Interview mit Dr. Ulrich Dahlhoff, Dr. Markus Stolper, Martin Kupka und Armin Riedel
"Wir haben vor, an Wand und Decke weiter zu wachsen"
Die gläserne Fassade des neuen Forschungs- und Entwicklungszentrums am Stammsitz von Ardex in Witten steht sinnbildlich für die Öffnung des Unternehmens gegenüber der Öffentlichkeit. Hier werden Produkte wie die vier gebrauchsfertigen Dispersionswandspachtelmassen entwickelt, mit denen der Bauchemiehersteller im Fachgroßhandel weiter wachsen will. BTH Heimtex-Redakteurin Cornelia Küsel sprach mit Dr. Ulrich Dahlhoff (Geschäftsführer Vertrieb und Marketing), Dr.Markus Stolper (Marketingleiter Deutschland), Martin Kupka (technischer Kundendienst Boden/Wand/Decke) und Armin Riedel (Anwendungstechnik) über die Markenstrategie des Unternehmens, seine Schulungsangebote und die Veränderung im Handwerk.
BTH Heimtex: Bei Ardex in Witten wird viel gebaut. Ist das ein Plädoyer für den Standort Deutschland?
Dr. Markus Stolper: Wir verfolgen mit unserem CEO Mark Eslamlooy eine klare Strategie: Das Herz der weltweit agierenden Ardex-Gruppe schlägt in Deutschland. Deshalb erfolgen hier am Standort zahlreiche Investitionen. Aber auch das Wachstum im Ausland bleibt natürlich fester Bestandteil der Unternehmensstrategie.
Dr. Ulrich Dahlhoff: Außerdem ist Deutschland vor den USA unser größter Markt. Aus diesen Gründen haben wir die Entscheidung getroffen, die Forschungs- und Entwicklungsabteilung am Stammsitz auszubauen. Wir investieren in das neue Forschungs- und Entwicklungszentrum einen zweistelligen Millionenbetrag. Der erste Bauabschnitt ist gerade fertiggestellt worden, der zweite folgt Mitte nächsten Jahres.
Mit einer Gesamtfläche von 4.250m
2 ist das neue Laborgebäude fast doppelt so groß wie das bisherige. Außer diesem verfügt Ardex über drei weitere F&E-Zentren weltweit. Zudem tauschen wir uns in diesem Bereich mit allen Ländern aus, in denen wir präsent sind.
BTH Heimtex: Das Gebäude wirkt mit seiner Glasfront sehr transparent. Steckt dahinter eine Botschaft?
Dahlhoff: Das Gebäude wurde bewusst mit transparenter Fassade geplant. Uns ist es wichtig, sich der Öffentlichkeit gegenüber zu öffnen und verstärkt auf Emotionen und Kommunikation zu setzen. Das ist eine von vielen Veränderungen bei Ardex seit 2010.
Stolper: Die transparenten Fassaden sind ein schönes Symbol. Noch bis vor fünf Jahren waren wir eher verschlossen, fast rein technisch orientiert. Inzwischen sind wir aufgeschlossener, öffnen uns viel stärker nach außen. Gleichwohl orientieren wir uns nach wie vor in Richtung Technik, Innovation und Qualität.
BTH Heimtex: Wie groß ist die Abteilung F+E?
Dahlhoff: Dort arbeiten gegenwärtig 47 Mitarbeiter. Intern ist es unser Anspruch, regelmäßig neue Produkte mit einem hohen Alleinstellungsmerkmal auf den Markt zu bringen. Das hat in den vergangenen Jahren in den verschiedenen Segmenten hervorragend geklappt.
BTH Heimtex: Welches sind Ihre neuesten Produkte?
Stolper: Das sind unsere gebrauchsfertigen Dispersionswandspachtelmassen, die in diesem Produktsegment einen ganz neuen Standard setzen. Mit diesen Innovationen, die für jeden Untergrund geeignet sind, ergänzen wir unsere pulverbasierten Wandspachtelmassen.
