Mattes&Ammann

Die Nessel-Schwestern


Meßstetten-Tieringen. Seit Jahren forscht das Strickunternehmen Mattes&Ammann an der Nutzung der "Marlene" getauften Brennesel für textile Zwecke. Inzwischen nähert sich das Unternehmen der industriellen Verwertung und produziert mittlerweile seidenweichen Matratzenstoff aus dem Ex-Unkraut.

Im Rahmen der Forschungsarbeiten erfolgte eine Zweiteilung des Projektes. Auf der einen Seite forschten die Textiler unter anderem mit der Hochschule Reutlingen an den in Ungarn gezüchteten Marlene-Brennnesseln. Auf der anderen Seite reisten M&A-Mitarbeiter nach China, um dort Bekanntschaft mit einer Schwester von Marlene zu machen: Ramie. Sie gehört ebenfalls zu den Brennnesselgewächsen und braucht, wie die heimische Brennnessel, keine künstliche Bewässerung, keinen Pflanzenschutz.

Hier wie dort wächst sie gerne, wo klassische Nutzpflanzen ihr Wachstum bereits quittieren. Ramie sei damit ökologisch genauso unbedenklich wie Marlene, berichtet das Unternehmen. Doch während in Japan daraus seit jeher Kimonos produziert werden, sei die Pflanze in Europa nahezu unbekannt.

Das Ziel der Forschungsarbeiten: Ramie und Marlene sollen im Schulterschluss die ökologisch bedenkliche Baumwolle im Produktionsprozess zumindest tendenziell ersetzen: "Was wir vor zwei Jahren noch als Bekleidungsmuster produzierten, war im Vergleich zu den heutigen Ergebnissen noch viel kratziger und grober. Heute ist das Material deutlich feiner und reiner", erklärt Werner Moser, Prokurist bei M&A.

Das Familienunternehmen von der Alb hat zusammen mit den fernöstlichen Garnherstellern das Produkt so optimiert, dass es fehlerfrei auf den süddeutschen Strickmaschinen läuft. "Wir haben in rund anderthalb Jahren rund eine Tonne Mustergarn produziert, bis wir endlich da waren, wo wir hin wollten", erzählt Eberhard Keinath, Leiter der Heimtextilien.
Seit dem Frühjahr 2016 hat Mattes & Ammann nun - aufbauend auf der aktuellen Fabric Visions-Kollektion - Matratzentextilien mit einer Grammatur von 250 bis 300 g/qm entwickelt. Dabei können grundsätzlich alle bisher aus Viskose, Synthetik oder Baumwolle produzierten Stoffe, unabhängig von Jacquard und Grammatur mit Ramie hergestellt werden. In der jüngsten Textilreihe wurde zunächst die Nutzerseite mit einem Ramie-Garn gestaltet, das zu 13 Prozent aus Ramie und zu 30 Prozent aus Bambusviskose besteht.

Der Rest wird bis zur Produktionsqualität mit Polyester aufgefüllt. Mit den nunmehr erarbeiteten Prozessen suche man den ausdrücklichen Schulterschluss zur Wirtschaft, um das Mammutprojekt zur endgültigen Reife zu führen, heißt es aus dem Unternehmen.
aus Haustex 09/16 (Wirtschaft)