Interface: Niederländisches Werk hat Mission Zero zu 98 % erfüllt

Nachhaltigkeit ernst gemeint und umgesetzt

Teppichfliesen-Weltmarktführer Interface zeigt, dass Nachhaltigkeit als Geschäftsprinzip funktionieren kann - nicht nur ökologisch, sondern auch sozial und ökonomisch. Öffentlichkeitswirksam verfolgt das Unternehmen seit rund 20 Jahren seine "Mission Zero", um keinen negativen Einfluss auf die Umwelt mehr zu haben. Das niederländische Werk in Scherpenzeel hat es fast geschafft.

Die Anspannung bei Teppichfliesen-Hersteller Interface wächst. Der weltweite Marktführer hat nur noch fünf Jahre Zeit, um seine große, öffentlichkeitswirksame und selbst auferlegte "Mission Zero" zu erfüllen: im Jahr 2020 das erste Industrieunternehmen zu sein, dessen Geschäftstätigkeit keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt hat. Gemessen wird die Erreichung dieses Ziel an zwei aus Umwelt-Produktdeklarationen (EPD) bzw. Ökobilanzen bekannten Parametern: CO-Fußabdruck/m2 Teppichfliese und Anteil von recycelten bzw. biobasierten Materialien im Produkt.

Um zu zeigen, was dazu alles unternommen wurde bzw. in Zukunft unternommen wird, hatte die deutsche Vertriebsgesellschaft in das niederländische Werk Scherpenzeel eingeladen, eine Stunde südöstlich von Amsterdam gelegen. Es ist eine von weltweit mehreren Fertigungsstätten - unter anderem in den USA, Thailand und Neuseeland - und trägt zu dem jährlichen Produktionsvolumen von 50 Mio. m2 etwa 2,2 Mio. m2 bei, rund 5 %.

Die dortigen rund 300 Beschäftigten können mit Blick auf die Mission Zero relativ beruhigt dem Jahr 2020 entgegenblicken. "Das Werk Scherpenzeel gilt als Center of Excellence innerhalb des Konzerns mit 98 % Zielerreichung", erklärt Anne Salditt, Marketingleiterin für Deutschland im lichtdurchfluteten Showroom des Standortes. So wurde seit 1996 allein der Energieverbrauch pro Quadratmeter produzierter Teppichfliese halbiert.

Heute nutzt die Industrieanlage ausschließlich erneuerbare Energien. Der Standort verfügt über einen geschlossenen Wasserkreislauf. Dadurch wird bei der Produktion nahezu kein Frischwasser verwendet (siehe Schaubild oben). Bezogen auf das Referenzjahr 1996 ist der Wasserverbrauch an den europäischen Standorten in den Niederlanden und Irland um 93 % zurückgegangen. Die Emission von Treibhausgasen ist um 90 % gesunken. Zum Vergleich: Die EU hat allen Industrieunternehmen eine europaweite Reduzierung von 40 % bis 2030 als Ziel gesetzt.

Seitdem Firmengründer Ray Anderson die Mission Zero 1994 verkündet hat, zieht sich der Gedanke der Nachhaltigkeit wie ein roter Faden durch das gesamte Unternehmen - weltweit. So kann jeder Mitarbeiter etwa für seinen Zuständigkeitsbereich Vorschläge machen, wie Prozesse und Abläufe nachhaltiger gestaltet werden können.

Mit dieser Philosophie kommt jeder neue Mitarbeiter vom ersten Tag an in Berührung. Jedem, der in das Unternehmen eintritt, wird ein dreistufiges Nachhaltigkeits-Training angeboten. Es besteht im ersten, obligatorischen Schritt aus einem eintägigen Seminar, gefolgt von einem optionalen E-Learning-Seminar der Universität Cambridge zum Thema über rund 30 Stunden mit abschließender Masterarbeit. Wer möchte, absolviert auf Stufe 3 ein interdisziplinäres Nachhaltigkeits-Training bei Interface. Dann ist man so genannter Nachhaltigkeits-Botschafter und führt interne Schulungen durch.

Widerstände gegen Recyclinggarn überwunden

So beeindruckend und nachhaltig diese Zahlen, Entwicklungen und Aktivitäten sind: Man werde es wohl nicht schaffen, die Ziellinie bereits 2020 zu überschreiten, konstatiert Anne Cremer. Sie verantwortet als zentrale Ansprechpartnerin das Thema Nachhaltigkeit europaweit für Interface intern und nach außen. Im Konzern gebe es bereits eine Arbeitsgruppe "Beyond 2020", die die Mission über diese erste Zielmarke hinaus weiterführt. "Das Ziel ist aber auch sehr ambitioniert gesteckt worden", gibt Cremer zu bedenken.

Diese Aussage darf nicht als billige Ausrede abgetan werden. Denn laut Interface verursache man im Rahmen des gesamten Produktionsprozesses - von der Faserherstellung bis zum fertigen Produkt - mit der eigenen Anfertigung der Teppichfliese lediglich 9 % des CO-Fußabdrucks. Stattliche 68 % sind allein auf die Faser- und Garnherstellung außerhalb der eigenen Werkstore zurückzuführen.

