Interview des Monats: Mattes&Ammann, Meßstettten-Tieringen
"Wir sprechen nicht nur von Nachhaltigkeit, wir leben sie auch
Haustex: Das vergangene Jahr war für die Heim- und Haustextil-Branche kein leichtes, auch nicht für die Matratzen-Anbieter. Wie hat sich angesichts dessen Mattes & Ammann im letzten Jahr als Zulieferer der Matratzenbranche geschlagen?
Christoph Larsen-Mattes: Herr Moser als Direktor Verkauf, Herr Keinath als Geschäftsbereichsleiter Heimtextil und Frau Keinath als Projektleiterin Heimtextil haben es gemeinsam geschafft, in ihrem Bereich ein Plus zu erzielen. Wir haben also kein Problem.
Haustex: Worauf führen Sie das zurück?
Mattes: Unsere Qualität wird geschätzt, unsere Lieferfähigkeit wird geschätzt, wir fühlen uns derzeit wohl auf diesem Markt.
Haustex: Was will man mehr?
Mattes: Wenn Sie so fragen, mehr Umsatz, ganz klar.
Haustex: Nun ist Mattes & Ammann allerdings ein produkt- und absatztechnisch sehr breit aufgestelltes Unternehmen. Wie hat sich das Unternehmen insgesamt entwickelt?
Mattes: Ebenfalls sehr erfreulich. Auf einem im Grunde gesättigten Markt konnten wir etliche neue Projekte hinzugewinnen und insbesondere im Jahr 2016 Perspektiven schaffen.
Haustex: Das heißt?
Mattes: Dass wir uns sehr auf 2017 freuen, denn wir haben das Jahr schon mit einem schönen Umsatzplus begonnen.
Werner Moser: Unsere Märkte sind generell sehr hart umkämpft, aber 2016 war im Absatz für uns völlig in Ordnung und ein gutes Jahr. Auf der anderen Seite muss man allerdings auch sagen, dass die allgemeine Tendenz hin zu leichteren Qualitäten geht, dadurch werden sie im absoluten Wert immer günstiger. Unsere Aufgabe war es daher, über mehr Kunden mehr Absatz zu generieren. Das ist uns mit Erfolg gelungen, sodass wir den Vorjahresumsatz wieder erreichen konnten. Damit sind wir sehr zufrieden. Wir haben neue Kunden gewonnen, neue Produkte entwickelt und mehr verkauft.
Mattes: Wir haben uns im Übrigen im letzten Jahr maßgeblich an einem Unternehmen beteiligt, und wenn man diesen Umsatz anteilig hinzurechnet, kommen wir auf einen recht ansehnlichen Gruppen-Umsatz.
Haustex: Um was für ein Unternehmen handelt es sich?
Mattes: Es betrifft ein Zuliefer-Unternehmen, mit dem wir schon seit längerem zusammenarbeiten, und das unsere Erzeugnisse weiter verarbeitet. Die vertiefte Kooperation erschließt uns als Unternehmen insgesamt neue Möglichkeiten durch ein noch breiteres Sortiment, eine stärkere Wertschöpfungstiefe und eine nochmals gesteigerte Liefergeschwindigkeit. Mehr möchte ich dazu aus Rücksicht auf das Partner-Unternehmen und aufgrund unserer schwäbischen Zurückhaltung nicht sagen. Nur noch das: Auch in diesem Jahr möchten wir uns anderweitig unternehmerisch beteiligen und auch auf diese Weise wachsen.
Lara Keinath: Mattes & Ammann unternimmt alles, damit es das Unternehmen auch in der ferneren Zukunft gibt. In den vergangenen Jahren haben wir nicht zuletzt dadurch neue Kunden gewinnen können, dass wir als Lieferant kurzfristig eingesprungen sind, weil der eigentliche Lieferant urplötzlich nicht lieferfähig war. Wenn es brennt, ruft man bei Mattes & Ammann an. Die Beteiligung trägt darum dem Kundenwunsch Rechnung, unseren Service und unsere zur Not auch sehr kurzfristige Lieferfähigkeit weiter auszubauen. Unsere Kunden wissen, dass wir 100 Prozent zuverlässig sind.
