TKB-Branchengespräch: Handwerksverbände und Industrie tauschen sich in Düsseldorf aus

Neue Normen und Gerüche auf den Prüfstand


In der neuen Estrichnorm ist nicht nur die Feuchtemessung jetzt verankert, sondern auch, dass beheizter Calciumsulfatestrich mit höherem Feuchtegehalt belegreif ist. Die Änderungen werden für neuen Zündstoff zwischen Bauherr, Architekt, Boden-, Parkett- und Estrichleger sorgen. Das befürchten die Boden-Verbände unisono. Für reichlich Diskussion beim TKB-Branchengespräch sorgte daneben die anstehende Geruchsprüfung bei Bauprodukten.

Über aktuelle Baustellenherausforderungen diskutierten in Düsseldorf Vertreter vom Fachverband der elastischen Bodenbelagshersteller (FEB), Bundesverband Estrich und Belag (BEB), Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik (ZVPF), der Technischen Kommission Bauklebstoffe (TKB) im Industrieverband Klebstoffe, Zentralverband Raum und Ausstattung (ZVR) und vom Verband der deutschen Parkettindustrie (VDP). Ganz oben auf der Agenda: die neugefassten DIN 18365 Bodenbelagsarbeiten und 18560 Estriche im Bauwesen Teil 1 allgemeine Anforderungen, Prüfung und Ausführung.

Vorsicht bei Calciumsulfatestrich beheizt

In der Estrichnorm ist jetzt nicht nur die Feuchtemessung enthalten, sondern gleich noch der Belegreiferichtwert für beheizten Calciumsulfatestrich von 0,3 auf 0,5 CM-% angehoben worden. "Der Boden- und Parkettleger ist der Leidtragende", klagt der Sachverständige Jörg Baumann, denn er soll zur Beurteilung der Belegereife künftig die Estrichnorm heranziehen. So steht es in der geänderten DIN 18365.

Einhellige Ansicht in Düsseldorf: Die Feuchtemessung hat in der DIN nichts zu suchen. "Normen erlauben keine ausreichend schnelle Anpassung an technische Veränderungen", begründet TKB-Vorsitzender Dr. Frank Gahlmann (Stauf) das Veto. Mit Skepsis blickt die Runde auch auf den erhöhten Grenzwert für beheizten Calciumsulfatestrich, wurde dieser doch vor mehr als 15 Jahren auf 0,3 CM-% gesenkt, weil die Zahl der Estrichschäden anstieg, immer wieder eingeschlossene Feuchtigkeit die Ursache für Reklamationen war. Nun die Kehrtwende. "Eine Begründung liegt nicht vor", teilt Simon Thanner (BEB) mit. In der Praxis jedenfalls seien "aktuell keine geänderten Estrichrezepturen oder Bindemittelkombinationen" (Dr. Gahlmann) zu beobachten.

Die TKB kündigt an, in ihren Empfehlungen und Publikationen weiterhin auf den bewährten Wert von 0,3 CM-% zu verweisen. Die in Düsseldorf anwesenden Bodenbelagshersteller wollen sich dem in ihren Angaben anschließen - zumindest vorerst. "Fraglich ist, wie lange man das durchhält, wenn dann ein anderes Produkt eingebaut wird, das 0,5 CM-% erlaubt", warnt Volker Kettler (Meisterwerke). Manfred Weber (ZVPF) empfiehlt dem bodenlegenden Handwerker, Bedenken anzumelden, wenn der neue Grenzwert gemessen wird. Ansonsten gilt: "Eine Norm ist kein Gesetz, sondern lediglich eine Empfehlung. Entscheidend ist die vertragliche Vereinbarung", macht Weber deutlich.

Zu feuchte Untergründe sind ein Dauerärgernis für den Parkett- und Bodenleger. Den Stand der Technik bei der CM-Messung will die TKB im nächsten Merkblatt 16 vermitteln. Die darin enthaltene rechtliche Bewertung im Streitfall wird jedoch kritisch gesehen. "Es ist nicht unsere Aufgabe, gerichtsverwertbare Stellungnahmen zu verfassen", sagt Dr. Norbert Arnold (Uzin Utz). In die gleiche Kerbe schlägt der Sachverständige Richard Kille - "zu viele Informationen". Lösung: Die Anmerkungen verschwinden in einen Anhang, der eigentliche Inhalt ist schneller erfassbar und zugleich juristisch abgeschwächt.

Wie schnell ist Schnellzement?

