Rundgang mit Laborleiter Gert Bauerfeind im Selit-Prüflabor
Ausgeklügelte Testmöglichkeiten
Gert Bauerfeind: "Das Stuhlrollen-Prüfgerät ist so modifiziert, dass wir eine gute Prognose abgeben können, ob der Oberboden mit der empfohlenen Unterlage über einen längeren Zeitraum funktioniert. Neulich hatten wir einen Vinylboden mit nur 3 mm Dicke und Klickverbindung. Da ist einfach nicht genug Fleisch vorhanden, um den Anforderungen zu genügen. In solchen Fällen können wir keine Freigabe für ein geeignetes Unterlagensystem geben.
Die Unterlagen haben eine rutschhemmende Eigenschaft, um beim Stuhlrollentest bessere Ergebnisse zu erzielen. Leider wird oft behauptet, wenn der Oberboden nicht mehr rutschen kann, könne er sich, wenn Möbel darauf stehen, überhaupt nicht mehr ausdehnen. Das kling zunächst plausibel, aber wir haben das extern untersuchen lassen, und die erstaunliche Erkenntnis lautet: Es ist völlig egal, ob die Unterlage rutschhemmend ist, denn der Reibungskoeffizient hat keinen Einfluss darauf, ob sich ein Oberboden ausdehnen kann oder nicht - und damit auch keinen Einfluss auf die Fugenbildung.
Beim Sonnenlicht-Simulator mit Infrarotstrahlern gibt es auf europäischer Ebene ein gefördertes Forschungsprojekt, an dem wir mitarbeiten. Vinylböden werden häufig so verkauft, als hätten sie alle Eigenschaften eines Laminats. Das ist nicht ganz richtig. Unser Szenario geht beispielsweise von einem verlegten, thermoplastischen LVT-Boden mit Sonneneinstrahlung von der Südseite und schweren Küchenmöbeln auf Teilbereichen aus. Dann dehnt sich der Boden aus und will irgendwo hin. Die Möbel behindern eine freie Ausdehnung und der Boden wölbt sich auf oder schiebt die Küche weg.
Der Simulator kommt in unsere Klimakammer mit Fußbodenheizung. Dort können wir ein Szenario aufbauen, wie etwa in einem Wochenendhaus, wo im Frühling ein 15 °C warmer Boden plötzlich partiell aufgeheizt wird, weil Gäste das Rollo hochziehen. Wo die Sonne hinein scheint, hat man nach einer halben Stunde einen 55 °C heißen Bodenbelag. Wir können herausfinden, was dann passiert und ob unsere Unterlagen das Problem reduzieren helfen.
In diesem relativ unscheinbaren Wasserdampfdiffusions-Prüfgerät wird ein feuchtes Klima erzeugt und wir stellen hier fest, welche Dichte eine Unterlage gegen aufsteigenden Wasserdampf aufweist. Bei Unterlagen mit Feuchteschutzfolie geht es um den SD-Wert. Das ist die Kennzahl, die wir am Ende beschreiben wollen.
Wie die Stöße der Unterlage ausgeführt sein müssen, ist auch eine Frage des Feuchtigkeitsschutzes. Der Anwender hat ein Klebeband, von dem er annimmt, dass es dicht hält. Aber hält die Klebeschicht dieses Bandes wirklich dicht oder kann an der Seite Wasserdampf hindurch gehen? Diesen Mikrokosmos schauen wir uns an. Es kann auch sein, dass ein Klebeband nicht richtig verlegt wird und Falten bildet.
Am CC-Prüfstand (Compressive Creep) wird die Dauerhaftigkeit einer Unterlage untersucht. Steht auf einem Boden ein Schrank, dann werden Oberboden und Unterlage komprimiert. Die Frage ist, welche Last verträgt der Boden, damit er nach zehn Jahren nicht mehr als 0,5 mm Dicke verliert. Dieser Grenzwert für Laminat bezieht sich auf Klickverbindungen, die soweit geknickt werden können, ohne zu brechen. Wir prüfen mit bestimmtem Dauerdruck über 122 Tage, wie Oberboden und Unterlage dünner werden und rechnen dann hoch, was in zehn Jahren sein würde.
