Domotex 2016, Hannover

Vielfältig, verkaufsstark, international

Trotz leicht rückläufiger Besucherfrequenz im Teppichbereich wurde auf der diesjährigen Domotex sehr ordentlich verkauft. Vor allem moderne Interpretationen alter Muster im mittleren Preisspektrum waren gefragt. Beeindruckt haben die starke Präsenz der türkischen und iranischen Hersteller maschinengewebter Teppiche sowie die professionellen Auftritte der indischen Knüpfer. Gleichzeitig gibt es Raum für Verbesserungen. Der Wunsch nach einem Messetermin im Frühjahr oder Herbst wird laut. Und um die Anbieter edler Designteppiche bei der Stange zu halten, sollten die Aussteller konsequenter gruppiert werden.

Die Domotex ist die einzige wirklich internationale Messe für abgepasste Teppiche" - davon ist Gaurav Sharma von Obeetee überzeugt. Der Geschäftsführer des weltgrößten Anbieters handgefertigter Teppiche präsentierte sein Unternehmen inzwischen zum dritten Mal in Hannover und will unbedingt am Ball bleiben.

Kein Wunder, denn auf der Domotex trifft sich die Teppichwelt: Fast 30% der Besucher stammten laut Messeleitung aus Asien; auch aus den USA gab es starken Zulauf - und das trotz zweier bedeutender Teppichmessen in Atlanta und Las Vegas, die ebenfalls im Januar stattfanden. Überhaupt wird die Domotex für US-Besucher jetzt noch interessanter. Gleich zu Messebeginn trat ein, was sich seit mehreren Monaten abzeichnete: Die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran wurden erheblich gelockert. Importe iranischer Teppiche in die USA werden also möglich und möglicherweise auch interessant. Wie genau sich das auf den Markt auswirkt, muss sich allerdings noch zeigen. Denn immerhin wird der US-amerikanische Teppichbedarf derzeit gut durch Anbieter aus anderen Ländern gedeckt.

Solides Angebot, kaum "Geschmacksverirrungen"

Insgesamt zeigte die Messe eine ansprechende Teppichlandschaft. Der Markt bietet keine revolutionären neuen Ideen, dafür aber viele schöne Produkte in von Jahr zu Jahr steigender Qualität. Selbst die meisten sehr günstigen Teppiche wirkten harmonisch; offensichtliche "Geschmacksverirrungen" waren selten. Insbesondere indische Hersteller handgefertigter Teppiche haben sich deutlich weiterentwickelt und beeindruckten mit hochwertigen Präsentationen. Das gilt nicht nur für die Auftritte von Branchengrößen wie Global Overseas, Jaipur oder Obeetee, sondern ebenfalls für die kleineren Stände in Halle 17. Fast 200 indische Teppichexporteure waren insgesamt auf der Domotex vertreten, unterstützt durch die indische Exportförderung CEPC. Für den italienischen Händler Alberto Levi ist der indische Pavillon jedes Jahr ein Messehighlight: "Hier schaue ich mich gern nach Produzenten um, die zuverlässig und sorgfältig arbeiten. Dabei sind schon spannende Kooperationen entstanden."

Die starke Präsenz indischer Exporteure ist allerdings einer der Gründe, warum ein großer Trendsetter der Branche weggeblieben ist: Jan Kath wollte sich nicht Seite an Seite mit denjenigen präsentieren, die seine Designs wiederholt kopiert hätten. Stattdessen lud Kath seine Kunden nach Bochum zur Veranstaltung Family Affairs ein. Sein Fehlen wurde bedauert, die Lücke aber von anderen Anbietern gut ausgefüllt. An Kaths Stammplatz neben Innovations@Domotex zeigte nun Zollanvari eine breite Vielfalt kreativer Knüpfteppiche: ein schön gestalteter, sehr farbenfroher Stand mit erfrischend modernen Ideen.

Starkes Mittelfeld, Highend schwächelt

Überhaupt alle Spielarten moderner Klassiker, also marktangepasste Varianten alter Knüpfungen, erlebten auf der Domotex einen regelrechten Boom. Der österreichische Anbieter Oritop konnte sich demnach über eine "sehr erfolgreiche Messe" freuen: Ein weiteres Indiz dafür, dass die "modernen Orientalen" stark im Kommen sind. Auch die farbenfrohe Kollektion des türkischen Anbieters Can Carpet wurde sehr positiv aufgenommen: Inhaber Osman Can lässt bis zu 500 Jahre alte Teppichdesigns wie Uschak, Konya, Ladik oder Bergama sehr hochwertig nachknüpfen. Insgesamt legt allerdings das mittlere bis obere Mittelfeld in EK-Preislagen zwischen 200 und 500 EUR pro Quadratmeter stark zu. In diesem Rahmen lassen sich bereits sehr dekorative, wertige Stücke herstellen, die für den Durchschnittsverdiener gerade noch bezahlbar sind. Eine ebenfalls eindrucksvolle Präsenz zeigten die marokkanischen Anbieter, deren grafische, hell-dunkel gemusterten Berber- und Beni-Ouarain stark im Trend liegen.

