Balsan: Auf dem Weg zu alter Stärke im Handel

Frankreichs Marktführer nimmt Deutschland wieder ins Visier

Balsan, im heimischen Frankreich Marktführer bei Teppichböden, hat in Deutschland mit einem angestaubten Image zu kämpfen. Um es zu verbessern, hat der Tufting-Spezialist Harald Silbersack als Vertriebsleiter Handel verpflichtet und der verbucht erste Erfolge. Er kann seinen Kunden hierzulande technisch und optisch interessante Produkte anbieten und verspricht gleichzeitig Sicherheit in der Belieferung. Beim Werkbesuch im französischen Arthon machte sich BTH Heimtex-Redakteur Jochen Lange ein Bild vom neuen Koffer "Excellence 8" und der Entwicklung des Unternehmens.

In der heutigen Zeit wartet im Handel niemand auf einen Teppichboden-Hersteller. Die Umsätze sind schwach. Viele Grossisten, Fachmärkte und große Einzelhändler fahren die textile Lagerware auf die unbedingt nötigen Positionen in Grau und Beige zurück. Sowohl Handels- als auch Industrie-Kollektionen verzichten immer öfter auf die Spielfarben links und rechts der Topseller und wirken damit farb- und emotionsloser als in der Vergangenheit.

Balsan geht einen anderen Weg und schlägt Töne an, die man in der Teppichboden-Branche selten hört. Der französische Produzent von Tufting-Bahnenware und -Fliesen bewirbt seine neue große Handels-Kollektion Excellence selbstbewusst mit dem Slogan: "Die schönste Farbpalette auf dem Markt!" Blättert man durch die Serie, die seit dem Sommer in einer Gesamtauflage von knapp 4.000 Stück verteilt wird - davon 1.500 Exemplare in Deutschland und Österreich -, ist klar: Hier wird nicht zu viel versprochen.

Kollektion Excellence für Deutschland weiterentwickelt

Der Koffer ist mit einem pinkfarbenen Stoff bezogen. Das wirkt elegant, emotional und macht neugierig auf seinen Inhalt. Die neue Kollektion besteht aus 18 Produkten. Die Hälfte der 612 Positionen ist entweder ganz neu oder zumindest erneuert. Sie bieten fast alles, was das Tufting-Herz begeht, in 4 und 5 m Breite für den Wohnbereich sowie das leicht beanspruchte Objekt: Uni-Schlingen und -Velours, Kräusel-Verlours, Saxonys, Saxony-Frisés mit speziellem Twist-Effekt sowie Artikel mit Soft- & Shiny-Oberflächen und Dessinierungen, die mit Hilfe der speziellen Millitron-Drucktechnik Axminster-Optiken sehr nahe kommen. Zudem reihen sich solution dyed und stückgefärbte Ware, Econyl-Produkte sowie Artikel mit Beanspruchungsklasse 33 und Cfl-s1-Einstufung in die Kollektion ein.

Auch COC-Klassiker wie die erneuerten Artikel Carrousel und die LCL-Qualität Balmoral fehlen nicht in der Kollektion, die speziell für die deutschsprachigen Märkte weiterentwickelt wurde. Sie ist mittlerweile die achte Edition. Seit mehr als 20 Jahren wird die Excellence im deutschsprachigen Markt vertrieben. Die VK-Preise liegen aktuell zwischen 22 und 65EUR/m2.

Ob Standards wie Carrousel, Klassiker wie Les Best, Les Must und Les First oder Neuentwicklungen wie Feelings und Ultrasoft: Ein roter Faden zieht sich durch die Kollektion, den die Franzosen selbst als "unsere DNA" bezeichnen - eine ausgesprochen vielfältige Auswahl an warmen und zugleich eleganten Kolorits, unterstreicht Anne Martini, die langjährige und versierte Marketingleiterin.

158 Jahre textile Erfahrung

Balsan auf Farbe zu reduzieren, würde den Franzosen aber nicht gerecht werden. Seit 158 Jahren stellt das Unternehmen Textilien wie Uniformen und Kleidung her. Bereits 1955 begann man mit Tufting-Teppichboden in Bahnen. Seit dieser Zeit hat sich Balsan auf das Tuften spezialisiert und betreibt es ausschließlich. "Wir haben eine Passion für Tufting-Teppichboden", bringt es Martini auf den Punkt. 2000 bauten die Eigentümer für Fliesen-Produktion ein zweites Werk, 15 km entfernt vom Firmensitz in Arthon, das wiederum 300 km südlich von Paris im Herzen Frankreichs gelegen ist.

Seit 15 Jahren gehört Balsan zur belgischen Belgotex-Gruppe von Stephan Colle. Sie erwirtschaftet heute mit 1.650 Mitarbeitern rund 400 Mio. EUR Jahresumsatz - neben LVT, Kunstrasen, Nadel-vlies sowie Polymeren und Garnen hauptsächlich mit Teppichboden. Zum Konzern gehört auch der in Deutschland im Handel momentan sehr erfolgreiche Hersteller Associated Weavers.

