Ruhe & Co: Interview mit Manfred Endres und Christian Endres

Ein Generationswechsel, der Kontinuität verspricht

Ein erfolgreicher Generationenwechsel ist für ein Unternehmen von strategischer Bedeutung, aber nicht leicht. Mal gefährden finanzielle Probleme den Fortbestand, mal fehlt der Nachfolger. Wie man den Übergang harmonisch und konstruktiv löst, zeigt der Bodenbelagsgroßhändler Ruhe & Co. Parkett Magazin wollte von den beiden Geschäftsführern Manfred und Christian Endres mehr darüber wissen.


Der eine muss loslassen können und wollen, der andere muss übernehmen können und wollen. So einfach klingt der Generationenwechsel. So einfach ist es aber häufig nicht. Entweder fehlt ein geeigneter Nachfolger - oder er will nicht. Nicht selten wollen Söhne und Töchter heute eigene Wege gehen und sehen die Nachfolge nicht als "familiären Automatismus" an. Einer Analyse des DIHK (Deutschen Industrie- und Handelskammertages) zufolge finden heute 43 % der Unternehmer keinen Nachfolger. Dabei wächst die Zahl der Seniorchefs; mehr als 1,3 Millionen sind derzeit schon über 55 Jahre alt.

Bei Ruhe & Co., einem mittelständischen Bodenbelagsgroßhändler mit Stammsitz in Göttingen und fünf weiteren Standorten in der Mitte und im Norden Deutschlands, gab es diese Kernprobleme nicht. Das Unternehmen ist gesund, mit über 45 % Eigenkapitalquote sehr solide finanziert und wächst seit Jahren langsam, aber stetig. Manfred Endres, seit 1986 Geschäftsführer von Ruhe, seit 1990 auch Gesellschafter, hatte schon frühzeitig einen Nachfolger im Blick: Seinen Sohn Christian, das mittlere von drei Kindern. Dieser hatte auch Ambitionen, seinem Vater zu folgen. Seit 2012 lenkt er Ruhe & Co., unterstützt von zwei Prokuristen, qualifizierten Abteilungsleitern und einer motivierten Mannschaft. Die Gründerfamilie hatte Vertrauen zu ihrem alten Geschäftsführer und schenkte es auch ihrem neuem.

Herr Endres, war Großhändler schon von Anfang an Ihr Berufswunsch?

Christian Endres: Tatsächlich wollte ich schon als Kind das Gleiche wie mein Vater werden - ohne genau zu wissen, was er macht. Später habe ich realisiert, dass ein Konzernumfeld nicht das Richtige für mich ist und mich auch Internationalität nicht interessiert. Stattdessen hat mich beim Großhandel die Nähe zu den Menschen beeindruckt, dass man alle Mitarbeiter kennt und dass man Prozesse von A bis Z komplett durchführen und begleiten kann.

Der Wille allein genügt nicht. Es muss auch die entsprechende Kompetenz vorhanden sein. Die haben Sie sich sozusagen von der Pike auf angeeignet...

Christian Endres: Ja, ich habe bei Ruhe & Co. in der Lehre zum Groß- und Außenhandelskaufmann alle Stationen durchlebt von Lager und LKW-Beladung über die Auslieferung bis zur Buchhaltung. Zum einen wollte ich keine Sonderbehandlung, zum anderen hat mir das hervorragende Möglichkeiten eröffnet, die einzelnen Prozesse im Detail kennenzulernen. In der Geschäftsführung geht es ja auch darum, Optimierungspotentiale innerhalb des Unternehmens zu erkennen und zu heben. Und ich konnte die Mitarbeiter sehr gut kennenlernen.

Dann wollte ich mich mit einem Studium weiter für die Position qualifizieren und auch noch Praxiserfahrungen sammeln. Dafür war ich bei Hamberger und habe dort sehr viel gelernt. Als ich dann zu Ruhe & Co zurückgekommen bin, habe ich zunächst als Assistent der Geschäftsführung angefangen.

Hat Ihnen Ihr familiärer Hintergrund geholfen oder war er eher hinderlich?

Christian Endres: Es hört sich von außen zunächst gut an, wenn man als designierter Nachfolger den gleichen Namen trägt. Aber man darf nicht unterschätzen, dass der Anspruch dadurch schon höher ist. Im ersten Schritt muss man sich gegenüber den Mitarbeitern beweisen und ihr Vertrauen gewinnen. Und dann muss man sich natürlich genauso gegenüber den Gesellschaftern, den Kunden, den Lieferanten und den Wettbewerbern positionieren.

Hat Ihr Vater mehr von Ihnen erwartet oder verlangt als von einem familienfremden Nachfolger?

