Heimtextil: Sonnenschutz+Dekotechnik
Real und virtuell shoppen
Stationärer Verkauf und Onlinehandel - wie lassen sich beide Kanäle klug verbinden? Diese Frage treibt die Anbieter von Plissees, Rollos & Co. aktuell um. Weitere Top-Themen auf den Ständen: Automatisierungskonzepte, die Individualisierung von Produkten und der Anteil deutscher Fachbesucher auf der Messe. |
Petra Lepp-Arnold berichtet über die Neuheiten bei Sonnenschutz und DekotechnikGleich am Abend des ersten Messetages ging es im Entrée von Halle 5.1 hoch her. Auf dem Areal, um das sich die marktbedeutenden Sonnenschutz-Aussteller gruppieren, brachte das neue Branchenevent "Frankfurter Stöffche" das Publikum mit hessischer Gastlichkeit in Stimmung. Beim Get-Together konnten sich Messebesucher, Aussteller und Verbandsvertreter bei einem Glas Ebbelwoi und regionalen Spezialitäten locker austauschen und Kontakte festigen. Die Veranstaltung ist Teil der Kampagne "Meine Heimtextil" der Messe Frankfurt. Damit soll speziell das deutschsprachige Fachpublikum - Raumausstatter, Inneneinrichter, Architekten und Fachhändler - verstärkt zu einem Messebesuch motiviert werden. "Das Event war toll gemacht und super umgesetzt", lobte Kadeco-Marketingleiter Christian Sandkühler das Engagement, mehr Besucher in die Halle 5.1 zu bringen. Ihm gefiel auch, dass die Plaza diesmal dem ihr zugedachten Marktplatz-Charakter gerecht geworden sei, mit einer "Trinkhalle" sowie verschiedenen Sitzgelegenheiten. Das ostwestfälische Sonnenschutz-Unternehmen konnte indes dieselbe Anzahl an Besuchern begrüßen wie auf der letzten Heimtextil: "Wir hatten aber mehr Bestandskunden am Stand und die Qualität der Gespräche war besser."
Auch MHZ berichtet vom Besuch "vieler unserer Kunden". Die Stimmung in der Branche sei grundsätzlich gut. "Insofern dürfen wir uns auf 2017 freuen." Der schwäbische Sonnenschutz-Herstellers räumte aber ein, dass die Zahl der Messegänger aus dem deutschen Sprachraum "insgesamt rückläufig gewesen sei." Es müsse daran gearbeitet werden, dass die Heimtextil wieder die wichtigste Plattform für den hochwertigen Inneneinrichter werde. "Freude über einen Anstieg der Ausstellerzahlen international bringt den europäischen, hochwertigen Fachhandel leider nicht voran", nahm er den Abschlussbericht der Messe (siehe Seite 124) kritisch unter die Lupe.
Sonnenschutz auch 2018 in Halle 5.1
Für viel Gesprächsstoff in der Sonnenschutz-Branche sorgte die künftige Hallenplanung. "Zur Heimtextil 2018 wird es aber noch keine Änderungen der Geländebelegung geben", betonte Sabine Scharrer, Objektleiterin Heimtextil, im Gespräch mit unserer Redakteurin. Ab der Heimtextil 2019 stehe die neue Halle 12 zur Verfügung und 2020 sei dann der Abriss/Neubau der Halle 5 geplant. "In diesem Kontext ist es unser Ziel, die Angebotsstruktur gerade auch für die deutschsprachigen Besucher nochmals deutlich zu schärfen", erklärte sie. So will die Messe zur Heimtextil 2019 das Angebot "Window" mit Deko + Gardine aus der Halle 3.0 mit dem Sonnenschutz und der Dekorationstechnik aus der Halle 5.1 zusammenlegen. "Die Rückmeldungen der Aussteller - insbesondere aus dem Sonnenschutz - bestätigen uns, dass wir auf dem richtigen Weg sind", meinte Scharrer. In welcher Halle die Angebotsbereiche zusammengeführt werden, sei aktuell Gegenstand intensiver Gespräche mit verschiedenen Interessengruppen.
Die Mitgliedsunternehmen im Verband innenliegender Sicht- und Sonnenschutz (ViS) blicken grundsätzlich positiv auf 2017. "Sonnenschutz-Produkte bleiben weiterhin im Trend und die anhaltend positive Baukonjunktur wirkt hier unterstützend", heißt es aus der Verbandsgeschäftsstelle in Wuppertal. Für das erste Halbjahr 2016 meldete der ViS ein Umsatzwachstum von 5 %. "Neuere Zahlen - auch zu den einzelnen Warengruppen - liegen uns aufgrund der Umstellung der Statistik nicht vor", erklärte Martin Auerbach. Der ViS-Geschäftsführer registrierte eine unterschiedliche Resonanz der Mitgliedsunternehmen zur Heimtextil. Aussteller, die den Netzwerk- und Präsenzgedanken und damit das Pflegen wichtiger Kontakte in den Fokus ihrer Messestrategie rückten, seien spürbar zufriedener gewesen, als Aussteller, die ihren Blick schwerpunktmäßig auf die Auftragszahlen richteten. "Zahlenmäßig hätten es ruhig mehr Fachbesucher aus dem Inland sein dürfen", betonte auch er.
