Schlafwelt.de/OTTO

"Wir bringen in jedem Jahr eine halbe Million Kunden zu Bett"


Hamburg. Mit rund 30 Prozent Marktanteil ist das Hamburger Versandunternehmen OTTO Marktführer im deutschen Online-Möbelhandel. Der Spezialshop Schlafwelt.de soll zusätzliche Kunden unter dem Dach der Marke anlocken und vor allem für beratungsintensive Schlaf-Produkte begeistern. Mit Beratung und Service will der Versender hier Fachhandelskompetenz beweisen. Haustex sprach mit Schlafwelt-Leiter Philipp Bößem und Thomas Staba, Bereichsleiter Category Haus- und Heimtextilien bei OTTO, über Ziele und Strategien.

Haustex: Herr Bößem, Herr Staba: Warum soll ich mein nächstes Bett bei Schlafwelt.de kaufen?

Bößem: Wir versuchen, sehr kundenorientiert zu sein. Wir sind ein Spezialsortimenter und sehr leicht auffindbar. Wir können einen ganz klaren Fokus bilden, was die Darstellung und die Beschreibung der Sortimente betrifft, aber auch was die Ausgestaltung von Filtern und so weiter angeht. Wir können sehr gut Beratungsthemen spielen und haben dafür sehr viel Fläche. Es gibt kein anderes Sortiment, das in Konkurrenz hierzu steht. Wir haben, so wie die Universalpattform otto.de auch, sehr gute Services, die es dem Kunden erleichtern, das Sortiment zu kaufen, auszuprobieren und zur Not auch zu retournieren, sollte es einmal nicht passen.

Haustex: Der Preis ist kein Argument?

Bößem: Der spielt natürlich auch eine Rolle, ohne Frage. Wir haben keinen Fokus auf "günstig", trotzdem sind wir, was die Preise angeht, auf jeden Fall wettbewerbsfähig.

Staba: Die Preissensibilität des Kunden ist im Segment Einrichten eine andere als beispielsweise im Segment Technik. Einrichten ist ein emotionales Thema. Da hat der Kunde irgendwann "sein" Bett gefunden, und dann muss der Preis eher der Wahrnehmung entsprechend stimmig sein. Den Wettbewerbsvergleich müssen wir hier nicht scheuen, weil wir zwar beispielsweise auch mit dem Dänischen Bettenlager in den unteren Gefilden konkurrieren können, dort aber gar nicht unseren Schwerpunkt sehen.

Haustex: Das Warenhaus alter Schule hat massive Probleme. Auch OTTO bietet in seinem Katalog und damit auch im Netz ein universelles Angebot, bei dem man schnell die Übersicht verliert. Ist das aus Kundensicht noch zeitgemäß?

Bößem: OTTO hat gelernt, im Universalwarenhaus auch spezialisierte Inseln anzubieten. Es gibt ja auch im stationären Handel Shop-in-Shop-Lösungen, das ist ein bewährtes Prinzip. Wir versuchen, die Spezialshops noch auszubauen. Letztlich führen viele Wege nach Rom. Die Kunst ist, die Bedürfnisse zu erkennen, mehrgleisig zu fahren und Dinge auszuprobieren.

Haustex: Schlafwelt.de wurde gegründet, um neue Kunden für die OTTO-Einzelgesellschaft zu gewinnen. Wo ist der Unterschied zwischen den beiden Angeboten?

Bößem: Das Sortiment ist nahezu identisch. Es gibt eine Eigenmarke Schlafwelt, da sind wir etwas freier in der Preisgestaltung. Dieses Sortiment gibt es auch exklusiv nur auf Schlafwelt.de. Darüber hinaus ist es immer sinnvoll, gut funktionierende Sortimente auch konzeptübergreifend einzusetzen.

Staba: Es ging uns im Gedankenansatz der Schlafwelt nicht darum zu sagen: Wir haben Sortimentsschwächen und müssen ein Fachgeschäft gründen, um diese Schwächen auszugleichen. Aber es gibt vermehrt Kunden, die sagen: Ich möchte in mein Fachgeschäft gehen, und nicht Blusen und Röcke und Fahrräder sehen, wenn ich eigentlich eine Matratze kaufen will, sondern ich möchte zumindest das Gefühl haben, ich bin in meinem Fachgeschäft.

Haustex: Wie vermitteln Sie dieses Gefühl?

Staba: Die Navigationsstruktur, die ganze Darstellung der Produkte sowie der Services und der Kommunikationshebel sind komplett auf das Thema Schlafen spezialisiert. Auf otto.de sind wir dagegen eher wie ein großes Warenhaus. Das Thema Schlafen ist besonders beratungsintensiv. Auf Schlafwelt.de können wir unsere Beratungsleistungen wesentlich prominenter darstellen als auf otto.de.

