Innung Parkett und Fußbodentechnik Nordost
Wie sich der Handwerker vor Haftung schützen kann
Die meisten Verlegearbeiten verlaufen reibungslos. Doch neue Grenzwerte, Vorschriften und Zertifizierungen drängen den Parkett- und Bodenleger immer stärker in die Haftungsfalle. Das war vorherrschendes Thema bei der diesjährigen Mitgliederversammlung der Innung Nordost in Halle.Mängelbeseitigung, Widerrufsrecht des Verbrauchers, drohende Zertifizierung für holzverarbeitende Betriebe und erhöhte Werte bei der Feuchtemessung gehörten in Halle zu den diskutierten Problemen, die Handwerkern ihre Arbeit erschweren können. Doch zunächst aktuelle Daten zur Innung Nordost und zum Gewerk: Nachdem in jüngerer Vergangenheit acht Firmen ihre Innungsmitgliedschaft kündigten und sieben weitere wegen Ruhestand ihren Austritt erklärten, betrug der Mitgliederstand im April 2016 insgesamt 136 Betriebe und 69 Gastmitglieder. Mit einem Haushaltsvolumen von rund 110.000 EUR steht die Innung, laut Obermeister Torsten Weber gesund da. Von November 2016 bis Mai 2017 ist die Durchführung eines eigenen Meisterkurses geplant. Die Herbstversammlung der Innung findet vom 2. bis 4. November in der Nähe von Potsdam statt.
Bundesweit ist die Branche Schwankungen unterworfen. Während sich im Parkettbereich (7.813 Betriebe) rund 1,7 % mehr Firmen in die Handwerksrolle eintrugen, gab es bei den Bodenlegern (13.369 Betriebe) einen Schwund um 1,9 %. In den neuen Bundesländern strichen 18 Parkettbetriebe und 117 Bodenleger die Segel, in Berlin waren es entsprechend sechs und 39 Betriebe. Lob von Obermeister Weber erhielt die Initiative Parkett im Klebeverbund (PiK). "Nutzen Sie die Werbemaßnahmen dieser Initiative", empfahl er seinen Innungsbetrieben nicht zuletzt im Hinblick auf das Objektgeschäft. "Da gibt es gute Argumente und Potenzial, um unser Produkt voranzubringen."
Erhöhung der Grenzwerte der Belegreife - wer profitiert, wer verliert?
Feuchtigkeit ist immer ein zentrales Problemthema für Parkettleger. Der Estrich muss trocken sein, bevor ein Oberbelag sicher installiert werden kann. Aber wann ist er trocken? Die neue Estrichnorm DIN 18560 hat bei beheizten Calciumsulfatestrichen den ursprünglich gültigen Wert von 0,3 CM% auf 0,5 CM% heraufgesetzt. Der Sachverständige Norbert Strehle hat das im Parkett Magazin 2-16 kritisiert. Auf der Innungsversammlung in Halle nannte er Ross und Reiter: Industrie und Vertreter der Estrichleger hätten im Normenausschuss gegen den Willen nachfolgender Gewerke den erhöhten Grenzwert in die DIN 18560 geschrieben, weil Fließestriche aufgrund hoher Dichte langsamer austrocknen und Wettbewerbsnachteile befürchtet würden. Haften wollen sie aber nicht. Weiterhin bleibt es Aufgabe des Parkettlegers, den Estrich zu messen und die Belegreife festzustellen. Das muss er laut DIN 18560 mit der CM-Methode machen. Andere Verfahren lässt die Norm nicht zu.