Armin Riedel: Die vier Wandspachtelmassen sind zeitgemäß eingestellt, sie dienen der Herstellung der nachgefragten glatten Flächen. Für die flächige Verarbeitung in dünnen Schichten wurde der Flächenspachtel Ardex DF 710 entwickelt. Der Leichtspachtel Ardex DF 730 ist der Alleskönner für die Erstellung von Wand- und Deckenflächen in den Qualitätsstufen Q1 bis Q4. Einzigartig ist der Ardex DF 750 Rollspachtel für glatte Flächen in den Qualitätsstufen Q2 bis Q4. Bei fast allen bauüblichen Untergründen kann dabei auf eine Grundierung verzichtet werden. Außer mit der Rolle kann der DF 750 auch von Hand oder im Airless-Verfahren angewendet werden. Für vielfältige Ausbesserungsarbeiten eignet sich der Universal-Schnellspachtel Ardex R 4 Rapid. Schon nach 30 Minuten kann er überarbeitet werden.
BTH Heimtex: Mit den neuen Spachtelmassen wenden Sie sich vor allem an Maler. Wie wichtig ist diese Zielgruppe für Sie?
Stolper: Der Maler bleibt für Ardex eine immens wichtige Kundengruppe. Mittlerweile werden ja von ihm auch viele Aufgaben am Boden übernommen. Wir wollen aber auch unsere Wahrnehmung bei den Bodenlegern ausbauen. Aber wir haben tatsächlich vor, an Wand und Decke weiter zu wachsen.
Dahholff: Einer unserer Produktschwerpunkte, mit dem wir in dieser Vertriebsschiene wachsen wollen, ist Pandomo, die dekorativen Fläche für Boden, Wand und Decke.
BTH Heimtex: Dass der Maler mehr am Boden macht, haben Sie gerade erwähnt. Aber die Strukturen im Handwerk verändern sich insgesamt. Spüren Sie, dass immer mehr Facility Manager, also Hausmeisterdienste, und All-in-one-Unternehmen auf den Markt drängen?
Stolper: Ja, sehr stark. Es finden inzwischen Kundengruppen den Weg in die Ardex Academy, die es vorher in dieser Form nicht gab. Was wir auch deutlich erkennen ist, dass viele von ihnen sehr hochwertig arbeiten. Das Vorurteil, wer viel und alles macht, der arbeitet ohne Qualität, hat keine Berechtigung.
Martin Kupka: Wir berücksichtigen auch bei der Produktausrichtung diese Zielgruppe. Es geht in Richtung universeller Produkte, mit denen sich relativ viel Bereiche abdecken lassen.
BTH Heimtex: Was bedeutet das genau?
Stolper: Unsere Produkte sind so ausgelegt, dass sie auch mal Fehler verzeihen. Wir nennen das Qualitäts-Plateau. Damit beschreiben wir einen größeren Wirkungsbereich, in dessen Grenzen Fehler gemacht werden können. Das spielt auch Ein-Mann-Betrieben in die Hände. Wer alleine arbeitet, braucht Materialsicherheit.
Dahlhoff: Es gibt Normeigenschaften. Viele Produkte erreichen Qualitäten, die darüber liegen, wenn genau nach Vorschrift und unter idealen Voraussetzungen verarbeitet wird. Dann sind die auf den Punkt perfekt. Andere Produkte haben ein wenig mehr Sicherheit, aber es ist im Grunde dieselbe Methodik. Wir haben dagegen die breiter angelegte Plateau-Sicherheit eingeführt, nach der die Produkte auch noch perfekte Ergebnisse liefern, wenn bei der Verarbeitung Fehler gemacht werden.
Kupka: Wir möchten die besten Verarbeitungseigenschaften mit allen Sicherheiten bieten.
BTH Heimtex: Erläutern Sie das doch bitte anhand eines Produkts.
Kupka: Vor zwei Jahren haben wir die reaktivierbare Bodenspachtelmasse K 39 eingeführt. Die Nachfrage hat übrigens alle unsere Erwartungen übertroffen. K 39 ist so konzipiert, dass sie Fehler verzeiht.
Ein Beispiel: Wenn es wärmer wird und der Handwerker auf der Baustelle alleine ist, kann er die Übergänge nicht mehr einwandfrei verspachteln, was zu Unebenheiten führt. Denn wenn eine Spachtelmasse anfängt anzuziehen, habe ich nicht die Möglichkeit, einzugreifen. Deshalb haben wir den Reaktivierungseffekt eingebaut. Damit kann der Handwerker in einer angezogenen Fläche spachteln und die Oberfläche wird glatt. Das ist bequem für den Verarbeiter, er kann den Mut zur Langsamkeit haben. Aber wir haben natürlich auch Produkte, die auf Schnelligkeit getrimmt sind.
