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Warum ist die Saugfähigkeit bei Verbundzementestrichen so wichtig?


Verbundestriche werden überwiegend im Industriebau eingesetzt. Heute haben sie auch Einzug in den leichteren Gewerbe- und Bürobau erhalten. Überall, wo hohe mechanische Beanspruchungen in Verbindung mit einer großen Flexibilität der Raumaufteilungen gefragt sind und der Trittschallschutz anderweitig gesichert werden kann, stellen Verbundestriche eine optimale Lösung dar. Wie es der Name schon ausdrückt, kommt es bei so einer Konstruktion auf den Verbund mit der unteren Tragkonstruktion an. Dies kann eine Geschossdecke oder auch eine Boden-platte sein. Hier liegt eine unmittelbare Schnittstelle zwischen dem tragenden Betonbau und dem späteren Estrich vor.

In der heutigen Praxis zeigen sich wiederholt massive Probleme in Bezug auf die Eignung des Betonuntergrunds. Dabei ist von allen Beteiligten zu bedenken, dass zu der Zeit, wenn der Estrichleger mit seinen Arbeiten beginnt, kaum noch Möglichkeiten zu einer eventuellen Konstruktionsänderung bestehen. Aus diesem Grund kommt es schon auf eine fachgerecht hergestellte Beton-oberfläche an. Der Estrichleger hat den Untergrund für seinen Verbundestrich sehr sorgfältig zu prüfen.

Der Hintergrund: Hohllagen und Rissbildungen drohen

Eventuelle übersehene bzw. sogar tolerierte Mängel führen schnell zu späteren Hohllagen und Rissbildungen, die die Nutzungsfähigkeit des Fußbodens sofort beeinträchtigen können. Die folgenden Sanierungsaufwendungen sind stets mit erheblichen Kosten verbunden.

Mein Tipp: Einbaubedingungen und Saugfähigkeit prüfen

Vor Arbeitsbeginn hat der Ausführende sich zunächst mittels einer Begehung einen Überblick zu verschaffen, ob die vereinbarte Leistung auch so ausführbar ist. Es sind dabei die Einbaubedingungen zu prüfen. Dazu zählen die Lage der Einbaustelle, die Lage des Misch- und Lagerplatzes sowie die Zufahrtsmöglichkeiten. Anschließend ist die Betonoberfläche visuell sowie mittels Hammer und Ritzgerät zu kontrollieren, ob sich eine harte obere Schale oder eine weiche obere Schicht gebildet hat. Wurde der Beton fachgerecht maschinell gescheibt? Sind auf der Oberfläche Rissbildungen und Fugen erkennbar? Boye empfiehlt, sich in diesem Zuge auch Informationen zu der vorhandenen Betonklasse, zu der Betonzusammensetzung und zu den vorgenommenen Nachbehandlungsmaßnahmen einzuholen.

Bei einer fachgerecht ausgeführten Betonoberfläche sieht er für den Auftraggeber als Sowieso-Aufwendungen ein zweimaliges Kugelstrahlen bei mittlerer Geschwindigkeit mit versetzt angeordneten Bahnen (bzw. im Kreuzgang) an. Wenn danach der Beton nicht seine erforderliche Oberflächenqualität aufweist, ist von einem Mangel auszugehen. Die zugehörigen Prüfkriterien sind in dem Merkblatt des Bundesverbands Estrich und Belag "Untergründe für Industrieestriche" zusammengefasst. Boye möchte an dieser Stelle nicht auf die gesamten Kriterien eingehen, schließlich hat der Betonuntergrund nicht nur die hohen Oberflächenzugfestigkeiten zu erfüllen. Sein Anliegen dient dem Hinweis auf die eingehende Überprüfung der Saugfähigkeit.

In seiner Praxis hat er immer wieder erlebt, dass die Ausführungsbetriebe darauf weniger achten. Die Folgen können regelrecht fatal sein. Bei schlecht saugenden Untergründen kann es beim Einsatz einer mineralisch gebundenen Haftbrücke später zu Störungen im Haftverbund kommen. Diese zeigen sich in partiellen oder auch in großflächigen Hohllagen in Verbindung mit Rissbildungen. Gerade in der heutigen Zeit treten derartige Probleme gehäuft auf. Grund dafür ist, dass von Seiten der Betonwerke gern die neueren Hochleistungsverflüssiger auf Basis von Polycarboxylatester (PCE) eingesetzt werden. Teilweise haben die Betonwerke auch gar keine andere Möglichkeit, den gewünschten Beton fachgerecht herzustellen, weil planungsseitig eine sehr hohe Festigkeitsklasse (C35/45 und höher) gefordert wurde. Derartige Betone weisen eine sehr dichte Oberfläche und damit in der Regel ein sehr schwaches Saugverhalten auf.

Der Estrichleger kann dies aber mittels der sogenannten Wassertropfenmethode im Vorfeld erkennen. Deren Handhabung erscheint relativ einfach, erfordert aber ein hohes Maß an Erfahrung, um die Ergebnisse richtig zu deuten. Hier empfiehlt Boye immer erst mittels Hinzuziehung von entsprechenden Spezialisten Erfahrungen zu sammeln.

Der Estrichleger sollte hellhörig werden, wenn der Untergrund aus einem Beton mit einer Festigkeitsklasse C35/45 und höher oder mittels eines Fließmittels auf PCE-Basis hergestellt wurde.

Ein schwaches Saugverhalten kann aber auch auf einen Einsatz von einem Nachbehandlungsmittel im Zuge des Betoneinbaus schließen. In diesem Fall hilft nur, Bedenken anzumelden. In Merkblättern von Nachbehandlungsmitteln wird oft darauf hingewiesen, dass durch das Kugelstrahlen die verbliebenen Materialreste beseitigt seien. Solche Formulierungen schieben leider die Verantwortung in Richtung Estrichleger. Hier sollte dieser stets achtsam sein. Schließlich kann er nie flächendeckend prüfen, ob alle Spuren des Nachbehandlungsmittels durch das Kugelstrahlen beseitigt worden sind. Eventuell können später verbliebene Rückstände ebenso zu Hohllagen führen, weil die Haftbrücke nicht in die obere Zone des Betons eindringen konnte. Aus diesem Grund empfehle ich, dass man sich bereits im Vorfeld erkundigt, wie der Beton nachbehandelt worden ist. Bei einer späteren Verbundkonstruktion bleibt aus meiner Sicht weiterhin die Folienabdeckung die sicherste Lösung. Ich möchte an dieser Stelle auch erwähnen, dass einige Hersteller bereits Nachbehandlungsmittel im System mit bestimmten Verbundkonstruktionen anbieten. In solchen Fällen sollte der Estrichleger stets den jeweiligen Anwendungstechniker vom Systemhersteller hinzuziehen. Der Handwerker vor Ort kann die Ausführbarkeit in solchen Fällen nicht mehr selbst entscheiden.
aus FussbodenTechnik 03/17 (Wirtschaft)