Haustex: Würden Sie sich als Fachhändler bezeichnen?

Bößem: Diesen Anspruch haben wir. Wir haben eine hervorragende telefonische Beratung, die rund um die Uhr erreichbar ist. Die Mitarbeiter sind wirklich auch auf einzelne Produkte ausgebildet und geschult. Wir legen sehr großen Wert auf Content mit Videos, Produktbeschreibungen oder ein Forum, in dem Kunden fragen können, welche Matratze am besten zu ihnen passt. Dort bekommen sie in kürzester Zeit individuelle Antworten. Wir haben einen neuen Matratzenberater lanciert, in dem mehrere hundert Nutzerprofile individuell abgebildet werden. Wir versuchen also, diese individuelle Beratung, die den Fachhandel ausmacht, auch wirklich online zu leben.

Haustex: Nur vermessen können Sie den Kunden nicht, so wie es im stationären Fachhandel geschieht.

Bößem: Das stimmt - aktuell noch nicht...

Staba: Matratzen sind ein gutes Beispiel, Sofas wären ein anderes: Da haben wir immer die Barriere, dass man bei uns nicht darauf gelegen oder gesessen hat. Andererseits ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde im Fachhandel auf genau der Matratze gelegen hat, die er kauft, auch nicht sonderlich groß.

Haustex: Wer kommt denn dann zu ihnen und sagt: Ich vertraue allein auf das, was mir online geboten wird?

Bößem: Wir sind aktuell bei über 600.000 Kunden, die seit Bestehen von Schlafwelt.de bei uns gekauft haben. Das sind in erster Linie natürlich Internet-affine Kunden, die vielleicht im stationären Handel nicht ganz glücklich geworden sind. Das Internet funktioniert ja super, um sich zu informieren: Man braucht bei uns ein, zwei Klicks, hat eine komplette Transparenz, alle Sortimente sind immer verfügbar - man hat nicht nur einen kleinen Ausschnitt. Eine Matratze kauft man alle paar Jahre. Ich glaube, dass viele Low-Interest-Kunden dabei sind, die sagen: Es ist jetzt mal wieder so weit, ich versuche mir jetzt einmal einen Überblick zu verschaffen. Dafür ist das Internet super. Wir versuchen, die externen Informationsquellen wie Google für uns zu nutzen, um den Kauf dann bei uns zu realisieren.

Staba: Es gab natürlich auch bei uns im Haus die Sorge, dass wir mit Schlaftwelt.de die OTTO-Kunden auf ein anderes Angebot verlagern und sie dann einfach dort kaufen - dass man also zwei Plattformen hat, unterm Strich aber nichts gewinnt. Mittlerweile sehen wir bei Google, dass Schlafwelt.de bei einer entsprechenden Abfrage häufig sogar vor otto.de liegt. Wir sind mit Schlafwelt.de jetzt im sechsten Jahr und stellen fest, dass etwa 50 Prozent der Kunden, die dort kaufen, nicht aus dem Umfeld von OTTO kommen.

Bößem: Unsere Werbung ist sehr stark auf Bedarfsdeckung aus. Wir versuchen, den Bedarf in den jeweiligen Kanälen zu erkennen und punktuell da zu sein, um sofort mit allen Informationen einen Kauf zu fördern.

Haustex: Wie erkennt man einen solchen Bedarf?

Bößem: Die Kunden sind suchgetrieben und erkundigen sich vor einem Kauf im Netz. Wir schauen sehr differenziert, welche Schlagworte der potenzielle Kunde eingibt und was wir ihm anbieten können. Einen Matratzenkunden leiten wir natürlich zuerst auf die Hauptnavigation Matratzen. Wenn wir wissen, dass der Kunde eine Kaltschaummatratze sucht, lenken wir ihn dahin. Sucht er einen Sieger von Stiftung Warentest, dann landet er in der entsprechenden Kategorie.

Staba: Stellen sie sich vor, ein Verkäufer - beispielsweise bei Karstadt - könnte sich alle Fragen merken, die ihm die Kunden jeden Tag in zufälliger Reihenfolge stellen. Für den Verkaufsleiter wäre es toll, wenn der Verkäufer ihm dieses Wissen jeden Abend gebündelt zur Verfügung stellen könnte. Im Internet ist es so: Der Kunde gibt seine Fragen bei Google einfach ein - und damit ist dokumentiert, was genau er sucht.

Bößem: Und noch schöner ist es, wenn er diese Fragen direkt bei Schlafwelt.de in die Suchmaske eingibt, denn dann haben wir dieses Wissen direkt...

Haustex: Wie grenzen Sie sich gegenüber Mitbewerbern ab?

