GHF-Tagung 2015: Gute Zahlen im ersten Halbjahr

Christina Engelhard ist die neue Vorsitzende

Mit Christina Engelhard steht erstmals eine Frau an der Spitze des Bundesverbands Großhandel Heim & Farbe. Souverän führte sie durch das Programm der GHF-Tagung 2015 in Berlin und versprühte trotz der Herausforderungen für die Branche durch den Online-Handel Zuversicht. Genährt wurde dieser Optimismus durch die positive Umsatzentwicklung der Mitglieder im ersten Halbjahr 2015 und die Erfolg versprechenden wirtschaftlichen Prognosen angesichts der guten Rahmenbedingungen in Deutschland.

Zufriedenheit ist relativ. Das zeigt sich vor allem, wenn es um die wirtschaftliche Entwicklung von Unternehmen geht. Trotz eines deutlichen Umsatzzuwachses von 2,8 % im ersten Halbjahr 2015 waren die Großhändler bei der Jahreshauptversammlung des Bundesverbands Großhandel Heim & Farbe (GHF) im Hotel Crowne Plaza in Berlin ein wenig enttäuscht. Schließlich lag das Plus im Gesamtjahr 2014 bei starken 4 %. Doch angesichts der aktuellen Rahmenbedingungen gibt es keinen Grund zur Klage. Die Kaufkraft ist in Deutschland dank niedriger Arbeitslosenquote hoch, der Wohnungsbau legt weiter zu und die Ausgaben der öffentlichen Hand für Flüchtlinge schieben die Konjunktur nach Meinung führender Wirtschaftsforschungsinstitute an. Diese positiven Aussichten bewirkten, dass die Branche die Halbjahresbilanz entspannt hinnahm und nach einer gelungenen Tagung optimistisch in die Zukunft blickt - auch wenn sie beim Thema Internet und Online vor großen Herausforderungen steht.

"Deutschland geht es gut", befand der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki, dessen Sicht der Dinge von den 260 Großhandels- und Industrievertretern gefeiert wurde. Er forderte angesichts des Flüchtlingsstroms nach Deutschland nicht nur den Abbau der Bürokratie bei der Bauleitplanung, damit dringend gebrauchte neue Wohnungen erstellt werden könnten. Nach Kubickis Auffassung muss die Bundesregierung zudem erheblich mehr Geld zur Verfügung stellen, damit die Integration gelingt.

Scharfe Kritik übte der Kieler Rechtsanwalt an der seiner Meinung nach aufwändigen Dokumentationspflicht der Arbeitszeiten von Niedriglohnempfängern. "Wenn sich daran nichts ändert, muss der Mindestlohn in Teilen wegfallen", meinte Kubicki. Sonst werde die Integration der Flüchtlinge nicht erreicht. Weiter verlangte der Liberale stärkere Investitionen der Großen Koalition in die Infrastruktur, von der die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft abhänge. Eine klare Absage erteilte er der Einführung einer Erbschaftssteuer.

Die erste Frau an der Verbandsspitze

Angesagt hatte den prominenten Politiker die neue GHF-Vorstandsvorsitzende Christina Engelhard (Engelhard Gruppe, München), die professionell und sachkundig durch das themenreiche Vortragsprogramm führte. Sie war von den Mitgliedern zur Nachfolgerin von Eberhard Liebherr (Lotter + Liebherr, Gaggenau) gewählt worden, der aus privaten Gründen nicht mehr kandidiert hatte und nun seiner Familie mehr Zeit widmen will, aber Vorstandsmitglied bleibt. "Ich bin vor sechs Jahren mit dem Vorsatz angetreten, den GHF zu stärken und den Dialog mit den Industriepartnern zu vertiefen. Dies ist zu einem Teil gelungen", betonte er und sprach sich für die Fortsetzung des Dialogs aus. "Ich gehe mit einer Träne im Auge. Aber es geht weiter, jeder ist ersetzbar", sagte Liebherr und bot seiner Nachfolgerin Unterstützung an.

Christina Engelhard ist die erste Frau an der Spitze des Verbands. Ihre Wahl wurde mit lang anhaltendem Applaus quittiert. Sie kann sich auf ihren Stellvertreter Horst Randecker (Farbtex +Kaltenbach, Dornstetten), ihren Schatzmeister Norbert Sonnen (Sonnen-Herzog, Düsseldorf) sowie die Vorstandsmitglieder Martin Geiger (Alois Geiger Söhne, Aschaffenburg), Frank A. Kühnel (Maler-Einkauf Rhein-Ruhr, Essen) und Michael Späth (Späth Knoll, Darmstadt) verlassen, der neu in den Vorstand berufen wurde - und eben ihren Vorgänger Eberhard Liebherr.

Wie Liebherr sieht auch Engelhard eine der Kernaufgaben im Austausch zwischen Industrie und Großhandel, aber auch der Großhändler untereinander. Die Jahreshauptversammlung erwies sich in diesem Sinne wieder als perfektes Forum für die Mitglieder. Bevor sie sich aber über neue Strategien und die zukünftigen Herausforderungen durch das Internet informieren und bei der Abendveranstaltung persönliche Gespräche führen konnten, gab GHF-Geschäftsführer Jürgen Wagner die Umsätze bekannt.

