Manfred Weber zum neuen Hinweisblatt "Ebenheit von Untergründen"
Oberflächenqualität verständlich definiert
Der Zentralverband Parkett und Fußbodentechnik (ZVPF) hat ein Technisches Hinweisblatt zur Ebenheit von Untergründen für Bodenbeläge und Parkett veröffentlicht. Es soll keine Grenzwerte für Abweichungen definieren, sondern vielmehr aufzeigen, wie Handwerker den Unterboden für einen Bodenbelag vorbereiten können. Dazu werden Ebenheitsklassen eingeführt. Parkett Magazin hat den stellvertretenden Bundesinnungsmeister Manfred Weber um weitergehende Informationen befragt.
Parkett Magazin: Herr Weber, Sie haben sich intensiv mit der Einführung von Ebenheitsklassen für Spachtelmassen beschäftigt. Warum?
Manfred Weber: Die Verlegeempfehlungen der Bodenbelagshersteller machen in Bezug auf die Ebenheit des Untergrunds sehr unterschiedliche Angaben. Das reicht von Spachtelmassen-Schichtdicken zwischen 2 und 5 mm mit Rakeltechnik bis zu Aussagen wie: "Der Unterboden muss eine ebenen Oberfläche nach DIN 18202 Teil 5 Zeile 4 entsprechen", oder "Auf einem Meter sind Abweichungen bis 2 mm erlaubt". Das ist teilweise sehr verwirrend und manchmal schlicht falsch, weil die Angaben zur DIN-Norm bzw. der Bezug zur Tabelle und Zeile nicht korrekt sind. Zudem werden in der Praxis relevante Kellenschläge nicht von der DIN 18202 er fasst und die häufig geforderte Waagerechte hat nichts mit der Ebenheit zu tun. Hierfür wären die Anforderungen an die Winkeltoleranzen laut DIN 18202 zuständig.
Wir haben daher dieses "heiße" Thema von den Sachverständigen Richard Kille und Peter Schwarzmann aufgegriffen, die sich bereits damit befasst hatten. Im kleinen Sachverständigenkreis haben wir Überlegungen angestellt, wie man die Ebenheit für alle Beteiligten transparenter gestalten kann. Die Verbände der Estrichleger, Maler, Raumausstatter, Boden- und Parkettleger sowie die verschiedenen Hersteller- und Industrieverbände sollten dieses Hinweisblatt mittragen. Das war unser Antrieb.
Ist die Branche bisher nicht ganz gut ohne Ebenheitsklassen ausgekommen?
Das sehe ich anders. In den letzten Jahren sind immer mehr unpräzise Herstellerangaben aufgetaucht. Welcher Architekt, Verleger oder Kunde soll dabei noch den Durchblick behalten, wenn selbst Sachverständige, sprich Bodenexperten, ziemlich lange brauchen, um zu verstehen, was die Hersteller für den Untergrund fordern.
Unser Technisches Hinweisblatt richtet sich daher im Vorfeld vor allem an die Planer, die ausschreibenden Stellen, an die Hersteller und an die Verarbeiter. Sie sollen diese Hinweise und Vorgaben aufgreifen. Im Zweifelsfall muss eine definierte Ebenheitsklasse ausgeschrieben werden. Wenn Bodenbelagshersteller das "Spachteln bis 5 mm" fordern, heißt das erstmal nichts. Ich kann auch 5 mm mit enormen Unebenheiten spachteln. Dann muss man auch sagen, in welcher Klasse man sich bewegen will - gerade im Hinblick darauf, welcher Belag verlegt werden soll und welche Anforderungen an den Untergrund gestellt werden.
Welche Rolle spielen Bodenbeläge wie PVC-Designbeläge, die einen besonders ebenen Untergrund voraussetzen, bei der Einführung der Ebenheitsklassen?
Eigentlich sind die Designbeläge zweitranging. Zunächst zu nennen sind Kautschukbeläge, unifarbenes Linoleum, Designbeläge mit glatter Oberfläche und großformatiges Parkett sowie Hochkantlamellenparkett. Es geht natürlich auch um die modularen Systeme, die lose verlegt werden. Bei einer schwimmenden Verlegung werden viel größere Anforderungen von den Herstellern gefordert, häufig nur 2 mm Ebenheitsabweichungen pro Meter.
