Eurobaustoff: Nachgefragt bei Michael Thürmer
"Wir sprechen gezielt Holzhändler an, die zu unserem Konzept passen"
Holz ist nicht das ursprüngliche Kerngeschäft der Eurobaustoff, aber mittlerweile haben Sie damit eine Erfolgsstory hingelegt...
Michael Thürmer: In den vergangenen Jahren haben wir alle Holzbereiche durchforstet. Das begann beim klassischen, konstruktiven Bauholzbereich und Holzbau. Heute haben wir alles im Sortiment, was zum Beispiel der Zimmermann braucht. Da hat sich sowohl im Holzhandel als auch bei unseren Baufachhändlern in der letzten Zeit sehr viel getan. Vor zwei Jahren haben wir dann das Konzept für den Tischler entwickelt, dazu die Produktsegmente Boden/Wand/Decke und Holz im Garten forciert.
All diese vertrieblichen Aktionen lassen sich auch in Zahlen ausdrücken: 2008 haben wir mit allen Holzprodukten rund 500 Mio. EUR umgesetzt, vergangenes Jahr waren es weit über 900 Mio. EUR und im laufenden Jahr haben wir die ersten sechs Monate mit einem Plus von 10,45 % abgeschlossen. Wir werden also in diesem Geschäftsjahr die Milliardengrenze überschreiten.
Können Sie diese Zahlen noch etwas weiter differenzieren und für Bodenbeläge konkretisieren?
Die Zeichen stehen gut, dass wir dieses Jahr bei dekorativen Holzprodukten - dazu zählen Parkett, Boden, Wand und Decke - erstmalig die 100-Mio.EUR-Grenze überschreiten. Dieser Bereich hat sich hervorragend entwickelt: 2008 lagen die Erlöse hier noch knapp unter 50 Mio. EUR, 2015 deutlich über 90 Mio. EUR.
Wo sehen Sie noch Wachstumschancen im Holzbereich?
Das Wachstum resultiert zunächst aus der internen Weiterentwicklung. Wir haben fast alle Eurobaustoff-Fachhändler in den letzten Monaten und Jahren besucht, um sie für das Holzsortiment zu begeistern. Bei jeder neuen Ausstellung fragen wir unsere Gesellschafter, ob sie auch Holz und Parkett führen. Auch bei jedem Umbau oder einer Lagererweiterung eines Baufachhändlers prüfen unsere Vertriebs-Außendienstkollegen, ob es sich nicht anbieten würde, das Sortiment um Holz zu erweitern. Bei solchen Gesprächen haben wir die Chance, das Verständnis für Holz voranzutreiben. Wir bringen Marktanalysen und ein komplettes Marktaufbereitungskonzept mit. Grundsätzlich wissen wir genau, wie hoch das Potenzial in der jeweiligen Region ist. Dieses Wissen hat uns in jüngerer Vergangenheit mehrfach geholfen, große Gesellschafter aus dem Holzgeschäft von unserer Kooperation zu überzeugen.
Bietet die Überzeugungsarbeit in Sachen Holz bei den bestehenden Gesellschaftern noch ausreichend Potenzial?
Wir verfügen über sehr großes Potential in unserer Kooperation. Der Einstieg in das Thema Holz ist keine Entscheidung, die unsere Gesellschafter kurzfristig fällen. So hatten wir beispielsweise bei einem größeren Projekt am Ende etwa fünf Jahre Vorlauf, bis jetzt die Lagerhalle gebaut und eröffnet wurde. Und solche Projekte gibt es einige bei uns. Wir machen uns um das interne Wachstum wenig Sorgen.
Ihre Gesellschafter sollen also Komplettanbieter werden.
Wir haben mittlerweile eine Reihe von Holzhändlern, die Fliesen führen und umgekehrt auch Fliesenhändler, die Holzböden anbieten. In der Fliese sind wir marktführend in Europa. Hier sind unsere absoluten Spezialisten tätig, die eine eigene Fachgruppe gegründet haben.
Unsere Philosophie umschreiben wir mit dem Begriff "Baufachzentrum". Wenn ein Gesellschafter zu uns kommt, kann er bei unserem Dienstleistungscampus aus dem Vollen schöpfen. Zu jedem Gewerk und zu dem entsprechenden Produktspektrum können wir ihn qualifiziert beraten. Einem Fliesenhändler, der schon im höherwertigen Segment unterwegs ist, empfehlen wir, sein Angebot mit Parkett zu ergänzen. Deckt ein Fliesenhändler die gesamte Preispalette ab, kann er das auch für den Holzbereich übernehmen. Dazu passen sogar auch Laminat- und Vinylböden für Anwendungen in bestimmten Bereichen. Auf jeden Fall legen wir eine Ausstellung nahe und sorgen für eine schnelle Verfügbarkeit der Produkte. Der Händler sichert sich so eine große Bodenkompetenz und kann diese auch auf seine Homepage übertragen. Damit kommt sein Kunde seinem Wunsch ein großes Stück näher, alles aus einer Hand zu beziehen.
