Imm Cologne
Die Einrichtungstrends von der Kölner Möbelmesse
Von der neuen Gemütlichkeit bis zum Smart Home, von Pastelltönen bis knalligem Rot, von individuellen Kreationen bis zum Tisch aus Euro-Paletten reichen die Einrichtungstrends 2017. Gut für unsere Branche: Textilien erleben ein Revival.
Der wichtigste Trend in der Einrichtungswelt: Es gibt kein richtig oder falsch mehr. Diese Erkenntnis stellen die Experten der Kölner Möbelmesse an den Anfang ihres Trendberichts zur Imm Cologne 2017. Folglich ist gerade alles erlaubt - was in der Mode gilt, gilt auch in der Einrichtung. Kann man in so einem Umfeld von Trends sprechen? Ja, meint die Messe und hat Strömungen identifiziert, die stark genug sind, um aus dem allgemeinen "anything goes" herauszuragen.
Vieles davon haben wir schon in den letzten Jahren beobachten können, einiges ist neu. Etwa die Tatsache, dass jetzt ein Stil den anderen nicht zwangsläufig ausschließt, gegensätzliche Richtungen nebeneinander ihren Platz finden. "Die Wohnung vereint immer stärker Widersprüchliches. Wir suchen beides in ihr: Geselligkeit und Rückzug, Anziehendes und Ausklammerndes, wir laden Menschen ein und fliehen vor der Gesellschaft. Wir legen uns nicht gerne fest. Wir lieben zur gleichen Zeit Sachlichkeit und Putziges. Und das wird auf irgendeine Weise miteinander vermischt", erläutert der Farbexperte Prof. Axel Venn dieses Phänomen.
Eine neue Form der Gemütlichkeit
Für die Menschen wird das Private immer mehr zu einem Ort der Gleichzeitigkeit von Arbeit und Freizeit, Geselligkeit und Rückzug, heißt es im Trendreport. Wenn heute in den heimischen vier Wänden von Gemütlichkeit die Rede sei, meine diese nicht mehr den Rückzugstrend der 1990er, sondern eher das Genießen der Zeitspanne, die man etwa mit Freunden und Familie verbringt. Statt kleinbürgerlicher Spießigkeit gehe es um einen aufgeklärten, gestalterischen Umgang mit Dingen, Menschen, Situationen.
Seinen Ausdruck findet das in hellen, freundlichen Pastellfarben, natürlichen Grüntönen und Möbeln im skandinavischen Stil. Klein, natürlich, unprätentiös, dabei aber auch oft ungewöhnlich und frech im Design - daraus entsteht ein Ort, an dem Modernität und traditionelles Wohlfühl-Ambiente gleichermaßen zuhause sind.
Dazu passt der Gedanke der Nachhaltigkeit in ihren unterschiedlichen Ausprägungen ebenso wie der Wunsch, mit Einrichtungsgegenständen eine bestimmte Geschichte und Authentizität zu verbinden - etwa über deren Herkunft. Ob das Bedürfnis nach Sinnstiftung jemals Mainstream wird, erscheint den Trendscouts zwar fraglich. Aber dieser Trend werde in kleinerem Umfang vom Markt getragen.
Weiter sind die Verbraucher beim Upcycling, was man schon daran erkennen kann, dass dem Heimwerker im Baumarkt Euro-Paletten für die Konstruktion von Tischen und Stühlen angeboten werden. Für den Raumausstatter/Polsterer tun sich Chancen auf, wenn Stühle, Sessel und Sofas nicht mehr weggeschmissen, sondern aufgearbeitet werden. Immer häufiger werden Möbel bereits unter ökologischen Gesichtspunkten entwickelt und produziert. Das ist inzwischen ein Kaufkriterium.
