India Carpet Expo in Varanasi, India | India Carpet Expo in Varanasi, Indien

50 Shades of Beige


Mit rund 300 Ausstellern war die India Carpet Expo im Oktober 2015 die bisher größte Messe ihrer Art und nahezu perfekt organisiert. Schade, dass es trotzdem nur wenig Neues und wirklich Innovatives zu sehen gab. Um die Knüpfkapazitäten auszubauen und auch in der Zukunft mit qualifizierten Knüpfern konkurrenzfähige Ware herstellen zu können, hat die Regierung ein Programm aufgelegt: In 200 neuen Ausbildungszentren sollen insbesondere Frauen die Knüpfkunst erlernen.

Die Organisatoren des Carpet Export Promotion Council (CEPC) haben ganze Arbeit geleistet: (Fast) alles klappte wie am Schnürchen auf der 30. India Carpet Expo in Varanasi, der größten seit der Premiere im Jahr 2006. Die Klimaanlagen kühlten, der Strom in den speziell für die Messe aufgebauten Zelten floss stabil, kurz: Die Aussteller lobten die perfekte Organisation. "Letztes Jahr war der Markt eher schwergängig", berichtet CEPC-Chairman Kuldeep Wattal. "Da ist es umso wichtiger, Messen wie diese zu organisieren." Gerade für indische Anbieter, die sich eine Reise ins Ausland (etwa zur Domotex Hannover) nicht leisten können. Denn vor allem Varanasi sei gut bezahlbar.

Noch nie hatten sich so viele Anbieter - über 300 - zur Messe angemeldet. Und das, obwohl die Teppichbranche in der Gesamtheit nicht wächst. Wie es trotzdem dazu kommen kann? Offenbar wollen sich immer mehr Zulieferer der großen Anbieter als eigenständige Unternehmen auf dem Markt behaupten, und so sah man in Varanasi vom 11. bis 14. Oktober neben den wenigen großen Präsentationen der etablierten Exporteure auch sehr viele Klein- und Kleinststände.

Im Osten nicht viel Neues

Das Mehr an Anbietern hat leider nicht zu einem Mehr an Kreativität geführt: Das Gesamtbild der ICE bleibt als Beige-in-Beige in Erinnerung. Ansprechend und dekorativ, aber preislich und qualitativ eher im unteren Segment angesiedelt. Hauptsächlich geprägt durch Handloom-Qualitäten und grob geknüpfte Teppiche à la Uschak im zurückhaltend-nomadischen Look. Im Vergleich zur letzten Veranstaltung macht sich bemerkbar, das die Einkäufer vor allem auf einen günstigen Preis achten; insgesamt zeigt sich die Branche wenig experimentierfreudig. Wer etwas Neues ausprobiert, kann damit sehr erfolgreich sein, aber andererseits auch scheitern. Tatsache ist aber auch, dass viele Aussteller auf der Messe nur Stockware zeigen und ihre Neuentwicklungen in den eigenen Showrooms vor allzu neugierigen Blicken schützen.

Dafür fielen deutlich weniger offenkundige Kopien ins Auge als im Vorjahr. Klar, dem von Jan Kath erfundenen "Erased-Stil" begegnet man auch hier an jeder Ecke; konkrete Designs erkennt man dafür selten wieder. Nur hier und dort hing ein kruder Hossein-Rezvani-Abklatsch oder eine schlecht gemachte Nachknüpfung eines Kath-Teppichs.

Den Teppich flach halten

Flachgewebe, webgemustert oder bedruckt. Kelims und Soumakhs und Dhurries. Oder die besagten dünnen, sehr groben Knüpfteppiche im Uschak-Stil: In Varanasi trägt der Teppich wenig Flor. Es sei denn, er zeigt sich im marokkanischen Azilal-Stil: zottelig-grob und mit geometrischen Mustern.

Flache Teppiche sind also angesagt. Probleme gibts laut CEPC-Chairman Kuldeep Wattal allerdings mit dem südafrikanischen Zoll. "Dort gehen die Zollbeamten oft davon aus, dass Teppiche ohne Flor nicht handgemacht sind, und schlagen 30% drauf, wie für alle maschinengefertigten Produkte. Dabei sind bei Handarbeiten bloß 5% fällig."