Mattes: Über allem, was wir bei Mattes & Ammann bewegen, steht das große Thema Nachhaltigkeit und Zuverlässigkeit. Das Unternehmen steht technisch und finanziell auf sehr stabilen Füßen. Wir halten für unsere Kunden ein großes Abruflager bereit und übernehmen auf diese Weise für unsere Kunden die Lagerung von Millionen von Quadratmetern an Stoffen.
Haustex: Mattes & Ammann produziert nur hier in Meßstetten-Tieringen. Was spricht für den verkehrstechnisch nicht unbedingt optimal angebundenen und vom Lohnfaktor gesehen anspruchsvollen Standort auf der Alb?
Mattes: Wir sind fest verwurzelt auf der Schwäbischen Alb. Wir sind verbunden mit den Menschen und ihren Eigenschaften. Uns gefällt sehr die Ernsthaftigkeit der Menschen und ihre Einstellung zur Arbeit. Das lässt bei uns ein qualitativ hochwertiges Produkt entstehen, das der Kunde allerdings auch aufgrund des Standortes von uns erwartet.
Haustex: Vermutlich zu einem Preis, der zumindest leicht über dem des Wettbewerbs liegt.
Mattes: Nicht mal so übertrieben viel.
Werner Moser: Natürlich, einen Billigeren gibt es immer. Aber wir liefern marktkonforme Preise ab, und das ohne die Inanspruchnahme von Subventionen.
Haustex: Warum betonen Sie das so?
Moser: Weil es Lieferanten von Matratzen-Bezügen gibt, die durch die Wahl ihres Produktionsstandortes Subventionen kassieren. Diese Arbeitsplätze befinden sich zwar nicht in Deutschland, aber wir konkurrieren trotzdem erfolgreich mit den dort erstellten Produkten auf dem europäischen Markt.
Haustex: Also müssen Sie an anderen Stellschrauben drehen, um im Wettbewerb vorne zu bleiben.
Moser: Das machen wir schon seit Jahren, um nicht zu sagen seit Jahrzehnten. Wir können hier am Standort die marktkonformen Preise generieren, weil wir durch unsere Zertifizierungen unsere Prozesse so klar definiert und installiert haben.
Haustex: Was verstehen Sie darunter?
Moser: Man kann es auch anders formulieren. Die Zertifizierungen erstreben wir nicht, um ein weiteres Blatt Papier zu haben, das wir vorzeigen können. Vielmehr bringen sie uns Klarheit, Transparenz und auch Effizienz im Unternehmen, um das Ziel von null Fehlern zu erreichen. Wir, das heißt alle Mitarbeiter des Hauses, wissen sehr genau, was wir tun und vor allem warum wir es tun. Wenn die Produkte sauber entwickelt sind, dann laufen Sie durch das Unternehmen und man produziert am Ende auch günstig.
Haustex: Wie muss man sich das vorstellen? Gibt es etwa Handlungsanweisungen an die Stricker, wie sie zu arbeiten haben?
Moser: Auch das. Wir haben ein Qualitätssicherungs-Handbuch, in dem alle Prozesse definiert sind. Für den Automobilbereich, den wir auch beliefern, gibt es etwa die sehr anspruchsvolle Norm ISO/TS 16949, die wir einhalten.
Haustex: Was bringt das?
Moser: Unser Know-how steckt nicht in einem einzelnen Mitarbeiter, wodurch es Probleme geben könnte, wenn dieser ausfällt. Bei uns steht der Prozess stabil, egal wer ihn ausführt. Es war natürlich schwierig, diese Denke vor 15 oder 20 Jahren einzuführen.
L. Keinath: Die komplette Firma ist unter anderem nach der Automobilnorm zertifiziert, anders ginge es auch gar nicht. Insofern profitieren auch unsere Heimtex-Kunden ganz automatisch von dem hohen Produktions- und Qualitätsstandard, obwohl wir diese Anforderungen dort gar nicht benötigen.
Moser: Bei Mattes & Ammann weiß der Kunde Dank unserer zahlreichen Zertifizierungen sehr genau, welche Qualitäten er bekommt, und das in konstanter Form. Bei einem Gewirk oder Gestrick handelt es sich um ein dehnbares Material. Unter diesen Bedingungen eine konstante Qualität zu produzieren und immer wieder reproduzieren zu können, ist nicht so trivial, wie es scheint und deutlich schwieriger als bei Webware. Durch unsere stringente Qualitätssicherung sind wir aber dazu in der Lage.