Der Onlinemarkt ist unübersichtlich
Schlagworte wie E-Commerce, Multichannel-Marketing und Content Management hatten auf der Messe Hochkonjunktur. All diese Begriffe sind auf ein Thema fokussiert, das die Branche aktuell stark umtreibt: die Verzahnung von stationärem Handel und Internetverkauf. "Jetzt sind wir an einem Punkt, an dem wir sehen, dass nicht unerhebliche Absatzmengen an Sonnenschutzprodukten online verkauft werden", brachte ein Insider das Dilemma der Hersteller auf den Punkt, die auf den beratenden Fachhandel setzen. Letzterer werde am erfolgreichsten sein, wenn er sich auf beiden Kanälen bewegt: stationär und online. Wer sich nur auf einen der beiden Absatzwege konzentriere, werde langfristig scheitern.
Fakt ist, dass bei reinen Onlineangeboten der Service und das haptische Erlebnis fehlen, während es im stationären Fachgeschäft an der Präsenz rund um die Uhr hapert, die den Endkunden Zugang zu Informationen gewährt. Manche Sonnenschutz- und Dekotechnik-Lieferanten haben diesbezüglich schon konkrete Maßnahmen ergriffen. So ging ein Aussteller bereits mit einem Webshop für Endkunden online. Er bietet dem Handel als Kooperationspartner ein spezielles Geschäftsmodell, bei dem er am Umsatz partizipieren kann.
Im Internet finden sich seit Jahren zahllose Sonnenschutz-Shops. Der Markt ist aber wenig transparent. Neben professionellen Betreibern verkaufen auch Fachhändler, Filialisten, Handwerksbetriebe und Kleinkonfektionäre - sogenannte Garagenfirmen - Rollos, Plissees & Co. über das Web. Selbst Mitarbeiter von Herstellern vertreiben privat über Amazon oder Ebay - alle Absatzvarianten sind denkbar.
Noch viel Potential bei Automatisierung und Digitaldruck
Motorisierungskonzepte für den innenliegenden Sonnenschutz im Smart Home sind seit Jahren ein großes Thema. Aber: "Es wird viel darüber gesprochen und nur wenig verkauft", stellte ein Unternehmer kurz und prägnant fest. Der Anteil motorisierter Anlagen in Deutschland liegt Expertenangaben zufolge bei lediglich 2 %. Für die geringe Akzeptanz hat die Branche nun zwei Gründe identifiziert, die vergleichsweise hohen Preise und den aufwändigen Stromanschluss mit Verkabelung durch den Elektriker. Als Konsequenz daraus sollen die Automatisierungslösungen einfacher und preislich attraktiver werden. So will man das Sonnenschutzsystem nicht als Einzelprodukt anbieten, sondern bereits mit Motorisierung im Gesamtpaket. Ein kabelloser Akku-Antrieb vermeidet den Installationsaufwand.
Der Trend zur Individualisierung hat sich in der Einrichtungsbranche als Dauerbrenner etabliert. Aber wie bei der Automatisierung beurteilt die Branche auch den Hype um digital bedruckte Sonnenschutzstoffe differenziert. "Wir sehen nicht wirklich, dass der Endkunde eigene Motive umsetzt", heißt es dazu. Indes sind die Möglichkeiten zur Individualisierung durch Digitaldruck für die Konfektionsunternehmen attraktiv. Sie können - zusammen mit den Textillieferanten - kleine Serien an Exklusivstoffen entwickeln und sich damit am Markt profilieren. Der Fachhandel wiederum hebt sich mit einzigartigen Produkten von der Massenware ab und entkommt so dem Preisvergleich.
Attraktiv für den beratungsorientierten Fachhandel ist das Wabenplissee. Der wabenförmig konstruierte Behang liefert - neben dem dekorativen Aspekt - den Mehrwert Hitzeschutz, Energieersparnis, Raumschalldämmung. Die Branche sieht in dem Produkt noch Ausbaupotential. Rollos und einfachen Plissees wird ein steigendes bzw. stabiles Umsatzniveau bescheinigt - je nach Unternehmen. Hier gab es in Frankfurt verschiedene neue Kollektionen zu sehen. Zunehmend setzen die Anbieter auf Basisprogramme, die mit saisonalen Trend-Updates immer aktuell gehalten werden.
Das Doppelrollo laufe hingegen schwächer. Mit neuen Premium-Stoffen differenziert man sich über raffiniert konstruierte Dessins und 3D-Effekte, die den Absatz ankurbeln sollen. Horizontaljalousien punkten mit Modellen aus Holz. Die vor allem objektgetriebene Vertikallamelle spielte auf der Messe keine große Rolle.
Auf die Anforderungen des nachhaltigen Bauens reagieren die Anbieter verstärkt mit umweltfreundlichen Screenqualitäten für Rollo und Flächenvorhang. Im Privatbereich steht die rückläufige Schiebepaneele im Wettbewerb mit der derzeit beliebten, schlicht gerafften Wellenvorhangdekoration. Ohnehin wird der klassischen Gardine generell eine Renaissance bescheinigt, auch aufgrund der Schalldruck-Reduktion. Die Hersteller von Vorhanggarnituren reagieren auf den Zeitgeist und lancieren modern designte, auf den Wellenvorhang abgestimmte Aufhängelösungen.
aus
BTH Heimtex 02/17
(Wirtschaft)