Der Verbraucher erwartet, dass sein Fußbodensystem über die gesamte Lebensdauer gleichmäßig funktioniert. Wenn ein Schaum aus dem Extruder kommt, hat fast jedes Material erst einmal die gewünschten Eigenschaften. Aber das hält bei Belastung vielleicht nicht lange. Beispielsweise schrumpft ein gängiger PE-Schaum bei 2 kg Belastung nach wenigen Tage von 2 auf 0,6 mm. Da kann keine Wärme- oder Schalldämmung mehr stattfinden.
Wie oft kann man über dieselbe Bodenstelle laufen, bis das System ermüdet? Eine druckempfindliche Folie unter dem Belag misst die Werte und überträgt sie in Echtzeit an ein Computerbild. Wir sehen den Dickenverlauf des Materials und wie eine dynamische Belastung das System komprimiert. Danach sollte es sich möglichst weit in die Ausgangsstellung zurück bewegen.
Mit einem anderen Prüfgerät für die dynamische Belastung wird ein Prüfstempel auf den Schaum gedrückt und wieder entlastet. Mit jedem Druck wird das Material geringfügig dünner, vielleicht ein zehntausendstel Millimeter. Aber auch hier wird untersucht, wann wir die 0,5 mm-Grenze überschreiten. Bei LVTs übt ein Fuß meist genau dort Druck aus, wo er steht. Daher muss die Unterlage härter sein als für Laminat. Mit den Werten der statischen und dynamischen Belastung lässt sich besser einschätzen, wie lange ein Produkt überhaupt hält.
Das wichtigste Prüfgerät ist die universell einsetzbare Materialprüfmaschine, in der das Produkt gedrückt oder gezogen wird. Irgendwann in der Druck-Spannungs-Prüfung geht das Material kaputt. Damit können wir den CS-Wert und den Reibungskoeffizienten ermitteln. Wird bei der Herstellung unserer Unterlagen an der Anlage irgendein Parameter geändert, können wir das Ergebnis gleich prüfen und wissen, ob die Maßnahme richtig war. Dazu haben wir noch eine Reihe von Kleingeräten für Dickenmessung und Massebestimmung, ein Shore-Messgerät und einen Kugelfalltest.
Unser Trittschall-Prüfstand wurde von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt geplant. Es ist ein zweistöckiger Raum, vollständig entkoppelt vom übrigen Gebäude und geteilt in den Senderaum und darunter den Empfangsraum. Luftschall könnte in die Wände gelangen und sich ebenfalls im unteren Raum fortsetzen. Das ist hier nicht der Fall. Wenn man hier auf den Boden tritt, geht der Schall ausschließlich durch die Decke.
Das Hammerwerk wird auf verschiedene Bodensysteme gestellt. Wenn wir den Trittschall messen, messen wir gleichzeitig den Raumschall mit, obwohl es beim Gehschall noch keine normative Anforderung gibt. Zusammen mit Industriekunden entwickeln wir ein geeignetes Produkt. Dann geht der Kunde in der Regel zu einem externen Institut und lässt es noch einmal prüfen. Das ist für ihn und für uns eine Absicherung.
Wird bei einer Bodensanierung ein Laminatboden durch einen weichen Vinylboden ersetzt, verändert sich der Trittschall. Im Raum werden solche Böden als leise wahrgenommen, aber bei reinem Vinylbelag verringert sich der Trittschall nur um magere 2 dB. Eine mit Mineralstoff gefüllte Unterlage schafft hier 10-14 dB und ein Polystyrolschaum erreicht eine Minderung um 20 dB. Da ist auch der Handel gefragt, denn wenn der Nutzer eine geeignete Unterlage verwendet, erreicht er die gleiche oder bessere Schalldämmung wie bei dem Altboden."
aus
Parkett Magazin 06/16
(Wirtschaft)