Fließestrich-Forum: Dritte Auflage in Langenburg erneut ausgebucht
Grundlagenwissen, Praxistipps und reger Austausch
Das Fließestrich-Forum ist zum festen Treffpunkt der Branche geworden. Über 120 Teilnehmer aus Industrie, Handwerk, Ingenieur- und Sachverständigenwesen fanden den Weg ins baden-württembergische Langenburg. Die Veranstaltungsreihe wurde vom Industrieverband Werkmörtel (IWM) gemeinsam mit dem Bundesverband Estrich und Belag (BEB) sowie dem Institut für Baustoffprüfung und Fußbodenforschung (IBF) ausgerichtet. Trotz des deutlich gewachsenen Teilnehmerkontingentes war sie erneut ausgebucht.Weiterbildung ist gefragt. "Das große Interesse an den vergangenen beiden Foren hat uns bestärkt, auch in diesem Jahr wieder praxisnah über aktuelle Themen aus der Estrichbranche zu informieren", erläuterte Antje Hannig. Die Geschäftsführerin Technik des IWM führte gemeinsam mit Bernfried Hansel, Obmann des Arbeitskreises Calciumsulfatestrich beim BEB, und Dr. Roland Augustin, Geschäftsführer des IBF, durch den Tag.
Immer wieder im Fokus der Vortragenden: Die stetig komplexer und mehrschichtiger werdenden Baukonstruktionen, die auch eine besondere Sorgfalt bei der Planung und Ausführung von Fußbodenkonstruktionen erfordern. "Umso wichtiger ist es, Planer, Ausführende und die Industrie zusammenzubringen", ergänzte Hannig. "Daher steht der gemeinsame Austausch ganz oben auf der Agenda des Fließestrich-Forums." Und dazu bot das Mawell Resort Langenburg reichlich Gelegenheit. In der entspannten Atmosphäre des Hotels diskutierten die Teilnehmer die Themen intensiv und knüpften neue Kontakte.
Dr. Mario Blei, Institut für Innenraumtoxikologie
Dämmstoffe und deren Sanierungsfähigkeit nach FeuchteschädenDr. Mario Blei, Geschäftsführer des gleichnamigen Privatinstituts für Innenraumtoxikologie, ergänzte die Ausführungen um die in Fachkreisen kontrovers diskutierten mikrobiologischen Folgen von Wasserschäden und deren Sanierungsfähigkeit. Was ist das Ziel einer Sanierung? "Keine biogene Belastung am Schadensort, die über die übliche Belastung hinausgeht", erklärte er. Weitere Ziele sind: Kein sichtbarer oder verdeckter Schimmelbefall der vom Schaden betroffenen Bauteile, von dem eine Belastung des Innenraumes ausgehen kann. Außerdem keine sekundären Verunreinigungen auf den Oberflächen im Raum sowie keine mikrobiologisch bedingte Geruchsbelästigung. Dr. Blei betonte: "Man baut nicht mit null Belastung ein, also könnte auch keiner nach der Sanierung null Belastung verlangen."
Der Referent stellte die ganze Bandbreite der Folgen eines Wasserschadens in Dämmstoffen vor: Sie reichen von Schimmelpilzwachstum, dem Quellen von harten Dämmstoffen, der Rissbildung durch das hohe Gewicht nasser Dämmstoffe bis zur Bildung von Hohlräumen und Wärmebrücken in der Konstruktion. Möglich sind auch: Bleibende Verunreinigungen oder Kontaminationen von eingebrachten Schadstoffen, eine höhere Wärmeleitfähigkeit, ein geringerer Wärmedurchlasswiderstand von Bauteilen und bleibende Geruchsbelastungen.