Zum Halbjahr knapp 3 % im Plus

"Mit einem Plus von 2,8 % im ersten Halbjahr ist das Wachstum zwar nicht so dynamisch wie im Vorjahr. Aber es ist ein gutes Ergebnis", meinte Wagner und splittete die Zahlen nach Produktsegmenten auf. Demnach machen fast alle Warengruppen einen Sprung nach vorn - bis auf Wärmedämm-Verbundsysteme (-7,7 %) und textile Bodenbeläge (-2,2 %), die erneut Rückgänge verzeichneten. Allerdings verlangsamte sich bei Teppichböden die Abwärtsentwicklung. Im Jahr 2014 hatte das Minus noch 6 % betragen. Dies könnte nach Auffassung Wagners unter anderem auf die 2013 von der Copa initiierten Kampagne Teppich & Du zurückzuführen sein, die das Image des textilen Belags verbessern will.

Eine umfangreiche Imagekampagne läuft auch zum Thema Wärmedämm-Verbundsysteme (WDVS). Die Initiative daemmen-lohnt-sich.de wurde im vergangenen Jahr von dem Verein Qualitätsgedämmt ins Leben gerufen, dem die Unternehmen DAW, Brillux, Baumit und Sto sowie das Forschungsinstitut Innolation angehören. Bekanntes Werbegesicht der Kampagne, die gegen Vorurteile in Bezug auf Wärmedämmung kämpft, ist der Journalist und Autor Ulrich Wickert. Heiko Trimpel vom Qualitätsgedämmt-Steuerungskreis und Leiter des strategischen Marketings der DAW Unternehmensgruppe stellte die Ziele der Initiative vor und zeigte auf, welche werbewirksamen Maßnahmen sich mit hohem finanziellen Einsatz umsetzen lassen. Die Kosten wollte er trotz Nachfrage nicht beziffern, sprach aber davon, "dass einige Millionen nicht reichen".

Deutlich besser als mit Dämmsystemen und Teppichböden läuft es im Großhandel bei elastischen Belägen, mit denen erneut ein kräftiger Umsatzsprung von ganzen 7 % erzielt wurde. Parkett und Laminat legten um 0,6 % zu, Kleber und Spachtelmassen um 9 %. Der Umsatz mit Dispersionsfarben stieg um 3,1 %, mit Lacken und Farben um 2,7 %. Langsam aber stetig wächst das Geschäft mit Tapete. Hier wurde ein Plus von 4,5 % erzielt. Gut laufen mit +8 % auch Werkzeuge. Der Umsatz mit Heimtextilien kletterte um satte 10,6 % nach oben; allerdings ist deren Anteil am Gesamtsortiment der Großhändler eher gering.

Wie Wagner auf Basis der Zahlen vom Institut für Handelsforschung (IFH) in Köln weiter ausführte, ging der Umsatz pro Mitarbeiter im Bodenbelags-Großhandel um 1,5 % zurück, während der im Farbengroßhandel um 5,7 % stieg. Sorgen bereitet dem Geschäftsführer die anhaltende Fusionswelle. In den vergangenen zehn Jahren ist nach seinen Angaben die Zahl der Großhändler um 30 % auf 89 gesunken, während die der Niederlassungen um 65 % auf 581 zunahm. Gleichzeitig verschwanden Industrieunternehmen durch Übernahmen vom Markt. Diese Entwicklung setze die Margen unter Druck.

Die allgemeinen Rahmenbedingungen - geringe Arbeitslosigkeit, hohe Kaufkraft, rückläufige Privat- und Unternehmensinsolvenzen sowie Bauboom - sind hingegen gut, was sich auch in den Konjunkturaussichten der führenden Wirtschaftsforschungsinstitute widerspiegele. Impulse gingen unter anderem vom Bau aus. Die Umsatz-Erwartungen für das Bauhauptgewerbe liegen bei +2 %, wobei der Wohnungsbau auf +3 % kommt. Nach dem Bundesamt für Statistik stieg die Zahl der Baugenehmigungen im ersten Halbjahr 2015 um 2,6 %, damit allerdings weniger als 2014. Im vergangenen Jahr wurden 9,6 % mehr Genehmigungen erteilt als 2013. Dennoch gibt es nach Ansicht Wagners in diesem Bereich Grund für Zuversicht. "Die Flüchtlinge sind Rückenwind für unsere Branche", sagte er. "Denn wir müssen mehr Wohnungen zur Verfügungen stellen." Das sichere die Zukunft der Unternehmen.

