125 Jahre Waldenburger Bettwarenfabrik
Bewegte Geschichte, hoffnungsvolle Zukunft
Waldenburg. Die Waldenburger Bettwarenfabrik feiert in diesem Jahr ihr 125-jähriges Jubiläum. In der Firmenhistorie spiegeln sich die Wechselfälle der deutschen Geschichte: Zwei Weltkriege, Enteignung und Reprivatisierung, Konkurs und Neuausrichtung bilden wichtige Wegmarken. Dass heute 30 Mitarbeiter Produkte vor allem für den Bettenfachhandel, aber auch Raumausstatter und Möbler herstellen, ist nicht zuletzt dem Beharrungsvermögen von Geschäftsführerin Birgit Mannstadt zu verdanken.
Ich habe viele Erfahrungen gesammelt, die ich nicht noch einmal erleben möchte", sagt Birgit Mannstadt, während sie in einem Aktenordner blättert, in dem sie die Geschichte der Waldenburger Bettwarenfabrik aufbereitet hat. Gleichwohl blickt sie zuversichtlich nach vorne. 35 Jahre begleitet Mannstadt die Firma nun schon, kennt die Herausforderungen sozialistischer Planwirtschaft, hat die unruhigen Übergangszeiten mit der Treundhand überstanden und sich seither im Wettbewerb behauptet. Dass auch eine vergleichsweise kleine Marke wie Walburga im Haustex-Kundenbarometer regelmäßig weit vorne landet, bestätigt Mannstadt auf ihrem Weg. Der war alles andere als einfach.
Seit 1982 arbeitet die heute 57-jährige in der Firma, die sie mittlerweile als geschäftsführende Gesellschafterin alleine leitet. Zu DDR-Zeiten war der Standort Waldenburg von landesweiter Bedeutung: Hier entstand unter der Regie des zuständigen Kombinates eine Bilanzierungsstelle für Materialien und Produkte jener Betriebe, die in Ostdeutschland Steppdecken, Schlafsäcke und Daunendecken produzierten: "Waldenburg verteilte die im In- und Ausland beschaffbaren und verfügbaren Materialien auf die Hersteller und die Fertigprodukte auf den Handel", erinnert sich Mannstadt. Obwohl sie viele Kontakte ins westliche Ausland hatte, war sie bis zum Zusammenbruch der DDR nie dort. Das Telefon musste für den persönlichen Kontakt reichen. Außerdem bot die Leipziger Messe Gelegenheit, mit Geschäftspartnern zu verhandeln.
Die Geschichte des Unternehmens reicht bis ins Jahr 1892 zurück: Ernst Bernhard Gerschler gründete damals eine Metall- und Steppdeckenfabrik im benachbarten Remse. Gerschler begann zunächst mit Steppdecken und Reform-Unterbetten, später kamen Metallbetten sowie Einlege- und Auflegematratzen hinzu. 20 Jahre nach seiner Gründung wurde das Unternehmen 1912 von der Fortuna Betten GmbH übernommen und entwickelte sich weiter.
Erst Heersaufträge,
dann Volkseigentum
Während des Ersten Weltkrieges kam die Textilabteilung fast vollständig zum Erliegen, dafür profitierte das Unternehmen in der Herstellung von Metallbetten durch zahlreiche Heersaufträge. Letztere sicherten auch im Zweiten Weltkrieg die Existenz. Mittlerweile war das Unternehmen komplett nach Waldenburg verlagert worden und produzierte dort mit rund 90 Beschäftigten an zwei Standorten Decken, Kissen, Matratzen sowie Holz- und Eisenbettgestelle; hierbei wurden auch Kriegsgefangene aus dem Osten und aus Frankreich eingesetzt. Zwar blieben die Gebäude von Kriegsschäden verschont, von 15 eingezogenen Mitarbeitern kehrten jedoch nur sechs von der Front zurück.
Nach dem Zusammenbruch wurde das Unternehmen 1946 in so genanntes Volkseigentum überführt und der VEB Steppdecken- und Polsterwarenfabrik Waldenburg gegründet. Nach der Einteignung der Fortuna-Betten-Fabrik übernahmen SED-Genossen das Kommando. Neben Matratzen wurden nun zeitweise auch Polstermöbel hergestellt. Unter dem Namen Stepowa entwickelte sich die Firma über die Jahrzehnte zum größten und führenden Steppdeckenbetrieb der DDR, der Anfang der 1960er-Jahre fast 100.000 Steppdecken fertigte.
Abnehmer im Westen
von Quelle bis Bettenring
Auch der Export wurde in den folgenden Jahrzehnten entwickelt. Zunächst wurden Schlafsäcke für die Sowjetunion und einige westeuropäische Kunden produziert, ab 1984 wurde auch in die Bundesrepublik geliefert: Quelle, Neckermann und der Otto-Versand zählten zu den Abnehmern von Daunen- und Bettdecken, ebenso wie die Kaufhalle und das neu entstandenene Dänische Bettenlager. Auch der Bettenring und der Bettenkreis gehörten zum Kundenkreis der Sachsen, die stolz darauf waren, die planwirtschaftlichen Vorgaben stets erfüllen zu können.
Im Jahr der Wende 1989 bestand der VEB Steppdeckenfabrik aus acht Werken mit 780 Beschäftigten. 200 davon arbeiteten in Waldenburg. Birgit Mannstadt war damals seit sieben Jahren im Betrieb und hatte im Export den Verkauf organsiert. Im September 1990 wurde sie gemeinsam mit Joachim Stötzner von der Treuhand als Geschäftsführerin eingesetzt - eine Entscheidung, die sich auf lange Sicht als richtig erwies. Stötzner ist mittlerweile pensioniert, Mannstadt auch 27 Jahre später noch im Amt.