Christian Endres: Er hat mir schon zu verstehen gegeben, dass mir die Nachfolge nicht automatisch in die Wiege gefallen ist. Und dass es nicht mit einem guten Ausbildungsabschluss oder dem Diplom getan ist, sondern ich mich täglich beweisen muss. Aber genauso hat er mir vermittelt, dass man sich auch als Geschäftsführer Fehler erlauben darf. Also nicht zu ängstlich zu sein.

Herr Endres, wann war Ihnen klar, dass Ihr Sohn der Richtige ist, die Fähigkeiten und das Rüstzeug für Ihre Nachfolge hat?

Manfred Endres: Das war keine plötzliche Erkenntnis. Mein Wunsch und Ziel war, dass unsere Familie die Geschäftsführung fortsetzt. Die Ausbildung hatte das Ziel, ihn darauf vorzubereiten. Wobei die Entscheidung letztlich bei der Gesellschafterfamilie Iven lag.

Welche Stärken zeichnen Ihren Sohn aus?

Manfred Endres: Die richtige Einschätzung der künftigen Risiken und Chancen, seine Durchsetzungsfähigkeit und die Art, wie er mit den Mitarbeitern umgeht.

Andersherum: Herr Endres, was haben Sie von Ihrem Vater gelernt?

Christian Endres: Viel. Vor allem die grundsätzliche Einstellung bzw. die Unternehmensphilosophie: Nicht bedingungslos auf Profit ausgerichtet, sondern die Mitarbeiter und der Mensch generell stehen im Mittelpunkt. Und gesund zu expandieren. Dafür habe ich früh einen Merksatz aufgenommen: Es gibt die linke und die rechte Hosentasche. Die linke dient der Existenzsicherung und wenn die rechte gut gefüllt ist, wird eine Niederlassung eröffnet.

Und wie lief die eigentliche Übergabe der Gewalten ab - war das ein fließender Prozess oder gab es einen Stichtag?

Manfred Endres: Das ging völlig geräuschlos. Ich habe mich zurückgezogen, und Christian hat sich hineingekniet. Als er zum Geschäftsführer berufen wurde, habe ich mich früh entschieden, ihm völlig freie Hand zu geben und nicht hineinzureden. Manchmal habe ich ihm gesagt, "das hätte ich jetzt anders gelöst", aber ich habe weder kritisiert, geschweige denn, etwas vorgeschrieben. Ich schaue zu und freue mich, dass er es macht.

Christian Endres: Darüber bin ich sehr dankbar. Als Geschäftsführer hat man seine eigenen Visionen und Vorstellungen und möchte diese auch umsetzen. Daher bin ich dankbar, dass wir einen gewissen Zeitraum gemeinsam gelaufen sind, ich aber nicht jede Entscheidung mit meinem Vater abstimmen muss und er meine Entscheidungen auch nicht in Frage stellt. Nach innen und außen ist klar kommuniziert, dass ich die Entscheidungen treffe und das gibt mir Stärke und Standing.

Sie erwähnten eben eigene Visionen und Vorstellungen. Was machen Sie denn anders als Ihr Vater?

Christian Endres: Bei einzelnen Aspekten kommt sicher meine andere Mentalität zum Tragen. So bin ich vielleicht beim Einkauf zäher im Verhandeln, hole gerne noch einen Punkt heraus.

Es war aber nie mein Ansinnen, als Geschäftsführer anzutreten und alles anders zu machen. So ein Unternehmen ist auf Langfristigkeit aufgebaut. Es wäre falsch, sofort alles umzukrempeln. Ich beobachte den Markt und die Branche sehr genau, wo es Ansatzpunkte gibt, etwas zu verändern.

Wobei ich das gar nicht alleine bestimme, sondern zusammen mit meinen engsten Mitarbeitern Stefan Koch und Ansgar Kühne. Wir treffen viele Entscheidungen in der Gemeinschaft, um Fehler zu vermeiden und Kompetenz zu bündeln. Mir ist es wichtig, Ansprechpartner zu haben, die wissen, wie das Unternehmen tickt und denen ich voll vertrauen kann. Das habe ich übrigens auch von meinem Vater gelernt, der viele Jahre lang sehr eng mit unserem früheren Vertriebsleiter Arnold Freerck zusammen gearbeitet hat.

Und ich berate mich durchaus auch mal mit meinem Vater.

Manfred Endres: Grundsätzlich bin ich immer gut und aktuell über das Unternehmen informiert und kann über die Zahlen auch die Entwicklung einschätzen. Einmal monatlich wird an die Gesellschafter berichtet.

Ich möchte noch etwas zum Generationenwechsel sagen. Der ist ja nicht nur in der Geschäftsführung der Betriebsgesellschaft vollzogen worden, sondern auch in der Besitzgesellschaft und dem mittleren Management. Tatjana Lohmer führt als Enkelin der Firmengründerin und damit Vertreterin der Gesellschafterfamilie Iven mit mir die Holding der Ruhe & Co.-Gruppe. Und den Generationenwechsel in der zweiten Managementebene haben wir auch aus eigener Kraft geregelt: Stefan Koch war erst zehn Jahre im Außendienst und hat dann erfolgreich die Filiale in Braunschweig geleitet. Ansgar Kühne ist bereits seit über 35 Jahren im Haus, hat bisher das Service-Centrum geführt und ist nun für die Warensortimente verantwortlich.

