Heinrich Schmid Systemhaus GmbH & Co. KG

Berufsausbildung und Abitur auf einen Schlag


Die Unternehmensgruppe Heinrich Schmid stärkt das Maler-Handwerk. Sie hat die Initiative Abitur + Gesellenbrief auf den Weg gebracht, mit dem Gymnasiasten parallel ihre Fachhochschulreife und ihren Gesellenbrief erreichen können.

Für das Abitur büffeln und gleichzeitig eine Ausbildung zum Maler absolvieren - diesen Doppelstress nehmen zehn Schüler und drei Schülerinnen des Kusterdinger Firstwald-Gymnasiums auf sich. Seit Juli 2016 bereiten sie sich darauf vor, 2020 parallel zur Hochschulreife ihren Berufsabschluss als Bauten- und Objektbeschichter zu erlangen. Ein halbes Jahr später können sie nach entsprechender Zusatzausbildung auch die Gesellenprüfung zum Maler- und Lackierer ablegen. Initiiert wurde das Pilotprojekt Abitur + Gesellenbrief von der Unternehmensgruppe Heinrich Schmid aus Reutlingen, deren Kerngeschäft Malerarbeiten sind. Unterstützt wird sie von der Handelskammer Reutlingen.

Malermeister und Betriebswirt Dr. Carl HeinerSchmid, Gesellschafter der Unternehmensgruppe mit bundesweit 4.200 Beschäftigten, will erreichen, dass junge Leute nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit den Händen lernen und begreifen. Ziel des Projekts ist es, zusätzlich zu intellektuellen Fähigkeiten praktische Fertigkeiten zu vermitteln. Im Mittelpunkt stehe das ganzheitliche Menschenbild. Die Initiative, die sich an ähnlichen Angeboten in anderen Bereichen orientiert, gebe vor allem Lebenshilfe.

Zwar will Schmid mit Hilfe von Abitur + Gesellenbrief das vom Fachkräftemangel betroffene Handwerk aufwerten und für junge Leute schon während ihrer Schulzeit interessant machen. Doch ihm geht es auch darum, die zunehmende Zahl an Abiturienten zu fördern. "Mittlerweile machen zwei Drittel eines Jahrgangs Abitur", betont der Unternehmer. Diejenigen unter ihnen, die sowohl über Wissen als auch handwerkliche Fertigkeiten verfügen, "studieren anders - egal ob Jura, BWL, Ingenieurwesen oder andere Studienrichtungen".

Berufsausbildung statt Freizeit

Die ersten 13 Teilnehmer am privaten evangelischen Firstwald-Gymnasium erhoffen sich bessere berufliche Perspektiven. Dafür müssen sie viel Freizeit opfern. Schließlich findet die handwerkliche Ausbildung parallel zur Schule statt. Zusätzlich zum theoretischen Fachunterricht gibt es den Praxisteil, der sich nach aktueller Planung pro Schuljahr auf 6,5 Ferienwochen und 3,5 Schulwochen oder die Zeiten nach dem Abitur verteilt. Praktisch ausgebildet wird hauptsächlich auf Baustellen und in den Lehrwerkstätten von Heinrich Schmid. Als Basis dienen acht Qualifizierungsbausteine, die der Zentralverband des Deutschen Handwerks und die Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk festgelegt haben. Kurz nach dem Abitur legen die jungen Leute die Berufsabschlussprüfung zum Bauten- und Objektbeschichter vor der Handwerkskammer ab, ein halbes Jahr später können sie ihre Gesellenprüfung zum Maler- und Lackierer anschließen.

Die Schüler erhalten für ihre parallel zum Schulunterricht verlaufende Ausbildung eine Vergütung. Im ersten Jahr sind es 125, im zweiten 150, im dritten 175 und im vierten 200 EUR monatlich. Derzeit wird lediglich die Ausbildung zum Maler- und Lackierer angeboten. "Weil wir damit die meisten Erfahrungen haben", sagte Schmid. Für die Zukunft ist geplant, weitere Berufe mit aufzunehmen.

Wer den Gesellenbrief in der Hand hat, kann bei Heinrich Schmid verschiedene Karrierewege einschlagen. Die Unternehmensgruppe bietet unter anderem ein duales Studium an, dass für die Abiturienten mit abgeschlossener Lehre aber nicht verpflichtend ist. Sie können vor dem Studium noch weitere Abschlüsse wie den Meister erwerben.

Schüler und das Handwerk profitieren

Schmid hält sein Projekt für einen Lösungsansatz angesichts des Fachkräftemangels im Handwerk. Ihm sei es ein Anliegen, bei Problemen nicht nach dem Staat zu rufen, sondern mit konkreten Maßnahmen zu reagieren. Für sein Modell will er weitere Unternehmen gewinnen.

Roland Brecheis, Vorsitzender des Bildungsausschusses im Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz und dessen Vizepräsident, ist von dem Projekt angetan, wie er im Interview mit BTH Heimtex betont: "Initiativen wie die von Abitur + Gesellenbrief signalisieren der Öffentlichkeit, hier tut sich was im Handwerk."

Auch die Teilnehmer selbst bewerten das Projekt positiv. "Wenn ich mal studiere, sollte ich auch wissen, wie es im Berufsalltag zugeht", meint Alissa Stalder. Roland Altenburger, Vater des Gymnasiasten und Azubis Lorin Altenburger, lobt den Erkenntniswert, der sich aus der praktischen Ausbildung ergibt. "Wir glauben, dass so eine Ausbildung, auch während der Schulzeit, das Gehirn ein bisschen freier zum Denken macht. Die Schüler werden merken, dass Mathe plötzlich sinnvoll ist, wenn sie ein Aufmaß erstellen sollen."

Auch außerhalb Kusterdingens gibt es Interesse an dem Projekt. Zu einer Informationsveranstaltung des Friedrich-Schiller-Gymnasiums in Marbach, das nun ebenfalls Abitur + Gesellenbrief anbietet, kamen rund 120 Schüler, Eltern und Lehrer.
cornelia.kuesel@snfachpresse.de

Daten + Fakten
Unternehmensgruppe Heinrich Schmid
Siemensstraße 20
72766 Reutlingen
www.heinrich-schmid.de

Gegründet: 1914
Gesellschafter: Dr. Carl-Heiner Schmid
Dienstleistungen: Malerarbeiten
Mitarbeiter: mehr als 4.500 Maler, Ausbauer und Dienstleister
Standorte: mehr als 100 in Deutschland, Frankreich, Österreich, Spanien, Schweiz
aus BTH Heimtex 04/17 (Wirtschaft)