High Point Market, High Point
US-Teppichanbieter haben die Möbelhäuser im Visier
von Stephen Landrigan
Zweimal jährlich, im Frühling und im Herbst, machen sich US-amerikanische Möbelhändler auf den Weg an der Ostküste der Vereinigten Staaten in eine verschlafene Stadt in North Carolina, um dort an der weltgrößten Einrichtungsmesse teilzunehmen. Sie findet in mehreren Messehallen, alten Warenhausgebäuden und umfunktionierten Möbelfabriken der Stadt High Point statt, früher das Zentrum der US-amerikanischen Möbelindustrie. Eine Woche lang zieht der High Point Market rund 100.000 Einkäufer, Innenarchitekten und Trendscouts für Einrichtungsbedarf in die Stadt.
Inzwischen geht die Messe in ihr 107. Jahr und zieht immer mehr Teppichhersteller und Großhändler an, die sich gern ein Stück vom milliardenschweren Umsatzkuchen der Einrichtungsbranche abschneiden würden. Die meisten haben vor etwa zehn Jahren ihren Weg nach North Carolina gefunden, als sie wegen der rezessionsbedingt schwachen Verkaufszahlen neue Märkte für sich erschließen mussten.
Mittlerweile verfügen viele der größten und ehrgeizigsten Hersteller über einen festen Standort in Highpoint - darunter Jaipur Home, Surya, Feizy Rugs, Nourison, Amer Rugs und Momeni. Aber auch andere Anbieter, die ihren Schwerpunkt eher auf Handknüpfteppiche gelegt haben, sind hier allmählich nicht mehr wegzudenken: zum Beispiel Amadi Carpets, Creative Touch, Tufenkian Artisan Carpets, Art Resources und New Moon Rugs. Und obwohl die Möbler bestimmt nicht zu ihren größten Kunden zählen, wächst deren Bedeutung in der Branche kontinuierlich. Deren Einkäufer lassen sich allerdings eher selten auf den etablierten Teppichmessen blicken.
Bezeichnenderweise waren viele der innovativsten Teppichdesigner wie Jan Kath, Jürgen Dahlmanns, Erbil Tezcan und Alisha Ahmadi (Ariana) nicht vor Ort: High Point ist zum größten Teil immer noch auf das starke mittlere Segment des amerikanischen Einrichtungsmarktes ausgerichtet. Möbelhändler sind hier in erster Linie auf der Suche nach Dingen, die sich harmonisch in die Wohnräume einfügen, und weniger nach ungewöhnlichen Eyecatchern. Auf der diesjährigen Domotex mögen zwar die Farben Einzug in die Teppichwelt gehalten haben; ganz bis nach High Point sind sie aber noch nicht gekommen.
"Am besten verkaufen sich unsere einfarbigen Teppiche", bemerkte Jaclyn Sion, Senior Manager bei Feizy. Darunter: viel Maschinenwebware und vor allem Teppiche in neutralen Wohlfühltönen - mutiger als Petrol wurden die Farben nicht. Und so unaufgeregt sich die Designs auch gaben - offenbar hatte Feizy den Markt genau richtig eingeschätzt, dafür sprachen jedenfalls die sehr guten Verkäufe.
Ein großer indischer Teppichanbieter, der nicht namentlich genannt werden will, gab an, er würde seine aktuelleren, gewagteren Designs lieber anderswo vorstellen. "Wir zeigen sie zunächst auf der Domotex und ein Jahr später erst in High Point; in der Zwischenzeit muss der amerikanische Markt langsam auf sie aufmerksam werden."
Andererseits zeigte Shashi Tiwari vom Anbieter Chandra sehr innovative Flachgewebe: Dünne Lederstreifen, zum Teil mit silber- oder goldfarbener Beschichtung, durchziehen das schwarze Baumwollgewebe - ein beeindruckender Blickfang, gerade im Chandra-Showroom mit seinen sehr eleganten Möbeln. Die im indischen Varanasi gefertigten Kreationen bildeten in High Point allerdings eine designtechnische Ausnahme.
Viele Teppichanbieter in High Point brüsten sich in den PR-Materialien mit ihren vielen Kollektionen und Designs. Und obwohl diese Aussteller vielleicht wirklich viel Masse zu bieten haben, ist die Bandbreite doch eine relativ geringe und beschränkt sich offenbar meist auf das, was am Markt derzeit stark nachgefragt wird.