Der Innendienst
spricht Deutsch

Balsan setzt heute 67 Mio. EUR um. Wichtigster Absatzmarkt ist Frankreich. Dort ist man Marktführer und hat sich mit derzeit 20 Außendienstlern eine hohe Reputation erarbeitet. Die Exportquote ist mit mittlerweile 45 % hoch, die Teppichböden werden in 55 Ländern verkauft. Nach Frankreich folgen Deutschland und Großbritannien in der Rangliste. Der Innendienst ist auf deutsche Kunden eingestellt: Drei Mitarbeiter sprechen Deutsch, alle Englisch.

Vor allem im deutschen Großhandel ist Balsan gut vertreten. Zwei Drittel der Grossisten führen die Produkte der Franzosen. Das ist viel, wenn man bedenkt, dass schwierige Jahr hinter dem unternehmen liegen. Bis zur Jahrtausendwende war man in Deutschland sehr gut aufgestellt. Doch im Herbst 2000 riss die Tochter Louis de Poortere den Tufter mit in die Insolvenz. Neuer Eigentümer wurde Belgotex.

Seitdem hatte Balsan in Deutschland keinen eigenen Außendienst mehr. Die Produkte werden von der Schwester Associated Weavers mit vermarktet. Die Zusammenarbeit funktioniert gut. Auch die acht Außendienstler von AW profitieren davon, eine zweite Marke bieten zu können mit dem komplementären Sortiment von Balsan. Denn während die Belgier ausschließlich Teppichböden für den Wohnbereich im Programm haben, sind die Excellence--Artikel auch im Semi-Objekt einsetzbar. "Balsan ist in Frankreich vor allem im Objektgeschäft tätig. Deswegen verfügt die Ware über eine hohe Strapzierfähigkeit", erklärt Anne Martini.

Silbersack soll verlorenes Terrain zurückgewinnen

Aber: Unter Grossisten und Fachmärkten werden Zweifel geäußert, ob die Franzosen wirkliches Interesse am deutschen Markt haben. Auch wenn die Marke bekannt ist und dem Unternehmen einiges zugetraut wird, fehlten bislang die Neuheiten, frische Impulse und Konzepte. Kurz: Das grundsätzlich gute Image ist erheblich angestaubt.

Das muss auch Harald Silbersack bestätigen. Der erfahrende Vertriebsmann wurde im Herbst 2014 von Marketing- und Vertriebsdirektor Christophe Pouille als Vertriebsleiter Handel an Bord geholt. Die Aufgabenstellung: Balsan zur alten Stärke im deutschen Handel zurückzuführen.

Erste Erfolge seien bereits erzielt worden, sagt Silbersack, der zuvor bei Lano, Balta, Forbo Flooring und Essers tätig war. "Ich konnte vorhandene Listungen sichern und ausbauen." Das ist wichtig, hat das Handelsgeschäft doch den größten Anteil an den Umsätzen von 5 bis 6 Mio. EUR in Deutschland.

2013 hatte Pouille bereits Axel Lotz von Infloor/Girloon engagiert und ihn zum Leiter des neuen, vierköpfigen Objektteams in Deutschland, Österreich und der Schweiz gemacht: komplettes Neuland für die Franzosen in dieser Region.

Fragt man Harald Silbersack nach der aktuellen Stimmung im Markt, stellt er beim Handel ein großes Bedürfnis nach Sicherheit in Bezug auf die Lieferanten fest. Er kennt die mittlerweile typische Frage, ob ein Hersteller denn in drei Jahren überhaupt noch am Markt sei - betont aber gleichzeitig, dass er sie bei seiner Arbeit für Balsan noch nicht gehört habe. "Wir als Balsan können diese Sicherheit geben, weil wir in der komfortablen Situation sind, Teil einer gesunden Unternehmens-Gruppe zu sein", stellt er fest. "Sie ist bereit und in der Lage, in gemeinsame Produkte und Konzepte mit dem deutschen Handel zu investieren", sendet Silbersack ein deutliches Signal in die Branche. Bestes Beispiel seien die Kollegen von Associated Weavers. Sie können seit fünf Jahren investieren, Konzepte entwickeln und umsetzen. Das zahle sich mittlerweile in rentablen Umsatzsteigerungen aus.

Breiter aufgestellt

Die Tage der durch die Insolvenz selbst verordneten Passivität in Deutschland sind also vorbei. Man habe sich seitdem konsolidiert, berichtet CEO Bernard Guiraud. Der 59-Jährige arbeitet seit 35 Jahren bei Balsan, war Werksleiter und kennt das Unternehmen wie kein Zweiter. Als der heimische Markt schwächelte, baute Balsan strategisch das Fliesen- und Objektgeschäft aus. Parallel intensivierte Guiraud Stück für Stück in den Export, um die Firma auf mehrere Standbeine zu stellen. Erst kürzlich hat man mit einem eigenen Mitarbeiter auch einen Fuß auf den chinesischen Markt gesetzt.

