Marburger Tapetenfabrik J.B. Schaefer GmbH & Co. KG

Mit Nena auf neuen Wegen

Die Marburger Tapetenfabrik will mit Sängerin Nena neue Käuferschichten ansprechen. Geschäftsführer Wolf Kappen sieht viel Potenzial im deutschen Markt, der nach dem Einbruch der Nachfrage in Russland und den GUS-Staaten für die Kirchhainer Kreativschmiede noch wichtiger geworden ist.

Tradition und Moderne sind bei Marburg kein Widerspruch. Der 171 Jahre alte Tapetenhersteller aus Kirchhain geht mit der Zeit und setzt auf Pop-Musikerin Nena, die sich seit ihrem Megahit "99 Luftballons" im Jahr 1983 immer wieder neu im Showgeschäft behauptet.

Die immer noch fast mädchenhaft wirkende 55-Jährige präsentierte bei der Heimtextil ihre erste, in Zusammenarbeit mit Designchef Dieter Langer entworfene Kollektion, deren Muster und laute Farben stilistisch an Retro erinnert. Das Interesse war groß. Zahlreiche TV-Teams, Fachjournalisten und Fans waren gekommen, um die Sängerin zu begrüßen und ihre Tapeten zu begutachten.

"Nena ist nicht nur eine begnadete Musikerin", betonte Langer und verwies darauf, dass die Künstlerin vor ihrer Karriere im Musikgeschäft eine Ausbildung zur Goldschmiedin absolviert hatte. Sie habe also das Zeichnen gelernt und dieses Können sowie ihre Kreativität in die Tapetenkollektion mit eingebracht. "Es war Nenas Idee, eine moderne Kollektion zu entwerfen, die anwendbar ist." Das Design spiegele ihr Lebensgefühl wider: einerseits verwurzelt, andererseits beweglich und unruhig. Es soll den Geschmack von mehr als einer Generation treffen.

Klarer Bezug zur Künstlerin

Das Zebramuster auf dem Cover verweist optisch auf Nenas erste Band "The Stripes" und ihre entsprechend gemusterten Hosen in den 80ern. Es fand sich in der Farbstellung Pink-Schwarz auch auf den Krawatten des Messeteams. Weitere Hauptmuster sind ein dreidimensionales Kaleidoskop, das Dessin "schielendes Auge" aus den 70er Jahren in zeitgemäßer Form und modern interpretierte Paisleys. Eine Serie von Digitaldrucken rundet die Kollektion ab. Sie bringen den Text der "99 Luftballons" in variierender Typografie und abgestimmten Farbwelten an die Wand - pur oder zart belagert von bunten Ballonsilhouetten.

Im musikalischen Wirken Nenas ergibt sich eine Parallele zu ihrer Kollektion. Wie die Tapeten beschreibt auch das neue Album "Oldschool", das es als CD, Download und ganz klassisch auf Vinyl gibt, einen Zeitsprung aus den 80ern mitten ins Jetzt. "Sie ist eine augenzwinkernde Ansage an die Leute, die glauben, dass man ab 30 praktisch auf der Abwärtskurve wandelt. Zeit wird relativ, wenn man sich nicht an die Vergangenheit klammert oder ständig Angst vor der Zukunft hat. In dem Gefühl sind auch die Designs für meine Tapeten entstanden", erläuterte die Musikerin. Sie machte den Anwesenden Mut, sich ebenfalls künstlerisch zu betätigen. "Alles und jeder kann kreativ sein. Fühl dich frei zu gestalten, was immer dir in den Sinn kommt. Gott hat uns allen Kreativität mitgegeben. Man muss das nicht gelernt haben."

Exklusiv-Konzert mit 500 Gästen

Nena selbst hat in ihrer Wohnung in Hamburg, in der sie nach eigenen Aussagen einen schlichten, sehr musikorientierten Wohnstil pflegt, bisher noch keine Tapeten an den Wänden. Aber das soll sich ändern. Die Musikerin, die gerne ihre Familie einschließlich ihrer drei Enkelkinder um sich hat, will sich demnächst einen Tapeziertisch anschaffen und Wände selbst tapezieren. Bevor sie sich in mit Energie in diese Aufgabe stürzt, begeisterte sie ihr Publikum mit einem Live-Auftritt im Forum der Messe, der von rund 500 Gästen gefeiert wurde.

"Mit diesem Konzert geben wir in schwierigen Zeiten das Statement: Jetzt erst recht", sagte Wolf Kappen, für Marketing und Vertrieb zuständiger Geschäftsführer bei der Marburger Tapetenfabrik. Diese Botschaft sei angekommen. Schon bei der Messe habe es ein positives Feedback von den Kunden gegeben. "Sie wertschätzen unser Bemühen, etwas Neues zu machen." Mit ihren Kollektionen sei die Marburger Tapetenfabrik gut aufgestellt.

Wirtschaftlich schwierige Zeiten

Dennoch belasteten die geringe Nachfrage aus Russland und den GUS-Staaten, die Zölle in der Türkei und das insgesamt schwächelnde europäische Absatzgebiet das Ergebnis des Familienunternehmens. "Auch das Inland bot wenig Anlass zur Freude, schließlich kämpfen hier alle Hersteller mit hoher Intensität um das verbleibende Geschäft", sagte Kappen. Deshalb sei das Unternehmen gezwungen, einige Arbeitsplätze sozialverträglich abzubauen.

"Unsere Kapazitäten waren ausgerichtet auf Spitzenjahre", betonte der Geschäftsführer. Doch die guten Zahlen würden nicht mehr erreicht. Für die sinkende Nachfrage nach Westprodukten in Russland und den GUS-Staaten gebe es keinen Ausgleich. Auch stellte Russland mittlerweile selbst hochwertige Tapeten her. Erschwerend hinzu kämen die Probleme in Westeuropa. So sei der Markt in Frankreich nach wie vor schwach und in Deutschland mache sich eine aggressive Preispolitik bemerkbar, die von werkstattlosen Handwerkern noch befeuert werde. Die kauften nämlich überwiegend günstige Ware einfacher Art.

Mehr Aufmerksamkeit für Tapeten schaffen

Dennoch sieht Kappen in Deutschland großes Potenzial für die Tapete. "Ihre Durchdringung beim Endverbraucher ist zu niedrig, das ist das Schlüsselproblem", meinte er. "Der Verbraucher stellt sich nicht mehr die Frage, welche Tapete er für seine Wand auswählt, sondern ob er überhaupt eine haben will. Raufaser und das immer stärkere Glattvlies machen uns zu schaffen." Deshalb müsse der Konsument wieder mehr für die Tapete begeistert, der Wandbelag zum Gesprächsthema werden. Die Nena-Kollektion solle dazu beitragen.

Lob zollte der Geschäftsführer in Bezug auf Absatzbemühungen der Schlau-Gruppe, die zum Jahresende Großhändler Steffel übernommen hatte: "Tapete ist bei der Brüder Schlau Gruppe kein Randthema, sondern ein Schwerpunkt des Marktauftritts."

Personell kam es bei Marburg in letzter Zeit zu einigen Veränderungen. Nachdem Exportleiter Bernd Kothe zum Stoff-Verlag Nya Nordiska gewechselt ist, verantwortet Kappen seinen Aufgabenbereich zunächst kommissarisch. Marketingchef Michael Freiberger hat das Unternehmen ebenfalls verlassen. Er leitet das Marketing Deutschland/Österreich bei dem Spielzeughersteller Hape.| cornelia.kuesel@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 02/16 (Wirtschaft)