Imm Cologne
Sleep-Halle: Ist die Luft raus?
Köln. Das Sleep-Segment der imm Cologne wurde auch in diesem Jahr wieder auf zwei Hallen verteilt. Dabei machte sich das Fehlen einiger namhafter Aussteller durchaus bemerkbar: In Handel und Industrie gab es Enttäuschung ob des ausgedünnten Angebots, manche sprachen trotz guter Geschäfte von einer bedenklichen Entwicklung. Gleichwohl gab es viele zufriedene Gesichter, auch bei Messegesellschaft und Matratzenverband.
Im Vorfeld des Kölner Messedoppels imm Cologne und Living Kitchen und selbst noch zur Halbzeit zeigte sich die Kölnmesse zuversichtlich, die angepeilte Zahl von 150.000 Besuchern erreichen zu können. Letzten Endes wurden es dann doch nur 146.000, was im Vergleich zur Veranstaltung vor zwei Jahren aber dennoch eine Steigerung von rund 4.000 registrierten Besuchern bedeutet. Zieht man die Besucher während der Endverbraucher-Tage ab, so bleiben in diesem Jahr 102.000 Fachbesucher, nach 99.000 im Jahr 2013. Das dürfte für die Aussteller die interessantere Zahl und somit die härtere Währung sein.
56.000 Fachbesucher kamen aus Deutschland, 46.000 aus dem Ausland, etwa 13 Prozent mehr als vor zwei Jahren. Die Internationalität der beiden Messen konnte somit bei einem Auslandsanteil von 45 Prozent weiter gesteigert werden. Das bedeutet allerdings im Umkehrschluss, dass in diesem Jahr weniger inländische Fachbesucher die Tore der Messe passiert haben, schätzungsweise rund 1.000. "Mit diesem Ergebnis haben die beiden Kölner Veranstaltungen weiter an internationaler Strahlkraft gewonnen und sind damit außer Frage sowohl für den inländischen als auch für den internationalen Markt die wichtigste Plattform", stellt Gerald Böse, Vorsitzender der Geschäftsführung der Kölnmesse jedoch unverdrossen fest.
Ging die Messe vor zwei Jahren noch recht detailliert auf die Aussteller-Struktur ein und meldete einen deutlichen Zuwachs an Teilnehmern, so wird im diesjährigen Abschlussbericht der Messe auf diesen Aspekt erstaunlicherweise nicht eingegangen. Lediglich im Vorbericht der Messe wurde kurz summarisch festgestellt, dass rund 1.300 Aussteller in diesem Jahr teilnehmen würden. Das entspräche in etwa der Zahl von 2013.
Egal ob mit Küchen-Ausstellern oder ohne, für die Matratzen-Branche, die deutschsprachige zumal, ist die Möbelmesse jedes Jahr eigentlich ein wichtiger Termin. Vergleicht man jedoch die Namen der Aussteller in diesem Jahr mit den Firmen, die noch in den ersten Jahren der Halle 9 als Sleep-Halle an der Möbelmesse teilnahmen, können einem allerdings Zweifel kommen. Dass seit Längerem wichtige Player wie Lattoflex oder Röwa fehlen, daran hat man sich inzwischen gewöhnt, obwohl Röwa-Geschäftsführer Manfred Greiner mit Selecta-Matratzen Mitglied des Matratzenverbandes und er selbst Vorstandsvorsitzender des Verbandes ist. In diesem Jahr fehlten mit Fey Matratzen, Recticel und Akva Waterbeds allerdings drei weitere Verbandsmitglieder. Und Bast, seit diesem Jahr Neumitglied im Matratzenverband, hatte sich auch dazu entschlossen, der Möbelmesse 2015 fernzubleiben. Stendebach und Auping, wenn auch keine Verbandsmitglieder, fehlten in diesem Jahr ebenfalls.
