Holzland initiert Podiumsdiskussion zur Zukunft des Handels
"Es wird darauf ankommen, wer zuerst online dabei ist"
Noch spielt der Online-Vertrieb von Bodenbelägen eine untergeordnete Rolle. Aber das könnte sich ändern. Aktuell positionieren sich Hersteller wie Händler im E-Commerce ambitionierter als in der Vergangenheit, weil sie mittelfristig den Wettbewerb etablierter Online-Player fürchten müssen. Auf der Domotex loteten Vertreter aus dem Holzfachhandel sowie von Kooperationen und der Industrie die Chancen und Herausforderungen aus. | von Imke LaurinatDas der Branche unter den Nägeln brennende Thema E-Commerce erörterte im Rahmen der Podiumsdiskussion "Fachhandel 2020" vor rund 100 Zuhörern eine prominent besetzte Runde. Alle Teilnehmer einte eins: das Know-how aus der erfolgreichen Implementierung von Online-Vertriebsstrukturen in ihren Unternehmen bzw. Organisationen. Auf dem Podium saßen Hartmut Goldboom (Geschäftsführer Fachhandel Hagebau), Andreas Ridder (Geschäftsführer Holzland), Ludger Schindler (Geschäftsführer Marketing und Vertrieb Meisterwerke), Lothar Zipse (Inhaber Zipse), Hans Ziller (Holzfachzentrum Ziller) und Philipp Zumsteg (Geschäftsführender Gesellschafter bei Carl Götz). Moderiert wurde die von Holzland mitinitiierte Veranstaltung von Volkmar Halbe, Geschäftsführer der Management-Beratung 360 Grad, vielen noch bekannt als Geschäftsführer von Parador. Mit der provokanten These "der Online-Handel wird weitere Marktanteile gewinnen, und der stationäre Fachhandel nur überleben, wenn er exzellent ist", läutete Halbe eine lebhafte Diskussion um die richtigen Weichenstellungen für die Zukunft ein.
Worin bestehen die größten Herausforderungen?
Um sich erfolgreich im Internet-Vertrieb aufzustellen, müsse der Handel drei wesentliche Voraussetzungen erfüllen, führte
Philipp Zumsteg aus: "Für uns ist es wichtig, die Vorteile zu nutzen, die uns der stationäre Handel bietet. Wir sind logistisch gut aufgestellt und können deutschlandweit schnell liefern - der schönste Shop nützt nichts, wenn die Logistik dahinter nicht funktioniert." Außerdem komme es darauf an, die Kunden- und Produktdaten im Griff zu haben und eine sinnvolle Schnittstelle zwischen den neuen Plattformen und den bisherigen Systemen zu definieren.
Auf die Herausforderung des Datenmanagements ging auch
Andreas Ridder ein: "Wir müssen über sämtliche Geschäftsprozesse nachdenken. Wer zukünftig seine Daten nicht im Griff hat, der wird Schwierigkeiten bekommen - und das ist völlig unabhängig vom Internet zu sehen." Holzland begreife die Entwicklung zukunftstauglicher IT-Strukturen als Chance; die Kooperation stelle
ihren Händlern entsprechende Lösungen bereit.
Außer der Digitalisierung und dem damit verbundenen Datenmanagement spielen weitere Faktoren eine Rolle.
Hartmut Goldboom brachte das übergreifenden Stichwort Globalisierung in die Diskussion ein. "Oftmals haben wir in den einzelnen Länderorganisationen aus Industriesicht noch Ländergrenzen, während der Handel flächendeckend arbeitet und auch der Kunde flächendeckend unterwegs ist." Ein weiteres Thema, das bei der Ausrichtung eines Geschäftsmodells eine wichtige Rolle spielt, sei der sich verstärkende demografische Wandel.
Für
Lothar Zipse ist dagegen die Mitarbeiterqualifikation der springender Punkt: "In der Qualifikation und Weiterbildung der Mitarbeiter sehe ich eine der stärksten Schwachstellen des Fachhandels." Wenn der ins Geschäft kommende Kunde besser informiert ist als der Verkäufer, dann sei das ein Problem.