Yogesh Chaudhary von Jaipur Home hat es sich in High Point unter anderem zum Ziel gesetzt, die Einkäufer aufzuklären. "Ich sehe es als unsere Verpflichtung, Endverbraucher so weit zu informieren, dass sie den Anbietern ganz grundlegende Fragen stellen: zum Beispiel warum sie für einen handgeknüpften Teppich mehr ausgeben sollten als für einen maschinengewebten, der ja auf den ersten Blick sehr ähnlich aussieht, aber nur einen Bruchteil kostet. Wir müssen unser Wissen unbedingt weitergeben."
Auch zu diesem Zweck hat Jaipur eine gut besuchte Tee-und-Diskussionsrunde veranstaltet und dabei im Rahmen einer hervorragend gemachten Präsentation seine Produktionsmethoden vorgestellt. Wie viele andere Anbieter, die mit Handknüpfteppichen in den Markt eingestiegen sind, hat auch Jaipur vor drei Jahren sein Angebot um verschiedene Maschinenwebqualitäten erweitert. Darunter Teppiche, deren Garn aus recycelten Wasserflaschen gewonnen wurde und die auf die Durchgänge zwischen den Messegebäuden gelegt wurden. Dort hielten sie den heftigen Regengüssen während der Messe bemerkenswert gut stand. Inzwischen haben die Maschinenwebteppiche bei Jaipur einen Anteil von 20% erreicht. "In drei Jahren sind wir schon bei 40%", prophezeite Yogesh Chaudhary.
In High Point werden die Teppiche meist im Rahmen einer Einrichtungssituation gezeigt und eher selten an Ständern oder auf Stapeln. Viele größere Unternehmen - allen voran Surya, dicht gefolgt von Nourison, Kaleen Rugs, Loloi Rugs und Feizy Rugs, haben das Potenzial dieser Präsentationsform erkannt und versuchen entsprechend immer stärker auch im Möbelhandel Fuß zu fassen. Dabei geht es darum, den Teppich stärker in den Blickwinkel derjenigen Endverbraucher zu rücken, die ohnehin gerade über eine neue Einrichtung nachdenken.
Surya ist sogar noch einen Schritt weiter gegangen: Der Anbieter hat sein Angebot um Homeaccessoires erweitert, und so nahmen in seinem Showroom in High Point Dinge wie Beleuchtungslösungen, Spiegel, Wanddekorationen oder Kissen viel Raum ein. Für Teppichgroßhändler ist das eine ganz natürliche Entwicklung; schließlich gibt es immer weniger reine Teppichgeschäfte, also gilt es neue Kundengruppen zu erschließen.
"Wir müssen unsere Marketing- und Verkaufsstrategien für Teppiche ständig weiterentwickeln", bringt es Murtaza Ahmadi (Amadi Carpets) auf den Punkt. In High Point hat er sich mit zwei bekannten High-End-Möbelanbietern zusammengeschlossen: Die hochwertigen Handknüpfteppiche seines Familienunternehmens waren in den Showrooms von Tomlinsons Furniture und Verellen, Inc., zu sehen. Dort unterstrichen sie die Wirkung der imposanten Sofas, Sessel und Couchtische der beiden Anbieter; einige der Teppiche hängte er auch an die Wände.
"Man kann vorher schlecht einschätzen, wie die Dinge ankommen", räumte Murtaza Ahmadi ein. "Wir sind ja dieses Jahr zum ersten Mal hier vertreten, und einer alten Teppichhandelsweisheit zufolge kann man erst beim fünften Mal mit richtigen Verkäufen rechnen. Also warten wir erst mal ab." Trotzdem ist es ihm gelungen, zwei raumgroße Teppiche an einen Innenarchitekten zu verkaufen, dem das Zusammenspiel mit den Möbeln besonders gut gefallen hat.
Innenarchitekten stellen in High Point übrigens einen großen Teil der Fachbesucherzahl. Ganz früher haben sie ihre Teppiche durchaus noch von Facheinzelhändlern vor Ort gekauft, doch als vor etwa zehn Jahren das Geld knapp wurde, kamen immer mehr von ihnen nach High Point, um dort direkt beim Großhandel einzukaufen.