Theoretisch wäre also Platz genug gewesen, um die für den hiesigen Markt wichtige Firma Tempur wieder in Halle 9 zu holen - schließlich auch Mitglied des Matratzenverbandes. Statt dessen war dieser Anbieter wie schon im letzen Jahr in Halle 5 zu finden. Nicht wenige Besucher zeigten sich auf der Messe darüber erstaunt. Für sie gehört das Unternehmen aus Steinhagen einfach in die angestammte Sleep-Halle. An wem es lag, dass Tempur die Rolle des Leuchtturms und Frequenzbringers für Halle 5 spielte/spielen musste, ist nicht ganz klar. Die Messe sagt, sie hätte Tempur gerne in der angestammten Sleep-Halle gesehen, Tempur bewertet das etwas anders.
Für den klassischen Bettenfachhandel bot die Hallen 9 im Ergebnis jedenfalls ein sehr überschaubares Angebot an Ausstellern: Die EuroComfort-Gruppe mit Brinkhaus an der Spitze, DOC aus der Schweiz, Dormiente als Spezialanbieter von Naturlatex-Matratzen, Ekornes, Froli, die Nobelmarken von Hilding Anders, LS Bedding aus Belgien, Metzeler, Rummel, Technogel, Veldeman, um die Firmen mit einer umfassenderen Marktbedeutung zu nennen.
Und wegen Tempur musste man sich dann noch in Halle 5 aufmachen, die darüber hinaus nicht mehr viele Firmen von Bedeutung beherbergte. Für nicht unerheblichen Wirbel sorgte dort noch ein chinesischer Anbieter mit seiner pseudo-italienischen Marke De Rucci, die mit einer Riesen-Party zur Eröffnung des Kölner Flagshipstores ein großes Fass aufmachte. Unter anderem gab sich dort Film-Diva Sophia Loren die Ehre. Großformatige Deckenhänger sorgten auf dem Messegeländer für zusätzliche Aufmerksamkeit. Es bleibt abzuwarten, ob dieser Anbieter bei der Erschließung des deutschsprachigen und europäischen Marktes einen langen Atem beweist.
Gesprächspartner aus dem Handel zeigten sich angesichts des ausgedünnten Aussteller-Angebots entsprechend enttäuscht. Aber auch die verbliebenen Aussteller selbst waren mit der Gesamtsituation unzufrieden und sprachen von einer bedenklichen Entwicklung im Sleep-Segment. Sie hätten sich im Interesse einer attraktiven Messe den einen oder anderen zusätzlichen Mitbewerber in Köln gewünscht.
Allerdings: Ganz überraschend kam diese Situation nicht. Schon kurz nach der letztjährigen Messe gab es, auch bei den Mitgliedern des Matratzen-Verbandes, durchaus Diskussionen darüber, ob es wirklich angebracht ist, jedes Jahr in Köln auszustellen. Bei der Matratze gilt das Gleiche wie bei den Bettwaren auf der Heimtextil: Man kann und muss wahrscheinlich nicht jedes Jahr versuchen, das Rad neu zu erfinden und Innovationen vorzustellen. Bis sich eine Messeneuheit wirklich im Markt durchgesetzt hat und die Verkaufsberater im Handel sich an das neue Produkt gewöhnt haben, dauert es locker zwei Jahre. Deswegen hat sich Fey dazu entschlossen, in diesem Jahr auf die Möbelmesse zu verzichten. Dem Vernehmen nach plant man jährlich alternierend mit Dunlopillo den Stand zu teilen.
Auch der Reticel-Konzern hatte schon letztes Jahr angekündigt, künftig nur noch alle zwei Jahre in Köln auszustellen. Und Georg Lörz, als General Manager des Konzerns verantwortlich für die Märkte Schweiz und Deutschland, hat als Besucher der diesjährigen Messe gegenüber der Haustex versprochen, dass man nächstes Jahr tatsächlich wieder in Köln ausstellen wolle. Es hat andererseits schon andere Unternehmen gegeben, die einen Zweijahres-Rhythmus angepeilt hatten und dann doch dauerhaft weggeblieben sind.
