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Was kann man tun, wenn ein Estrich einfach nicht trocknet ?


Um einen mineralischen Estrichmörtel vernünftig verarbeiten zu können, wird bei der Mörtelaufbereitung mehr Wasser hinzugegeben, als das Bindemittel für die Hydratation tatsächlich benötigt. Dieses Überschusswasser muss bei der Trocknung bis zur Belegreife verdampfen, d.h. je größer die Wassermenge war und je dicker der Estrich ist, desto mehr Wasser muss abgegeben werden. Vernünftig konzipierte Zusatzmittel, die den Wasserbedarf für die Verarbeitung reduzieren, sind eine Bereicherung und verkürzen die Trocknungszeiten tatsächlich. Ein zweiter die Austrocknung beeinflussender Aspekt ist die Wahl der Gesteinskörnung. Sehr in den Feinbereich verschobene Sieblinien benötigen wegen der großen Oberfläche der Körnung eben mehr Wasser, was später bei der Trocknung wieder aus dem Estrich heraus muss.Grundsätzlich sollten "Wassersäufer" wie Porphyrite oder bestimmte Kalksteinmodifikationen nicht für die Estrichherstellung verwendet werden, weil sie nicht nur das Austrocknen, sondern auch das Schwindverhalten negativ beeinflussen können.

Die Estrichdicke spielt ebenso eine Rolle, weil in dickeren Estrichen wegen des höheren Flächengewichtes ganz einfach mehr Überschusswasser vorhanden ist, das abdampfen muss. Estriche mit porigem Gefüge trocknen in der Regel besser, als Estriche mit sehr dichtem Gefüge. Deshalb gilt bei Calciumsulfatfließestrichen die Regel: Nutze den Festigkeitsvorteil von Fließestrichen und baue den Estrich so dick wie nötig und nicht so dick wie möglich ein.

Der Hintergrund: Drei Schritte bei der Trocknung

Estriche auf Dämm- oder Trennschicht können das Überschusswasser generell nur über die Estrichoberfläche abgeben, bei der Trocknung muss das Wasser deshalb immer an die Oberfläche gelangen. Der erste Schritt für eine Trocknung ist demzufolge der Wassertransport im Estrich selbst. Zuerst wird das Überschusswasser kapillar an die Estrichoberfläche transportiert. Das geht relativ zügig, d.h. in den ersten paar Tagen nach der Verlegung ist ein schneller Trocknungsfortschritt feststellbar. Dieser verlangsamt sich aber deutlich, sobald der Feuchtetransport im Estrich in den Zustand der Wasserdampfdiffusion übergeht. Hier spielen die Dicke des Estrichs und dessen Gefüge eine wesentliche Rolle.

Im zweiten Schritt muss das Wasser an der Estrichoberfläche vom flüssigen in den dampfförmigen Zustand übergehen. Dazu wird Energie benötigt. Die Folge ist eine Abkühlung des Bauteils, das Feuchte abgibt. Es wird also Wärme benötigt. Da die Luft, die direkt mit dem Estrich in Kontakt steht, Feuchte aufnimmt und sich mit steigender relativen Luftfeuchtigkeit natürlich der Trocknungsfortschritt verlangsamt, muss diese Luft von der Estrichoberfläche abgeführt werden. Dadurch wird die Grenzschicht, die sich über dem Estrich mit wasserbelasteter Luft gebildet hat, reduziert.

Der dritte Schritt ist das Abführen der mit Wasser belasteten Luft aus dem Bau heraus. Dazu muss gezielt gelüftet werden. Das ist ein komplexer Prozess, weil kalte Luft kaum noch Wasser aufnehmen kann, warme, aber feuchte Luft beim Abkühlen im kalten Bau, z.B. durch Taupunktunterschreitung, wieder Wasser abgeben kann. Der Bau wird unter diesen Bedingungen wieder feuchter.

Einerseits verringern sich die Bauzeiten immer mehr, andererseits werden die Bauten immer dichter. Beides steht einer schnellen Trocknung entgegen. Um einen guten Trocknungsfortschritt zu sichern, müssen die bauphysikalischen Bedingungen entsprechend gestaltet werden. Im einfachsten Fall kann das durch gezieltes Lüften und Heizen erfolgen. Zu beachten ist dabei aber die Art des Estrichs. Während Zementestriche durchaus heftig auf Klimawechsel (z.B. Heizung angestellt oder auch Zugluft) durch Schwinden ("Schüsseln") reagieren können, sind Calciumsulfatestriche wegen ihrer Volumenstabilität wesentlich unempfindlicher gegenüber Klimawechseln. Wenn Warmwasser-Fußbodenheizungen im Estrich installiert sind, bringt deren Inbetriebnahme aufgrund der zugeführten Wärme immer einen Trocknungsfortschritt.

Die dritte und auch effektivste Maßnahme besteht darin, eine gezielte Trocknung mit Kondenstrocknern vorzunehmen, weil hier definierte Trocknungsbedingungen geschafften werden. Entscheidend ist dabei aber nicht nur die Trocknerkapazität, sondern vor allem auch die Zirkulation der Luft, weil diese die Feuchte transportiert. Es müssen also entsprechende Ventilatoren installiert werden. Der Vorteil einer Zwangstrocknung ist: Es wird nicht nur der Estrich, sondern der gesamte Baukörper getrocknet. Die bekannten negativen Erscheinungen, wie Schimmelbildungen und überhöhte Heizkosten in der ersten Heizperiode, treten dann nicht mehr auf.

An dieser Stelle schlägt die Stunde der Calciumsulfat-estriche. Weil diese schnell hydratisieren, kann mit einer Zwangstrocknung begonnen werden, sobald der Estrich begehbar ist. Das gilt für alle Calciumsulfatestriche. Im BEB-Hinweisblatt "Hinweise zur beschleunigten Trocknung von Calciumsulfatestrichen" werden dazu detaillierte Erläuterungen genannt.

Mein Tipp: Estrichoberfläche bis aufs feste Korn abschleifen

Es ist durchaus möglich, dass trotz Fußbodenheizung und/oder optimalen Bedingungen bei einer Zwangstrocknung der Estrich nicht seine Belegreife erreicht. In diesen Fällen kann folgende Vorgehensweise helfen: Heizung und Trocknungsgeräte komplett abstellen, die Estrichoberfläche bis auf das feste Korn abschleifen und nach 3 bis 4 Tagen wieder mit der Trocknung bzw. Heizung beginnen.

Die Ursache für das schlechte Trocknungsverhalten kann eine Kapillarkristallisation der Bestandteile des Zugabewassers sein, denn dieses ist kein Leitungswasser mehr, sondern eine gesättigte Lösung der Estrichbestandteile. Verdampft das Wasser, bleiben die Inhaltsstoffe im oberflächennahen Bereich des Estrichs zurück und behindern dadurch die Trocknung. Das Abschleifen beseitigt diese Schicht. Bei dicken Estrichen tritt das Phänomen einer behinderten Trocknung wegen der größeren Menge an Überschusswasser eher auf, als bei dünneren Estrichen.
aus FussbodenTechnik 05/16 (Personalien)