Interstil: Interview mit Manfred und Jens Diedrichsen
"Der Servicebereich macht uns stark"
Seit 2010 beliefert Interstil den Fachhandel direkt. Gegenüber BTH Heimtex-Redakteurin Petra Lepp-Arnold ziehen die Inhaber Manfred und Dr. Jens Diedrichsen eine Bilanz, sprechen über aktuelle Trends und mögliche Strategien, die dem Vorhang wieder zu Erfolgen verhelfen könnten.
BTH Heimtex: Der Jahresanfang 2010 markiert einen Wendepunkt in der Vertriebsstrategie von Interstil. Seither liefern Sie die Vorhanggarnituren direkt an den Fachhandel statt über Sonnenschutz-Anbieter, Textilverlage und den Großhandel. Welche Bilanz ziehen Sie nach fast sechs Jahren?Jens Diedrichsen: Wir haben jetzt die Freiheit, das große Potenzial, das in der Marke Interstil steckt, in Erfolg umzusetzen. Seit der Umstellung auf den Direktvertrieb konnten wir den Umsatz innerhalb von vier Jahren massiv steigern: von 2010 auf 2014 um über 50 %. Wir sind nun in der Lage, unsere Ideen und Entwicklungen ohne Kommunikationshindernisse in den Markt hineinzubringen. Der Vorteil ist auch, dass wir einen direkten Zugang zu unserer Kundschaft haben und auf Wünsche unmittelbar eingehen können.
Manfred Diedrichsen: Es war wie eine Befreiung aus einem Korsett. Bei der früheren Vertriebsstrategie lag unser Innovationsgrad um ein Doppeltes höher als der Ertrag. Wir konnten nur solche Vorhangsysteme entwickeln und fertigen, die in das Angebot unserer Großhandelspartner hineinpassten. Doch als Vollproduzent mit einem eigenen Sondermaschinenbau haben wir unglaublich mehr Möglichkeiten, Produkte und Lösungen zu realisieren, die mit marktüblichen Maschinen nicht herzustellen sind. Das ist ein Türöffner für uns.
Jens Diedrichsen: Seit wir direkt an den Fachhandel verkaufen, merken die Kunden, dass sie einen deutlich höheren Service im Bereich Sonderanfertigungen bekommen - nach dem Motto "Wir rufen Interstil an und die haben eine Lösung". Hieraus hat sich eine große Umsatzdynamik entwickelt. Dadurch haben die Kunden auch erfahren, wie überlegen die Produkte sind. Dann kam Mitte 2013 die Wellenvorhang-Kollektion auf den Markt und hat richtig eingeschlagen.
Wir sehen unsere Aufgabe ja darin, nicht nur schicke Stangen zu gestalten, sondern vernünftige, moderne Lösungen für das Fenster anzubieten. Die Marke stand noch vor zehn Jahren fast nur für Qualität. Heute werden mit Interstil-Produkten - neben der qualitativen Marktführerschaft - auch ein hoher innovativer und ästhetischer Anspruch sowie ein hoher Serviceanspruch verbunden. Das haben wir mit den beiden Flagship-Kollektionen W-Wellenvorhang und der Flächenvorhangtechnik F1 nochmals untermauert. Unsere Vorhangsysteme wurden auch mit zahlreichen internationalen Designpreisen ausgezeichnet.
BTH Heimtex: Der Dekorationstechnik machen die Rückgänge bei Deko- und Gardinenstoffen zu schaffen. Der klassische Vorhang konkurriert mit dem innenliegenden Sonnenschutz. Wie bewerten Sie die Lage?Manfred Diedrichsen: Wir arbeiten daran, dass es wieder besser wird. Der Vorhang muss zeitgemäß verkauft werden. Deshalb müssen wir dem Raumausstatter etwas Besonderes bieten, womit er bei seinen Kunden punkten kann. Dazu gehören Lösungen für eine schöne Stoffdekoration, zum Beispiel der Wellenvorhang. Hier haben wir aus Technik und Stoff eine Einheit gemacht, ein harmonisches Miteinander geschaffen.
Jens Diedrichsen: Die allgemeine Schwäche des Vorhangs sehen wir natürlich auch etwas mit Sorge. Das Produkt braucht eine gewisse Innovation, die aber im Augenblick bei den Stofflieferanten zu wenig stattfindet. Dazu reicht nicht nur allein die Ästhetik. Man braucht auch einen funktionalen Nutzen. Es werden zum Beispiel überhaupt nicht die Vorteile einer Stoffdekoration am Fenster herausgestellt: bessere Raumakustik, bessere Feuchtigkeitsaufnahme, einfache Reinigung im Vergleich zu technischen Geweben. Hier sollte die Branche vom Sonnenschutz lernen, auch bei der Präsentation im Laden. Plissees, Rollos oder Jalousien werden als Fertigprodukte im Shopsystem gezeigt und bieten dem Endkunden Erlebnischarakter.
BTH Heimtex: Stichwort Endkunde: Wie positionieren Sie sich denn zum Einkauf von Vorhanggarnituren in Online-Shops?Jens Diedrichsen: Die Frage ist: Inwieweit nimmt der Verkauf im Internet dem stationären Handel Umsatz weg? Ich denke, wir sind davon noch relativ wenig betroffen, weil zu unseren Produkten eine handwerkliche Leistung gehört. Die gesamte Konfektion der Fensterdekoration - von der die Gardinenstange ein Teil ist - erfordert die Fachkompetenz des Raumausstatters. Dieser Servicebereich macht uns stark und schützt auch unsere Kunden vor dem Onlinekauf. Das Internet bietet aber die Möglichkeit, das Angebot intelligent zu bewerben und zu kommunizieren.
BTH Heimtex: Sie vertreiben Ihre Kollektionen bundesweit und sind auch im Export aktiv, der einen Anteil von rund 40 % am Umsatz erreicht. Welche Trends sehen Sie hierzulande und gibt es länderspezifische Vorlieben?Manfred Diedrichsen: Der große Trend ist die Innenlaufgarnitur als Kombination zwischen Schiene und Stilgarnitur; also nicht nur eine unsichtbare Schiene, sondern schon ein Gestaltungsprodukt, aber eben ohne Ringe. Wir verlagern das Hauptaugenmerk beim Design hin zum Gesamtsystem, das von der Stange bis zu den Trägern eine Einheit bildet. Die Durchmesser werden tendenziell wieder größer. Bei Edelstahl liegt heute der Hauptanteil der Durchmesser bei 20 mm.
Jens Diedrichsen: Es gibt derzeit einen nutzenorientierten Pragmatismus mit dem Hang zu einer gewissen Nüchternheit. Deshalb sind funktionale Systeme in Oberflächen wie Aluminium und Edelstahl gefragt. Der seit über 15 Jahre währende Trend zur Geradlinigkeit ist weiterhin ungebrochen. Für uns sind die Auslandsmärkte am Einfachsten, wo es eine gewisse geschmackliche Parallelität zu Deutschland gibt wie in Holland, Österreich und der Schweiz. Belgien ist schon wesentlich französischer geprägt. Da gehen dann stärkere Durchmesser und auch Messingoberflächen. In den USA werden unsere Garnituren dem avantgardistischen Stil zugeordnet und deshalb eher als Nischenprodukt wahrgenommen. Im Großen und Ganzen passen wir uns bei der Produktentwicklung nicht an. Wir sagen, wir sind eine deutsche Firma und stehen für deutsches Design.
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BTH Heimtex 10/15
(Wirtschaft)