"Im Jahr 2008 war das noch nicht so deutlich; da hat ja sowieso kaum jemand etwas gekauft", erklärte Rob Leahy, Inhaber des Einzelhandelsgeschäfts Fine Rugs of Charleston in South Carolina, der früher auch in High Point ausgestellt hat. "Diese Entwicklung hat sich erst um 2012 oder 2013 herauskristallisiert, als das Geschäft wieder angezogen hat. Dabei ist es einigen Einzelhändlern durch herausragenden Service gelungen, den Kontakt zu ihren Innenarchitekten zu halten. Oder aber sie konnten sie nach schlechten Erfahrungen mit Großhändlern zurückgewinnen, die ihnen zum Beispiel völlig verknüllte Teppiche geliefert hatten. Daraus haben die Innenarchitekten dann gelernt, dass auf ihre Einzelhändler Verlass ist." Trotzdem pilgern die Innenarchitekten heute in Scharen nach High Point: um aktuelle Trends aufzuspüren und um einzukaufen.
Übrigens haben hier einige Teppichgroßhändler sogar ein hervorragendes Geschäft gemacht, obwohl sie die Trends augenscheinlich links liegen gelassen haben: zum Beispiel New Moon Rugs aus Wilmington, Delaware, deren Tibet-Handwebteppiche sich nur periphär an den allgemeinen Designtrends der Branche orientieren. "Bei New Moon hatten wir noch nie Angst vor Farbe", erklärte Josephine Kurtz. Dazu ihre Schwester Erika Kurtz: "Unseren Erfahrungen nach kaufen viele Innenarchitekten zwei unterschiedliche Teppichtypen für ihre Kunden. Für die wichtigeren Räume wie etwa das Wohnzimmer, in dem auch Gäste empfangen werden, kaufen sie höherpreisige Handknüpfteppiche. Für das Schlafzimmer wiederum reicht dann auch etwas weniger Kostspieliges."
Der Anbieter Southwest Looms aus Chapel Hill (North Carolina) präsentierte eine Kollektion mit sehr traditionellen afghanischen Teppichen, die nach eigenen Entwürfen in kräftigen Farben und mit ausdruckskräftigen Designs gefertigt wurden. Dazu Inhaber Doug Lay: "Wir freuen uns, wie gut die Teppiche ankommen. Bisher haben wir damit schon viel Aufmerksamkeit erregt; die Ware wurde auch sehr gut verkauft." Jetzt will Lay die Kollektion erweitern.
Auch Tamarian Carpets mit Hauptsitz in Baltimore ist immer seinem eigenen Designgespür gefolgt. Laut Key Account Manager Ned Baker wendet sich sich die Nepal-Kollektion des Anbieters im Kern an die Generation Y, also an diejenigen, die in den 1980er- oder 1990er-Jahren geboren wurden und mit dem Internet aufgewachsen sind. "Diese Menschen interessieren sich stark für Handgefertigtes, zum Beispiel auch für kleine regionale Brauereien. Teppiche haben sie noch nicht so richtig für sich entdeckt, wahrscheinlich verstehen sie sie auch noch nicht so richtig. Aber das kommt schon noch, und dabei müssen wir ihnen helfen."
Im Market-Square-Gebäude, einer ehemaligen Möbelfabrik, befinden sich heute mehrere Showrooms. Die eine Seite hatte Baki Ildiz von Creative Touch voll im Griff: Während andere Anbieter innen auf Kunden warteten, war Ildiz ständig in Bewegung und kümmerte sich um die vielen Einkäufer, die nach ihm suchten. Dabei zeigte er ihnen sein gesamtes Angebot: von den sehr traditionell gestalteten Teppichen in kräftigen Tönen, die Creative Touch noch vor zwölf Jahren hat fertigen lassen, bis hin zu ihren aktuellen Designs.
"Hier verkaufen wir alles", erklärte Ildiz mit seinem typischen strahlenden Lächeln. "An High Point gefällt mir besonders, dass Einkäufer hier durchaus ganz unterschiedliche Teppichtypen finden. Für das Angebot gibt es keine Einschränkungen, das finde ich gut." Dann entschuldigt er sich, um mit dem nächsten Einkäufer zu sprechen, der schon wartet.
Allerdings hat die politische Entwicklung in Amerika deutliche Auswirkungen auf die Messe: Im Vergleich zum letzten Jahr hatten sich 9 % weniger Besucher aus dem Ausland für die Messe registriert. Tom Conley, CEO der High Point Market Authority, führte das erstens auf die Aufruhr um die Einschränkungen für Anreisende aus dem Mittleren Osten zurück, die die Regierung Trump eingeführt hat. Und zweitens hätten internationale Besucher nur sehr zurückhaltend Visa für die Einreise in die Vereinigten Staaten beantragt. Etwa 10% der Messebesucher reisen aus dem Ausland nach High Point.•
aus
Carpet Magazin 03/17
(Wirtschaft)