Diessner GmbH & Co. KG Lack- und Farbenfabrik
"Artistic Color verbindet Diessner und Valpaint"
Farbenhersteller Diessner hat ein ganzheitliches Raumkonzept entwickelt, das Malern als Beratungsinstrument dienen soll. Außerdem will das Unternehmen einen Showroom einrichten und kräftig am Standort Berlin investieren.
BTH Heimtex: Die Konzentration im Großhandel schreitet voran, ein Ende dieser Entwicklung ist nicht in Sicht. Für Hersteller bedeutet dies, sich stärker denn je vom Wettbewerb abheben zu müssen, um möglichst flächendeckend im Großhandel gelistet zu sein. Wie geht Diessner mit der Situation um?vermitteln
Bernd Kanand: Den Konzentrationsprozess sehen wir mit großer Sorge und setzen auf ausgewählte starke Grossisten, die sich für unsere Marke engagieren. Außerdem bieten wir mit den dekorativen Farben und Beschichtungen des italienischen Herstellers Valpaint etwas Besonderes.
Diese Kooperation, die wir 2009 begonnen haben, ist sehr erfolgreich. Mittlerweile haben wir 25 Valpaint Mischanlagen im Markt platzieren können. An mehr als 300 Großhandelsstandorten können wir die dekorativen Produkte anbieten. Seit dem vergangenen Jahr haben wir mehr als 1.000 Maler in der Verarbeitung geschult und zertifiziert.
Nun starten wir unsere neue Raumoffensive: Artistic Color heißt unser ganzheitliches Raumkonzept, das die Produkte von Diessner und Valpaint miteinander verbindet und Farbvorschläge für den gesamten Raum von der Decke über Wände, Heizkörper, Türen, Mobiliar und Fußboden erstellt.
BTH Heimtex: Das heißt, Diessner übernimmt Aufgaben eines Raumausstatters?
André Protze: Artistic Color ist ein ganzheitliches Beratungsinstrument für den Maler unter dem Motto "Handwerkskunst trifft Farbe", damit er die gesamte Einrichtung seines Kunden gestalten kann. Wir wollen damit die Marken Diessner und Valpaint stärken. Das Konzept, das sowohl die Farben von Diessner als auch die dekorativen Produkte von Valpaint präsentiert, werden wir auch bei Architekten und Planern etablieren. Darüber hinaus werden wir uns damit direkt an Hotelketten und Verantwortliche im öffentlichen Bausektor wenden.
Das Konzept wurde mit der Agentur für Trendforschung und Farbdesign sowie dem Institut für Internationales Trendscouting an der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim unter Federführung von Professor Markus Schlegel erarbeitet. Herausgekommen ist ein ganzheitliches Farbkonzept für die gesamte Raumgestaltung.
BTH Heimtex: Wie funktioniert Artistic Color praktisch?
Protze: Das Konzept bietet in Ordnern verschiedene Farb- und Stil-Manuals, die zu den Wohnstilen modernes Wohnen, farbenfrohes Wohnen, Hotel, Gesundheit, Bildung und Shopgestaltung passen. Die möglichen Gestaltungen reichen von modern über extravagant bis klassisch.
BTH Heimtex: Wann fällt der Startschuss für Artistic Color?
Protze: Wir haben vor, im Herbst mit den ersten Farb- und Stil-Manuals zusammengefasst in einem Ordner zu starten. Zur Messe Farbe - Ausbau und Fassade 2019 wird das Konzept dann ausgebaut. Begleitet werden die Farb- und Stilwelten mit einem zweiten Ordner, in dem die Originalmuster enthalten sind.
BTH Heimtex: Solch ein Konzept ist sicherlich erklärungsbedürftig. Schulen Sie Ihre Zielgruppen?
Protze: Ja, im ersten Teil wenden wir uns speziell an Architekten und Planer. Professor Schlegel wird die Seminarreihe begleiten. Die Teilnehmer erhalten keine fertigen Vorschläge, sondern erarbeiten sich eigene Manuals. Dazu erfahren sie während des Seminars, welche Gestaltungsvielfalt mit den Produkten von Valpaint und Diessner möglich ist und wie diese an Wand, Decke, Boden, Türen etc. ergänzend eingesetzt werden können.
