseren neun Produktionsstandorten über eine dezentrale Produktions- und Logistiklösung, eine zentrale Organisation und dann wieder einen Vertrieb, der sich über die Zentrale aller dieser Möglichkeiten bedienen kann. Wir schaffen es, differenziert auf verschiedene Standorte und in einer sehr hohen Flexibilität, ein sehr breites Produktspektrum herzustellen. Für ein Stück in Manufaktur und in jedem Matratzenmaß nutzen wir die gleichen Ressourcen, als wenn wir Hunderttausende für einen Key Account herstellen. Und das in einer hohen Zuverlässigkeit und schnell hinzubekommen sorgt dafür, dass die Leute bei uns gerne kaufen wollen.
Haustex: Was bezeichnen Sie als schnell?
Bußkamp: Wenn wir bei Matratzen über Standardgrößen reden, können wir innerhalb von ein bis zwei Wochen ausliefern. Bei einer Sonderanfertigung, also einem vom Endkunden festgelegtem Maß, reden wir etwa über drei bis vier Wochen. Bei Boxspringbetten haben wir 20 Werktage Lieferzeit für jede Kundenkommission, einschließlich Aufbau beim Endkunden. Wir beweisen permanent, dass das geht.
Der Zeitraum, innerhalb dessen die Ware für den Endverbraucher verfügbar ist, wird immer wichtiger: Wer online kauft, möchte die Ware möglichst schnell haben. Entsprechend steigt auch der Anspruch an die Lieferbarkeit im stationären Geschäft. Zum Teil leisten wir darum sogar same-day-delivery. Allerdings ohne einen großen Lagerbestand vorzuhalten. Dann kann jeder schnell liefern, geht aber ein hohes finanzielles Risiko ein.
Haustex: Zurück zu Lück. Wie entwickelte sich das Unternehmen unter der Kombination Bonnier/Bußkamp weiter?
Bußkamp: Zum Zeitpunkt der Übernahme durch Bonnier machte Lück einen Umsatz von 14 Millionen Euro beziehungsweise 29 Millionen D-Mark. Das war die Ausgangssituation. Danach ging es im Umsatz stetig nach oben, bis hin zu den 250 Millionen Euro im letzten Jahr innerhalb der gesamten Gruppe.
Wir hatten das Glück, dass Bonnier ein strategischer Investor mit einer Inhaber-Familie an der Spitze war, kein Finanzinvestor. Beide Seiten fanden schnell Vertrauen zueinander, sodass ich das Unternehmen unter ihrer wohlwollenden Aufsicht weiter entwickeln konnte.
Haustex: Sie mussten natürlich auch einige Dinge aufbrechen, auch geliebte Gewohnheiten.
Bußkamp: Ja, viele geliebte Dinge. Ich war schon während der Schulzeit und während meines Studiums verkäuferisch aktiv. Ich konnte mich schon immer gut in Kunden und ihre Wünsche und Bedürfnisse hineindenken, was mir bei Lück dann zugute kam. Wir denken strategisch auf allen Prozessebenen bis zum Endverbraucher.
So sind bei uns viele Dinge entstanden, beispielsweise das Irisette-Quartett bei Badenia. Wenn Markenprodukte einen einheitlichen Auftritt haben, ist eine Bündelung der Vertriebsaktivitäten doch sinnvoll, auch wenn sie aus verschiedenen Quellen stammen. Dass sich das Konzept dann so gut entwickeln würde, war damals allerdings nicht abzusehen. Badenia machte mit Irisette damals einen Umsatz von drei Millionen Euro, heute erzielen wir das Zehnfache mit der Lizenzmarke.
Andere haben danach versucht, es uns nachzumachen. Aber was uns unterscheidet, ist die Konsequenz in der Umsetzung. Es ist natürlich auch nicht so, dass alle Projekte immer erfolgreich waren. Aber die meisten waren es.
Haustex: Vor der Bildung des damaligen Irisette-Quartetts musste allerdings erst einmal Badenia erworben werden. Wie kam Lück zu dem Unternehmen?