Können Sie die neue Klassifizierung kurz umreißen?
Klasse E1
Klasse E1 steht für den ganz normalen Estrich, den der Estrichleger einbaut. Die Anforderungen finden sich in DIN 18202 Tabelle 3 Zeile 3 wieder. Der Estrich muss so aufgebaut werden, dass er zum Beispiel mit einigen Parketten direkt belegt werden kann. Wichtig ist: Dieser Estrich ist nicht in der Lage, einen textilen oder elastischen Bodenbelag direkt aufzunehmen. Dafür ist er zu uneben. Aber ein Stab- oder Mehrschichtparkett kann häufig direkt darauf verlegt werden.
Klasse E2
Bei Klasse E2 wird der Estrich zusätzlich gespachtelt. Er kann durchaus nur die Anforderung der Zeile 3 erfüllen, die Abweichungen an die Ebenheit werden jedoch nicht zwangsläufig geringer. Wir haben in das Merkblatt ein Zitat des Autors Gerhard Flade ("Das Fußbodenbuch") aufgenommen: "Kein Estrich ist in der Lage, sofort mit einem Bodenbelag verklebt zu werden, weil man ab und zu den Ansatz von der Kelle vom Abglätten oder in der Form eines geringfügigen hochstehenden Randes sichtbar ist." Vor der Verlegung von Bodenbelägen muss grundsätzlich gespachtelt werden.
E2 ist eine übliche Anforderung für jeden Bodenbelag. Jeder Hersteller von textilen oder elastischen Belägen sowie Klebstoffen fordert, dass gespachtelt werden muss. In dem TKB-Merkblatt 9 wird unter Punkt 4.4.3 gefordert, 1 mm zu spachteln. Viele Verarbeiter behaupten, dass sie das gar nicht spachteln könnten. Aber das ist die Anforderung, damit eine Spachtelmasse stuhlrollengeeignet ist. Viele Hersteller schreiben 2 mm vor. Aber ein Stab- oder Mehrschichtparkett kann häufig direkt darauf verlegt werden.
Auf einem E2-Untergrund lässt sich auch Parkett in groß- und kleinflächigen Formaten - zum Beispiel Mosaikparkett/Würfel oder geklebtes Mehrschichtparkett - viel besser verlegen. Das ist der Unterschied bei Estrichen im Grenzbereich mit und ohne Spachtelung. Unter allen textilen Belägen, die geklebt oder fixiert werden, muss gespachtelt werden. Gleiches gilt für strukturierte und stark gemusterte elastische Bodenbeläge in Bahnen, Fliesen und Planken. Für eine schwimmende Verlegung Mehrschichtparkett muss ebenfalls gespachtelt werden. Das funktioniert nicht bei der Zeile 3 mit max. 4 mm Abweichungen an die Ebenheit, sondern laut Herstellerangaben häufig erst bei 2 mm
.
Klasse E3
Klasse E3 ist eigentlich auch nicht neu. Sie entspricht den erhöhten Anforderungen der Zeile 4, gegebenenfalls mit einer zusätzlichen Spachtelung. Häufig hat der Estrichleger bereits einen Estrich eingebaut, der diese Klasse erfüllt. Wir finden ja nicht immer Estriche vor, die am Ende der Toleranz sind, sondern viel besser. Wenn E3 gefordert wird, ist sie eine "besondere Leistung", die extra vom Auftraggeber vergütet werden muss.
Ein Untergrund der Klasse E3 ist zu empfehlen für groß- und kleinflächige Parkettformate oder bei großen Landhausdielen, damit es nicht zu Hohllagen kommt. E3 ist im Prinzip die erhöhte Anforderung an die Ebenheit. Die 3 mm Höhenunterschiede auf 1 m sind ebenfalls nicht neu, nur haben wir sie jetzt benannt. Kunden und der Handwerker können es jetzt besser nachvollziehen: Will man einen Designbelag optimal verlegen, kommen nur die Ebenheitsklassen E3 oder E4 in Frage. Der Verarbeiter muss mehr spachteln, damit der Boden auch glatter wird. So werden Reklamationen vermieden.