Aus den im Seminar erarbeiteten Manuals können wir dann wiederum Trends ableiten und unsere Produkte darauf abstimmen.
Zusätzlich werden wir Handwerkern Seminare anbieten, in denen unsere Kunden die Valpaint-Techniken erlernen und den Einsatz der Begleitfarbtöne in der Kundeberatung üben können. Seminarziel ist es also, Artistic Color als Beratungstool professionell einsetzen zu können.
Kanand: Noch einmal kurz zusammengefasst: Wir wollen dem Maler die Verbindung von Kreativtechnik und korrespondierenden Farben vermitteln und unsere Marktposition damit stärken.
BTH Heimtex: Verändert sich damit auch etwas am Verhältnis Abfüllung zu Eigenmarke?
Kanand: Wir haben die Fremdabfüllung schon reduziert und liegen jetzt etwa bei der Hälfte. Unser Ziel für das kommende Jahr ist es, zu 60 % unter der Diessner Marke zu produzieren und 40 % Handelsmarken abzufüllen. Wir werden mehr denn je als Marke wahrgenommen und haben eine sehr gute Distribution.
BTH Heimtex: Wie viel investieren Sie in Artistic Color?
Kanand: Das wird ein sechsstelliger Betrag sein.
BTH Heimtex: Sind weitere Investitionen geplant?
Kanand: Ja, wir bauen gerade einen Showroom: Eine Diessner-Welt, in der wir alle unsere Produkte und Leistungen vorstellen werden. Besucher sollen im Showroom Anregungen rund um die Farbe erhalten. Auch Seminare werden dort stattfinden. Außerdem werden wir unsere Kapazitäten zugunsten neuer und konservierungsmittelfreier Produkte am Standort Berlin erweitern. Dafür stehen in den nächsten drei Jahren 4 bis 5 Mio. EUR zur Verfügung.
BTH Heimtex: Angesichts dieser Investitionen stellt sich die Frage nach der Umsatzentwicklung. Sind Sie damit zufrieden?
Kanand: Wir sind voll auf Kurs und planen für dieses Jahr einen Umsatz von mehr als 27 Mio. EUR. Wir haben zahlreiche neue Kunden gewonnen. Sehr stark sind wir in Bayern, Baden-Württemberg, Berlin und Ostdeutschland vertreten. In Nordrhein-Westfalen gibt es noch Lücken, weil es dort an freien Händlern mangelt. Verbessert haben wir uns auch im Export. So haben wir in Italien Verträge mit zwei größeren Partnern abgeschlossen, die Diessner exklusiv vermarkten wollen. Außerdem steht ein Joint-Venture mit einem Real-Estate-Unternehmen in China an, mit dem wir dort eine Produktion aufbauen wollen.
BTH Heimtex: Welches sind die Hauptprodukte von Diessner?
Kanand: Innenfarben sind mit ca. 40 % unser wichtigstes Produktsegment. An zweiter Stelle stehen Fassadenbeschichtungen mit ca. 30 %. Da ist noch Luft nach oben.
BTH Heimtex: Für die Umsetzung Ihrer Pläne benötigen Sie auch kompetente Mitarbeiter. Haben Sie das Personal zahlenmäßig aufgestockt?
Kanand: Ja, wir haben kräftig aufgestockt. Mittlerweile beschäftigt Diessner 22 Mitarbeiter im Außendienst. Unser Ziel ist es, die Distribution im Außendienst kontinuierlich auszubauen. Aber auch im Innendienst und in der Produktion haben wir uns vergrößert.
BTH Heimtex: Welche Neuheiten aus dem Hause Diessner kann der Markt erwarten?
Kanand: Wir waren neben dem Marktführer die ersten, die konservierungsmittelfreie Farben auf den Markt gebracht haben. In den kommenden zwei Jahren wollen wir die gesamte Produktion auf Konservierungsmittel-Freiheit umstellen.