Blumen, Lava und Eis

Wie eine blühende Oase im braunbeigefarbenen Messegeschehen: der Stand von Rare Rugs Production / Rugs by Nature mit seinen blumig gemusterten Teppichen aus Sari-Seide, handversponnener Seide, Wolle und Viskose. Alte und antike Muster, ein bisschen Art Deko, ein bisschen Vintage, in kräftigen Farben und leicht antikisiert - auf dem schön gestalteten Stand war immer viel los. Entsprechend sprach Geschäftsführer Farhaad Ali von einer "sehr erfolgreichen Messe". Mit seinen Teppichen wendet sich Rare Rugs hauptsächlich an den europäischen Markt.

Eindrucksvoll auch der Stand von Global Overseas: An der Wand hing ein schwarz-roter Knüpfteppich, der sich gut als Eyecatcher im Schaufenster eines Fachgeschäfts machen würde. Dazu die neue Kollektion Modish, die Naturphänomene leicht abstrahiert auf den Teppich bringt: Felsen, Glut, Eis, Wasser und Lava werden mit Neuseelandwolle und Viskose umgesetzt. "Mit der Kollektion sind wir ein Risiko eingegangen, aber es hat sich gelohnt", erklärt Geschäftsführer Sanjay Gupta. "Die Teppiche werden gern als Highlight fürs Ladengeschäft gekauft."

Der Anbieter Agni bewies, dass ein Messestand nicht groß und schon gar nicht überfrachtet sein muss, um ausgesprochen edel zu wirken: An den schwarzen Stellwänden hingen nur wenige, dafür aber sehr wirkungsvolle Knüpfungen mit Sariseide und Naturfaser.

Eine Messe mitten im Teppichknüpfgürtel

Der Messestandort, die heilige Stadt Varanasi, liegt mitten im indischen Teppichknüpfgürtel, nicht mal fünfzig Kilometer von der Knüpfhochburg Bhadohi entfernt. Das ist praktisch für Anbieter aus diesem Gebiet, die ihre Kunden von der Veranstaltung direkt zu ihrem Unternehmenssitz fahren und wieder zurückbringen können. Als wichtigen Absatzmarkt sehen die Messeorganisatoren insbesondere China mit seiner beständig wachsenden Mittelschicht. Im chinesischen Handelszentrum Yiwu will der CEPC eine neue Veranstaltung ins Leben rufen. Und in Varanasi selbst soll mittelfristig ein großes Messezentrum entstehen.

Allerdings macht sich in den indischen Knüpfgebieten immer stärker ein Mangel an ausgebildeten Knüpfern bemerkbar. Die vielen jungen Leute in den ländlichen Gebieten wandern zunehmend in die Städte ab, um sich dort eine andere, besser bezahlte Beschäftigung zu suchen. Und immer weniger Menschen beherrschen die Teppichknüpfkunst. Dem will die Regierung mit einem groß angelegten Projekt abhelfen. Sie unterstützt den Aufbau von Ausbildungszentren für Knüpferinnen und Knüpfer. Inzwischen sollen bereits 76 Zentren entstanden sein; bis März 2016 sollen es 200 werden, berichtet Sanjay Kumar Panda, Secretary des Ministry of Textiles. Das Angebot wendet sich insbesondere an Frauen, da diese ihre Dörfer selten verlassen. Das Projekt gibt ihnen die Gelegenheit, neben dem Haushalt ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Arbeitsräume, Knüpfstühle und Rohmaterialien finanziert die Regierung. Die Knüpferinnen und Knüpfer werden Exporteuren in den entsprechenden Gebieten zugeteilt.

Weltweit organisiert der CEPC etwa 50 Messe-Events im Jahr. Dabei hat man vor allem Länder mit ausbaufähigem Absatzmarkt im Blick, zum Beispiel Vietnam. "Am besten, man fängt dort an, wenn das Potenzial noch klein ist", betont Wattal. Die nächste ICE findet im März 2016 im Delhi statt.•
aus Carpet Magazin 01/16 (Wirtschaft)