Klasse E4
Klasse E4 entspricht größtenteils der E3. Der Unterschied besteht darin, dass die Oberfläche sichtbar glatt sein muss. Die Formulierung ist im Moment noch etwas offen, weil wir nicht beschreiben, was "sichtbar glatt" heißt. Wir arbeiten noch daran, wie die Toleranzen für die Sachverständigen sein dürfen. Wenn man einen Linoleum Uni Walton verlegen will, muss der Untergrund eben sein; ohne Kellenschläge oder dergleichen. Das entspricht der Klasse E4. Gegebenenfalls muss der Verarbeiter nach dem Spachteln noch einmal zwischenschleifen und erneut in Teilbereichen beispachteln.
Die Klasse E4 ist sinnvoll für gemusterte und unifarbene elastische Bodenbeläge und für textile Flachgewebe. Es liegt somit auch in der Hand des Handwerkers, seine Qualität zu verkaufen. Der Ausschreiber und der Auftraggeber müssen jetzt ganz klar festlegen, nach welcher Ebenheitsklasse sie die Ausführung möchten. Folgendes geht nicht: Kosten sparen, "Kratzspachtelungen" ausschreiben, "dünne Beläge" bestellen und dann noch einen völlig glatten Untergrund fordern. Für "Sichtvinyl" muss nunmal mehr und besser gespachtelt werden.
In anderen Baubereichen wie Trockenbau gab es bereits Ebenheitsklassen. Konnten Sie sich daran anlehnen?
Das "E" steht für Ebenheitsklasse. Das Schema der Klassen E1 bis E4 ist angelehnt an die Q-Klassen aus dem Trockenbau. Das haben wir übernommen. Inhaltlich haben wir uns nicht damit auseinandergesetzt. Uns hat das System allerdings überzeugt.
Worauf muss ich als Handwerker zukünftig besonders achten?
Der Endverbraucher muss frühzeitig über die Qualitätsunterschiede aufgeklärt werden. Wenn der Kunde einen besonders ebenen Untergrund möchte, muss er diesen anhand der Qualität und dem erhöhten Verbrauch auch bezahlen. Es gab immer die Diskrepanz von "zunächst nichts verlangen" und "hinterher alles reklamieren". Wir haben dem Handwerker die Möglichkeit gegeben, dass er sich seine Qualität auch entlohnen lassen kann. Und der Planer ist mit in der Verantwortung.
Man muss sich hinterher aber auch an der Klassifizierung messen lassen...
Das muss der Verleger heute sowieso schon. Daran ändert sich nichts. Genau das ist ja das Problem. Viele Handwerker haben Angst, dass der Kunde jetzt etwas in der Hand hat. Auch vorher wurden Unebenheiten und Kellenschläge reklamiert. Die Folge war, dass der Sachverständige kam und der Auftraggeber forderte, den Boden wieder rauszureißen, oder aber im besten Fall erhebliche Minderungen von der Rechnungssumme einforderte. Die Entscheidung darüber lag im Ermessen des Sachverständigen und den Gerichten. In der DIN 18202 werden die Kellenschläge nicht erfasst. Die DIN 18202 Ebenheitstoleranzen regelt ausschließlich die Abweichung der Ebenheit des Estrichs; genauer gesagt, ob die Funktion eines Bauteils nicht beeinträchtigt wird. Das klärt eher die Frage, ob ein dort stehender Stuhl wackelt oder nicht, betrifft aber nicht die Kellenschläge, die sich optisch abzeichnen.
Die ausschreibende Stellen und der Auftraggeber sind jetzt in der Pflicht, zu entscheiden, was verlangt wird. In der Tabelle kann man nachschauen, in welcher Klasse der Belag genannt wird. In vielen Gesprächen in der Branche wird deutlich, dass die Ebenheitsklassen nicht so viel Neues bringen. Mit einer Ausnahme: In der E4 steht, dass die Oberfläche sichtbar glatt sein muss. Und der Handwerker kann für eine besondere Leistung auch eine besondere Vergütung verlangen. Transparenz und Aufklärung verhelfen zu weniger Reklamationen und zu mehr Umsatz. Die gesamte Fachwelt ist davon überzeugt, dass dieses Hinweisblatt Klarheit verschafft und positiv für den einzelnen Handwerker und somit für die gesamte Branche ist.