Mattes: Ich kann das alles nur unterstreichen. Vor allem arbeiten wir auf diese Weise mit einem minimalen Anteil an zweiter Wahl. Unsere Ware ist nachweislich die qualitativ beste am Markt. Punkt. Niemand hat weniger Fehler in seinen Stoffrollen als wir. Punkt. Damit hat der Kunde unmittelbar einen höheren Nutzen aus der gelieferten Rolle. Punkt. Leider ist das Bewusstsein für diese Tatsache in der Heimtex-Branche noch nicht sonderlich ausgeprägt, ganz anders als in der Automobilindustrie, die sehr genau über den Nutzungsgrad der Ware ihrer Zulieferer Bescheid weiß.
L. Keinath: Wir sind meines Wissens nach der einzige Lieferant im Bereich der Matratzenbezugstoffe, der eine Fertigwarenkontrolle hat. Bei uns wird jede Rolle, die das Haus verlässt kontrolliert, ob sie einen Fehler hat, den wir dann von uns aus vergüten.
Mattes: Wodurch wir uns vom Wettbewerb ebenfalls differenzieren, ist die Vergütung unserer Mitarbeiter in der Produktion nach einem Qualitätsprämiensystem. Das ist etwas ganz anderes als die allgemein übliche Leistungsprämie. Wenn innerhalb einer Woche in einem Kollektiv in einer Strickerei jeden Tag eine bestimmte Qualität erreicht wird, bekommt jeder Mitarbeiter bei uns eine Qualitätsprämie zusätzlich zu seinem Lohn.
Eberhard Keinath: Was wir noch gar nicht angesprochen haben: Durch unser üppig ausgestattetes Labor sind wir in der Lage, sehr genau festzustellen, ob wir bei unseren Produkten die erforderlichen Parameter einhalten. Das können die meisten Mitbewerber im Heimtex-Bereich nicht. So ein Labor, wie wir es im Rahmen der Automobil-Zertifizierung aufgebaut haben, hat kein anderer.
Mattes: Völlig richtig. Wir sind sogar der einzige Meterwaren-Hersteller in Europa mit einem akkreditierten Prüflabor. Das hat sich daraus entwickelt, dass wir im Rahmen unserer QS-Maßnahmen für viel Geld ein Labor aufgebaut haben, das in der Branche Seinesgleichen sucht.
Haustex: Was bedeutet die Akkreditierung?
Mattes: Wir dürfen mit unserem Labor seit Kurzem gegen Berechnung Prüfungen für Dritte ausführen, und haben auch schon die ersten Rechnungen schreiben können. Das heißt, das Labor hat einerseits intern Kontrollpflicht in der Entwicklungsarbeit von Mattes & Ammann, aber auch die Aufgabe, extern als Profit-Center Geld mit Fremdfirmen zu verdienen, um so den Kostenblock als Labor wieder zu senken.
Haustex: Wer lässt denn, salopp gesagt, als Produzent gegenüber Mattes & Ammann die Hosen runter und lässt sich prüfen? Das wäre ja eine sehr intime Offenbarung.
Mattes: Zum einen ist das Prüflabor eine selbständige, für sich abgeschlossene Einheit innerhalb der Firma. Was dort für Drittfirmen geprüft wird, gelangt unter keinen Umständen zu unserer Kenntnis. Das ist ja gerade Gegenstand eines akkreditierten Labors und verhält sich ähnlich wie mit der ärztlichen Schweigepflicht.
L. Keinath: Aber natürlich haben Sie Recht, dass Mitbewerber ihre Ware wohl kaum bei uns prüfen lassen werden. Wohl aber unsere Kunden: Sie können unsere eigene Ware dort unentgeltlich prüfen lassen, aber natürlich auch gegen eine Prüfgebühr Fremdmuster, egal ob Strickware oder Webware. Warum? Für einen Matratzenproduzenten ist es wichtig, über das Dehnungsverhalten oder Pillingverhalten der Bezugstoffe Bescheid zu wissen. Wie gesagt, wir sind durch unsere Prozesssteuerung in der Lage, jederzeit sehr konsistente Qualitäten zu liefern. Andere Anbieter aber eher nicht in dem Maße. Mit unserem zertifizierten Labor können wir unseren Kunden einen weiteren Service anbieten.