BTH Heimtex: Damit Ihre Produkte auch effizient eingesetzt werden, wurde die Ardex Academy als Schulungs- und Weiterbildungseinrichtung gegründet. Wie entwickeln sich deren Aktivitäten?
Dahlhoff: Wir haben vier Schulungszentren in Deutschland, hinzugekommen ist eines von der übernommenen Firma Gutjahr. Insgesamt schulen wir mehr als 20.000 Teilnehmer pro Jahr.
Stolper: Weltweit sind Schulungen das zentrale Element unserer Philosophie. Das Academy-Konzept setzen wir in allen Ländern um, in denen wir präsent sind. Schulungen sind unser wichtigstes Marketinginstrument.
Wir informieren aber nicht nur über die Produkte und deren Verarbeitung, sondern bieten auch Seminare in Betriebsführung, Marketing und Rechtsfragen an. Das ist unter anderem den sich verändernden Handwerksstrukturen geschuldet, über die wir vorhin sprachen. Dieses Thema werden wir weiter ausbauen.
BTH Heimtex: Beinhalten Ihre Marketingseminare auch den digitalen Bereich, der für Handwerks- und Handelsunternehmen von zunehmender Bedeutung ist?
Dahlhoff: Ja, dieser Bereich ist Teil unserer Schulungen, die auch als Kurzspot auf Youtube zu sehen sind. Der Multiplikationseffekt ist unglaublich.
Stolper: Digitales Marketing bringen wir aber nicht nur unseren Schulungsteilnehmern bei, auch uns liegt das Thema am Herzen. Wir sind in sozialen Netzwerken unterwegs und nutzen Apps, um unsere Kommunikation zu verstärken. Der ganze Bereich der Serviceunterstützung durch Apps und Videos hat an Dynamik gewonnen. Handel und Handwerk nutzen diese Tools rege.
Darüber hinaus erreichen wir durch die sozialen Netzwerke mehr Emotionalität, wir können uns menschlicher darstellen. Wir zeigen, wer alles hinter dem Unternehmen Ardex steckt und welche Philosophie wir haben. Wichtig ist aber, dass man nicht einfach in diesem Bereich aktiv ist, sondern es richtig macht. Außerdem helfen die Aktivitäten im Kampf um die besten Köpfe.
BTH Heimtex: Ist es schwer, gutes Personal zu bekommen?
Stolper: Im Moment nicht. Aber wir sind uns bewusst, dass diese Schwierigkeiten kommen könnten.
Deshalb müssen wir uns entsprechend gut aufstellen - auch auf die in der digitalen Welt sich verändernden Arbeitsweisen und -bedingungen.
BTH Heimtex: Sie haben in diesem Jahr die Mehrheitsbeteiligung an dem Verlegewerkstoffhersteller Wakol übernommen. Werden demnächst Produkte von Ardex unter der Marke Wakol geführt?
Stolper: Nein, beide Marken bleiben streng getrennt und eigenständig. Wakol ist auf Direktvertrieb ausgerichtet, Ardex auf den Fachgroßhandel. Allerdings wird ein technischer Austausch zwischen beiden Unternehmen stattfinden, um sich gegenseitig zu inspirieren. Übergeordnetes Ziel bleibt aber, dass jedes seine eigene Sortiments-Identität behält.
BTH Heimtex: Gilt das auch für die übrigen zwölf Marken, die Ardex durch Übernahmen im Sortiment hat?
Stolper: Wir glauben fest an die Multi-Markenstrategie, nach der die Unternehmen ihre Identität und Stärken behalten. Aus unserer Sicht wäre es falsch, allen Produkten die Marke Ardex überzustülpen. Denn wir wollen die Stärke der verschiedenen Labels nutzen, voneinander profitieren und unsere Stellung im ganzen System ausbauen. Als Familienunternehmen denken wir langfristig. Uns geht es darum, unser Know how und unsere Systemkompetenz als Gruppe durch Zukäufe zu stärken.
BTH Heimtex: Nicht nur das Handwerk, auch der von Ihnen belieferte Großhandel verändert sich: weniger Firmen, mehr Niederlassungen. Wird es in diesem Umfeld nicht schwieriger, die Multi-Marken-Strategie zu fahren?
Dahlhoff: Die 13 Marken sind doch weltweit verteilt. In Deutschland haben wir im Segment Wand nur Ardex. Im Segment Boden ist jetzt Wakol dazugekommen, der Direktvertrieb insgesamt und die Stärken von Wakol bei den Parkettklebstoffen werden fokussiert. Ardex bleibt dem Großhandel wie gehabt treu. Wir machen keinen Brei, sondern erhalten je nach Land und Ausrichtung die Lebendigkeit der jeweiligen Marke.