Auf die Beziehung zwischen Industrie und Handel bei der Ausgestaltung des Online- Geschäfts ging
Ludger Schindler ein: "Im Fachvertrieb müssen sich alle - und das heißt sowohl die Industrie als auch der Handel - verändern." Mit der Bereitstellung einer E-Commerce-Plattform habe Meisterwerke die Fachhändler im Wandel begleitet. "Wir müssen die Vorteile des stationären Handels klar herausstellen, um sie auch dem Endkunden entgegenzubringen." Ziel sei die Verknüpfung von stationärem Geschäft und Online-Handel.
Wie verändern sich die Beziehungen zwischen Industrie und Handel?
Ludger Schindler: "Im Fachvertrieb haben wir gemeinsame, überlegene Angebote. Und dazu müssen wir auch das Internet nutzen. Aber ohne die kompetente Beratung vor Ort sehe ich auch keinen Erfolg im Netz." Die Abhängigkeit vom Fachberater sei in keiner Branche so hoch wie im Geschäft mit Bodenbelägen.
Das fand Bestätigung: "Der gut geführte Fachhandel wird in Zukunft vielleicht mehr gebraucht als je zuvor. Aber die Anforderungen werden steigen und es wird vielleicht in Zukunft nicht mehr für alle reichen", gab
Lothar Zipse in diesem Zusammenhang zu bedenken.
Sich nur auf das Produkt zu fokussieren, hält auch
Hartmut Goldboom für zu kurz gesprungen: "Vielmehr müssen wir die Produkte veredeln, in Lösungen denken und einen Mehrwert herausarbeiten. Zukünftig wird uns die Frage stärker beschäftigen, welche Lösungen wir dem Kunden anbieten." Fachhandelsstandorte könnten etwa mit einem größeren Portfolio über das reine Produkt hinaus den kompletten fertigen Wohnraum anbieten.
Hans Ziller: "Für uns ist entscheidend, wie wir in unserer Region vom Endverbraucher als die Einkaufsstätte für Böden, Türen und Garten wahrgenommen werden." Dazu brauche es emotionaler gestaltete Ausstellungen. Die Herstellerlandschaft in Deutschland sei zu sehr produktgetrieben. "Das Thema Ausstellung muss völlig neu gedacht werden."
Auf einen durch die Digitalisierung veränderten Dialog mit der Industrie wies
Philipp Zumsteg hin: "Die Inhalte der Gespräche verändern sich - heute unterhalten wir uns über Dinge wie PIN-Systeme und Produktdatenbanken." Der Bereich E-Commerce habe einen enormen Stellenwert und werde stark vorangetrieben. "Wenn wir das mit unseren Industriepartnern machen, müssen diese dafür auch entsprechend aufgestellt sein."
Braucht die Branche neue Geschäftsmodelle?
Philipp Zumsteg: "Das eine oder andere radikal neue Geschäftsmodell wird kommen. Spannend wird sein, wer sein Online-Angebot auf allen Vertriebskanälen in welcher Geschwindigkeit und in welcher Konsequenz auf die Straße bringt. Es wird darauf ankommen, wer zuerst dabei ist und wer nur hinterherläuft."
"Wir müssen Omnipräsenz auf allen Kanälen zeigen, die für unsere Zielgruppen wichtig sind. Die Verknüpfung zwischen stationärem Handel und Online-Handel mit der entsprechenden Vernetzung der Händlerstrukturen ist der richtige Weg", betonte
Andreas Ridder.
Der Fachhandel braucht neue Geschäftsmodelle, gab sich
Hans Ziller überzeugt: "Der Einzelhandel unserer Branche muss sich in den nächsten Jahren über die Serviceführerschaft definieren." Die Branche sei gefordert, aktiver mit dem Thema Service umzugehen. Einer von vielen Appellen, der während der Podiumsdiskussion eines deutlich machten: Parallel zum Ausbau der Online-Vertriebskanäle wird sich auch das stationäre Geschäft weiter verändern.
aus
Parkett Magazin 02/16
(Wirtschaft)