Daher hat sich Interface früh bemüht, die Garnindustrie davon zu überzeugen, Produkte aus alten Nylon 6-Abfällen herzustellen, um größere Nachhaltigkeit zu erzeugen. Giulio Bonazzi, Mit-Eigentümer des italienischen Garnherstellers Aquafil und seit langem mit Interface-Gründer Anderson bekannt, habe sich von dessen Leidenschaft für Nachhaltigkeit und seiner Mission Zero inspirieren lassen zur Entwicklung von Econyl ab dem Jahr 1998. Das Garn besteht heute zu 100 % aus recyceltem Material, seine Verwendung ist fast zum Standard geworden und findet in der öffentlichen Darstellung kaum noch besondere Erwähnung. Auf dem Weg bis hierhin galt es zahlreiche Zweifel auszuräumen und auch Widerstände zu überwinden. Für Interface hat sich das gelohnt. Reduziert sich doch der CO-Fußabdruck einer Teppichfliese aus komplett recyceltem gegenüber fabrikneuem Garn um rund ein Drittel, von 20 kg CO/m2 auf lediglich 6,8 kg CO/m2. 81,5 % der heutigen Interface-Produkte haben einen Recyclinganteil im Gesamtprodukt (Garn und Rücken) von mehr als 52 %.

Ausgediente Fischernetze als Rohstoffquelle

Für die Herstellung von Recycling-Garn benötigt Aquafil jedoch ausgedientes Kunststoff-Material, welches wieder zu Caprolactam, dem chemischen Ausgangsstoff von Polyamid, zurückgeführt wird. Der Flor ausgedienter Teppichböden und -fliesen sei bisher keine ausreichende Quelle, sagt Laura Cremer. "Die Bereitschaft, alte Produkte in unser selbstentwickeltes Rücknahme- und -führungsprogramm Re-Entry zu geben, ist noch wenig ausgeprägt."

Auch deswegen hat Interface 2012 in Zusammenarbeit mit der gemeinnützigen Zoological Society of London (ZSL) die Recyclinginitiative Net-Works gestartet. Das Projekt soll die Weltmeere von ausrangierten Fischernetzen befreien, die Umweltprobleme in einigen der ärmsten Küstenregionen der Welt verursachen. Ziel ist es, eine auf örtlichen Gemeinden basierende Lieferkette für ausrangierte Fischernetze aufzubauen. Nach dem Erfolg auf den Bantayan Inseln und im Danajon-Riffsystem (Danajon Bank) auf den Philippinen mit 67 t gesammelter Netze, wurde das Programm 2015 in der Region um den Ossa-See in Kamerun ausgeweitet. "Mittlerweile profitieren rund 4.000 Menschen in 24 Gemeinden auf den Philippinen von Net-Works. Es gibt zahlreiche Fischer, die auslaufen, um gezielt, die weggeworfenen Netze zu sammeln, die Aquafil am Ende für Econyl wiederverwendet", berichtet Laura Cremer.

Auch wirtschaftlich erfolgreich

So hat Interface mit seinem Engagement nicht allein eine positive ökologische Wirkung. Net-Works ist auch sozial hilfreich. Das ist gut für die Menschen auf den Philippinen. Aber profitiert Interface auch ökonomisch von dieser Geschäftspolitik, dem laut Definition dritten Bestandteil von Nachhaltigkeit?

Über die vergangenen Jahre hinweg konnte der Konzern seine Umsätze insgesamt steigern. Die deutsche Vertriebsorganisation ist ebenso erfolgreich und auf den deutschsprachigen Märkten führend im Produktsegment Teppchfliese. "Unsere Vertriebsmannschaft stellt fest, dass das Thema Nachhaltigkeit Einzug gehalten hat in die Immobilienbranche", sagt Laura Cremer. Bei Gesprächen beispielsweise in großen Unternehmen und Konzernen säßen heute oft die Nachhaltigkeitsbeauftragten mit am Tisch und wollten alles ganz genau wissen zu CO-Fußabdruck, Recycling-Anteilen und Rücknahme bzw. Wiederverwertung.

Nach wie vor sei natürlich das Design der Teppichfliese für Architekten und Entscheider ausschlaggebend. "Niemand kauft einen hässlichen Belag, nur weil er nachhaltig ist. Deswegen positionieren wir uns als Anbieter, der nicht nur einen hohen Designanspruch erfüllt, sondern der gleichzeitig immer die nachhaltige Alternative bzw. Variante für eine Bodenbelagslösung hat - die dabei aber nicht teurer ist, als das Standardprodukt aus herkömmlichen Materialien", betont Cremer.

Damit differenziere man sich vom Wettbewerb, verschaffe den Kunden mehr Aufträge und bringe Design, Nachhaltigkeit und Preis in Einklang.

jochen.lange@snfachpresse.de


Interface Deutschland - Daten und Fakten
Interface Deutschland GmbH
Rote-Kreuz-Straße 2
47800 Krefeld
Tel.: 02151/ 37 18-0
Fax: 02151/ 37 18-35
info-de@interface.com
www.interface.com

Geschäftsführer: Jan Hasselman
Vertriebsleiter: Nils Rödenbeck
Marketing und Presse: Anne Salditt

Gründungsjahr: 1973
Mitarbeiter: 40, davon 20 im Außendienst
Muttergesellschaft: Interface Inc.
Konzernumsatz 2014: 1 Mrd. USD (878 Mio. EUR)
Europäisches Zentrallager: Scherpenzeel (NL)
Europäische Produktionsstätten: Niederlande, Irland

Besonderheiten:
-81,5 % der Produkte bestehen zu mehr als 52 % aus Recyclingmaterial (Garn und Rücken)
-alle Produkte haben einen Recyclinganteil (Garn und Rücken) zwischen mindestens 35 und maximal 74 %
aus BTH Heimtex 12/15 (Wirtschaft)