Für Norbert Strehle kommen die wirtschaftlichen Interessen im Ablauf des Normierungsprozesses einer Intrige gleich. Fachlich hält er die Belegreifgrenze von 0,5 CM% für falsch. "Bei einem Heizestrich wird die Restfeuchtigkeit wie bei einem Wassertopf auf der Herdplatte sehr schnell nach oben gedrückt." Im Gegensatz zu einem unbeheizten Zementestrich (Belegreife 2,0 CM%), der seine Restfeuchtigkeit sehr langsam über Jahre hinweg abgäbe, könne ein Holzbelag hier plötzlichen Schaden nehmen. Vor allem, wenn andere Faktoren hinzukommen, wie der Sachverständige Joachim Barth anmerkt: "Estrich zu feucht, Holz zu trocken und das Raumklima ungeeignet."
Was kann der Parkettleger tun, um Schaden und Haftung zu vermeiden? Er muss darauf achten, welche Norm im Auftrag vereinbart wird. Die bewährten DIN 18356 Parkettarbeiten, DIN 18365 Bodenbelagsarbeiten und DIN 18352 Fliesen- und Plattenarbeiten berufen sich auf den Stand der Technik und die Verarbeitungshinweise der Hersteller. Das ist unbedenklich, denn auch im TKB-Merkblatt vom März 2016 wird am geringeren Belegreifewert von 0,3 CM% festgehalten. Wenn aber die DIN 18560 im Bauauftrag steht? "Man kann auch gegen eine Norm Bedenken anmelden", sagt Norbert Strehle. "Die muss ja nicht immer richtig sein." Praktikabler aber ist es, sich vom Bauherrn - nicht vom Estrichhersteller - schriftlich bestätigen zu lassen, dass der beheizte Calciumsulfatestrich bei einem Wert von 0,5 CM% als belegreif akzeptiert wird.
Und wie misst der Parkettleger den Feuchtegehalt? "So, wie es seine langjährige Erfahrung mit der CM-Methode gezeigt hat", betont Joachim Barth. "Nicht über den Querschnitt der Estrichdicke, sondern im unteren Bereich." Außerdem müsse der Handwerker den Bauherrn oder Architekten über die Schnittstellen-Koordination aufklären und ein Belegreif-Heizprotokoll anfordern - keinesfalls das Aufheiz-Protokoll, denn das sage nur aus, ob der Estrich die gewünschte Temperatur erreicht hat.
Mängelbeseitigung - wer trägt die Kosten?
Wenn ein Handwerker ein für ihn nicht erkennbar mangelhaftes Produkt einbaut, wer trägt im Schadensfall die Kosten? Hier steht ein Gesetzentwurf zur Debatte, das den Handwerker stark benachteiligt. Wieder stecken Interessen der Industrie dahinter, sagt der Jurist Dirk Neumann, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Halle. Die nämlich hätte an der öffentlichen Anhörung zum Gesetz kaum teilgenommen, was vermuten lasse, dass sie dank direkter Lobbyarbeit im Ministerium schon gute Karten in der Hand halte. Und tatsächlich vertreten dort die zuständigen Sachbearbeiter eine andere Rechtsauffassung als Handwerksverbände und -kammern. Nur das eingebaute Material soll der Handwerker im Mängelbeseitigungsfall ersetzt bekommen, nicht aber die Ein- und Ausbaukosten. Überhaupt, so Neumann, fehle dem Gesetzentwurf jegliche AGB-Festigkeit. Und da nur fest eingebautes Material ersetzt werde soll, wäre nicht einmal klar, ob Produkte wie schwimmendes Parkett, Klebstoff und Lacke in diese Kategorie fallen würden.
Noch ist das Gesetz nicht verabschiedet. Widerstand gegen das Bundesministerium gibt es vom Bundesrat. Der spricht sich für eine AGB-Festigkeit und Pro-Handwerk aus. Doch Dirk Neumann hegt Zweifel, ob der Bundesrat sich mit seiner Position durchsetzen kann.
Widerrufsrecht - ein noch dickerer Pferdefuß?