Haustex: Wir sprachen bislang über den Heimtex- beziehungsweise Matratzen-Bereich von Mattes & Ammann, und die Autobranche, die das Unternehmen beliefert. Gibt es noch weitere Branchen, die Sie beliefern?
Moser: Das sind einige. Wir produzieren unter anderem auch technische Textilien, die einen technischen Anwendungsbereich haben, beziehungsweise eine Funktionalität erbringen müssen, dazu gehören Sitzmöbel, Flugzeuge, Dichtungen, Bekleidung, Reha-Bereich, Filterbereich und und und. Der Automobilsektor ist unser wichtigster Absatzbereich und danach kommt der Heimtextil-Bereich. Sie beide erzielen den überwiegenden Anteil am Gesamtumsatz.
E. Keinath: Es ist der Vorteil von Mattes & Ammann, dass wir sehr breit aufgestellt sind, sodass wir nicht von einer Branche abhängig sind. Wir möchten so viele Geschäftsfelder wie möglich bedienen. Wir sind permanent auf der Suche nach neuen Kunden, neuen Märkten und neuen Projekten. Aktuell sind bei uns rund 2.500 Entwicklungsprojekte in der Pipeline, die über ein oder zwei Jahre bis zur Realisierung laufen. Wenn sie überhaupt realisiert werden, denn ein gewisser Prozentsatz erweist sich natürlich früher oder später aus den verschiedensten Gründen als nicht marktfähig. Das ist das Risiko, das wir eingehen.
Moser: Wir verfügen im Unternehmen über eine sehr breite textile Kompetenz, die wir auf den Heimtextil-Sektor leider nicht in dem Maße übertragen können, wie wir es uns wünschen. Wir könnten viel mehr, als die Kunden von uns tatsächlich technologisch verlangen. Wir können darum nur an alle appellieren: Fordern Sie uns, wir können mehr, als Sie denken!
Eine hinreichende Qualität können auch andere produzieren, dann fokussiert sich aber meist alles auf den Preis. Wir können viel mehr, und das dennoch zu einem marktgerechten Preis.
E. Keinath: Von den Kunden wird auch als sehr angenehm bewertet, dass wir nicht auf Provision arbeiten. Klar, wir müssen letztlich auch unsere Zahlen bringen, aber unser Gehalt ist fix. Das ist wahrscheinlich einzigartig in unserer Branche. Wir sind keine Außendienstler, sondern ausgebildete Fachleute, Berater, die wissen, wovon sie reden. Und für uns ist mit der Unterschrift unter dem Auftrag noch lange nicht Schluss. Wir sind bis zur Auslieferung weiterhin eingebunden und stets über den Stand der Auftragsabwicklung im Bilde.
Haustex: Mattes & Ammann steht allerdings in der Branche in dem Ruf, qualitativ hochwertige, aber preislich auch höher angesiedelte Produkte zu liefern.
E. Keinath: Das stimmt nur bedingt. Wir sind so sauber und effizient in der Produktion strukturiert, dass es uns gelingt, auch die sogenannten Einstiegspreislagen bei Matratzenbezugstoffen bei uns auf der Alb produzieren zu können. Wir können auch hier mit Mitbewerbern mithalten, die im günstigen Ausland produzieren. Und dafür bieten unsere Produkte eine wirklich sensationelle Qualität. Unsere Preis-Leistungs-Qualität stimmt im Rahmen der Möglichkeiten auch dort, da bleiben wir uns treu.
L. Keinath: Egal in welcher Preisgruppe wir verkaufen, wir geben uns in der Entwicklung stets größte Mühe. Wir unterscheiden auch nicht zwischen großen und kleinen Kunden, wir behandeln alle mit dem gleichen Respekt. Diesen Anspruch stellen wir an uns selbst. Das gehört zu der DNA des Unternehmens.
Haustex: Werden wir doch mal konkret. Wo fängt Mattes & Ammann preislich an und wo hören Sie auf?
Mattes: Wir fangen im Heimtext-Bereich bei 14 Cent pro Laufmeter für sogenannte Schlupfschuhe an und hören bei 18 bis 20 Euro pro Laufmeter für sehr hochwertige Matratzenbezugstoffe auf. Diese Spreizung kommt dadurch, dass wir wirklich alles produzieren, was an Textilien für eine Matratze notwendig ist. Bei uns bekommt man alles aus einem Haus. Wenn wir das Einfassband hinzunehmen, fangen wir sogar bei zwei Cent pro Laufmeter an.