Textilien kommen zurück
Nachhaltig und authentisch, da sind Möbel aus Holz erste Wahl. Produkte aus Vollholz eroberten nun selbst das feuchte Badezimmer und sorgten dort mit ihren jeweils einzigartigen Oberflächen für ein Gefühl von Natürlichkeit. Und von Individualität, wie sie auch in der neu entflammten Lust am Dekorieren mit Accessoires zum Ausdruck kommt. Kerzenhalter, Bilderrahmen oder Kissen machen aus der Wohnung ein Zuhause, mein Zuhause. Gerade wenn das ansonsten von kühler, moderner Eleganz geprägt sein sollte. Teppiche, Textilien generell sind auf dem Vormarsch. "In einem sachlichen Rahmen türmen sich auflockernde bunte Kissen, und neben Vasen und anderen Accessoires - übrigens immer in Reihen platziert - tauchen auch schon mal kitschige Kleinigkeiten auf, die mit einem Augenzwinkern platziert werden. Dabei vermischen wir das Erwachsene mit dem Infantilen. Auch da mögen wir uns ja nicht so gerne festlegen", stellt Axel Venn fest.
Entsprechend erleben dazu passende kleinteilige Möbel wie Beistelltische, kleine Regale, Hocker oder Korbmöbel eine Renaissance. Wobei Dick Spierenburg, Creative Director der Imm Cologne, dafür noch einen anderen, pragmatischeren Grund anführt: "Ich sehe eine aktuelle Herausforderung darin, aus wenig Raum viel zu machen. Die Städte werden teurer und der Raum knapper. Möbel zu entwickeln, die mehr können, ist für Designer heute fast interessanter, als Luxuseinrichtungen zu gestalten. Es ist doch spannend, für eine breite Zielgruppe zu entwerfen, die intelligent ist und Geschmack hat, aber nicht auf besonders großem Raum lebt."
Modernes Wohnen, das ist Smart Home: technisch durch und durch, vernetzt bis in die letzte Ecke. Alles wird erfasst, gemessen, kontrolliert und lässt sich mit einem Wisch über das Smartphone von überall auf der Welt steuern. Für die einen eine Horrorvorstellung um den Verlust der Privatsphäre. Für die anderen ein Mehr an Wohnkomfort. Letztere sind jetzt schon in der Überzahl. Dieser Trend dürfte sich nicht mehr umkehren lassen, wobei es aktuell noch fraglich ist, in welchem Umfang unsere Branche daran partizipieren kann. Momentan am ehesten sicherlich der automatisierte Sonnenschutz. Wobei auf der Heimtextil zu hören war, dass die vorhandenen Systeme die Kunden noch nicht wirklich begeistern, weil zu teuer oder technisch zu anspruchsvoll. Die Industrie hat Besserung gelobt. Aber bis Stoffe, Wand- oder Bodenbeläge hier mitspielen können, bedarf es noch viel Entwicklungsarbeit.
Lichtplanung erweitert die Raumgestaltung
Richtig stark ist jetzt schon das Thema Licht. LED und OLED haben dem Lichtdesign in Wohnungen und Objekten neuen Schub gegeben, vor allem seit sie nicht mehr nur kaltes Licht verströmen. Sie sind besonders energieeffizient und können in Leuchten jeder Art eingesetzt werden - als dezente, ja sogar schwebende Lösungen für Akzentlichter, indirekte Beleuchtung, Deckenfluter oder als filigran gestaltbares Funktionslicht über Schränken und dem Esstisch. Wer sich hier die nötige Expertise verschafft, kann seinen Kunden mit Lichtdesign ein zusätzliches Element zur Raumgestaltung anbieten.
Was die Farben der Saison 2017 angeht, nennen die Trendscouts der Messe an erster Stelle Grau in allen Abstufungen zwischen Schwarz und Weiß. Weiß selbst wird gerne mit Pastelltönen zu einer nordisch-frischen und luftigen Farbskala kombiniert. Ohnehin seien Pastellfarben mit ihrer erfrischenden, motivierenden und behaglichen Wirkung derzeit en vogue.
Überraschenderweise stehe Rot im Interieur derzeit viel im Mittelpunkt, nachdem Rosa schon 2016 dort Einzug gehalten hat. Aktuell funktioniert auch die knallige Variante, gerne im Kontrast zu Schwarz/Weiß oder neben hellen Beige- und Grautönen. Auch Grün sei ein Trend - vom zarten Mintgrün über kräftiges Grasgrün und edles Tannengrün bis hin zu Nuancen in Taupe und Petrol.
| thomas.pfnorr@snfachpresse.de
aus
BTH Heimtex 03/17
(Wirtschaft)