Nachwuchsmangel bleibt ein Thema

Getrübt werden die Aussichten durch den starken Rückgang an Auszubildenden im Handwerk, was Wagner damit begründete, dass immer mehr junge Menschen studieren wollten. "Wir brauchen den qualifizierten Handwerker", meinte der Geschäftsführer. In einer Rangliste des Bundesinstituts für Berufsbildung zu den beliebtesten Berufen 2014 nahm der Maler lediglich Platz 21 ein. Der Raumausstatter landete auf Platz 98, der Parkettleger auf Rang 155 und der Bodenleger nur noch auf dem 161. Platz. Kaufmann-/frau im Großhandel hält sich dagegen stabil auf Platz 6. Wagner appellierte an die Unternehmen, die Stellengesuche interessanter zu gestalten. Das sei ein wichtiger Schritt. Ferner habe der GHF zahlreiche Ausbildungs- und Schulungsangebote im Programm.

Was ein Unternehmen heute bieten muss, um Bewerber anzulocken, machte Philipp Riederle mit seinem Vortrag über die Ansprüche der Generation Y deutlich. Der heute 20-jährige Unternehmensberater produzierte bereits mit 13 eigene Video-Podcasts rund um iPhone und iPad, deren Abrufzahlen schnell die von großen Medienkonzernen übertrafen. Darauf hin gründete Riederle sein Unternehmen "Phipz Media", dessen Schwerpunkt in der Konzeptionierung und Produktion neuer Medien liegt.

Wie Riederle sagte, geht es seiner Generation nicht mehr um alte Werte wie Geld, Status und Macht. Vielmehr verlange sie Selbstverwirklichung und Sinnhaftigkeit der Arbeit. "Die Rahmenbedingungen müssen stimmen." Die Generation Y sei genauso leistungsbereit wie Generationen vor ihr. "Aber wir wollen flexible Arbeitszeiten." Der Jungunternehmer rief die Anwesenden auf, offen für die geforderten Veränderungen zu sein.

Das führte beim einen oder anderen Zuhörer zu Stirnrunzeln. Der Vorwurf wurde laut, der Student beurteile den künftigen Arbeitsmarkt aus einer priviligierten Situation heraus. Dennoch wurde den Großhandels- und Industrievertretern klar, dass die Position der angesichts des demografischen Wandels schrumpfenden Bewerberschicht stärker wird. Auf deren veränderte Ansprüche müssten die Unternehmen reagieren, zeigte Riederle auf und beruhigte selbstbewusst: "Habt keine Angst."

Keine Zukunft ohne Online

Ein weiteres spannendes Thema, das über die Zukunft der Branche bestimmt, ist das Internet. "Alles online oder was?" lautete der Titel des Vortrags von Marcus Diekmann, Mitbegründer und geschäftsführender Gesellschafter von Shopmacher eCommerce. Er sprach provozierend vom "Killer Commerce", der im B2B-Handel nur die Hälfte der Großhändler überleben lasse. Diekmann rief die Grossisten auf, möglichst bald ihre Geschäftskonzepte neu zu erfinden, "denn das Direktgeschäft gewinnt in allen Kategorien". Als Beispiel für einen gelungenen Online-Auftritt hatte er mit der Steffel-Gruppe lediglich ein Großhandelsunternehmen ausgemacht, obwohl die Debatte darüber seit Jahren läuft, auch auf den GHF-Tagungen. Doch viel getan hat sich offenbar nicht, denn alle übrigen von Diekmann geprüften Webseiten genügten nicht den geforderten Ansprüchen.

Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung in Köln, empfahl die Verzahnung von Online- und stationärem Handel. Seiner Meinung nach könne sich der deutsche Großhandel selbstbewusst den Herausforderungen stellen.

Um in der Unternehmensführung erfolgreich zu sein, bedarf es nach Ansicht von Kommunikationsprofi und Berufspilot Peter Brandl aber der Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen. "Eine schlechte Entscheidung ist besser als keine", meinte er und forderte in seinem Beitrag dazu auf, Verantwortung zu übernehmen.

Brandl und die übrigen Referenten boten den Vertretern von Industrie und Großhandel bei der abwechslungsreichen Tagung viele wertvolle Hinweise und Empfehlungen, die ihnen helfen, ihre Strategien auf die Zukunft auszurichten. Bleibt zu hoffen, dass sie ihre bisherige Beratungsresistenz, die sie vor allem beim Thema Online schon seit Jahren an den Tag legen, endlich aufgeben und schnell handeln. Denn Eile ist angesichts der rasanten Veränderungen geboten, die das Internet anschiebt. Wer davor den Kopf in den Sand steckt und weiter macht wie bisher, gefährdet seine Existenz in höchstem Maß. Um sich aktiv den Herausforderungen stellen zu können, sind unternehmerischer Mut, Kreativität und die Bereitschaft zu Investitionen unabdingbare Voraussetzungen. Wenn das beherzigt wird, stehen die Chancen gut, dass die Großhandelsunternehmen und ihre Partner aus der Industrie ihre jeweiligen Stärken auch in zehn Jahren noch gewinnbringend einsetzen können.

Die nächste GHF-Jahreshauptversammlung findet am 21. und 22. September 2016 in Dresden statt. Bis dahin bleibt also rund ein Jahr Zeit, die eine oder andere Idee zu realisieren.
cornelia.kuesel@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 11/15 (Wirtschaft)