Gardinia Home Decor GmbH
"Gardinia tut alles dafür, dass sich der Handel der Veränderung durch den E-Commerce stellt"
Gardinia Home Decor bedient mit seinen drei Marken Gardinia, Alugard und Klöckner unterschiedliche Vertriebskanäle. Prokurist Sven Heidemann erklärt die Strategie und nimmt auch zum Thema Hausmesse und der Produktion in Polen Stellung.
BTH Heimtex: Herr Heidemann, Gardinia Home Decor wird diesmal nicht auf der Heimtextil-Messe in Frankfurt ausstellen. Warum haben Sie sich dagegen entschieden?
Sven Heidemann: Wir registrieren seit Jahren sinkende Zahlen bei den nationalen Besuchern und hatten dadurch immer weniger Neukunden-Kontakte. Also war der Messauftritt eine reine Imagepflege und dann stellt sich die Frage: Wie viel darf Imagepflege kosten? Nun ist zu erwarten, dass im R+T-Jahr 2018 die Besucherfrequenz in Frankfurt nochmals heruntergeht. Das waren die Beweggründe, gemeinsam mit einigen Teilnehmern aus dem Verband innenliegender Sicht- und Sonnenschutz (ViS) ein Jahr auszusetzen.
Wir bekennen uns weiterhin zur Branchen-Leitmesse in Frankfurt und planen wieder als Aussteller hinzugehen. Ich will aber für eine Teilnahme 2019 keine endgültige Zusage geben.
BTH Heimtex: Warum zögern Sie noch?
Heidemann: Der Grund dafür ist die erfolgreiche Hausmesse im Herbst in unserem Vertriebs- und Marketingzentrum in Bünde (siehe Seite 173). Wir hatten alle Einkäufer hier und es gab viel Zeit für Kundengespräche. Durch den frühen Zeitpunkt der Hausmesse können wir zum Marktstart mit den neuen Produkten beim Kunden sein und nicht erst Mitte des Jahres, wie es oft der Fall war, wenn wir im Januar in Frankfurt ausstellten. Deshalb kann man auch reflektieren, ob ein aufwändiger Messeauftritt noch nötig ist
Wir werden auch nicht an der R+T teilnehmen. In Stuttgart steht vor allem der außenliegende Sonnenschutz im Fokus, den wir nicht abdecken. Wir waren 2009 das letzte Mal da, haben aber unsere Einkäufer nicht "gefunden".
BTH Heimtex: Wenn jedes Unternehmen seine eigene Hausmesse veranstaltet oder mit Roadshows unterwegs ist, wie soll der Fachhandel die vielen Termine wahrnehmen?
Heidemann: Ein Fachhändler hat ja meist nur ein oder zwei feste Sonnenschutz-Lieferanten. Natürlich bekommt er auf einer großen Messe einen besseren Marktüberblick. Aber es gibt zusätzlich noch Regionalmessen und die Verbände haben ebenfalls ihre eigenen Veranstaltungen, die besucht werden können. Wir werden zudem unsere Kunden über unseren Außendienst regelmäßig mit Informationen und Innovationen versorgen. Ich glaube nicht, dass die Teilnahme an Messen zukünftig über die Marktrelevanz eines Unternehmens entscheiden wird.
BTH Heimtex: Für die Heimtextil 2019 ist die Zusammenlegung der beiden Ausstellungsbereiche Sun und Window geplant. Wenn dann nur wenige Sonnenschutz-Firmen Präsenz zeigen, schwächt das nicht die Branche?
Heidemann: Es ist sicherlich so, dass die Sonnenschutz-Branche dann ein wenig aus dem Fokus gerät. Es sind Gesamtlösungen gefordert, wie es zum Beispiel die Initiative Textile Räume mit "Gib dir Stoff" vorgemacht hat. Das kostet natürlich Geld, das allerdings erst verdient werden muss...
BTH Heimtex: Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Marksituation in der Sonnenschutzbranche?
Heidemann: Die Marktlage ist derzeit extrem dynamisch. Wenn wir einerseits die stark negativen GfK-Zahlen sehen, auf der anderen Seite einen boomenden Onlinehandel verzeichnen, müssen wir uns diesen Marktverschiebungen stellen. Insgesamt tut sich der Bereich Innendekoration im stationären Handel auf der gesamten Fläche sehr schwer.
BTH Heimtex: Gardinia Home Decor hat 2016 insgesamt 120 Mio. EUR umgesetzt. Wie entwickeln sich Ihre drei Sparten Alugard (Fachhandel), Gardinia (DIY) und das SB-Label Klöckner (Möbelhandel)?