Staba: Wir betrachten den Kunden, der zu migrieren beginnt, für den der stationäre Einkauf eventuell unattraktiv geworden ist, weil er an einen bestimmten Ort gehen muss, um etwas zu kaufen - obwohl er andere Dinge mit seinem Smartphone oder an seinem Computer kauft. Wir beschäftigen uns damit, den Kunden zu überzeugen. Bleiben wir bei der Matratze: Da kann man mit wenigen sachlichen Fragen das Wesentliche herausfinden: Wie schwer ist der Kunde, schläft er lieber auf dem Rücken oder auf der Seite - und so weiter. Dann kann man ihn davon überzeugen, dass das "Einkaufen ohne Tragen" für ihn eine Lösung ist. Und da bieten wir ihm das Rundum-Sorglos-Paket von der Lieferung über die Entsorgung bis zur Finanzierung.

Haustex: Können sie diese "Einkaufs-Migranten" einer bestimmten Zielgruppe zuordnen?

Bößem: Unsere Kunden befinden sich in allen Segmenten und wir fokussieren uns auch nicht auf eine bestimmte Zielgruppe. Wir versuchen, den Bedarf zu ermitteln und gehen dann gewissermaßen mit dem Schleppnetz durch den Ozean.

Staba: Unsere Kernzielgruppe bei OTTO liegt zwischen 35 und 55 Jahren. Wir sehen in unseren Statistiken, dass wir bei den 35-Jährigen etwas schwächer sind und bei den 40-Jährigen dann stärker werden.

Haustex: Weil die 40-Jährigen den OTTO-Katalog noch kennen?

Staba: Nein, die Logik ist eine andere. Wenn wir über das Thema Einrichten sprechen, dann beginnt es erst in einem gewissen Alter, dass man sich etwas wirklich Neues kauft und über ein gesamtes Einrichtungssortiment nachdenkt, das man sich anschafft.

Bößem: Das Internet ist bei einer Sache noch ausbaufähig: der Inspiration. Das Netz ist sehr stark bedarfsgetrieben, man muss wissen, wonach man sucht, eine entsprechende Eingabe finden und so weiter.

Haustex: Wie inspirieren Sie die Schlafwelt-Kunden?

Bößem: Wir haben hervorragende Fotostudios, wir haben die erforderliche Infrastruktur, um inspirative Papierprodukte zu produzieren. Das ist ein Vorteil gegenüber dem Wettbewerb, wir fokussieren uns nicht nur stur auf Online, sondern wir lassen auch Papier zu und schätzen es auch, dass es möglicherweise inspirierende Wirkung erzeugt.

Haustex: Schlafwelt.de führt rund 85.000 Artikel. Welcher ist der wichtigste?

Bößem: Matratzen sind das erfolgreichste Sortiment, eng gefolgt von Betten. Bettwaren spielen auch eine sehr große Rolle, dann kommen Lattenroste und arrondierende Sortimente.

Haustex: Bettwäsche spielt keine so große Rolle?

Bößem: Doch, es ist ein wenig unfair, das zu vergleichen, denn Matratzen sind natürlich deutlich hochpreisiger und spielen daher im Umsatzranking eine ganz andere Rolle. Wenn man das nach Frequenz-Gesichtspunkten betrachtet, kann das schon ganz anders aussehen.

Staba: Bei OTTO machen wir, nach Stückzahlen betrachtet, sehr viele Kunden mit Bettwäsche glücklich. Aber die Schlafwelt hat einen anderen Auftrag, da geht es eher um die beratungsintensiveren Produkte.

Haustex: Wie häufig nutzen die Kunden die Möglichkeit, Matratzen auch wieder zu retournieren?

Staba: Unsere Retourquote liegt deutlich unter fünf Prozent.

Bößem: Eine solche Quote ist beeinflussbar: Durch einen guten Einkauf und durch den Shop, der dem Kunden die Informationen bietet, die er auch braucht. Die Frage ist: Wie gut sind die Informationen aufbereitet? Wie hoch ist die Qualität der Produkte? Wir bemühen uns sehr, qualitativ hochwertige Produkte zu verkaufen. Und eine Matratze, die zu größerer Unzufriedenheit führt, wird der Kunde bei uns nicht mehr sehen.

Haustex: Wie wichtig ist das Thema Boxspring für Schlafwelt.de?

Bößem: Wir stellen hier schon ein extremes Wachstum fest und liegen auch bei Google ganz weit vorne, wenn man Boxspring eingibt. Bei uns wird hier eher der Preiseinstieg gesucht, der in der Kategorie Betten aber eher das gehobene Preisniveau darstellt. Die Botschaft, die man mit einem Boxspringbett sendet, lautet: Schlafen wie im Luxushotel. Dazu kommt noch die optische Komponente. Und diesen Trend gehen die Schlafwelt-Kunden mit.