Kupka: Jede Marke hat ihre eigene Philosophie und damit die auf die jeweilige Klientel zugeschnittenen Produkte.
BTH Heimtex: Stellen Sie auch Eigenmarken her?
Stolper: Nein. Kurzfristig könnten wir mit Eigenmarken zwar mehr Umsatz generieren, aber langfristig würde das zu Lasten der klaren Strategie, Verlässlichkeit und Orientierung führen.
Dahlhoff: Mit der Marke Ardex, die für hohe und unverwechselbare Qualität steht, gehen wir konsequent unseren Weg.Zudem fehlt dem Händler bei Verkauf der Handelsmarke der Support der Industrie. Unsere Vertriebsmannschaft ist nämlich nah am Kunden. Das sorgt für Umsatz.
BTH Heimtex: Läuft auch das Objektgeschäft über Ardex?
Dahlhoff: Ja, Objektgeschäft haben wir auch. Wir wickeln es zusammen mit dem Handel ab.
Stolper: Wir begrüßen, dass der Handel verstärkt Objektabteilungen ausbaut. Damit kann er auch seine Systemkompetenz zeigen.
Kupka: Da wird es in Zukunft auf spezielle Produkte ankommen, die schnell und sicher zu verarbeiten sind. Sie müssen zum Beispiel nach kurzer Zeit trocken und überarbeitbar sein.
Riedel: Und die Auftraggeber - private oder öffentliche - werden insgesamt sensibler, was Umwelt- und Gesundheitsschutz angeht. Produkte müssen geruchsarm sein und hohe Brandschutzklassen haben, wie unsere neuen Dispersions-Spachtelmassen. Bei Ausschreibungen für Schulen und Kindergärten haben Produkte mit geringem Brandschutz keine Chance.
BTH Heimtex: Organisches Wachstum ist das eine. Ardex will aber auch über Zukäufe zulegen. Stehen nach Gutjahr und Wakol weitere Übernahmen oder Beteiligungen an?
Stolper: Wir beobachten den Markt, die Branche konsolidiert sich ja. Akut steht nichts an, aber für die Zukunft schließen wir Zukäufe nicht aus. Wichtig ist dabei, dass wir dadurch in technologischer Hinsicht einen Vorteil haben. Wir kaufen vor allem Unternehmen zu, über deren Technologie wir nicht verfügen.
BTH Heimtex: Welche Technologie hätten Sie denn noch gerne?
Stolper: Wir denken vom System her. Alles, was in den Systemaufbau eines Bodens oder einer Wand passt, ist von Interesse. Die Frage lautet: Wenn Ardex-Produkte eingesetzt werden, welche Produkte anderer Hersteller werden im System noch mit verwendet? Dabei geht es nicht nur um Umsatz, sondern auch um andere Möglichkeiten, den Handwerker zu schulen und zu beraten. Das können spezialisierte Anbieter nicht leisten.
BTH Heimtex: Weltweit betreiben Sie mittlerweile 30 Produktionsstätten. Wollen Sie die Auslandspräsenz weiter ausbauen?
Dahlhoff: Wir versuchen, in Potenzialmärkten weiter Fuß zu fassen. Erst bilden wir dort Vertriebsknotenpunkte, dann bauen wir Produktionsstätten auf. Das hat sich bewährt.
Ardex Daten und Fakten
Ardex GmbHFriedrich-Ebert-Straße 45
58453 Witten
Tel.: 02302 / 6 64-0
kundendienst@ardex.de
www.ardex.deGeschäftsführung:
Mark Eslamlooy (Vorsitzender)
Dr. Ulrich Dahlhoff
Dr. Rüdiger Oberste-Padtberg
Dr. Hubert Motzet
Marketing Deutschland:
Dr. Markus Stolper
Gründungsjahr: 1949
Umsatz: rund 610 Mio. EUR
Mitarbeiter: 2.400
Werke: 30 weltweit
Tochtergesellschaften: 48, Präsenz in mehr als 50 Ländern weltweit
Hauptproduktgruppen: Abdichtungen, Spachtelmassen, Fliesenverlegung, Bodenbelagsklebstoffe
aus
BTH Heimtex 10/15
(Wirtschaft)