Christian Endres: Dazu kommen noch unsere Buchhaltungs-Leiterin Ute Bartoeck und die Niederlassungs-Leiter, die das Tagesgeschäft abwickeln.

Manfred Endres: Damit gehen wir gut aufgestellt und sicher in die Zukunft.

Stichwort Tagesgeschäft: Wie weit sind Sie als Geschäftsführer operativ bei den einzelnen Standorten involviert?

Christian Endres: Nicht im Detail. Ich greife nur bei größeren Geschäften ein, weil diese oft höhere Kreditlimits erfordern. Ansonsten suchen unsere Niederlassungs-Leiter im Zweifelsfall den Dialog mit mir.

Schwenken wir nochmal kurz zu Ihren Kunden, und hier speziell den Parkettlegern. Welche Erwartungen hegen diese an Sie als Großhandel?

Christian Endres: Dass wir neben einem kompetenten Parkettsortiment auch die entsprechenden Verlegewerkstoffe, Leisten und Profile anbieten, diese kurzfristig verfügbar haben und termingerecht an die Baustelle liefern. Wir haben beispielsweise von Hamberger über 100 Positionen am Lager, die der Parkettleger sofort abrufen kann. Alle unsere Kollektionen sind als Lagerprogramm oder Werksprogramm gekennzeichnet, so dass die Kunden wissen, was bei uns immer vorrätig ist. Durch die Zusammenarbeit mit unseren Kollegenunternehmen Fries im Norden und "Lotter + Liebherr" im Süden haben wir über unser Sortiment hinaus auf 8.000 weitere Artikel Zugriff.

Manfred Endres: Lieferzuverlässigkeit ist generell ein ganz wichtiger Punkt. Der Boden ist das letzte Gewerk, da ist kein Zeitfenster mehr offen. Das ist unsere Chance gegenüber den Großen: Wir haben flache Hierarchien, wir sind vor Ort, wir können flexibel reagieren. Bei uns gibt es keine starren Lieferpläne, wir entscheiden morgens um 6.30 Uhr, welche Kommission mit welchem Lkw gefahren wird.

Welche Produkte kaufen die Parkettleger konkret bei Ihnen?

Christian Endres: Parkettleger kaufen Parkett, auch schon mal direkt; andere Produkte wie Laminat- und Designböden kaufen sie dagegen bei uns. Weil sie diese in der Regel nicht in Mengen vorhalten können und wollen. Und wir können dazu noch den technischen Support, Untergrundberatung etc. bieten. Daher sehen wir gute Möglichkeiten, beim klassischen Parkettleger mit Designboden Marktanteile zu gewinnen. | Das Gespräch führten Claudia Weidt und Michael Steinert


Ruhe & Co. Handelsges.mbH
Hannoversche Str. 55
37075 Göttingen
Tel.: 0551 - 38 90 80
info@ruhe.de
www.ruhe.de

Gründung: 1927
Gesellschafter: Familie Iven, Manfred Endres

Geschäftsführung Ruhe & Co. KG: Tatjana Lohmer, Manfred Endres,

Geschäftsleitung Ruhe & Co. Handels.mbh: Manfred Endres (Geschäftsführender Gesellschafter), Christian Endres (Geschäftsführer), Stefan Koch (Gesamtvertriebsleiter, Prokura), Ansgar Kühne (Produktmanager, Prokura)

Abteilungsleitung: Ute Bartoeck (Buchhaltung), Dieter Fleischmann (Service-Zentrum), Edwin Beller (Ausstellung), Sascha Mehle (Merseburg-Leuna), Michael Peisker (Braunschweig), Sven Klemmer (Hannover), Oliver Mürkens (Hannover), Holger Lapp (Fulda)

Umsatz: 40 Mio. EUR (2016)
Eigenkapitalquote: Über 45 %
Mitarbeiter: 120, davon 17 im Außendienst
Standorte: Göttingen, Merseburg-Leuna, Braunschweig, Hannover, Hamburg, Fulda
Sortiment: Textile und elastische Bodenbeläge, Parkett, Laminat- und Korkböden, Tapeten, Zubehör
Kooperation: Rigromont
Eigenmarke: Casa Nova
Lieferanten: Bei elastischen Belägen, Parkett, Laminat, Kork und Verlegetechnik: Hamberger, Weitzer, Amorim, Tarkett, Forbo, Amtico, Thomsit, Westermann
Kunden: Maler, Bodenleger, Parkettleger, Raumausstatter, Fachhandel, mobile Generalisten
aus Parkett Magazin 01/17 (Wirtschaft)