Protze: Unter den Clean Air Neuheiten bieten wir unseren Kunden neben den drei Innenfarben in den Nassabriebklassen 1, 2 und 3 nun auch einen Tiefengrund, einen Vlies- und Gewebeklebstoff, einen Haftgrund und eine seidenglänzende Innenfarbe an. Aber auch im "normalen" Produktsortiment gibt es Neuheiten, so unsere hochwertige Finish Innenfarben in den Glanzgraden matt, seidenmatt und seidenglänzend, die hochdeckend und extrem dünnfilmig und somit strukturerhaltend aufgetragen werden können. Oder unseren Strukturputzen in der 1 mm Korngröße, mit denen wir den Trend nach immer feineren Oberflächen Rechnung tragen, bzw. der neuen zweikomponentige Wand- und Bodenbeschichtung, die hoch belastbare Oberflächen ergibt.
In der Pipeline befindet sich ein Leichtspachtel, der sich positiv auf die Raumakustik auswirkt und wärmedämmende Eigenschaften hat. Das wird ein sehr innovatives Produkt. Darüber hinaus arbeiten wir an Antikondensationsbeschichtungen, die wir im Innenbereich in der Schimmelvorbeugung einsetzen wollen. Diese Technologie wollen wir auch an die Fassade bringen. Im Fokus stehen eine Fassadenfarbe und ein Strukturputz ohne Filmschutz, die trotzdem Algen und Pilzen keine Möglichkeiten zur Entwicklung geben.
BTH Heimtex: Wandelt sich Diessner damit ein wenig in Richtung Spezialprodukte?
Protze: Für uns ist es wichtig, Produkte für den Mengenmarkt und für die Spezialanwendung anbieten zu können. Allerdings können wir uns mit Spezialprodukten besser vom Wettbewerb absetzen. Dabei sind wir stark im Bereich der Problemlösung für das Handwerk. Viele der neuen Produkte sind typische Problemlöser.
Kanand: Unsere Produkte werden auch auf Basis von Kundenwünschen entwickelt. Wir stehen im ständigen Dialog mit unseren Kunden.
BTH Heimtex: Ihre Kunden sind vor allem Maler. Bei jungen Menschen ist dieser Beruf nicht sehr beliebt. Was unternimmt Diessner, um Schulabgänger für den Beruf zu interessieren?
Kanand: Wir sind im Dialog mit dem Bundesverband Farbe Gestaltung Bautenschutz und werden künftige Imagekampagnen unterstützen. Im Besonderen müssen wir in die Schulen gehen und versuchen, den Malerberuf positiver darzustellen. Wir sollten aber auch Lehrer dazu bringen, dass sie Schüler nicht nur zum Studium ermutigen, sondern auch zur beruflichen Ausbildung. Denn sonst übernehmen Generalisten die Arbeit des klassischen Malers - und die kaufen auf anderen Handelsplattformen statt im Farbengroßhandel ein. Wir werden jedoch auch Wege suchen, wie wir die Generalisten erreichen.
BTH Heimtex: Würden Sie in letzter Konsequenz Ihre Produkte auch im Baustoffhandel anbieten?
Kanand: Wenn, dann nur mit einer anderen Marke. Mit der Marke Diessner bleiben wir auf alle Fälle dem Farbengroßhandel treu.
BTH Heimtex: In Deutschland wird viel gebaut, in den Ballungszentren entsteht neuer Wohnraum. Profitiert Diessner davon?
Kanand: Vom Neubau profitieren wir nicht so. Das kommt, wenn die neuen Wohnungen bezugsfertig sind. Dann werden vorhandene Wohnungen frei, die renoviert werden müssen. In der Regel zieht ein Bezug einer Neubauwohnung ca. drei Umzüge nach sich. Wir sind gut im Renovierungsmarkt unterwegs. Die Aussichten bleiben auf alle Fälle positiv. Deshalb wollen wir auch expandieren und am Standort Berlin investieren.
cornelia.kuesel@snfachpresse.de
aus
BTH Heimtex 07/17
(Wirtschaft)