"Diese Strategie hat gefruchtet und dazu geführt, dass Balsan heute wieder ein gesundes Unternehmen ist", unterstreicht Vertriebsdirektor Christophe Pouille. Vor seinem Wechsel zu Balsan in 2013 war er viele Jahre in Deutschland für den Luxusgüter-Konzern Mot Hennessy/Louis Vuitton (LVMH) tätig.

Pouille hebt hervor, dass man sich nicht nur geografisch breit aufgestellt habe. Dort wo Balsan aktiv ist, bediene man seit 2013 immer gleich drei Segmente: Büro, Wohnen/Handel sowie Hotel. Auch das schaffe Flexibilität und Unabhängigkeit von wirtschaftlichen Schwankungen in Teilmärkten. Zudem gebe es mittlerweile für jeden der drei Bereiche einen globalen Key Accounter. Für Wohnen/Handel ist das Harald Silbersack als so genannter Business Unit Manager Home.

Wie in Frankreich verfolgt Balsan auch auf den deutschsprachigen Märkten eine langfristige Strategie mit dem Ziel, vertrauensvolle Partnerschaften mit dem Handel zu schließen. Das bedeutet für Silbersack und Lotz eine solide Arbeitsgrundlage für die kommenden Jahre. Erste Erfolge sind da: Silbersack und Lotz haben mit ihrem Engagement bereits Mitte 2015 zusammen einen Umsatzzuwachs von 10 % in den D/A/CH-Märkten erreicht.

Hohe Kompetenz bei Technik und Design

Möglich ist das vor allem, weil sich Balsan zu 100 % auf Tufting konzentriert. Während der Werksführung mit Produktionsleiter Geoffroy Bornard, der von seinem Vorgänger Guiraud lange auf diese Position vorbereitet wurde, stellen sich die Franzosen als ausgewiesener Spezialist für hochwertige Tuftingprodukte in allen Facetten aus Polyamid und - in einer Kollektion - aus reiner Schurwolle dar. In Arthon laufen 22 Tufting-Maschinen, die in drei Schichten bedient werden und 2014 rund 7 Mio. m2 produziert haben - ein Plus von 5 % gegenüber dem Vorjahr. Davon werden 2,5 Mio. m2 zu Fliesen endgefertigt. Die gesamte Lagerkapazität beträgt rund 300.000 m2.

Der Maschinenpark ist vielfältig in der Breite und facettenreich im Detail. In Arthon läuft beispielsweise eine neue Infinity-Anlage, deren 2.000 Nadeln jeweils mit einem eigenen, individuell ansteuerbaren Motor ausgestattet sind. Diese Technik ermöglicht Produkte mit charaktervollen Hoch/Tief-Oberflächenstrukturen.
Wenige Meter weiter tut eine LCL-Anlage ihren Dienst. Sie fertigt Teppichböden, die sowohl aus Schlingen- als auch aus Velours-Flächen bestehen und deren Pol in unterschiedlichen Höhen geschoren wird. Verarbeitet werden stückgefärbte wie auch spinndüsengefärbte Garne.

Charakteristisch für die Produktion ist neben dem hohen Qualitätsniveau vor allem die hohe Druck- und Designkompetenz. Das Unternehmen verfügt über eine von europaweit lediglich zwei Millitron-Druckanlagen mit acht Farben pro Farbbank. Bei dieser computergesteuerten Spritzdrucktechnik wird jede Farbdüse einzeln angesteuert. Dadurch ist laut Balsan ein sehr exakter und tiefer Druck durchführbar, der Axminster-Dessinierungen nahe komme. Die Technik bietet Projekt-Kunden theoretisch unbegrenzte Färbe- und Musterungsmöglichkeiten. Der Clou im Vergleich zum Rotations- und Chromojet-Druckverfahren: rapportfreie Dessins in jedem Längsmaß.

Diese Stärke spielen die Franzosen vor allem mit den beiden neuen Konzepten Territoires und Duo 2 und 3 im Objektmarkt aus, speziell im Hotel-Segment. Balsan hält eine Reihe von Standard-Dessinierung und -Farben bereit. Das mit fünf Mitarbeitern besetzte Designstudio unter der Leitung von Denis Besombes realisiert aber auch jeden erdenklichen Kundenwunsch am Bildschirm. Erst wenn der Kunden mit dem auf einer Miniatur-Millitron-Anlage gefertigten Muster zufrieden ist, wird die Bestellung auf der großen Anlage produziert. Auch kleine Mengen sind dabei möglich.
jochen.lange@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 11/15 (Wirtschaft)