Haustex: Welche Trends erkennen Sie aktuell im Bereich der Matratzenbranche?
E. Keinath: Es gibt zwei Tendenzen. Auf der einen Seite haben wir am Markt das günstige Einstiegspreissegment. Da spielt Individualität keine Rolle, vielmehr geht es um die Produktion von Kilometern von Stoffen, und das so günstig wie möglich. Die andere Seite ist, und das beobachte ich vor allem seit dem letzten Jahr, dass die Kunden wieder vermehrt hochwertige Stoffe in ihr Programm aufnehmen, weil die Endverbraucher trotz aller Werbung wieder mehr Wert auf Qualität legen. Sie sind bereit, für eine gute Matratze mehr Geld auszugeben. In die Entwicklung solcher Matratzen legen die Hersteller sehr viel Herzblut und Wert auf Qualität und Details.
Haustex: Sie nannten das Stichwort Nachhaltigkeit bereits. Welche Rolle spielen die Themen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung bei Mattes & Ammann?
Mattes: Nachhaltigkeit bedeutet eine andere Geisteshaltung mit dem Blick Entscheidungen zu treffen, die im Moment vielleicht mehr kosten, sich aber auf lange Sicht bezahlt machen. Wir sprechen nicht nur von Nachhaltigkeit, wir leben sie auch und machen das vor allem auch transparent. In Kürze veröffentlichen wir unsere aktualisierte Umwelterklärung für das Jahr 2016 mit der 22. betrieblichen Öko-Bilanz und dem 16. Nachhaltigkeitsbericht. Dort listen wir bis ins kleinste Detail auf, welche Maßnahmen wir ergriffen haben und vor allem welche Fortschritte wir in all den Jahren erreicht haben. Ich glaube in aller Bescheidenheit sagen zu können, dass wir mit unserem jährlichen Bericht wirklich beispielhaft in unserer Branche sind. Im Jahr, um Ihnen eine Vorstellung vom Umfang unserer Maßnahmen zu geben, durchläuft das Unternehmen alleine rund 15 Auditierungen. Das ist ein enormer Aufwand, den wir betreiben. Aber wir als Unternehmen und auch unsere Kunden profitieren davon.
Beginnen wir mit der Wirtschaftsinitiative Nachhaltigkeit Baden-Württemberg, an der wir seit zehn Jahren teilnehmen und versuchen, für das Bundesland eine Nachhaltigkeitsstrategie zu entwickeln. Mit der Verabschiedung der WIN-Charta sind wir in Baden-Württemberg Vorreiter.
Haustex: Was besagt diese Charta in kurzen Worten?
Mattes: Das Unternehmen verpflichtet sich in dieser Charta ganz allgemein, Nachhaltigkeit in seiner Unternehmensphilosophie zu verankern und ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das nachhaltiges Denken und Handeln fördert. Konkret werden darin zwölf Punkte aufgeführt. Unterzeichnet ist die Charta vom baden-württembergischen Umweltminister Franz Untersteller.
Dann gehen wir in die Firma: Gerade heute Morgen hatten wir unsere jährliche Qualitätszertifizierung. Auch da steht ganz vorne, dass alle Entscheidungen im Sinne der Nachhaltigkeit getroffen werden sollen. Wir sind außerdem das erste Unternehmen im EU-Raum, das durch das Institut Hohenstein nach Step by Oeko-Tex zertifiziert worden ist. Step ist die Abkürzung für Sustainable Textile Production und ist ein unabhängiges Zertifizierungs-System für Unternehmen der textilen Kette, die ihre Betriebsstätten im Hinblick auf nachhaltige und sozial verantwortliche Produktionsbedingungen analysieren, zertifizieren und optimieren möchten.
Und was speziell die Sparte Heimtex betrifft, haben wir natürlich Oekotex-Standard 100 gemacht, gefolgt von Oekotex-Standard 1000 und Oekotex 100plus. Abgelöst wurden diese Standards durch Step und Made in Green, was wir selbstverständlich auch gemacht haben. Unsere Produkte entsprechen außerdem teilweise dem GOTS-Standard und IVN Best. Dies ist der Standard mit den höchsten Ansprüchen an textile Ökologie.Best bildet die gesamte textile Produktionskette ab, in ökologischer und sozialverantwortlicher Hinsicht. Unsere Produkte sind FKT-geprüft, das heißt mit lebenden Zellen auf Körperverträglichkeit. Wir haben in diesem Bereich so viel prüfen lassen, wie vermutlich niemand anderer in unserer Branche. Es gibt im Heimtex-Bereich wahrscheinlich kein Nachhaltigkeits-Zertifikat, das wir nicht haben.