Dass das verbändeübergreifende Merkblatt 16 wichtig ist, zeigt die ungebrochen anhaltende Tendenz zur Verkürzung der Bauzeiten, die auch zur Verkürzung der Trockenzeiten von Estrichen vor dem Belegen führt. Konsequenz daraus ist, dass Zementestriche auf Basis von Normalzementen zunehmend unter Verwendung verschiedenster Estrichzusatzmittel hergestellt werden. Häufig werden diese beschleunigten Estriche in Produktunterlagen oder Ausschreibungen als gleichwertig zu Schnellzementen beschrieben. Ein Irrtum. Klarheit schafft das TKB-Merkblatt 14, in dem die wichtigsten Eigenschaften der unterschiedlichen Estricharten in einer zusammenfassenden Tabelle dargestellt sind. "Eine schnelle Belegung des Estrichs wird nur durch die Verwendung ternärer Schnellzemente (Dreistoffgemische aus Portland-/Normalzement, Aluminatzement, Calciumsulfat und weiteren Additiven - Anm. d. Red.) sichergestellt, fasst Dr. Arnold das Ergebnis zusammen. Das findet große Zustimmung unter den Anwesenden. Der Verleger wisse nun, was er nutzt und wie er damit umzugehen hat.

Dicht ist nicht immer dicht genug

Angesprochen wurden ebenfalls fehlerhafte Aufbauempfehlungen von Herstellern, wenn es um wasserdampfdiffusionsbremsende Grundierungen geht, umgangssprachlich falsch auch als Feuchtesperren bezeichnet. In den Auslobungen findet man gelegentlich einen einfachen Vergleich der Schichtdicken des Fußbodenaufbaus. "Das ist irreführend", stellt Dr. Gahlmann klar. Ob eine Dispersion, 1K-PU-, 1K-Silan- oder 2K-Epoxy-Grundierung funktioniert, sei abhängig von weiteren Parametern: der Wasserdampfdiffusionswiderstandszahl der durchgehärteten Grundierung, der Beschaffenheit des Polymerfilms auf der Estrichoberfläche, der Penetrationstiefe der flüssigen Grundierung, der Raumluftfeuchte und der Trocknung über die seitlichen Flanken.

Supernasen im Anmarsch

Ob ein Bodenleger seinen Job gut oder weniger gut erledigt, wird auch daran festgemacht, ob die Nase des Kunden den Geruch des eingesetzten Klebstoffs mag. Der Ausschuss zur gesundheitlichen Bewertung von Bauprodukten (AgBB) hat ein Bewertungsschema entwickelt, das der gesundheitlichen Einstufung von Emissionen flüchtiger organischer Verbindungen (VOC) aus Bauprodukten dienen soll. Die Pilotphase wurde im Sommer 2015 abgeschlossen, aktuell wird am Einführungsdatum gefeilt. Im ersten Schritt seien Tests auf Freiwilligenbasis möglich, später soll die Geruchsprüfung mit geschulten Testern in die Bewertungskriterien des Blauen Engel einfließen.

Gerüche eindämmen, das klingt erstmal gut - doch die Sache hat mehrere Haken. "Es handelt sich um eine Prüfung für ein einzelnes Produkt", kritisiert Michael Illing (Forbo Erfurt). "Wie es sich auf der Baustelle verhält bei raumklimatischen Bedingungen und in Verbindung mit anderen Produkten im Fußbodenaufbau, das wird nicht untersucht." Für Kille ist Ursache des Problems der Einsatzort: "Um Zugluft und Verluste von Heizwärme zu vermeiden, ist in energieeffizienten Gebäuden die Luftdichtigkeit der Gebäudehülle oft so hoch, dass ein hygienisch notwendiger Luftwechsel nicht mehr erreicht wird. Raumluftbelastungen mit flüchtigen organischen Verbindungen und Feuchtigkeit sind die Folge."

Ohnehin läge bis heute keine geeignetes Messverfahren vor, das eine Erweiterung des AgBB-Schemas rechtfertigen würde. Solange die elektronische Prüfung nicht einwandfrei funktioniert, sei der Subjektivität der Probanden Tür und Tor geöffnet. Dr. Thomas Brokamp (Bona) prophezeit, was in der Automobilindustrie Alltag ist - der Griff zu künstlicher Frische im Innenraum.

Die Klebstoffindustrie muss deshalb nicht gleich die Nase voll haben, beschwichtigt Dr. Gahlmann. "Hersteller, die ihre Produkte mit EC 1 Plus deklarieren können, dürften auf der sicheren Seite sein." In die Bewertungskriterien der Gemeinschaft Emissionskontrollierte Verlegewerkstoffe, Klebstoffe und Bauprodukte (GEV) seien strittige Substanzen längst auf den Prüfstand.


Teilnehmer des TKB-Gesprächs
Dr. Frank Gahlmann
Dr. Thomas Brokamp
Peter Schwarzmann
Bernhard Grewing
Manfred Friedrich
Ansgar van Halteren
Rudolf Ritz
Richard Kille
Simon Thanner
Michael Schlag
Ulrike Bittorf
Michael Illing
Ralf Wollenberg
Jörg Baumann
Manfred Weber
Alexander Drüsedau
Volker Kettler
Dr. Norbert Arnold
aus FussbodenTechnik 06/15 (Wirtschaft)