Für die mikrobielle Bewertung von Feuchteschäden an Dämmstoffen gab Dr. Blei vier Literatur-Tipps:
-Leitfaden des Umweltbundesamtes (UBA) von 2002 und 2005
-Entwurf der Handlungsempfehlung des Leitfadens von 2013
-Bundesverband öbuv. Sachverständiger, Richtlinie des Netzwerkes Schimmel (2. Auflage 2014)
-Richtlinie zur Schimmelpilzsanierung VdS 3151 (2014)
Das Fazit von Dr. Blei lautete: Die aktuellen Diskussion zur Bewertung von mikrobiologischen Ergebnissen und daraus folgend die umzusetzenden Sanierungsmöglichkeiten sind sehr kontrovers. Es bestehe eine dringende Notwendigkeit zur Erarbeitung und Vereinheitlichung der bisherigen Veröffentlichungen, daneben sieht er Forschungsbedarf auf dem Gebiet moderner Baustoffe.
Mike Steringer, Trocknungsunternehmer
Nicht nach Schema F trocknenIm MIttelpunkt stand die Analyse und Beseitigung von Wasserschäden. Mike Steringer vom gleichnamigen Unternehmen stellte Trocknungsverfahren vor, mit denen sich durchfeuchtete Fußbodenkonstruktionen maßgeschneidert und kontrolliert trocknen lassen. "Trocknen kann es nicht schnell genug", lautete der Untertitel seines Vortrags.
Mike Steringer machte deutlich, dass jeder Schadensfall einzigartig und individuell ist: Der Referent trifft häufig auf Estrichschäden, bei denen die Gebäude noch gar nicht abgenommen sind, und auf Wasserschäden mit unterschiedlichen Ursachen. Beispielhaft schilderte er den Fall eines neuen Hotels, in dem drei Tage vor der Eröffnung 60.000 Liter Wasser durch 6 Stockwerke in das Gebäude gelangten. Vor dem Schaden war der Estrich belegreif, anschließend nicht mehr. Grundsätzlich gilt: "Man sollte sich abhängig vom Schaden überlegen, was man trocknen kann." Generell könnte man alles trocknen, aber nicht alles mache wirtschaftlich und auch zeitlich Sinn.
Als Trocknungsunternehmer setzt sich Steringer mit den Architekten und Bauherrn zusammen, um zu klären, welche Materialien verarbeitet wurden. Das Verfahren besteht in der Regel darin, dass kontrolliert Luft eingebracht und auch kontrolliert Luft abgezogen wird. Steringer wies darauf hin, dass eine durchfeuchtete mineralische Dämmung nach der Trocknung nie wieder so wird, wie sie einmal war. Das gelte sowohl für die Dämmung des Boden als auch für die Fassade. In vielen Fällen rechne sich eine Trocknung aber auch dann, wenn man Stromverbrauch der Trocknungsgeräte, die Zeit und die Arbeitsleistung addiere.
Andres Seifert, Knauf/Industriegruppe Estrichstoffe
Belegreife von Calcium-sulfatestrichen bei 0,5 CM-%Die Eigenschaften des Estrichmörtels sowie seine Verarbeitung und Trocknung standen im Fokus des zweiten Themenblocks. Andres Seifert von Knauf Gips referierte über die Belegreife von beheizten und unbeheizten Calciumsulfatestrichen. Sein Fazit: 0,5 CM-%, wie in der neuen DIN 18560 vorgesehen, sind praxisgerecht und führen weder zu Estrichschäden noch zu mehr Schäden an Kleber oder Belag.
Mit dem neu eingeführten Grenzwert für die Belegreife steht die deutsche Normung keinesfalls isoliert da. In vielen europäischen Nachbarländern, darunter Belgien, Frankreich und Spanien, gelten ebenfalls 0,5 CM-% für beheizte CA-Estriche. In Frankreich sind diese Anforderungen beispielsweise in der technischen Vorschrift E-Cahiers CPT 3578 Chapes fluides à base de sulfate de calcium (Ausgabe 01/2015) des Centre Scientifique et Technique du Bâtiment geregelt. Es ist vergleichbar mit dem DIBt. Dort gilt generell bei beheizten und unbeheizten Calciumsulfatestrichen der Grenzwert von 0,5-CM %. Für Fliesen im Innenbereich und dampfoffene textile Beläge gelten 1,0-CM %. Eine Ausnahme bilden Feuchträume. Dort gilt für keramische Beläge ebenfalls der Grenzwert von 0,5-CM %.
