BASF-Störfall schadet Matratzenindustrie

Entwarnung für Hersteller, Kritik an Zulieferern


Essen. Aufamten in der Matratzenbranche: Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat nach dem Störfall beim Chemieriesen BASF erklärt, dass kein gesundheitliches Risiko für Verbraucher besteht, die mit belasteten Matratzen in Kontakt gekommen sind. Der Matratzenverband übte indessen deutliche Kritik: an den Schaumlieferanten, am Handel und der Stiftung Warentest.

Das in Schäumen verwendete Vorprodukt TDI war bei BASF in Ludwigshafen über Wochen mit einer deutlich zu hohen Konzentration des als krebserregend geltenden Stoffes Dichlorbenzol produziert worden (Haustex berichtete). Der Störfall war erst durch Hinweise eines Kunden aufgefallen. Nach Bekanntwerden hatten viele Matratzenhersteller ihre Produktion gestoppt und Lieferungen zurückgerufen. Denn zunächst war nicht klar, welche Gesundheitsgefahren durch das verunreinigte TDI ausgehen.

Mittlerweile gab nicht nur die BASF Entwarnung. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hat sich der Einschätzung des Chemieunternehmens angeschlossen: "In seiner vorläufigen Einschätzung kommt das BfR auf Basis der mitgeteilten Herstellerdaten zu der Einschätzung, dass kein gesundheitliches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher, die mit den belasteten Matratzen in Kontakt kamen, zu erwarten ist", hieß es dazu in einer Stellungnahme Ende Oktober.

Zuvor hatte bereits das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) als erste Fachbehörde mitgeteilt, dass es in einer Plausibilitätsprüfung der Eigenuntersuchungen von BASF zu dem gleichen Ergebnis gekommen war. "Damit mehren sich die Hinweise, dass Matratzen trotz der Verunreinigung des Rohstoffs TDI voll verkehrsfähig und unbedenklich sind", erklärte daraufhin der Fachverband der Matratzenindustrie. Er hatte zuvor massive Kritik an der Informationspolitik von BASF geübt.

Auf seiner Homepage erklärte der Verband, wie die Risikoberechnung der BASF zustande kam: "Zunächst sind die denkbar schlechtesten anzunehmenden Bedingungen zu Grunde zu legen. Deshalb wurde von Matratzen aus reinem PU-Schaum ohne Bezüge in einem kleinen geschlossenen und unbelüfteten Raum ausgegangen. Für diese Modellmatratze wird unterstellt, dass sie auf Basis der höchsten gemessenen TDI-Belastung hergestellt wurde", so der Matratzenverband.

Weiter heißt es: "Zusätzlich wird einbezogen, dass die kritische Verunreinigung nach Herstellung, Lagerung und Verarbeitung vollständig in die Raumluft übergeht. Aus dieser Berechnung, diesem schnell durchzuführenden Teil der Risikobewertung, geht hervor, dass die DCB-Konzentration deutlich unter dem für diesen Stoff anwendbaren Grenzwert liegt."

Neben diesen Berechnungen seien aber auch konkrete Tests und Messungen durchzuführen gewesen: "Diese dauern je nach Versuchsaufbau allerdings bis zu einer Woche. Es ist uns auch wichtig, dass verschiedene, von uns und BASF unabhängige Institute messen, und BASF uns zudem verlässlich und fortwährend informiert", betonte der Verband. Die ersten vorliegenden Messungen hätten diese Berechnungen bestätigt: "Die von verschiedenen Instituten gemessenen Werte bestätigen Messungen der BASF, die zeigen, dass die Werte schon nach 24 Stunden um den Faktor 50 unter dem Grenzwert und nach drei Tagen um den Faktor 100 liegen."

Der Matratzenverband kam daher schon kurz nach Bekanntwerden des Störfalls in Ludwigshafen zu einer positiven Schlussfolgerung: "Dies zeigt, dass sich mit der Zeit, vor allem in den ersten Tagen nach Herstellung, der gefährliche Stoff verflüchtigt. Wer dennoch Bedenken hat, dem kann es auch helfen, die Matratze oder den Schlafraum gut zu lüften, damit sich potenziell darin enthaltene DCB-Rückstände noch besser und schneller verflüchtigen, selbst wenn diese deutlich unter den Grenzwerten liegen."

Kritik übte der Matratzenverband nicht nur an BASF; die Branchenvertretung sah sich in der Verantwortung, nicht zuletzt auch Verbraucher umfassend, fair und verständlich zu informieren, die im zeitlichen Umfeld des Störfalls eine Matratze gekauft hatten. Doch lediglich ein Schaumhersteller habe auf die Fragen des Verbandes zeitnah und verbindlich geantwortet. "Bei allem Verständnis dafür, dass es Zeit in Anspruch nimmt, zuverlässige Untersuchungsergebnisse zu gewinnen, ist es einfach unschön, gar keine Antworten zu bekommen und es zeigt sich, wie weit die Hersteller von Schaumstoffen von den berechtigten Sorgen der Verbraucher entfernt sind", klagte Geschäftsführer Dr. Ulrich Leifeld. Und: "Vielleicht ist hier auch die Politik gefragt, zu erkennen, dass es nicht gut ist, wenn sich nur wenige, sehr starke Hersteller einen Markt teilen, in dem sie zum Verbraucher gar keinen Kontakt haben."

Neben dem Informationsdefizit seitens der Industriepartner beklagte Leifeld auch den "enormen Druck", den der Handel auf die Mitgliedsunternehmen des Matratzenverbandes ausgeübt hätten: "Statt besonnen zu reagieren und das genaue Ergebnis verlässlicher Untersuchungsergebnisse speziell für Matratzen abzuwarten, wurde zum Teil völlig verfrüht auf Rücknahme-Aktionen gedrängt." Und auch die Stiftung Warentest bekam ihr Fett weg, denn die habe aus Sicht des Verbandes falsche rechtliche Informationen verbreitet: "Die rechtliche Lage ist eben nicht so, wie von Stiftung Warentest kommuniziert, dass eine vorsorgliche Rückgabe oder Rückgabe aus Sorge als Grund ausreicht, um die Rücknahme von Matratzen zu fordern. Vielmehr besteht für Endkunden die Gefahr, auf den Kosten ihrer Matratzen sitzen zu bleiben, wenn diese übereilt und ohne berechtigten Grund zurückgegeben werden", so Leifeld. Die Informationen der Stiftung Warentest nannte er irreführend, zumal sie auch noch veröffentlicht wurden, nachdem die BASF darüber informiert hatte, dass von Matratzen keine Gesundheitsgefahr ausgehe.
aus Haustex 11/17 (Wirtschaft)