Haustex: Damit nicht genug, forscht das Unternehmen bekanntlich auch ganz konkret nach alternativen Fasern.
Moser: Ja, unsere Marlene. Den Namen haben wir uns inzwischen für alle Fasern auf Nesselbasis schützen lassen. Wir sind der Auffassung, dass auf lange Sicht gesehen eine Alternative zur Baumwolle gefunden werden muss. Es ist ja im Grunde alleine schon erschreckend, wie viel Wasser zur Erzeugung von Baumwolle notwendig ist. Hinzu kommen die langen Transportwege der Rohware.
Als Mitglied im Gesamtverband Leinen sind wir große Anhänger von heimischen Naturfasern. Leinen findet aber im Heimtex-Bereich leider keine große Akzeptanz. Deshalb sind wir auf der Suche nach alternativen Faserlieferanten auf die Große Brennnessel gestoßen, lateinisch urtica dioica. Sie produziert feinere Fasern als Leinen und wurde in frühen Zeiten schon mal als Faserlieferant genutzt.
Zwischenzeitlich geriet sie aber mangels Wirtschaftlichkeit wieder in Vergessenheit. Denn es nicht ganz einfach, die Faser zu gewinnen. Wir haben darum in einem Praxistest erforscht, wie man das Marlene getaufte Projekt marktfähig gestalten kann. Dazu haben wir erst hier bei uns einen Acker mit der Brennnessel gesetzt und im Jahr darauf in Ungarn eine zehnmal so große Fläche. Der Aufwand der Anzüchtung war wirklich enorm. Wir mussten sogar ein neues Verfahren zur Gewinnung der Faser entwickeln, das wir uns haben patentieren lassen.
Parallel dazu läuft ein weiteres Projekt in China mit der Ramie-Pflanze. Dazu sind wir natürlich selbst nach China gereist und haben uns ausführlich über die Pflanze und ihre Möglichkeiten informiert. Wir haben uns auch von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. 2015 zum Beispiel ist die komplette Ernte, die wir bis dahin von der Marlene hatten, verbrannt. Wir mussten darum noch einmal von vorne anfangen.
Haustex: Wie ist denn der aktuelle Stand der Dinge?
Moser: Wir sind inzwischen so weit, dass das Projekt nahezu marktreif ist. Das betrifft zum einen die Entwicklung von Garnen und die Herstellung von Gestricken mit einer Mischung aus Marlene und Viskose. Aber damit sich das gesamte Projekt überhaupt rechnet, ist es notwendig, den Nutzungsgrad der Brennnessel zu optimieren. Die Faser alleine würde nicht ausreichen. Deshalb haben wir zusammen mit Partnern weitere Nutzungsmöglichkeiten der Nessel-Bestandteile entwickelt. Der Holzanteil der Pflanze kann beispielsweise zu Pellets oder Briketts verarbeitet werden. Sogar für die getrockneten Blüten haben wir eine Verwendung als Nahrungsergänzung gefunden.
Haustex: Bedeutet das Projekt Marlene, dass Mattes & Ammann eines Tages auch als Faserproduzent auf dem Markt agiert?
Mattes: Auf keinen Fall. Wir bleiben bei unserem Leisten. Unser Bestreben ist es, einen Partner zu finden, der Marlene auf eigene Rechnung in großem Maßstab vermarktet. Natürlich zuerst im engen Verbund mit uns. Einen ersten Interessenten gibt es bereits, Gespräche über eine Zusammenarbeit haben stattgefunden. Man kann schon sagen, dass wir mit der Marlene wirkliche Pionierarbeit betreiben, und das alles aus eigenen Mitteln und ohne finanzielle Unterstützung. Wir sind einfach ökologische Überzeugungstäter.
Moser: Wir könnten uns beispielsweise auch eine Patenschaft unserer Kunden über eine gewisse Anzahl an Hektar vorstellen. Was dort geerntet wird, bekommt er für seine Produkte. Wenn es viel ist, ist es viel, wenn es wenig ist, dann eben wenig, oder bei einer Missernte eben auch gar nichts.