Welche Nachteile muss man mit den Ebenheitsklassen in Kauf nehmen?
Persönlich sehe ich keine Nachteile - außer dass der Endverbraucher einen perfekten Untergrund auch dementsprechend entlohnen muss. Für den Kunden wird es etwas teurer, das ist ein kleiner Nachteil. Vorteil ist die Transparenz über die Qualität der Untergrundvorbereitung. Für den Verleger bietet das Merkblatt auch die Möglichkeit, seine Qualität zu beweisen. Er kann E3 und E4 ausführen und sich damit vom Wettbewerb abheben.
Ab wann gelten die neuen Ebenheitsklassen?
Mit Ausnahme der Ebenheitsklasse 4 galten sie schon immer. Wir haben ja die Vorgaben nur in eine übersichtliche Tabelle eingebaut. Neu ist erstmals festgeschrieben, dass die Kellenschläge und die sichtbaren Unebenheiten in der E4 nicht erlaubt sind, weil die Oberfläche sichtbar glatt sein muss. Da ist die Meinung der Sachverständigen gefragt, eine gutachterliche Stellungnahme abzugeben. Meiner Meinung nach können Kellenschläge im Krankenhaus durchaus erlaubt sein, da die Funktionalität des Bodens im Vordergrund steht. Im gehobenen Privathaus hat man sehr viel höhere Ansprüche an die Optik. Wenn die Designbeläge immer dünner werden, kann man davon ausgehen, dass der Verarbeiter immer glatter spachteln muss. Für die Kunden steigen die Kosten.
Seit wann gilt die Klasse E4?
Im Prinzip seit Veröffentlichung des Merkblatts, also Juli 2016.
Es gibt einige Anbieter aus der Industrie, die Trockenuntergründe anbieten und ganz aufs Spachteln verzichten wollen, um beim Baufortschritt Zeit einzusparen. Wie sehen Sie diese Entwicklung?
Interessiert und gespannt. Lassen Sie uns die betreffenden Böden in zwei Jahren anschauen. In den Niederlanden stört man sich nicht daran. Die Dielenböden liegen ja fast alle schwimmend. Ich frage mich, wie Trockenuntergründe auf Feuchtigkeit reagieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Boden dann lange eben liegt. Man muss es abwarten.
Wie erfahren Bodenleger und Parkettleger von der neuen Regelung?
Das Hinweisblatt ist über die Website des ZVPF kostenlos über www.zv-parkett.de zu beziehen. Außerdem wird die Architektenkammer von uns über die Verbände in Kenntnis gesetzt. Und natürlich über die Berichterstattung in Fachzeitschriften.
Welche Konsequenzen hat es, wenn ein Bodenleger das Hinweisblatt ignoriert?
Keine - so lange sich kein Kunde beschwert und der Bodenleger ein gutes Ergebnis erzielt. Nur weil das Merkblatt veröffentlicht ist, erwartet den Verleger nicht automatisch mehr Ärger. Es enthält ja keine neuen Anforderungen. Wir haben nur den verschiedenen Ausführungen Namen gegeben. Der Estrich ist E1, Estrich mit Spachtelmasse ist E2, Estrich mit erhöhter Anforderung oder Estrich mit Spachtelung ergibt die erhöhte Anforderung E3. Neu ist nur E4, wo die Oberfläche sichtbar glatt sein muss.
Außerdem haben wir Empfehlungen in die Ebenheitsklassen hineingeschrieben. E4 ist in der Regel für Parkett nicht erforderlich. Aber ein sehr ebener Untergrund ist natürlich dennoch kein Mangel. Entscheidend ist: Glänzende Oberflächen und Streiflicht machen auch kleine Unebenheiten sichtbar. Das ist bei der Planung und Pflege zu beachten. Je mehr der Boden geputzt wird oder "Glänzer" eingesetzt werden, desto stärker werden die optisch störenden Unebenheiten sichtbar. Das muss der Planer beachten, das ist nicht die Aufgabe des Verlegers. Werden von einem Bodenbelagshersteller andere Anforderungen an die Ebenheit des Untergrundes gestellt, so sind diese zu befolgen.
aus
Parkett Magazin 06/16
(Wirtschaft)