Sehr schwer hat es zur Zeit die absolute Hochwert-Ware mit EK-Preisen ab 500 EUR pro Quadratmeter. Denn: "Irgendwann sind die Lager der Einzelhändler mit schwerstverkäuflicher hochpreisiger Ware voll", hieß es auf der Messe. Vielleicht liegt es auch daran, dass die High-End-Designteppiche dieses Jahr viel wohnlicher wirkten als zuvor. Einzelhändlerin Claudia Schick-Stephan zum Beispiel sind "weniger plakative Selbstverwirklichungsprojekte aufgefallen als noch im letzten Jahr."

Die Ausstellervielfalt braucht Struktur

Gleichzeitig sollte sich die Messe überlegen, wie sie ihren sehr unterschiedlichen Teilnehmern weiterhin gerecht werden kann: den langjährigen Stammkunden ebenso wie den Neuzugängen, den Design- und Hochwert-Anbietern wie den Mengenproduzenten. Denn die enorme Ausstellervielfalt ist einerseits ein großes Plus der Messe, andererseits aber auch eine Herausforderung: "Weil die Domotex eine große Bandbreite von sehr günstig bis sehr teuer abdeckt, reagieren einige Interessenten verwundert auf die Preise für unsere sehr hochwertigen Handknüpfteppiche", hieß es etwa am Stand von Mirzazadeh. Auch Dani Misio von Mischioff fühlte sich in der direkten Nachbarschaft günstiger Massenknüpfer einem unangemessenen Vergleich ausgesetzt - und den neugierigen Blicken von "Designkopierern".

Designerin Kim de Cabooter sieht das ähnlich: "Wir von Papilio vermissen die alte Halle 3 sehr. Dort hatten sich mehrere kleinere kreative Anbieter um das Trendforum herum gruppiert. Inzwischen sind wir von industriellen Mengenanbietern umzingelt." Das darf die Messeleitung durchaus zum Anlass nehmen, die Ausstellervielfalt neu zu strukturieren und unterschiedliche Areale für die ebenfalls sehr unterschiedlichen Anbieter zu gestalten.

Weben, drucken, tuften

Keine echte Neuheit, aber in neuem Licht und mit aktuellem Erscheinungsbild: Maschinenwebteppiche aus Chenille, bezahlbar, farbenfroh und vielseitig. An zahlreichen Ständen wurden sie ansprechend präsentiert - etwa bei OCI in der Trend-Kombination grau und türkis oder bunt bedruckt am Stand von Arte Espina. Auf der Trendsetter-Möbelmesse IMM Cologne spielten sie in zahlreichen Einrichtungsszenarien tragende Nebenrollen. Überhaupt waren Maschinenwebteppiche stark gefragt und im Überfluss vorhanden: "In diesem Bereich hat sich enorm viel getan, gerade was die Weiterentwicklung von Designs und Farben betrifft", findet Dieter Haider von Möbel Martin.

Klar auf dem Rückzug, aber im wertigeren Bereich weiterhin präsent: Handtuft. "Die Technik bleibt im Highend-Spektrum", davon ist Soonthorn Kraitrakul von Carpet Maker überzeugt. Vorzeigeprojekt der thailändischen Handtufter: ein 38 x 68 m großer maßgefertigter Teppich für den Sultan von Brunei. Das günstige und konsumigere Segment geht allerdings weiter an die Maschinenweber. Dabei verfügen allein die türkischen Produzenten über gewaltige Überkapazitäten und drängen mit deutschen Niederlassungen verstärkt auf den europäischen Markt. Das drückt auch massiv auf den Preis. Und dem nicht genug - starken Wettbewerb erfahren die Türken durch ebenfalls sehr produktionskräftige Maschinenweber aus dem Nachbarland Iran. Eine weitere Herausforderung: Durch den Einbruch der Märkte in Russland und Nahost sind wichtige Abnehmerländer weggebrochen. Es wird also eng in der Maschinenwebbranche. Sehr eng. Dazu kommt, dass sich deutsche Möbelhäuser wieder verstärkt dem Knüpfteppich zuwenden: "Das ist die Ware, die uns in Zukunft wieder einen höheren durchschnittlichen Einkaufsbon bescheren kann und muss", meint Dieter Haider von Möbel Martin.