Diesen Regelungen folgen auch die Systemanbieter der Nachfolgegewerke. Klebstoffhersteller wie Saint-Gobain Weber, Parex Lanko, Mapei oder Bostik geben in den oben genannten Ländern ebenfalls 0,5 CM-% an. Sie verweisen auf die Angaben der Estrichhersteller, die mit ihrer Expertise die Sicherheit der Produkte garantieren.
Ein vermehrtes Auftreten von Feuchteschäden ist nach Ansicht des Referenten auszuschließen. Der Grenzwert von 0,5 CM-% habe sich für diese Systeme sowohl im europäischen Ausland als auch in Deutschland seit langem bewährt.
Gerhard Lang, Sika
Was bringt Fließestrich zum Fließen? Was den Fließestrich zum Fließen bringt und welche Vorteile die moderne Fließmitteltechnologie für den Anwender hat, erläuterte Gerhard Lang von Sika Deutschland. Der Fließestrich wird in EN 13318 definiert als "Estrich, der ohne nennenswerte Verteilung und Verdichtung eingebracht werden kann." Das heißt, dass der Estrichmörtel in einer Konsistenz hergestellt wird, ein Verteilen durch Gießen bis auf Einbauhöhe erfolgt und das klassische Abziehen und Glätten entfällt. Der Fließestrich wird ins Haus auf die Fläche gepumpt und verläuft fast von selbst. Mit einer leichten Bearbeitung mittels Schwabbelstange bekommt das Bauteil eine ebene Oberfläche. All das erfolgt bequem im Stehen.
Lang demonstrierte mit einem eingespielten Film, was passiert, wenn Estrichleger bei einem Mörtel ausschließlich Wasser als Fließmittel einsetzen: Es entsteht eine Konsistenz wie bei einem Putz oder Mauermörtel. Die Erfahrung auf der Baustelle zeigte: "Wasser ist immer noch das billigste Fließmittel."
Moderne Fließmittel mit Polycarboxylatether (PCE) sorgen bereits in geringen Mengen dafür, dass die Estrichmischung sehr gut fließfähig, ein leichtes Nachfließen erkennbar ist, keine Unebenheiten auf der Oberfläche entstehen und die Spuren der Schwabbelstange nicht sichtbar bleiben. Diese Fließmittel lassen sich mit ihren Eigenschaften "genau designen": Möglich sind z.B. Wasserreduzierer, d.h. das Wasser wird gar nicht erst in den Bau hineingebracht und muss später nicht verdunsten oder die Verlängerung der Konsistenz.
Der Referent fasste die Eigenschaften von PCEs mit folgenden Schlagworten zusammen: hohe Wasserreduktion, hohe Anfangsverflüssigung und Konsistenzerhalt, Festigkeitssteigerungen, Schwindreduktion, keine Freisetzung von flüchtigen organischen Stoffen und eine Reduzierung der Formulierungskosten in Bezug auf Additive und Bindemittel.
Bei der Entwicklung von neuen Rezepturen war Gerhard Lang eines besonders wichtig: "Wir wollen trotz moderner Fließmittel möglichst nah am Original bleiben, damit der Estrichleger seinen Estrich weiterhin erfolgreich einbauen kann."
Roman Kirchhofer, KBS
Anforderungen aufgrund erhöhter Lasten bei schwimmenden KonstruktionenRoman Kirchhofer von der schweizerischen KBS Kirchhofer-Boden-Systeme AG betrachtete die Dimensionierung von Estrichen. Er nahm vor allem Bauherren und Planer in die Pflicht, dass sie die erhöhten Belastungen, beispielsweise durch Hubwagen oder Teleskoparbeitsbühnen, einkalkulieren müssten.