Im Zusammenhang mit dem Mängelbeseitigungsgesetz wird ein Punkt des Verbraucherschutzes verhandelt, der sich zu einem noch verschleierten, doch massiven Problem für das Handwerk ausweiten kann: das Widerrufsrecht auf Handwerkerleistungen. Bisher gilt es nicht für den Neubau und wesentliche Veränderungen am Bau. Doch das könnte sich ändern. Dann dürfte ein Verbraucher sogar einen fertiggestellten Auftrag widerrufen - und zwar bis zu einem Jahr und zwei Monate nach Vertragsabschluss. Ohne, dass Mängel als Begründung herhalten müssten.
Die Forderung klingt absurd, doch das Amtsgericht Bad Segeberg hat bereits 2015 zugelassen, dass das Widerrufsrecht des Verbrauchers auf Handwerkerleistungen anwendbar ist. "Aufwachen! Das Gesetz wird kommen", beschwört Dirk Neumann die Parkett- und Bodenleger. Dann könnte ein cleverer Verbraucher die Verlegung eines Bodens in der Frist widerrufen, den gezahlten Betrag vom Handwerker zurückfordern und darauf setzen, den Boden kostenfrei zu behalten, weil der Ausbau für den Handwerksbetrieb ein zu teures Unterfangen ist.
Zum Glück gibt es Auswege. Bei gewerblichen Auftraggebern gilt der Verbraucherschutz nicht. Auch wenn der Auftrag in den Geschäftsräumen des Verlegers unterschrieben wird, tritt das Widerrufsrecht nicht in Kraft. Zur Sicherheit sollte der Handwerker aber seinen privaten Kunden vor Vertragsabschluss eine Erklärung zur Widerrufsbelehrung unterschreiben lassen. Vordrucke dafür gibt es u.a. auf der Website der Handwerkskammer Halle (hwkhalle.de).
DIBT und das Ü-Zeichen - kommt eine Nachfolgeregelung?
Bis zum 16. Oktober 2016 muss am Bau mit DIBT-zertifizierten Produkten gearbeitet werden. Dann verlieren alle Ü-Zeichen ihre Gültigkeit und künftig reicht das CE-Zeichen. Das hat der Europäische Gerichtshof aufgrund von Wettbewerbsgerechtigkeit entschieden. Eine Katastrophe für das DIBT, hat es doch mit seinen Emissions-Zertifizierungen Millionen verdient. Jetzt muss es eilig für Ersatzbeschäftigung sorgen. Gelingt das nicht im laufenden Jahr, kann eine erneute Normierung erst 2021 erfolgen. Deshalb hat es einen Vorstoß unternommen, das Ü-Zeichen nicht mehr für einzelne Produkte verbindlich zu machen, sondern für allgemeine Anforderungen des Gesundheitsschutzes bei Bauwerken. Kommentar von Norbert Strehle: Das DIBT solle erst einmal prüfen, ob dieses Unterfangen nicht ebenfalls gegen EU-Recht verstößt.
Bis Mitte Oktober jedoch kann ein Handwerker bei Produkten ohne Ü-Zeichen noch auf die Nase fallen. Zwei Beispiele: Massivparkett ist nicht zulassungspflichtig, doch in Berlin ging ein Fall vor Gericht, weil Mosaikparkett auf der Rückseite mit einem Netz zusammengeklebt war und als Kombiprodukt bewertet wurde, das eine Emissionsprüfung benötigt hätte. In Ostfriesland wiederum ging es um Räuchereiche. Hier war ein Schaden aufgrund von zu feuchtem Estrich entstanden, doch das spielte keine Rolle mehr, als dem Richter zu Ohren kam, dass Räuchereiche keine DIBT-Zulassung hat.
Das Thema ähnelt einem anderen Spielfeld für Zertifizierungen. Der per Bundeserlass angedrohten unternehmensbezogenen FSC- bzw. PEFC-Zertifizierung für die Vergabe öffentlicher Aufträge. Gut 1.000 EUR dürfte den Handwerker ein solches Zertifikat kosten. Dieses Vorhaben ist von den Ministerien nun erst einmal auf Eis gelegt, bis eine "definitorische Abgrenzung des Begriffs endverarbeitendes Unternehmen" gefunden ist.