Rückübertragungsansprüche, Weiterführung, Schließung: Mit diesen Stichworten lässt sich das Ausmaß der Treuhand-Zeit nur ansatzweise skizzieren. Sanierung und Privatisierung waren das Ziel. "Man hat schnell erkannt, dass das ein Fass ohne Boden wird, weil jeder andere Sanierungsvorstellungen hatte", erinnert sich Mannstadt. Vier Jahre dauerte es schließlich, bis die Privatisierung des Unternehmens zunächst gelang und niederländische und deutsche Investoren gefunden wurden, die insgesamt 3 Millionen D-Mark in die Firma stecken. So wurde unter anderem eine neue Fabrikhalle gebaut, in der zunächst 65 Mitarbeiter beschäftigt waren.
Verlässlicher Partner
des Fachhandels
Doch der Aufschwung hielt nicht lange: Im April 1997 musste trotz voller Auftragsbücher die Gesamtvollstreckung beantragt werden. Ein Insolvenzverwalter übernahm die Regie. "Die Bedingungen waren zwar äußerst kompliziert, aber Geschäftsleitung und Belegschaft waren hoch motiviert", so Mannstadt. Am Ende gelang es, die Firma zu retten: Am 1. November 1998 nahm die von vier Gesellschaftern neu gegründete Waldenburger Bettwaren GmbH den Geschäftsbetrieb auf, Mannstadt wurde neben Joachim Stötzner eine der beiden geschäftsführenden Gesellschafter.
Insbesondere mit der Marke Walburga will das Unternehmen heute ein verlässlicher Parnter des Fachhandels sein - mit hoher Qualität, schneller Lieferzeit und beständigem Service. "Da müssen wir uns wie alle Hersteller heute strecken." Mehr als 1.300 verschiedene Artikel wurden in diesem Jahr in Waldenburg gefertigt. "Das sind große Serien darunter", so Mannstadt, "aber wir lassen uns auch auf die kleinen Dinge ein, die der Fachhandel von uns erwartet." Spezialitäten neben der Standardware, das ist für ein Unternehmen dieser Größenordnung eine Chance in der Nische. "Dafür muss allerdings auch immer eine Produktionslösung gefunden werden." Das ist nicht immer einfach - und muss sich unterm Strich auch rechnen können.
Der Schwerpunkt bei Waldenburger liegt heute auf natürlichen Füllungen beziehungsweise solchen mit natürlichen Anteilen. "Ganz im Vordergrund steht mittlerweile alles, was beispielsweise mit der Tencel-Faser zu tun hat", so Mannstadt, die auch die klimaregulierenden Bettwaren unter dem Namen "Clima active" hervorhebt. Einen guten Anteil haben auch Bettwaren mit Kamelhaar- oder Schafwollfüllung. Federn und Daunen führt das Unternehmen nur noch "mit einem ganz kleinen Programm", so die Geschäftsführerin.
Das hängt auch mit der Abwicklung der Vergangenheit zusammen: Die Daunenstandorte des Firmenverbundes aus DDR-Zeiten wurden nach der Wende abgestoßen. "Damit haben wir uns ein wichtiges Standbein in diesem Bereich genommen", so Mannstadt, die den Schritt gleichwohl für richtig hält: "Wir haben das damals mit vollem Bewusstsein getan, weil wir als kleines Unternehmen nicht alles machen konnten und uns spezialisieren wollten." Man habe sich auf den Maschinenpark konzentriert, der auf klassische Stepperzeugnisse ausgerichtet war.
Junge Leute für
das Tetxile gewinnen
Heute arbeiten noch 30 Beschäftigte in Waldenburg, "alles Fachkräfte", wie Mannstadt betont, die um die Schwierigkeiten weiß, geeignete Mitarbeiter zu finden. "Wir versuchen immer wieder, junge Leute für das Textile an sich zu gewinnen. Unsere Region war traditionell ein großer Textilstandort. Aber das ist sehr rar geworden." Auch wenn heute keine Steppdeckenfertiger mehr ausgebildet werden - einfache Anlern-Tätigkeiten gibt es bei Waldenburger kaum noch. "Wer bei uns steppt, der braucht schon gewisse Zeit, bis er das beherrscht."
Das bietet denen, die als Fachleute im Betrieb arbeiten, einerseits eine gewisse Sicherheit. "Aber wir müssen andererseits auch aufpassen, dass wir nicht alle zusammen immer älter werden", betont die Chefin, die ohnehin lieber in die Zukunft schaut, als im Vergangenen zu schwelgen. "Wir können noch ganz gut über die DDR-Zeit berichten, weil wir sie miterlebt haben. Ich schaue aber lieber nach vorne und weiß, welche Erfahrungen wir aus der damaligen Zeit mitgenommen haben."
Über einen Mangel an unterschiedlichen Erfahrungen kann sich Mannstadt in ihrer bewegten beruflichen Vergangenheit wahrlich nicht beklagen. Nach dem Auf und Ab ihrer Firma ist sie stolz auf das Erreichte, ohne sich zurückzulehnen: "Wenn man im Branchenleben steht, dann möchte man ja etwas aufbauen, das auch für die Zukunft erhalten bleibt", sagt sie. "Aber ich mache schon noch ein paar Jährchen mit."
aus
Haustex 10/17
(Wirtschaft)