Betap Tufting BV

Volumen und Flexibilität


Der niederländische Teppichboden- und Nadelvlieshersteller Betap betreibt nicht nur das klassische Volumengeschäft. Auch individuelle Kundenwünsche können immer flexibler erfüllt werden, weil in Produktionstechnik und Entwicklung investiert wird.

Im Durchschnitt verlassen pro Tag 1.800 Rollen Teppichboden, Nadelvliesbeläge und Kunstrasen das Werksgelände von Betap in Genemuiden. Der Hersteller produziert jährlich mehr als 60 Mio. m2 Bodenbeläge - gut zur Hälfte Tufting-, der Rest Nadelvliesprodukte. Im Schwerpunkt wird Polypropylen-Ware produziert; der Anteil von Polyamidprodukten wächst aber stetig. Verkauft werden sie ausschließlich als Rollenware an Baumärkte, Discounter, Fachmärkte sowie Bodenbelags- und Farbengroßhändler. Einen Coupon-Service gibt es nicht. Das Industriegeschäft, die Versorgung von Automobilzulieferern sowie der Messebau sind auch wichtig für die Niederländer. Seit 2016 bietet Betap auch ein Fliesenprogramm mit Tuftingprodukten.

Das Unternehmen hat 2016 weltweit einen Umsatz von 140 Mio. EUR erzielt. In den beiden vergangenen Geschäftsjahren verbuchte man Erlössteigerungen in Höhe von jeweils rund 10 %. Im Teppichbodenmarkt hat auch Betap mit der rückläufigen Nachfrage vor allem im Handelsbereich zu kämpfen. Das kann aber mehr als ausgeglichen werden durch die erfreuliche Entwicklung in den Sortimenten Nadelvliesbeläge und Kunstrasen.
Wachsen aus eigener Kraft

Das gilt auch für den deutschsprachigen Markt. Für Betap ist die D/A/CH-Region nach Großbritannien und Osteuropa die absatzstärkste. Heute erwirtschaftet man in Zentraleuropa 21 Mio. EUR Umsatz - Tendenz steigend, berichten Ernest Pleijsier und Luc Casaert, die sich die D/A/CH-Vertriebsleitung teilen. Pleijsier verantwortet noch weitere europäische Länder. Der 44-Jährige arbeitet seit 20 Jahren für Betap; Casaert ist 56 Jahre alt und seit 2008 für Betap tätig. Der Belgier ist seit 30 Jahren in der Branche, u.a. viele Jahre als weltweiter Verkaufsleiter für einen Bodenbelagskonzern.

Beide genießen das Vertrauen der Betap-Inhaber. Das sind die Brüder Arend und Johan van Lente. Sie haben das 1957 gegründete Unternehmen 1997 von ihrem Vater zu 100 % übernommen und führen es heute gemeinsam. Ihre unternehmerische Philosophie ist es, aus eigener Kraft zu wachsen - ohne Zukäufe und fremde Anteilseigner.

Im Laufe der Jahrzehnte hat man sich vom ursprünglich reinen Hersteller von Berberteppichen aus Wolle zu einem breit aufgestellten Produzenten textiler Bodenbeläge hauptsächlich aus Chemiefasern entwickelt. Wettbewerber sind die Teppichbodenhersteller in Belgien und im eigenen Land.

Eigene Extrusion für PP-Garne

Die nach eigenen Angaben finanziell starke und unabhängige Firmengruppe besteht heute aus den drei Schwesterunternehmen Betap Tufting (Teppichboden und -fliesen, Kunstrasen), Betap Nonwovens (Nadelvlies, Kunstrasen) sowie Select Yarns (Faser, Garne). Bei einer Vielzahl von Polypropylen (PP)-Produkten ist der Hersteller vertikal voll integriert. Betap stellt in der eigenen Garn-Extrusion pro Monat 500 t PP-Garne her. Das ermöglicht eine flexible Befriedigung vor allem von individuellen und kurzfristigen Kundenwünschen. Polyamid-, Polyester-, Woll- und weitere PP-Garne werden zugekauft.

Eine Maxime der Gruppe ist, Effektivität und Flexibilität im Produktionsablauf in einem hohen Maße in Einklang zu bringen. Tufting- und Nadelvliesherstellung sind organisiert über eine große Bevorratung mit Halbfertigprodukten auf Mutterrollen. Je nach Kunde, Segment und Anwendungsbereich werden die vorgefertigten Decken beschichtet und/oder mit unterschiedlichsten Rückenkonstruktionen ausgestattet.

Kombi-Serie aus Bahnenware und Fliese

Dadurch ist Betap auch in der Lage, die drei neuen Schlingen-Kollektionen Vienna, Baltic und Larix sowohl als Bahnenware als auch als Fliese anzubieten. Vorgestellt wurden sie auf der Domotex 2017.