Ebenfalls interessant und möglicherweise das Nischenprodukt der Zukunft: antike Teppiche. Exporteur Nasser Nishaburi zeigte sich beeindruckt von der Vielfalt alter Knüpfungen und Gewebe, die es in einem kleinen, aber sehr agilen Bereich der Halle 14 zu sehen gab.

Das Garn, aus dem die Fäden sind

Für Nischenprodukte ist immer Platz. Als "neue Nische" verwendet Natur-Anbieter Barfuss Alpakagarn und lässt es zu Knüpf- und Flachwebteppichen verarbeiten. Ein hochpreisiges Material, das einen entscheidenden Vorteil bietet: Alpaka eignet sich sehr gut für Allergiker und verfügt dazu über ausgezeichnete thermische Eigenschaften.

Ansprechend soll es aussehen, sich dabei angenehm anfühlen und möglichst kostengünstig sein. Als Alternative zur hochpreisigen Seide begegnet man immer häufiger der Viskosefaser - mit sanftem Glanz und weichem Griff. Allerdings gilt die Faser auch als relativ schmutzempfindlich. "Hier muss man also das Echo des Endverbrauchers im Gebrauch abwarten", meint Markus Lippert von Möbel Finke. Insbesondere im Maschinenwebbereich wird immer mehr Polyester verarbeitet, vor allem in Form von Microfasergarnen.

Greige in farbiger Gesellschaft

Etwas farbenfroher als im Vorjahr wirkte sie inzwischen, die Hannoversche Teppichwelt. Beige, Creme, Grau, Ecru & Co. geben zwar immer noch den Ton an, lassen aber auch Platz für Highlights. Zum Beispiel für ein schillerndes Türkis oder ein dunkles Jeansblau. Und Handweber Paulig kombiniert in seinem Naturton-Webklassiker Weiß und Grau mit einem zarten Rosa. Das komme bei den Besuchern "total gut an". "Man braucht auch Ungewöhnliches im Sortiment", erklärt Paulig-Außendienstler Thomas Kretzler.

Gestalterisch gehen Designer und Hersteller allerdings zurzeit lieber auf Nummer sicher. Das zeichnete sich bereits eine Woche zuvor auf der Branchenmesse Heimtextil ab: Durch die russische Wirtschaftskrise litt insbesondere der Tapetenmarkt, aber auch die ganze Heimtextilbranche.

Tierisches und Grafisches

Bei den Designs wird es dieses Jahr einerseits "echt tierisch": mit Flamingos bei Reinkemeier, allerlei indischen Tierzeichnungen bei Rug Star, Tigern hier und Paradiesvögeln dort. Den Gegenpol dazu bilden die weniger verspielten grafischen Designs wie Labyrinth- oder Berbermuster.

Auch das Patchwork-Thema war weiterhin vertreten. Insbesondere auf dem schön gestalteten Stand des türkischen Anbieters ICI. Eine ganz besondere Form des Patchwork zeigte Großhändler Nordsüd: Teppich aus Jeanslabeln.

Den Teppich in den Kontext rücken

Essenziell: die stimmige Präsentation des Teppichs im Kontext. Das sieht auch der Design-Anbieter Rugstar so, der seine Teppiche bisher eher als Kunstwerke denn als Einrichtungsprodukte inszeniert hat. Das soll sich jetzt ändern. Erstmalig hat das Unternehmen um Designer Jürgen Dahlmanns Teppiche in echten Einrichtungssituationen fotografiert, um zu zeigen, "wie und dass Teppiche in realen Wohnsituationen funktionieren".

Geschichten erzählen, dem Kunden eine Vorauswahl bieten, Gesamtkonzepte zeigen: Darauf setzt Vorwerk-Marketingchef Florian Bausch mit dem neuen Selected-Rugs-Programm (siehe Titelgeschichte in diesem Heft). Reinkemeier wiederum schafft es regelmäßig, mit Star-Lizenzen für Glamour am Messestand zu sorgen. Auch diesmal stellte Barbara Becker wieder neue Designs aus ihrer Home-Passion-Kollektion vor und sorgte mit ihrer entspannten, natürlichen Art für gute Laune.