Haustex: In welchem preislichen Segment orientieren sich die Schlafwelt-Kunden?

Bößem: Stark im mittleren Bereich. Natürlich haben wir auch Frequenz bei niedrigpreisigen Matratzen, das kommt immer sehr auf die Angebote an. Preis und Leistung sind für den Kunden entscheidend.

Haustex: Wer sind ihre wichtigsten Partner im Bereich Matratzen?

Staba: Da sind Frankenstolz, Malie und Irisette unsere wichtigsten Partner. Wir verfolgen den Ansatz, einen Pool aus dem zu haben, was der Markt hergibt beziehungsweise was der Kunde suchen könnte.

Haustex: Was bedeutet das in Zahlen?

Staba: Wir bringen in jedem Jahr eine halbe Million Kunden zu Bett.

Haustex: Welche Rolle spielen Marken?

Staba: Das ist bei Matratzen schon wichtig, auch wenn wir wissen, dass die Marken dort möglicherweise eine nicht so hohe Bekanntheit haben. Trotzdem spielt das für das Vertrauen des Kunden beim Kaufprozess eine Rolle. Da informiert er sich für den Moment: Frankenstolz, Irisette - was sind das eigentlich für Unternehmen? Bei Bettwaren ist es ähnlich, hier gibt es auch viele gleiche Marken. Bei Bettwäsche ist das Bild ein anderes: Da sind es dann eher Marken wie s.Oliver oder Bruno Banani, die der Kunde aus dem Fashion-Umfeld kennt.

Haustex: Wie sehr denken Schlafwelt-Kunden in Räumen? Sind es eher Einzelprodukte wie Matratzen, die gekauft werden, oder richten die Kunden mit Schlaftwelt.de auch ihr komplettes Schlafzimmer ein?

Bößem: Wir liegen bei durchschnittlich 1,5 Produkten im Warenkorb. Gekoppelte Käufe sind selten, seltener jedenfalls als in anderen Sortimenten.

Haustex: Ist das eine Schwäche des Online-Handels, dass er das räumliche Erleben, die Inszenierung, wie sie im stationären Handel möglich ist, nicht abbildet?

Bößem: Das kann sein, es gibt aber auch online die Möglichkeit, Verbundkäufe zu tätigen. Wir können sehr gut Serien kombinieren und den Kunden einen Überblick geben, welche Produkte zu den von ihm ausgewählten noch passen könnten: Welcher Lattenrost passt zur Matratze, welches Laken und so weiter. Aber es ist die Eigenheit des Onlinehandels, dass die Kunden sehr genau auf einzelne Produkte abzielen.

Haustex: Wie halten Sie ihre Kunden bei der Stange, so dass der Einmalkäufer zum Stammkunden wird?

Bößem: Wir arbeiten zum Beispiel mit Newslettern, die an die Kunden verschickt werden. Aber es ist natürlich etwas anderes als bei Fashion, wo man mal sagen kann: "Jetzt noch ein passendes Top für den Sommer" - oder so ähnlich. Wir haben ein Sortiment, bei dem wir nicht in einer vergleichbaren Taktung auftreten und sagen können: "Wie wäre es jetzt noch mit einer neuen Bettdecke zur Matratze?" Das funktioniert nicht. Aber wir haben bei OTTO den Vorteil, dass wir da auch etwas größer denken können und nicht nur an unser aktuelles Profitcenter. Es gibt ja viele einzelne Konzepte, beispielsweise ein Wohnangebot wie Cnouch.de. Es wird meines Erachtens in Zukunft eher darum gehen, den Kunden, der gerade sein Wohnzimmer eingerichtet hat, dazu zu bringen, sich auch an sein Schlafzimmer zu machen - oder umgekehrt.

Haustex: OTTO erreicht mit sechs Spezial-Shops jährlich 80.000 Neu-Kunden. Wo ist da das Ende?

Staba: Ungefähr bei 80 Millionen... Aber im Ernst: Es ist eine große Herausforderung, die Kunden, die in der Familie mit dem OTTO-Katalog groß geworden sind, auch für das Online-Angebot zu gewinnen. Bei Schlafwelt und den anderen Spezial-Shops haben wir diese Vergangenheit nicht. Da spielt zwar OTTO auch eine Rolle, weil wir ja nicht komplett anonym sind und die Kunden da eine Brücke zu OTTO finden - aber die ist positiv besetzt, weil sie wissen, dass ein funktionierendes System dahinter steht, was Lieferung, Bezahlung, Qualität und Sicherheit anbelangt.
aus Haustex 09/15 (Wirtschaft)