ZVPF-Herbsttagung: Informationen zum Verbraucherstreitbeilegungsgesetz
Teilnahme am Schlichtungs-Verfahren birgt Risiken
Am 1. Februar 2017 tritt das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in Kraft. Auf seiner Grundlage können Verbraucher und Handwerker in Streitfragen eine Lösung suchen. Aber Achtung: Was für den Verbraucher ohne Risiko ist, kann für den Handwerker teuer werden.Das neue Gesetz hat einen europäischen Hintergrund. Und den beschreibt die Juristin Marion Kenklies so: "Die Rechtslandschaft ist im Umbruch, Richter sind überlastet und Entscheidungen sollen in außergerichtliche Bereiche verlagert werden." Und: Bei den Machern des neuen Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in der EU stehe der Verbraucherschutz im Fokus. Das Gesetz sieht folgendes Verfahren vor: Streitet ein Handwerker oder Unternehmer seit zwei Monaten mit einem Privatkunden, muss er diesen schriftlich auf die Möglichkeit einer Schlichtung hinweisen und gleichzeitig erklären, ob er an dieser Schlichtung teilnehmen möchte oder nicht. Oder der Verbraucher wendet sich online an die Verbraucherschlichtungsstelle. Diese fragt den Unternehmer dann, ob er an der Prozedur teilnimmt.
Entscheidet sich der Unternehmer für ein Schlichtungsverfahren, gibt es drei Möglichkeiten: erstens eine mündlichen Anhörung beider Parteien, zweitens eine Meditation, bei der die Streitparteien unter Anleitung eines Mediators miteinander sprechen und eine Lösung suchen. Wer bei mündlicher Anhörung sowie Meditation die Kosten trägt, scheint derzeit noch unklar zu sein. Beim dritten Weg dagegen ist klar, dass das Unternehmen zahlt. In diesem Fall nämlich erlässt die Schlichtungsstelle eine rechtliche Würdigung des Falles und macht einen Lösungsvorschlag. Lehnt einer der Teilnehmer den Schlichtungsvorschlag ab, war das ganze Verfahren vergeblich.
Wo lauern Fallstricke?
Verbraucher müssen allenfalls 35 EUR aufwenden und könnten, um eine handwerkliche Leistung im Preis zu drücken, einen willkürlichen Streit vom Zaun brechen. Das Risiko für Unternehmer ist höher. Zunächst einmal tragen sie den Löwenanteil der Kosten. Das sind bei einem Streitwert von 5.000 EUR geschätzt 600 EUR. Oder mehr, denn die künftigen Schlichtungsstellen können ihre Preise selber festlegen. Das zweite Risiko liegt in der Verjährung des Streitfalles, da sich diese um die Dauer der Schlichtung verlängert. Und drittens bekommt der Unternehmer in dieser Zeit kein Geld. Ein gewiefter Verbraucher vermag auf diese Weise, das Zahlungsziel weit hinaus zu schieben.
Erklären Handwerksbetriebe sich bereit, in jedem Fall an einer Schlichtung teilzunehmen, erhalten sie ein Gütesiegel. Betriebe mit mehr als zehn Beschäftigten müssen ab 1. Februar 2017 in ihren AGBs und auf ihrer Website erklären, ob sie grundsätzlich an Schlichtungen teilnehmen oder nicht. Wer dem nicht nachkommt, kann abgemahnt werden. Betriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern dürfen dagegen von Fall zu Fall entscheiden.
Welche Schlichtungsstelle angerufen wird, wählt der Verbraucher aus. Aber kann der Unternehmer erklären, nur bei bestimmten Schlichtungsstellen mitmachen zu wollen? Auch das scheint nicht klar. Trotzdem gibt es Alternativen: Handwerkskammern haben eigene Schlichtungsverfahren, Sachverständige können mit ihrem Gutachten einen Streitfall klären, in manchen Bundesländern existieren Schiedsämter, die zu geringen Kosten bis 50 EUR einen Vergleich erlassen, der dem Urteil eines deutschen Gerichtes gleichkommt. Zudem sind Meditationen auch ohne das neue Verbraucherstreitbeilegungsgesetz möglich.
Handwerksbetriebe sollten sich also genau überlegen, wie sie mit dem Gesetz umgehen. Wer kaum Reklamationen hat, vermag sich das "Gütesiegel der Verbraucherfreundlichkeit" ans Revers zu heften. Ist wegen gelegentlicher Reklamationen das Kostenrisiko zu hoch, kann die Teilnahme an dieser Schlichtungsform offiziell grundsätzlich abgelehnt werden. Wer verbraucherfreundlicher auftreten möchte, kann zusätzlich erklären, stattdessen im Streitfall eine Schlichtung bei der Handwerkskammer vorzuschlagen.
| Henrik Stoldt
aus
Parkett Magazin 01/17
(Wirtschaft)