Dr. Ulrich Leifeld, Geschäftsführer des Fachverbandes Matratzen-Industrie, ist die Entwicklung der Messe natürlich auch nicht verborgen geblieben. Aber als Verbandsgeschäftsführer kann er seinen Mitgliedern auch nur Empfehlungen geben. Die Entscheidung pro oder contra Möbelmesse treffen Inhaber oder Geschäftsführer der jeweiligen Firmen. Leifeld zeigt sich nach eigenen Worten dennoch sehr zufrieden mit der Halle 9: "Wir wollen Qualität bieten. Mein Anspruch ist eine gute und volle Halle 9, in der die anspruchsvollen und zuverlässigen Aussteller vertreten sind. Da gehört Tempur für mich dazu", räumt er jedoch im Gespräch mit der Haustex ein. "In die Halle 9 gehören die Mitglieder des Verbandes, relevante Player am Markt und Firmen, die jahrelange Treue zeigen und sich rechtzeitig anmelden. Späte Absagen machen die Halle kaputt."
Definitiv Schnee von gestern sind die Bestrebungen der Möbelmesse, die Halle zu einer Plattform für Sortimente rund um das Schlafen zu machen, beispielsweise erweitert um Spezialisten für Bettwäsche und Bettwaren. Ja, Frankenstolz fährt in Köln sein gesamtes Sortiment von Matratzen und Bettwaren auf, aber das war es dann schon fast. EuroComfort zeigt auch Bettwaren in Köln, aber Matratzen und Schlafsysteme stehen auch dort ganz klar im Zentrum des Besucher-Interesses. Es hat außerdem für ein paar Jahre die Bettwaren-Firma Sanders in Köln gegeben, auch Wülfing war mal da. Beide sind aber auf Dauer in Köln nicht glücklich geworden. In diesem Jahr fehlte nun auch Kneer mit seinen Spannbettüchern und es gibt Signale von weiteren Teilnehmern, dass es das für sie in Köln nun auch gewesen sei.
Die Dauer der Messe über sieben Tage ist sicherlich mit ein Grund für den einen oder anderen Ex-Aussteller, seine Teilnahme in Köln zu beenden. Abgesehen davon, dass Köln auf diese Weise natürlich mehr Standmiete kassieren kann, als wenn die imm nur fünf oder wie in Frankfurt gar nur vier Tage dauerte, versteht von den Ausstellern in den Sleep-Hallen niemand so richtig die Motivation dazu. Am Donnerstagabend, spätestens aber Freitagmittag ist für sie die Messe im wahrsten Sinne gelesen. Wer bis dahin nicht seine wichtigen Kunden auf dem Stand hatte, hat definitiv ein Problem. Denn die letzten drei Tage sind die so genannten Publikumstage, an denen die Endverbraucher auf die Messe kommen, auf der Suche nach Messeschnäppchen und Kugelschreibern. Offiziell findet zwar kein Verkauf an Endverbraucher statt, aber... Das Ende vom Lied in den Sleep-Hallen ist, dass die Entscheidungsträger nach Hause fahren und die Außendienstler Standwache halten dürfen. Fachlich bringen die letzten drei Tage so gut wie nichts.
Über die Zahl der Fachbesucher in den Sleep-Hallen im Vergleich zum Vorjahr soll an dieser Stelle nur so viel gesagt werden: die einen sagen so, die anderen so. Die Meisten waren zumindest auf ihrem Stand mit den Kontaktgesprächen zufrieden. Ob nun insgesamt mehr oder weniger gekommen sind, ist dann eher zweitrangig.
Zufall oder nicht: Der Dienstag war ein starker Tag. Das kann, muss aber nicht mit der inzwischen traditionellen Branchen-Party meet@sleep am Abend des Dienstag zusammen hängen. Es war allerdings auffallend, dass ausgerechnet an diesem Tag zahlreiche führende Köpfe der Branche die Messe besuchten, die nicht als Aussteller zugegen waren. Die Party bietet einfach eine prima Gelegenheit, mit Kollegen, Kunden und Mitbewerbern locker und unverbindlich bei einem Glas Kölsch oder Wein die Situation der Branche zu diskutieren. Inzwischen scheinen allerdings auch andere Messe-Aussteller oder -Besucher mitbekommen zu haben, dass am Dienstagabend in Halle 9 partymäßig die Post abgeht. Jedenfalls waren die Sleep-Lounge und die angrenzenden Gänge teilweise berstend voll. So voll, dass man Schwierigkeiten hatte, seine Gesprächspartner zu finden. Es wäre schön, wenn Messe und Matratzen-Verband ein Lösung fänden, die die Party wieder zurück zu den Wurzeln führen könnte.