Man muss die tatsächlichen Anforderungen definieren und sich vor Baubeginn bewusst sein, wie man Risse und Schäden vermeiden kann. Parallel gelte es Mehrkosten durch zu dicke Estriche zu vermeiden und die Trocknungszeit so kurz wie möglich zu halten. Kirchhofer betonte besonders, dass oftmals die maximalen Anforderung während der Bauzeit und der Installation maßgebend sei. Weiter sei wichtig, dass die Festigkeitsklassen klar definiert sind und dass die Trocknungszeiten eingehalten werden.
Carsten Tiepermann, Putzmeister
Förderung von Fließestrich - optimaler Einsatz von SchneckenpumpenAnschließend ging es noch einmal um die Verarbeitung. Carsten Tiepermann von Putzmeister Mörtelmaschinen lieferte wertvolle Tipps, mit denen Anwender die Leistung von Schneckenpumpen optimieren und Verschleiß reduzieren können. Er empfahl Estrichschläuche mit 50 mm Durchmesser durch solche mit 65 mm Durchmesser zu ersetzen, um die Abnutzung des Förderschlauchs zu reduzieren. Als Förderdruck reiche es völlig aus, die Schneckenpumpe mit 12 bis 14 bar zu fahren, auch wenn diese in der Regel 20 bar leisten könnten. So ließe sich Kraftstoff und der Rotorverschleiß in der Pumpe reduzieren.
Prof. Matthias Zöller, Institut für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik
Abdichtung von Innenräumen: Anforderungen an Flächen und Untergründe - wann geht Calciumsulfat?Den Abschluss des Fließestrich-Forums bildete Prof. Matthias Zöller mit einem Ausblick auf die neuen Abdichtungsnormen und die Eignung von Calciumsulfatestrichen in Feuchträumen. Die Frage, ob Calciumsulfatestriche bei nach DIN 18534 abgedichteten Innenräumen erlaubt sind, beantwortete er so: "Der Grad des Feuchtigkeitsschutzes ist von der Feuchtigkeitsempfindlichkeit des Untergrundes abhängig. Wir haben gipshaltige Stoffe und die Einwirkungsklasse W1. Damit sind die Calciumsulfatestriche nicht in einer direkt gefliesten Dusche möglich." Anders sei es hingegen, wenn man eine Duschtasse einbaut und eine Duschwand montiere.
Grundsätzlich haben alle Calciumsulfatestriche den Vorteil, dass sie nur einen Bruchteil des Schwindmaßes gegenüber Zementestrichen aufweisen und daher weniger Schäden in Form von Rissen und aufklaffenden Randfugen zu erwarten sind. Ohne vorherige Vereinbarung sollten aber in der Klasse W2-I keine Gipsprodukte eingesetzt werden, auch wenn im privaten Wohnungsbau das Schadensrisiko eher gering ist.
Warum gibt es Einschränkungen bei Calciumsulfatestrichen? Der Hintergrund ist die Frage der Zuverlässigkeit. Wenn man Calciumsulfat verwendet, ist die Löslichkeit mit 2 g je Liter gering, aber Zement gilt als unlöslich. Er fühlt sich in Wasser regelrecht wohl. Es wird unterstellt: Die Schadensfolge ist bei einem feuchteempfindlichen Untergrund wesentlich höher, als wenn der Untergrund mit Feuchtigkeit gut umgehen kann. Ausschlagend ist das Empfinden des Planers und des Anwenders. Anhydrit gilt bei lang anhaltender Feuchtigkeit als nicht formbeständig.
Zusammenfassung: Dr. Roland Augustin, IBF
"Wir haben mit Wasser angefangen und hören mit Wasser auf", spannte Dr. Roland Augustin vom IBF den Bogen über die Fachvorträge. Das kommende Fließestrich-Forum 2017 findet vom 23. bis 24. Oktober statt. Veranstaltungsort ist das Landhotel Rössle in Rechenberg.
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FussbodenTechnik 01/17
(Wirtschaft)