Heidemann: Mit Alugard sind wir im Augenblick zufrieden. Im Maßgeschäft stehen wir bei einer Null, während wir im DIY-Bereich ein kleines Minus verzeichnen. Aber unsere Zahlen sind immer noch deutlich besser als der Gesamtmarkt. Der Möbelbereich ist für uns weiterhin ein schwieriges Thema, denn auch hier werden die Flächen immer kleiner. Nach der Übernahme der Marke Klöckner 2014 haben wir viel in Bestände und in die Korrektur des Markenimages investieren müssen. Diese Investitionen bekommen wir nur langsam zurück.
BTH Heimtex: Kommen wir zu Ihren Exportaktivitäten. In welchen Ländern verkaufen Sie besonders gut, wo läuft es schwieriger?
Heidemann: Wir sind traditionell sehr stark in Osteuropa unterwegs, etwa in Polen und Tschechien. Nachdem wir in den vergangenen Jahren eine schrumpfende Nachfrage erlebt haben, drehen die ersten Märkte schon wieder ins Positive, so dass wir erfreulichen Rückenwind haben. Selbst in der Ukraine hat sich die Lage etwas stabilisiert.
BTH Heimtex: Welche Bedeutung hat für Sie das Thema E-Commerce?
Heidemann: Onlineshops sind für unsere Branche eine spannende Herausforderung. Wir gehen aber nicht selbst an den Markt, sondern verkaufen die Produkte über große Versandhändler im Internet, zum Beispiel Otto oder Amazon. Dadurch verändert sich auch das klassische Marketing. Denn wir müssen Ware vermarkten, die man nicht mehr anfassen kann. Wir haben uns hier eine gute Startposition erarbeitet, weil wir früh Erfahrungen gesammelt haben, die wir jetzt einbringen können.
Der Onlinehandel ist kompliziert. Es ist nicht so, dass man heute eine Seite aufschaltet und im nächsten Jahr Millionen umsetzt. Nicht wenige sehr preisaggressive Internet-Anbieter haben sogar den Markt bereits wieder verlassen.
BTH Heimtex: Vor einem Jahr haben Sie E-Commerce-Inhalte für die DIY-Marke Gardinia vorgestellt: Montage-Videos, B2B-Shop und Online-Shops/Partner-B2C. Was ist aus dieser PoS-Strategie geworden?
Heidemann: Es handelt sich dabei um unsere Vision 2020. Wir haben versucht, das gesamte DIY-Sortiment digital darzustellen. Produkte, die nicht live auf der Verkaufsfläche gezeigt werden, sind online bestellbar. Es geht darum, den unendlichen Regalen im Internet etwas entgegenzusetzen. Der Endverbraucher soll das Gefühl haben, dass er die gesamte Marktbreite des Angebots gesehen hat.
Mit unserem Konzept sind wir dem Handel aber weit voraus. Wir haben einige Testmärkte eingerichtet und alleine die Online-Verbindung am Verkaufsregal war eine unüberwindbare Hürde, weil kein WLAN vorhanden war.
Es ist ein schmaler Grat: Für einige Filialisten ist das die ideale Strategie, andere wiederum setzen ganz bewusst darauf, dass Ware real verfügbar ist, um gegenüber dem Onlinehandel im Vorteil zu sein. Man muss mehrere Wege gleichzeitig betreten, um in jeder Form gerüstet zu sein. Wir tun alles dafür, dass sich der Handel der Veränderung stellt.
BTH Heimtex: Gilt das E-Commerce-Konzept auch für die Marke Alugard?
Heidemann: Nein, Alugard ist ein reines Fachhandelsthema. Wir werden in Zukunft sicher die Informationen digital bereitstellen. Aber die Produkte können aufgrund der Vielfalt der Ausprägungen, Kniffe und technischen Details nur durch den Fachhändler persönlich vertrieben werden.
Für den Fachhandel ist Online aktuell kein Thema. Unsere in Zusammenarbeit mit der Gruppe Nymphenburg erstellte Konsumstudie zeigt jedoch, dass zwischen 55 und 65 % der Verbraucher sich online informieren, aber offline kaufen. Dann sollte der Raumausstatter aber auch besser herausstellen, warum das Produkt bei ihm teurer ist.
BTH Heimtex: Sie haben Ende 2015 die Produktion von Maß- und Serienrollos von der Zentrale in Isny in Ihr polnisches Werk in Domaslaw verlagert. War der Schritt im Rückblick richtig?
Heidemann: Ja, der Schritt war richtig. Wir sind natürlich nicht glücklich darüber, dass wir uns von Mitarbeitern trennen mussten. Aber wir haben sozialverträgliche Lösungen gefunden. Die Startphase haben wir sehr positiv hinter uns gebracht und die Produktion ist mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Produktionsstrategie.
