Välinge: Think Tank der Fußbodenbranche
Innovationen als Geschäftsprinzip
Innovativität ist ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Manche Unternehmen leisten sich Mitarbeiter oder Abteilungen, die sich ausschließlich mit Innovationen beschäftigen. Välinge widmet sich ausschließlich diesem Thema und konzentriert sich dabei auf die Kompetenzfelder Fußböden, Oberflächen und Möbel. Künftig wollen sich die Schweden über die Ideenentwicklung hinaus mehr in Richtung Design und Produktion engagieren. Das Silicon Valley der Fußbodenbranche liegt in Viken, einem kleinen, beschaulichen Ort an der schwedischen Westküste, eine Stunde nördlich von Malmö. Dort sind bei Välinge in einem Neubau auf der grünen Wiese über 110 Mitarbeiter damit beschäftigt, sich neue Produkt-, Material-, und Fertigungsideen für Bodenbeläge auszudenken, zu testen und in die Realität umzusetzen. Die meisten sind jung, viele Ingenieure, alle ambitioniert. Das verleiht dem Unternehmen seinen besonderen Spirit.
Välinge wurde 1993 von Darko Perván gegründet und ist einer der Pioniere der schwimmenden Verlegung mit Klicksystemen. Mittlerweile nutzen weltweit mehr als 200 Lizenznehmer die leichtgängige, schnelle Verriegelungstechnik der Schweden. Alljährlich werden über 1 Mrd. m
2 Laminatboden, Parkett und Designbeläge damit verkauft. Die Lizenzeinnahmen spülen ordentlich Geld in die Kasse: 2015 hat Välinge nach eigenen Angaben 90 Mio. EUR umgesetzt und dabei ein EBITDA von 44 Mio. EUR erwirtschaftet. Diese Profitabilität wünscht sich jeder Unternehmer.
Perván sah nicht nur bei Verlegepraktiken von Bodenbelägen Raum für neue Entwicklungen; der gebürtige Kroate, der sich längst aus dem operativen Geschäft in den Aufsichtsrat zurückgezogen hat, stellte früh die Weichen in Richtung weiterer innovativer Technologien rund um den Boden, die patentfähig und lizensierbar sind. Heute umfasst das Arbeitsfeld von Välinge neben Verriegelungstechniken auch Werkstoffe und Veredelungen für Oberflächen, Digitaldruck - auch in 3D -, Trägerkonzepte für holzwerkstoffbasierte und Holzböden sowie Designbeläge, Terrassendecks sowie generell die Vereinfachung und Rationalisierung von Produktionsprozessen. Außerdem wurde das bewährte Klicksystem auch auf die Möbelmontage übertragen.
Über 1.300 Patente
"Unser Patentportfolio ist mit 1.300 eines der umfangreichsten in Europa", sagt Vorstandsmitglied Per Nygren, verantwortlich für Marketing. Das Forschungs- und Entwicklungszentrum in Viken sei eines der größten und fortschrittlichsten weltweit für Innovationen bezüglich Böden aus Holz und Holzwerkstoffen. Dort sind großzügige Labore untergebracht, die sämtliche relevanten Standard-Prüfmethoden wie den Taser Abraser-Test oder das Martindale-Verfahren beherrschen und darüber hinaus eigene Untersuchungen durchführen, "wenn wir diese für effektiver halten". Ebenso gibt es mehrere Klimakammern, darunter eine große mit 1.000 m
2 Fläche, mit denen sich Klimata von der "feuchten Wärme Floridas bis zur trockenen Wüste Nevadas" simulieren lassen. Dazu verfügt Välinge über eine eigene, moderne Produktion zur Herstellung der Wood Powder-basierten Produkte Nadura und Woodura, Profilierungsanlagen, Digitaldruck-Kapazitäten in Labor- und Originalgröße und seit 2016 auch über eine Oberflächenlinie zur Lackierung - übrigens mit Produkten von Osmo. Im Frühjahr 2017 soll noch eine KT-Presse installiert werden.
"Wir können uns nicht mehr nur auf die Entwicklung beschränken", heißt es dazu, "wir müssen und wollen mehr in Richtung Design und Produktion gehen." Zum einen bräuchten die Kunden mehr Unterstützung, gerade bei Innovationen wie Nadura. "Wir verstehen uns als Partner, wir wollen, dass unsere Lizenznehmer erfolgreich sind - denn wir sind abhängig von ihrem Erfolg." Daher setzen Techniker von Välinge die Produktion bei Kunden auf, führen die Mitarbeiter ein und fungieren als Trouble-Shooter bei Problemen. Zum anderen wollen die Schweden natürlich auch an den schnell wachsenden Marktsegmenten LVT, anderer Designböden und WPC partizipieren.