Haustex: Das Marlene-Projekt ist ja nur ein Beispiel für den ausgeprägten Nachhaltigkeitsgedanken von Mattes & Ammann. Das gesamte Unternehmen ist von A bis Z auf Nachhaltigkeit getrimmt. Kostet das nicht wahnsinnig viel Geld?
Moser: Auf der einen Seite schon. Es ist schon sehr diffizil und aufwändig, ein Unternehmen von Grund auf nachhaltig zu betreiben. Das hört bei den sogenannten öligen Lappen nicht auf, die man zum Reinigen der Maschinen verwendet und nicht in den Textilrestmüll gehören. Aber es ist dennoch möglich, dass sich Ökomanagement selbst trägt, wenn man es geschickt angeht. Wir haben verschiedene Wege gefunden, um Materialien zu recyceln und weiter zu verkaufen. So schreddern wir beispielsweise die Hülsen, auf denen das Garn angeliefert wird und verkaufen das Granulat als Sekundärrohstoff weiter. Früher mussten wir die Hülsen kostenpflichtig entsorgen. Das Maschinenöl wird von uns wieder aufbereitet, sodass wir nur wenig Öl zukaufen müssen.
Haustex: Mattes & Ammann wird wie üblich nicht an der Interzum im Mai teilnehmen. Gibt es aber Produkte von Ihnen, die auf der Messe Interesse wecken würden?
Mattes: Wir gehen nicht nur nicht zur Interzum, wir gehen auf gar keine Messe. Lediglich einmal waren wir aus politischen Gründen auf der Techtextil. Unsere Stärke ist die individuelle Entwicklung der Produkte mit unseren Kunden. Und dafür wären wir auf einer Messe völlig falsch aufgehoben.
Moser: Unser Markt ist Europa, dort ist die Anzahl der Matratzenproduzenten relativ überschaubar, deutlich im unteren dreistelligen Bereich. Wenn wir unseren Job gut machen, dann sollten wir unsere Kunden wenigstens einmal im Jahr besuchen, um mit ihnen strategische Gespräche zu führen. In der Regel sind wir sogar deutlich öfter dort. Das wird von uns geradezu erwartet und gewünscht.
L. Keinath: Viermal im Jahr erstellen wir unter Fabric Vision eine aktuelle Kollektion mit Ideen, mit der wir gezielt auf unsere Kunden zugehen. Die können dann schauen, ob für sie etwas dabei ist, das wir für ihre Zwecke weiter entwickeln können. Wir haben festgestellt, dass diese Vorgehensweise viel mehr bringt als ein teurer Messestand. Die Kunden wollen tatsächlich besucht werden.
E. Keinath: Aber zurück zu Ihrer Ausgangsfrage: Das Thema Boxspring-Betten ist derzeit in aller Munde. Unter dem Stichwort Furniture - Fabrics wären wir in der Lage, die gesamten Textilien für solch ein Boxspring-Bett zu liefern: farblich abgestimmt vom Kopfteil über die Seitenteile bis zum Matratzenbezug und dem Innenleben selbst, alles aus der gleichen Faser und aus einer Hand, und in einer Qualität, die sich hinter einer Webware nicht zu verstecken braucht. Und Maschenware hätte den zusätzlichen Vorteil, dass sie sich hervorragend über die Teile spannen ließe, anders als Webware. Leider verfängt diese Idee noch nicht so, wie wir uns das vorstellen.
Moser: Generell ist der Boxspring-Bereich für uns ein sehr interessanter Markt und wir werden im Laufe dieses Jahres auch noch sehr interessante Entwicklungen vorstellen. Wir geben nicht nach. Kein anderer Hersteller verfügt über mehr als 500 Strick- und Wirkmaschinen. Wir beherrschen drei Technologien: die Großrundstrickerei, die Kettenwirkerei und die Rundwirkerei. Dadurch können wir die ganze Breite abbilden: jede Breite des Textils, jede Qualität, und dadurch im Prinzip in der Boxspring-Welt eine sehr schöne optische Harmonie erzeugen. Wir freuen uns sehr auf dieses Jahr, denn wir werden in diesem Bereich sehr spannende Produkte vorstellen, die sich optisch abheben, weiche Produkte, elastische Produkte.
aus
Haustex 03/17
(Wirtschaft)