BTH Heimtex: Wie läuft es an Ihrem Hauptsitz ist in Isny im Allgäu mit seinen 30.000 m
2 Lagerfläche?
Heidemann: Der Standort ist sicher und unverrückbar. Logistisch wird Isny sogar an Bedeutung gewinnen. Durch den Onlinehandel verschicken wir im Namen unserer Versandhandelskunden jetzt einzelne Pakete an Endkunden - Stichwort: Drop-Shipment -, was im Vergleich zu den früheren Euro-Paletten mehr Kapazitäten bindet. Auch sind einige Märkte in Osteuropa durch verbesserte logistische Infrastruktur heutzutage von Isny aus erreichbar.
BTH Heimtex: Blicken wir auf die einzelnen Produktgruppen im Maßgeschäft. Wie verläuft hier die Entwicklung?
Heidemann: Plissee ist ein starker Bereich und wir konnten die Zahlen vom Vorjahr halten. Bei der Aluminiumschiene sehen wir weiterhin eine sehr gute Perspektive, insbesondere im Objektbereich. Das Rollo-Geschäft ist stabil, wobei das Doppelrollo ein wenig verloren hat. Hier setzen wir auf unsere neue Rollo-Kollektion, die Anfang 2018 erscheinen wird. Die Bereiche Jalousien und Vertikallamellen zeigen sich im Augenblick weniger dynamisch und stehen beim Endkunden weniger im Fokus. Aber die Flächenvorhangtechnik mit unseren Aluschienen ist weiterhin sehr erfolgreich, während sich die Gardinenstangen auf Maß aufgrund puristischer Einrichtungstrends am Markt eher schwer behaupten.
BTH Heimtex: Wie sieht Ihr Ranking beim Sonnenschutz für den DIY-Markt aus?
Heidemann: Hier verhält es sich mit den Plätzen eins und zwei umgekehrt: Rollo und Doppelrollo sind stärker, wobei das Plissee dynamisch wächst. Die Jalousie ist etwas rückläufig zugunsten des deutlich dekorativeren Plissees.
BTH Heimtex: Nachhaltig hergestellte Produkte sind ein wichtiges Zukunftsthema. Auch bei Ihnen und Ihren Abnehmern?
Heidemann: Das ist bei uns nicht "das" große Thema und auch beim Handel nicht. In dem Moment, wo nachhaltige Produkte mehr Geld kosten, gerät der Umweltaspekt aus dem Fokus.
Unsere Branche muss damit punkten, dass der Sonnenschutz dekorativ und schön ist. Wenn der Artikel einmal am Fenster hängt, spielt die Herstellung und Entsorgung eine nachgelagerte Rolle.
Wir halten uns natürlich an europäische Standards wie Oeko-Tex für schadstoffgeprüfte Textilien oder die REACh-Verordnung. Und auch unsere Artikel aus Fernost stammen alle von BSCI*)-zertifizierten Herstellern.
BTH Heimtex: Was aber im Trend liegt, ist automatisierter Sonnenschutz im Smart Home
Heidemann: Ja, das ist ein viel besprochenes Thema und wir müssen die Produkte anbieten. Wir haben akkubetriebene Rollos für den DIY-Bereich und auch Automatisierungslösungen im Maßbereich. Wir müssen sie nur noch verkaufen. Der letzte Sprung zum Endkunden bleibt bislang aus. Es ist ein Problem zu argumentieren, dass im DIY-Bereich ein 20-EUR-Rollo von einem 80 EUR teuren Motor angetrieben wird.
BTH Heimtex: Fünf Jahre in die Zukunft geblickt: Wo wollen Sie bis dahin mit Gardinia Home Decor stehen?
Heidemann: Der Baumarkt mit den dekorativen Sortimenten wird nicht weiter ohne konzeptionelle Anpassung gewinnen, der Möbelhandel wird eher profitieren und der Onlinehandel zweistellig wachsen. In unserem 5-Jahres-Plan gehen wir davon aus, dass der DIY-Markt um 5 % schrumpfen wird und wir das in anderen Kanälen kompensieren müssen. Bei den bestehenden Kunden wird sich der Markt also weiter konzentrieren und aus dem Onlinegeschäft werden sich neue Kunden entwickeln.
Das Interview führte Petra Lepp-Arnold.
*) Die Business Social Compliance Initiative (BSCI) ist eine wirtschaftsgetriebene Plattform zur Verbesserung der sozialen Standards in einer weltweiten Wertschöpfungskette. Die Organisation mit Sitz in Brüssel bietet Firmen die Übernahme oder Anlehnung an einen Verhaltenskodex an sowie ein systematisches Überwachungs- und Qualifikationssystem.
aus
BTH Heimtex 12/17
(Wirtschaft)