Um dauerhaft flexibel zu sein, laufen im Werk mittlerweile drei Beschichtungsanlagen, darunter eine erst Anfang 2017 in Betrieb genommene Linie. Die beiden anderen sind mit jeweils 185 m die längsten ihrer Art in Europa.

Auch der Tuftingprozess der Niederländer ist nach eigener Aussage außergewöhnlich. Die Anlagentechniker haben ihn für einen Teil der 25 Anlagen effektiver gestaltet. Die Spulengatter werden nicht mehr einzeln mit neuen Garnspulen befüllt. Dieser Arbeitsschritt verläuft heute größtenteils automatisiert. Per Hand bestückt wird nur noch an einer einzigen Verteilerstelle.

"Bevorzugter Lieferant" der Automobilindustrie

Als Belieferer der Automobilindustrie für verformte Einlegeware ist man zudem so genannter preferred supplier, bevorzugter Lieferant. Das erfordert ein nach ISO zertifiziertes, sehr hohes Qualitätsmanagment sowie ein höchst effizient arbeitendes Werk.

Diese zwingende Voraussetzung für das Volumengeschäft ist die Grundlage für den wirtschaftlichen Erfolg von Betap. Entsprechend machen die Niederländer in Deutschland 50 % der Umsätze mit Baumärkten, Discountern und Filialisten.

"Wir haben keine Außendienstmannschaft; lediglich Agenten für die Betreuung der Märkte sowie zwei weltweite Key Account-Manager für das Messe- sowie das Automobilgeschäft", erklärt Pleijsier die Vertriebsaufstellung in Deutschland und weltweit. Kurz gesagt: Betap geht nicht zu den Kunden seiner Kunden. Das soll auch der neue Werbeslogan unterstreichen, der beispielsweise in Anzeigen zu lesen ist: "Sell this experience. We will produce it." ("Verkaufen Sie das (Teppichboden-)Erlebnis. Wir werden es für Sie produzieren.").

Hohe Investitionen

Die van Lente-Brüder haben in den vergangenen Jahren in kurzen Abständen viele Millionen Euro in ihr Unternehmen gesteckt, um dieses Versprechen halten zu können. Pleijsier sagt, dass kein Wettbewerber in den letzten Jahren so viel investiert habe wie Betap: 2004 baute man das heutige Tuftingwerk auf der grünen Wiese. Nur vier Jahre später entstand das Garnwerk der Tochter Select Yarns, 2011 der hochmoderne Nadelvlies-Standort für Betap Nonwovens mit zwei Linien. 2016 folgte die erwähnte dritte Beschichtungsanlage bei Betap Tufting und der Bau des neuen Logistikzentrums. Das hat die Umschlagskapazität verdoppelt.

Im Herbst steht die nächste Großinvestition an, berichtet Casaert. Dann wird eine neue Tuftingmaschine für rund 1,9 Mio. EUR aufgebaut. Sie wurde erstmals vor einem Jahr auf der Maschinenbaumesse in Mailand vorgestellt. Auf der voll automatischen Schlingenmaschine können 80 verschiedene Florhöhen getuftet werden. "Die Anlage ermöglicht es uns, so feine Dessinierungen zu erzielen wie im Druck. Auch was früher durch Hoch/Tief-Tufting nicht möglich war, nämlich runde Formen, können wir jetzt realisieren", hebt Pleijsier hervor. Auf der Domotex 2018 sollen die ersten Produkte gezeigt werden.

Kundenwünsche stärker berücksichtigen

Schon vorher wird ein neues Gebäude auf dem mittlerweile 120.000 m2 umfassenden Werksgelände fertig sein. Es beherbergt unter anderem einen größeren Showroom und die Räume für die Forschungs- und Entwicklungsabteilung. Die ist großzügig dimensioniert - die Zahl von aktuell sieben Mitarbeitern soll sich in den kommenden Jahren verdoppeln.

Man sei sich bewusst, dass sich der Teppichbodenmarkt weiter konsolidiert. Deswegen nutze man einerseits Wachstumschancen bei Nadelvliesbelägen und Kunstrasen. Andererseits beschäftige man sich verstärkt mit neuen Materialien, neuen Maschinen und Trends, erklärt Pleijsier.

"Der Unterschied zu anderen Herstellern ist, das wir unsere Kunden nicht eine fertige Kollektion vorstellen wollen. Wir werden zukünftig viel früher in der Produktentwicklung den Austausch mit unseren Abnehmern suchen und sie einbeziehen. Im neuen Showroom und den Räumen für die Produktentwicklung können wir viel besser zeigen, was wir alles umsetzen können an individuellen Farben, Dessins, Oberflächenstrukturen und Konstruktionen", unterstreicht der Vertriebsleiter.

jochen.lange@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 09/17 (Wirtschaft)