Expoxydharz und andere Gefahrenstoffe vermeiden
Krankmachende Verlegewerkstoffe wie Epoxydharz und oximhaltige Öle und Wachse werden bald vom Markt verschwinden. Spätestens in fünf Jahren würden sie aus der TRGS 617 "Ersatzstoffe für stark lösemittelhaltige Oberflächenbehandlungsmittel" gestrichen. Das meint der Sachverständige Norbert Strehle. Auch PU-Harzen prophezeit er ein Ende. Zwar sind der Berufsgenossenschaft Bau diesbezüglich keine Berufskrankheiten bekannt, doch die Zwangsversicherung für Handwerker wird sich der Problematik annehmen. Grundsätzlich empfiehlt Strehle, rechtzeitig auf Produkte umzusteigen, die keine Gefahrenstoffe enthalten. Das gelte auch für Wasserlacke - hier sind Siegel angesagt, die kein N-Methylpyrrolidon enthalten.
Arbeitsschutzprämie von der Berufsgenossenschaft
Die BG Bau gewährt Parkett- und Bodenlegern eine Erstattung von bis zu 200 EUR als Arbeitsschutzprämie für die Anschaffung von Entstaubern. Dabei muss es sich um Absauggeräte der Staubfilterklasse M handeln. Ein Klick unten links auf der Homepage der BG Bau (bgbau.de) führt zum Prämienantrag. Die Chancen stehen gut, im vergangenen Jahr wurden nicht alle Gelder abgerufen. Und die Sache macht Sinn. Mit 300 Todesfällen im Jahr liegen Atemwegserkrankungen aufgrund schadstoffbelasteter Stäube an dritter Stelle der Berufskrankheiten am Bau.
Schallschutz unter Leisten
Für den gängigen Einbau eines Bodenbelags reichen normgerecht angebrachte Sockelleisten (gemäß DIN 18356-3.2.6 bzw. DIN 18365-3.6). Schallschutz ist zunächst kein Thema. Wenn dieser aber ausgeschrieben wurde oder es um ein Mehrfamilienhaus geht, sollte der Parkettleger den Planer oder Bauherrn auf die Gefahr von Schallbrücken aufmerksam machen. Schalltechnische Maßnahmen berühren das eigene Interesse; hier lässt sich zusätzlich Geld verdienen. Dabei geht es um die Entkoppelung der Sockelleiste vom Bodenbelag. "Eine Trennung zwischen Unterkante Leiste und Oberkante Boden ist einzuhalten", sagt die DIN 4109 im Beiblatt 2 für diesen Fall. Natürlich sollte die Ästhetik der Leiste nicht durch unschöne Fugen leiden müssen. Eine so genannte Wartungsfuge mit Acryl auszuspritzen, lehnt der Sachverständige Joachim Barth ab: "Die kann verdrecken oder reißt, wenn der Estrich sich verformt."
Matschiger Silanklebstoff - woher kommt das?
Über Probleme mit Silanklebstoff bei der Verlegung auf Fußbodenheizung berichtete Holger Wiehle, Vorstandsmitglied der Innung Nordost. Dabei handelt es sich um Silanklebstoffe, die zuletzt vor 3 bis 4 Jahren verarbeitet wurden. Mittlerweile habe die Industrie das Problem behoben, sagte Wiehle. Dennoch könnten bei Schadensfällen, die sich auf eine Verlegung in dieser Zeit beziehen, genau solche Bilder auftauchen: nämlich ein verseifter, matschiger Klebstoff unter dem Parkett. Die chemische Ursache liegt offenbar in damals fehlenden Antioxidantien im Klebstoff. Daher sei es unter Wärmeeinwirkung zu unerwünschten Wechselwirkungen mit Stoffen aus PU-Grundierungen gekommen, erklärte Wiehle.
aus
Parkett Magazin 04/16
(Wirtschaft)