Weichen für weitere Expansion gestellt
Unterstützung für eine weitere Expansion von Välinge holte sich Pervanovo Invest, die Besitzgesellschaft der Familie Pervan, Anfang 2016 von Finanzinvestor KKR. Die Amerikaner übernahmen die beiden 20 %-Anteilspakete von den Minderheitseignern Kronospan und Swiss Krono Group sowie zusätzliche 10 % von der Gründerfamilie und sind seitdem mit 50 % beteiligt.
Einen weiteren Schritt zur Zukunftssicherung und Expansion ging Pervanovo Invest im Sommer 2016 mit der Übernahme des kroatischen Holzverarbeiters Tehno Drvo. Das Unternehmen produzierte bis dato mit rund 450 Mitarbeitern an zwei Standorten in Ogulin und Bjelovar Mehrschichtparkett, Deckschichten und Pellets - und verfügt über langfristige Konzessionen zur Deckung des Bedarfs an Eichenholz. Diese sind angesichts der derzeitigen Versorgungsknappheit mit Eiche besonders wertvoll. Die kroatische Tochter soll künftig Eichenfurniere für die Woodura-Böden der Schweden liefern, ihr Parkettsortiment mit der 5G-Verbindungstechnik ausgerüstet werden.
Vielversprechende Entwicklungen in der Pipeline
Derzeit wird in Viken parallel an ganz verschiedenen Ideen gearbeitet; manche davon sind visionär oder revolutionär, andere intelligente Modifikationen, die die Eigenschaften von Fußböden optimieren, sie kostengünstiger oder die Herstellung effizienter gestalten. Marcus Bergelin, der neue Geschäftsfelder eruiert, beschäftigt sich unter anderem intensiv mit dem Thema Druck. Der klassische, zentralisierte Druck hat für ihn langfristig keine Perspektive mehr - zu unflexibel, zu langsam, zu aufwändig. "Wir müssen näher an den Kunden und seine Bedürfnisse schneller erfüllen". Das verlangt kleinere Losgrößen, kurzfristige Verfügbarkeiten, einfachen Dekorwechsel, wie es der Digitaldruck ermöglicht. Durch den 3D-Digitaldruck ergäben sich noch mehr Designmöglichkeiten - auch in der Kombination mit der Wood Powder-Oberflächentechnologie - etwa hell auf dunkel zu drucken. Und es ließen sich besonders feine Reliefstrukturen erzielen - nicht konkav wie bei einer Prägung, sondern konvex.
Die Nutzschicht spielt eine wichtige Rolle bei Deisgnbelägen; sie bestimmt das Strapazierverhalten, die Lebensdauer und die Optik. Hier hat Välinge mit dem Protective Wear Layer, kurz PWL, eine Alternative entwickelt, die wesentlich dünner ist als herkömmliche PU-Beschichtungen, dabei "deutlich abrieb- und verschleißfester sowie besonders beständig gegen Mikrokratzer, die die Dekore verschleiern können", wie Per Josefsson versichert, der den Geschäftsbereich "Neue Materialien" leitet. Damit würden auch Laufstraßen verhindert. Weiterer Vorteil des PWL: Es können verschiedene Glanzgrade gemischt werden.
"Die Stabilität eines 5 mm-Produktes mit dem Gewicht und den Kosten von 4 mm Dicke" verspricht das 3D-Rückenkonzept für Vinyl-Designbeläge. Dafür werden auf der Rückseite des Belages Nuten in Längsrichtung gefräst. Das ausgefräste Material kann recycled und wieder in den Produktionsprozess zurückgeführt werden. "Das spart bis zu 20% Material, Gewicht und damit Kosten in Herstellung und Transport", argumentiert Josefsson und beziffert die Kostenreduktion auf bis zu 1 EUR pro Quadratmeter. Entsprechende Fräseinrichtungen seien leicht in die Fertigung zu integrieren, die Geschwindigkeit werde nicht verlangsamt. Välinge hat dafür mit Homag ein entsprechendes Aggregat entwickelt: "Der Aufwand ist nicht groß, das Investment gering.."
| Claudia Weidt
aus
Parkett Magazin 01/17
(Wirtschaft)