Bußkamp: Alles im allem wuchs Lück in jedem Jahr durch den starken Ausbau der Key Accounts prozentual zweistellig. Das Unternehmen hatte dennoch zwei Probleme: zu wenig Kapazitäten und es fehlte der Zugang zum Fachhandel. Als Badenia in finanzielle Turbulenzen geriet und einen Käufer suchte, bot sich 2004 für uns die Möglichkeit, diese Probleme mit einem Schlag zu lösen. Denn Badenia war im Handel vollumfänglich tätig, unter anderem als Lizenznehmer von Irisette im Bettwaren-Bereich. Außerdem verfügte es über Produktionskapazitäten, die Badenia alleine bei weitem nicht auslasten konnte.
Haustex: Reichte es ihnen nicht, als Zulieferer ohne Marke am Markt zu agieren?
Bußkamp: Auch ohne die Akquisition von Badenia würde es Lück heute wahrscheinlich geben und wir würden auch ein ganz gutes Geschäft machen. Wenn auch nicht in dem Umfang wie heute. Die Übernahme von Badenia hat mich als Aufgabe und Herausforderung gereizt. Wir hatten damals wenig Wissen um die Bedeutung einer Marke und um andere Märkte, standen fast ein wenig ehrfurchtsvoll vor den Themen Irisette und Fachhandel.
Badenia gehörte zuvor einem Finanzinvestor und war in einem schlechten Zustand. Damals habe ich sehr anschaulich erlebt, was ein Finanzinvestor mit einem sehr erfolgreichen Unternehmen in wenigen Jahren anrichten konnte. Innerhalb von sechs Jahren ist es denen gelungen, aus einem höchst profitablen Unternehmen eine Firma zu machen, die kurz vor dem Exitus stand. Diese Erfahrung hat mich bis heute geprägt.
Haustex: Bonnier hat sich allerdings auf Grund der Erfahrungen bei Lück nicht davon abhalten lassen, bei Badenia erneut das Risiko einer Firmenübernahme einzugehen?
Bußkamp: Die Übernahme von Badenia war mein Projekt, und mein damaliger Mentor bei Bonnier hat mich beim Notartermin noch einmal kurz zur Seite genommen und mich gefragt, ob ich die Übernahme wirklich möchte. Als ich das bejahte, hat Bonnier den Deal klar gemacht. Letztlich basierte die Entscheidung bei Bonnier nur auf dem Vertrauen in meine Person, sonst nichts. Wir hatten nicht einmal eine Marktanalyse gemacht. Wir kannten zwar die Zahlen, aber was viel wichtiger war: Wir haben nach vorne gesehen und Pläne für die Zukunft geschmiedet. Letztlich war es eine relativ simple Überlegung: Allein durch die bessere Nutzung der Kapazitäten konnten wir das Unternehmen, das bislang schlecht ausgelastet war, praktisch von einem auf den anderen Tag wieder profitabel machen.
Haustex: Wie entwickelt sich die Marke Irisette insgesamt am Markt?
Bußkamp: Ich kann da natürlich nur für uns sprechen. Aber auch Schultz Schlafkultur als Partner bei den Unterfederungen hat sich auf verschiedenen Ebenen sehr gut entwickelt. Dort hat man die Kooperation ernst genommen und Vertrauen zu uns gezeigt.
Haustex: Zweite wichtige Akquisition war Brinkhaus. Was war Ihre Motivation, dieses Unternehmen zu übernehmen?
Bußkamp: Es hatte schon früher Bemühungen gegeben, sich mit dem Thema Brinkhaus auseinander zu setzen, jedoch ohne Erfolg. Im Insolvenzverfahren ergab sich dann die Möglichkeit, sich mit dem Insolvenzverwalter als dritter Partei ernsthaft unterhalten zu können. Unser Ziel war es, grundsätzlich den Zugang zum Daunen- und Federnsegment zu erhalten, in Verbindung mit einer interessanten Produktionsstätte. Brinkhaus war und ist eine interessante Marke, außerdem bekamen wir mit der Übernahme 2011 weitere Kapazitäten dazu.
Haustex: Brinkhaus bildete also eine gute Ergänzung zum früheren Faser-Spezialisten Badenia im Bettwaren-Bereich. Heute bieten beide Unternehmen aber auch Matratzen an.