Vom Produkt setzte sich in diesem Jahr der Trend des letzten Jahres fort: Boxspring-Betten allerorten. Deren Marktanteil hat zwar in den letzten Jahren deutlich gewonnen, Experten sprechen von 20 Prozent oder mehr. Auf der anderen Seite ergeben sich daraus Marktanteile von bis zu 80 Prozent für alternative Bett- und Schlafsysteme. Angesichts dieser Anteile sind die Boxspring-Systeme in Köln überrepräsentiert.
Wenn man genauer hinsah, konnte der Besucher aber auch andere Produkte entdecken: Schaummatratzen sowieso, die im Handel nach wie vor den größten Teil zum Umsatzkuchen beisteuern. Aber ein Matratzen-Produzent, der etwas auf sich hält, bietet auch vermehrt wieder hochwertige Federkern-Matratzen an, praktisch im Windschatten der Boxspring-Technologie, die klassischerweise auf der Federkern-Technologie basiert. Und es gibt zarte Pflänzchen im Bereich der Latex-Matratzen zu entdecken. Man kann über Stiftung Warentest und Ihre Zeitschrift Test sagen, was man will, aber es ist nicht zu bezweifeln, dass sie einen großen Einfluss auf das Kaufverhalten der Endverbraucher hat. Ein Artikel über Latex-Matratzen im vergangenen Jahr in der Test-Zeitschrift hat nach Auskunft einiger Aussteller offenbar bewirkt, dass im Handel dieses Matratzen-Material wieder stärker nachgefragt wird. Zumindest begründen Produzenten von neuen Latex-Matratzen ihren Entschluss mit der Veröffentlichung dieses Artikels.
Gut gemachte Latex-Matratzen, zumal aus Naturlatex, sind ja auch ein bewährtes Produkt mit sehr guten Liege- und Gebrauchseigenschaften. Allerdings darf man als Produzent nicht den Fehler machen, simpel die Rezeptur aus den 90er Jahren aus der Schublade zu ziehen und das Produkt von damals stumpf wiederzubeleben, wie auch auf der Messe zu erleben war. So einfach ist es angesichts veränderter Liegegewohnheiten nämlich nicht. Die Ansprüche an Komfort und Elastizität haben sich weiter entwickelt und man darf sich darum nicht wundern, wenn das bewährte Produkt von früher dann in der Gunst der Kunden durchfällt.
Werfen wir noch einen spekulativen Blick ins nächste Jahr, zur nächsten Möbelmesse. Fest steht, dass Hilding Anders auch 2016 wieder mit von der Partie ist. "Für uns ist die imm das Schaufenster zum europäischen Bettenmarkt, deshalb haben wir bereits den Messestand für 2016 gebucht", erklärt Daniel Oelker, Senior Vice President Communication von Hilding Anders. Das schwedische Unternehmen hatte sich den früheren Stand von Recticel gesichert und wird ihn so leicht nicht wieder hergeben wollen. Aber auch Recticel möchte, Stand heute, im kommenden Jahr wieder ausstellen. Und dann ist da noch Tempur, das nach dem Willen Leifelds und eigentlich der gesamten Branche auch in Halle 9 gehört. Eine Option wäre also zu versuchen, alle wichtigen Firmen der Kategorie A und Mitglieder des Matratzen-Verbandes in Halle 9 zu konzentrieren und Halle 5 einfach Halle 5 sein zu lassen, für Firmen der Kategorie B fortfolgende. Das wäre sicherlich auch im Sinne der Messebesucher, ist aber nicht leicht zu bewerkstelligen.
Die andere Option: Das gleiche Spiel wie 2014, mit den Big-Playern Tempur und Recticel in Halle 5. Mit der Folge längerer Messe-Wege für die Besucher und einer zersplitterten Besucherfrequenz. Das wäre allenfalls die zweitbeste Lösung. Die Strategie-Diskussionen haben hinter den Kulissen bereits begonnen.
aus
Haustex 03/15
(Wirtschaft)