Interview mit Bettina Haffelder, Vertriebsleiterin Deutschland bei Nora Systems

Hohe Ansprüche, viel Potenzial


Für Nora Systems gehört das Bildungswesen zu den Kernsegmenten. Bettina Haffelder, bei dem Hersteller von Kautschukbodenbelägen Vertriebsleiterin für Deutschland, bezeichnet in diesem Markt Qualität, Ökologie, Wirtschaftlichkeit und Design als die zentralen Anforderungen. Vor allem bei Kitas und Schulen gebe es großes Wachstumspotenzial.

BTH Heimtex: Auf wie viel Quadratmeter Bodenbeläge schätzen Sie das Segment Bildungswesen?

Bettina Haffelder: In Deutschland gibt es aktuell ca. 34.000 allgemeinbildende Schulen und Berufsschulen, mehr als 400 Hochschulen sowie etwa 52.000 Kindertagesstätten. Der Bereich Bildungswesen hat bei Nora Systems einen zentralen Stellenwert. Gemessen an der von uns insgesamt verkauften Quadratmeterzahl macht das Segment einen Anteil von 30 % aus. Dabei liegt in Deutschland der Anteil der Renovierungen und Sanierungen deutlich über dem des Neubauvolumens.

BTH Heimtex: Es heißt immer, aufgrund der Bevölkerungswanderung sei der Bedarf an Bildungseinrichtungen in städtischen Regionen höher als in ländlichen Gebieten. Können Sie das bestätigen?

Haffelder: Wie hoch die Anzahl von Neubauten oder Sanierungen ist, hängt von vielen Parametern ab. Entscheidend sind hier neben der Bevölkerungsentwicklung je nach Stadt oder Landkreis auch die finanzielle Ausstattung einer Gemeinde bzw. die Anzahl privater Träger und der Einfluss der Politik vor Ort. Aber ja, wir stellen eine Tendenz in Richtung Großstadt fest; kleinere Schulen in ländlichen Gebieten werden geschlossen bzw. zusammengelegt. In Ballungszentren werden hingegen mehr Großprojekte wie Schulen oder Universitäten realisiert.

BTH Heimtex: Wie entwickelt beziehungsweise verändert sich das Marktsegment?

Haffelder: Gerade bei Kitas und Schulen sehen wir sowohl bei Neubauten als auch bei der Sanierung großes Potential. Bei den Kindergärten wird durch die verstärkt vorangetriebene U3-Betreuung (gesetzlicher Anspruch auf Betreuung von Unter-Drei-Jährigen, Anmerk. d. Redaktion) mehr Platz benötigt. Bei den Schulen wird zunehmend auf den Ganztagsbetrieb umgestellt. Auch das Thema Inklusion führt zu zusätzlichem Renovierungsbedarf. Um den Standort Deutschland in der universitären Ausbildung weiter zu stärken, wird die Bundesregierung bis 2023 auch für den Hochschulbau zusätzliche Mittel in Milliardenhöhe bereitstellen.

BTH Heimtex: Der Bereich hat also Potenzial?

Haffelder: Nach dem Sondereinfluss des Konjunkturpakets II sind die Umsätze im Bereich Bildungswesen 2014 zwar anteilmäßig an unserem Gesamtumsatz leicht gesunken. Sie befinden sich aber auf einem hohen Niveau. Gerade vor dem Hintergrund der momentanen Bildungspolitik rechnen wir weiterhin mit einer positiven Entwicklung. Abhängig von der Haushaltslage und der finanziellen Ausstattung der Kommunen gibt es jedoch regional starke Schwankungen.

BTH Heimtex: Welche Anforderungen werden an einen Bodenbelagshersteller, seine Produkte und Dienstleistungen rund um ein Projekt im Bildungswesen gestellt?

Haffelder: Qualität, Ökologie, Wirtschaftlichkeit und Design - das sind die vier zentralen Aspekte, die im Bildungswesen im Fokus stehen und unter einen Hut gebracht werden müssen. Die Ansprüche an Bodenbeläge sind gerade im Bildungswesen immer schon sehr hoch gewesen. Die zunehmende Dichtigkeit der Gebäudehüllen bei gleichzeitig - energetisch gewünschter - Reduzierung der Luftwechselrate hat zur Folge, dass sich Emissionen aus Baustoffen deutlicher bemerkbar machen können als früher. Aus diesem Grund sind beispielsweise die Anforderungen an eine gesunde Innenraumluft durch die Verwendung von geprüften Bauprodukten, die höchste Emissionsanforderungen erfüllen, deutlich gestiegen.

BTH Heimtex: Welche Farb-, Design-, Material- und Technik-Trends herrschen im Bildungswesen momentan vor?

Haffelder: Bei der Auswahl der Materialien ist in Schulen vor allem Robustheit gefragt, um der hohen Beanspruchung gerecht zu werden. Das Design der Bodenbeläge wird aber zunehmend in die Planungen mit einbezogen. Denn auch der Wohlfühlfaktor ist ja für die Entwicklung und den Lernerfolg entscheidend.

Generell ist hier bei der Auswahl eine größere Vielfalt festzustellen. Zum einen werden in diesem Bereich weiterhin gedeckte Farben nachgefragt, die den Schmutz gut kaschieren. Zum anderen setzen die Entscheider zunehmend auf farbige Lösungen oder individuelle Anfertigungen. So liegen in zahlreichen Einrichtungen von Kitas über Schulen bis hin zu Universitäten, die wir erst kürzlich ausgestattet haben, beispielsweise Kautschukböden in Grüntönen, "um die Natur stärken ins Haus zu holen". Außerdem sind Spezialanfertigungen und Intarsienlösungen gefragt.

BTH Heimtex: Welche Objektbeteiligten entscheiden am Ende über die Wahl des Bodenbelags im Bildungswesen?

Haffelder: Hier gibt es Unterschiede: Sprechen wir von einem öffentlichen oder einem privaten Bauträger? Handelt es sich um die Verlegung in einem Neubau oder geht es um die Sanierung eines Objekts? Die letztendliche Entscheidung, welcher Bodenbelag den Zuschlag erhält, hat natürlich der Bauherr, vertreten durch das Bauamt. Bei größeren Maßnahmen ist meist ein freier Architekt involviert. Aber auch die Nutzer, wie z.B. Schulleiter, die ja schließlich viele Jahre auf dem ausgewählten Belag verbringen, werden zunehmend in die Entscheidungsfindung einbezogen.
aus BTH Heimtex 07/15 (Wirtschaft)