Bußkamp: Lück hatte im Bereich Private Label und im Medical-Sektor für bestimmte Kunden schon immer Matratzen produziert. Außerdem waren wir jahrelang Zulieferer von konfektionierten Bezügen für namhafte Matratzen-Produzenten. Wir haben aufgrund unserer Aktivität im Medicalbereich beispielsweise schon mit elastischen Bezügen bei der Matratze gearbeitet, als in der Branche noch niemand daran gedacht hat. Da lag es nahe, bei Badenia und Brinkhaus auch Matratzen zur Abrundung des Sortimentes aufzunehmen.
Die Marken ergänzen sich aber nicht nur im Sortiment, sie passen auch in der Marktpositionierung gut zueinander. Brinkhaus ist oberhalb von Badenia und Irisette positioniert.
Unser Ziel ist es, die Marke Brinkhaus insbesondere im deutschen Markt wieder zur alten Stärke zurückzuführen. Das geht nicht von heute auf morgen, aber inzwischen nimmt der deutsche Fachhandel Brinkhaus wieder richtig wahr und erkennt, dass es nicht unbedingt nachteilig sein muss, mit einem großen Lieferanten zusammen zu arbeiten. In unserem Fall bringt es den Partnern große Vorteile. Wir sind nämlich in der Lage, eine sehr hohe Sicherheit und Zuverlässigkeit zu bieten. Das beweisen wir zwangsläufig tagtäglich in der Zusammenarbeit mit unseren Großkunden, die sehr hohe Anforderungen an uns stellen, die im Fachhandel in diesem Umfang eher unüblich sind.
Haustex: Welche Rolle spielt das französische Unternehmen Abeil für die Unternehmensgruppe?
Bußkamp: Zum einen konnten wir 2011 auch mit der Übernahme von Abeil weitere Produktionskapazitäten dazu gewinnen. Die Fabrik war vor dem Wechsel zu EuroComfort völlig überdimensioniert. Aber in erster Linie reden wir bei Abeil über den Zugang zum französischen Markt. Die Identifikation mit heimischen Anbietern ist in Frankreich recht stark ausgeprägt und mit Abeil können wir seitdem Made in France anbieten.
Wir haben jetzt innerhalb der Gruppe eine Struktur, in der sich Einzelunternehmen und ihre Produkte gut ergänzen: nach der Zielgruppe, nach Qualität, Kundenstrukturen. Aber immer aus einem großen Baukasten heraus, der es uns ermöglicht, die Produkte zu guten Konditionen anbieten zu können.
Haustex: Inwiefern kann sich der Geschäftsführer Bußkamp noch in seiner Funktion als Ingenieur ins Unternehmen einbringen?
Bußkamp: Natürlich bin ich heute eher bei den strategischen Projekten dabei, auch wenn es um die großen Key Accounts geht. Ich kümmere mich dann noch um die weitere Entwicklung des Unternehmens, räumliche Entwicklung, Akquisen, neue Standorte, also alles, was zukunftsweisend ist. Aber mitunter gebe ich auch noch technologischen Input.
Haustex: Sie sehen diesen Input aber offenbar nicht als primäre Aufgabe innerhalb der Gruppe.
Bußkamp: Ich habe schon mehr als einmal gemerkt, dass das Unternehmen so groß ist, dass ich nicht mehr überall permanent präsent sein kann. Ich sehe meine Aufgabe eher darin, bei den Mitarbeitern innovative Anreize zu setzen, das Zünglein an der Waage zu sein und den letzten Schub zu geben, sodass die Projekte in die richtige Richtung laufen. Die Kollegen auf der Geschäftsführungsebene sind gute Mitstreiter, sodass wir zusammen gute Entscheidungen finden. Natürlich ist es auch eine Frage der Selbstdisziplin, ob man sich noch überall einmischt oder nicht. Auch hier ist das Thema Vertrauen sehr wichtig, denn als Unternehmer muss man lernen, den Mitarbeitern zu vertrauen und auch mal zuzulassen, dass ein Projekt schief geht. Das ist sicherlich eine meiner schwierigsten Aufgaben, aber ich glaube, ich bin in dieser Hinsicht auf einem guten Weg.