Von so einer positiven Einstellung zum Markt und Produkt könnten sich laut Nasser Nishaburi viele Anbieter klassischer Knüpfungen eine Scheibe abschneiden. "Die Teppichbranche leidet unter zu viel Pessimismus; an vielen Ständen herrscht eine destruktive, düstere Stimmung", findet der iranische Exporteur. Dabei wäre es so wichtig, mit Elan auf die jüngere Generation zuzugehen und ihr den Teppich nahezubringen. Dass das heute anders funktioniert als noch vor fünfzig Jahren müssten viele Anbieter erst begreifen: "Sie stecken noch in der Vergangenheit fest."

Ewald Schlögl, Einkäufer der österreichischen XXXL-Lutz-Gruppe, wünscht sich noch mehr Erlebniswelten auf der Messe: "Stände, die die schönsten und kostbarsten Einrichtungsjuwelen entsprechend präsentieren und damit Einkäufer aus der ganzen Welt verzaubern und verführen." Und die damit natürlich auch Besuchern aus dem Einzelhandel Anregungen für die eigene Ladengestaltung auf den Weg geben.

Viele Anbieter sind inzwischen viel mehr als nur Produktlieferanten und bieten darüber hinaus umfangreichen Service. Bei Otto Golze etwa sorgt der Außendienst regelmäßig für die Bestückung der Ladengeschäfte mit Fußmatten - ein Sortiment, das oft zu Unrecht vernachlässigt wird und bei Golze ein echter Umsatzträger ist. Der Mitnahmeartikel wird gern spontan gekauft: "Da kann man auch mal etwas wagen, ohne viel zu riskieren", erklärt Geschäftsführer Carsten Gähle.

Informations- und Verkaufsplattform

Für die einen ist die Domotex vor allem Kontakt- und Informationsplattform und für die anderen in erster Linie Verkaufsmesse. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass insbesondere in den Orient-Hallen die meisten Aufträge noch vor dem offiziellen Messestart geschrieben werden - an den Aufbautagen Mittwoch bis Freitag. Wer zuerst kommt, sucht sich die besten Einzelstücke aus, lautet hier das Motto. Allerdings gehen auch Hersteller mit Programmware wie Global Overseas oder Jaipur immer stärker dazu über, fertig geknüpfte Teppiche aus ihren Kollektionen auf der Messe zu verkaufen - weil viele Kunden nicht mehrere Monate lang auf die bestellten Teppiche warten wollen. Wer als Einkäufer erst zum offiziellen Messebeginn nach Hannover reist, findet also durchaus auch Stände mit ausgedünntem Angebot vor. Demgemäß bauten zahlreiche Anbieter bereits deutlich vor Messeende ihre Auftritte ab: ein immerwährendes, aber offenbar toleriertes Ärgernis.

Trotzdem: Der Wert der weltgrößten internationalen Teppich- und Bodenbelagsmesse lässt sich nicht allein mit dem Wert der geschriebenen Aufträge gleichsetzen. Denn die Domotex bietet mehr als "nur" Geschäfte; sie ist auch Informations- und Inspirationsquelle, zeigt Trends und neue Präsentationsmöglichkeiten. Umso wichtiger ist es, dass der Handel die Veranstaltung besucht; auch Mitarbeiter "ohne Einkaufsberechtigung", die ausschließlich im Verkauf tätig sind. Gerade an dieser Schnittstelle hapert es leider stark: Der Handel kann und muss noch viel tun, um Teppiche und Endkunden zusammenzubringen. Dass das Produkt an sich "trendy" ist, zeigen die Medien. Ob TV, Print oder Internet: In keinem angesagten Einrichtungsszenario darf der Teppich fehlen.

Eine Frage des Termins

Viele weitere Händler würden tatsächlich gern anreisen oder größere Teams schicken, können aber nicht. Wie auch? Der Januar ist der umsatzstärkste Monat im Teppich-Einzelhandel: Da verzichtet man äußerst ungern auf Verkaufspersonal. Dass im direkten Umfeld weitere wichtige Branchenmessen wie Heimtextil, IMM Cologne und Ambiente stattfinden, erleichtert die Lage nicht. "Und wer auf der Domotex Ware ordert, erhält die in der Regel erst im Frühjahr und damit in der verkaufsschwächsten Zeit", erklärt Michael Roithner von Poco, der daher regelmäßig die Domotex Turkey im Mai besucht: Die dort georderte Ware trifft pünktlich zum Saisonstart im Herbst ein. Dabei könnte alles viel einfacher sein - wenn die Veranstalter nur einen neuen Termin für die Messe in Hannover fänden. So jedenfalls sehen es viele Teilnehmer: "Wir würden die Domotex im Herbst oder April begrüßen", meint Hendrik Janning von OCI. Dann nämlich könnte sich der Handel im Winter ganz auf Verkauf und Service konzentrieren.•
aus Carpet Magazin 02/16 (Wirtschaft)