Stichwort Vinylbeläge. Wie entwickelt sich dieses Sortiment bei Ihnen?
Vinylbeläge sind eine Alternative unter allen Bodenbeläge. Wir zählen sie inzwischen zu unseren Standardprodukten, die auch in Einkaufsaktionen erfolgreich sind und sind überzeugt, dass sie weiter an Bedeutung gewinnen. Die Absatzzahlen bei Vinylbelägen steigen, dagegen verliert Parkett etwas. Wir beobachten, dass die Kunden zum Teil schon in den Baumarkt zum Einkauf wechseln, weil die Preisunterschiede nicht mehr so gewaltig sind.
Wir können uns durchaus vorstellen, weitere elastische Beläge aufzunehmen. Das heißt nicht, dass wir zum Teppichhändler werden wollen. Aber es erhöht unsere Kompetenz im Baufachzentrum. Logistikpartner, Verkaufspartner oder Shop-in-Shop-Systeme machen es möglich. Für kleine und mittlere Bauvorhaben soll unser Baufachzentrum die Produkte, die Beratung und die Logistik bieten, die die Kunden suchen.
Damit wollen Sie auch neue Gesellschafter gewinnen?
Ja. Wir haben die weißen Flecken in unserem Vertriebsgebiet analysiert. Jetzt gehen wir daran, gezielt Holzhändler anzusprechen, die zu unserem Konzept passen. Den ersten Erfolg haben wir schon verbucht: Das Holzzentrum Gebhardt in Cham wird zum 1. Januar 2017 Gesellschafter. Darüber hinaus sind wir mit einer Vielzahl von freien, aber auch kooperierten Fachhändlern im Gespräch.
Unser großes Pfund, mit dem wir wuchern können, ist unser Dienstleistungscampus mit Konzeptionen, Lager-planung, Ausstellungsbau sowie dem digital gesteuerten Präsentationskonzept für Fliese und Parkett. Wichtig sind darüber hinaus auch Vorzeigeprojekte wie die Türenausstellung und das Platten-Bearbeitungszentrum von Holz Richter.
Die Digitalisierung ist derzeit überall Thema. Wie weit sind Sie im Bereich E-Commerce?
Die Digitalisierung der Daten für das Internet ist wichtig. Wir haben kürzlich bei Holz Michelsen den ersten B2B-Shop ans Netz gebracht. B2C-Shops mit eigener Software und Datenstamm sind schon seit längerem in der Eurobaustoff vertreten. Zum Teil kann dieser Datenstamm noch ergänzt werden, aber es ist schon eine breite Basis vorhanden. Wir wissen, dass nicht jeder Händler alles braucht; daher kann jeder das Angebot bekommen, was er umsetzen will und kann.
Damit sind wir auf der ganzen Linie wettbewerbsfähig. Vom Produkt bis zum Marketing bieten wir alles, was ein mittelständischer Holzhändler braucht. Nur die Eigenmarke fehlt noch.
Apropos Eigenmarke - Ulrich Wolf hat den Aufbau von Eigenmarken gefordert. Gilt das auch für das Holzsortiment?
Ich verstehe das als Auftrag. Wir brauchen solche Eigenmarken - gerade für die Akquise weiterer Holzhändler, weil es bei unseren Wettbewerbern schon starke Eigenmarken gibt. Alle anderen Leistungen für Holzhändler haben wir bereits im Programm.
Für Türen haben wir übrigens ein derartiges Standardprogramm entwickelt. Das soll auch auf den Sektor Boden/Wand/Decke ausgeweitet werden. Wir verfügen sogar schon über ein Bodenbelagskonzept, das vorsieht, bestimmte Produkte von namhaften Herstellern neutral zu liefern. Die Ware wird bei uns eingelagert und Baufachhändler können sie als Randprodukte mitführen. Das ist aber noch nicht das, was ich unter Eigenmarke verstehe.
Wo würde die Eurobaustoff denn Bodenbelags-Eigenmarken positionieren?
Die Eigenmarke wäre eher im Standardbereich positioniert, wie unsere Farbenmarke Opus 1 - das heißt, im mittleren Segment, um möglichst viel Absatzvolumen erreichen zu können. Das wesentliche Argument für die Eigenmarke ist doch die Austauschbarkeit von Produkten. Wenn Sie ein bestimmtes Produkt in einer Suchmaschine eingeben, finden Sie es online und in jedem Laden, möglicherweise sogar bei Amazon oder Lidl. Dann zählt nur noch der Preis. Diesem Vergleich entziehen wir uns mit der Eigenmarke.
aus
Parkett Magazin 05/16
(Wirtschaft)