Haustex: Warum haben Sie Ihren 2014 vollzogenen Erwerb der Anteilsmehrheit erst auf der Möbelmesse bekannt gegeben?
Bußkamp: Wir wollten die Veränderungen erst einmal umsetzen und beweisen, dass wir es können. Wir haben mit einem Geschäftsjahr abgeschlossen, dass alle Rekorde gebrochen hat, und in dem die ganzen Extrakosten, die mit so einer Übernahme verbunden sind, keine große Rolle gespielt haben, sodass wir das Vorjahresergebnis trotzdem überbieten konnten. Wir haben somit bewiesen, dass wir auch in der neuen Konstellation in der Lage sind, die Kundenwünsche in der gewohnten Art und Weise zu bedienen.
Haustex: Warum denn auch nicht? In den Betriebsabläufen hat sich doch nichts verändert.
Bußkamp: Das nicht, aber ein MBO muss auch, wenn man wie ich nicht mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde, finanziert werden. Dies umso mehr, wenn man wie wir mit 14,5 Prozent im Umsatz stärker als budgetiert wächst. Auch dieses Wachstum will finanziert werden.
Haustex: Solche Wachstumsschübe kann man allerdings nicht immer voraussetzen.
Bußkamp: Das ist richtig, entsprechend konservativ ist auch der Business-Plan zur Übernahme der EuroComfort-Gruppe gestaltet. Das Ganze funktioniert natürlich nicht, indem ich jetzt nur noch auf dem Golfplatz bin. Aber das wird so schnell nicht passieren. Ich werde in diesem Jahr 50 und habe mir vorgenommen, noch zehn Jahre unter Volldampf zu fahren, und dann werde ich versuchen, mein Berufs- und Unternehmerleben etwas anders zu strukturieren. Ich bin nicht derjenige, der noch mit 80 Jahren im Unternehmen stehen und dort eines Tages umfallen möchte.
Ich denke, dass die gefundene Nachfolger-Regelung für die Mitarbeiter die allerbeste Lösung ist, die sie bekommen konnten. Wir werden strategisch weiter wachsen und haben genügend liquide Mittel, um noch die eine oder andere Unternehmensakquise zu vollziehen. Intern wachsen wir erst einmal weiter und investieren alleine in diesem Jahr rund zehn Millionen Euro in neue Fabriken und in zusätzliche Kapazitäten. Natürlich spielt uns das aktuell niedrige Zinsniveau bei all dem in die Karten. Generell möchten wir mit unseren Kunden neue Strategien und Modelle entwickeln, die für nachhaltiges Wachstum sorgen. Es ist das erklärte Ziel, dass dieses Unternehmen auch ohne Thomas Bußkamp funktionieren kann. Und in großen Teilen funktioniert das schon.
Haustex: Das fällt angesichts Ihrer Person und Ihrer Rolle im Unternehmen doch etwas schwer zu glauben.
Bußkamp: Es steht sicherlich auf einem anderen Blatt, ob wir dann noch dieses Wachstum hätten. Ich glaube schon, dass ich Garant dafür bin, dass neue Dinge etabliert werden und sich weiter entwickeln. Aber von der aktuellen Marktposition könnte das Unternehmen auch ohne mich einige Jahre lang ganz gut leben. Man wird der Marke Irisette zum Beispiel nicht mehr ihre Marktbedeutung nehmen können. Die Hauptarbeit ist getan und das Unternehmen besteht aus einem funktionierenden Kern, der einen Ertrag generiert, mit dem wir neue Dinge machen können.
Ich habe im Übrigen die gleiche Einstellung wie meine schwedischen Kollegen und möchte nicht davon leben, dass ich eine Dividende aus dem Unternehmen ziehe. Ich lasse das Geld in der Firma, investiere eher noch zusätzlich in Strategien und möchte den Wert des Unternehmens weiter steigern. Ich bin mit meinem Leben, so wie es ist, zufrieden. Für mich ist es wichtig, dass dieses Unternehmen langfristig eine gute Perspektive hat. Irgendwann mal soll es dann in gute Hände kommen, die dieses Unternehmen fortführen.
aus
Haustex 03/15
(Wirtschaft)