Reuber Henning
Modern, nicht modisch
Nach dem Zufallsprinzip angeordnete Streifen, spontane Linienmuster und sich überlagernde Strukturen: Die Berliner Teppichdesigner von Reuber Henning schaffen keine lauten Modegags für den Boden, sondern Klassiker von morgen - lässige handgefertigte Teppiche aus nachhaltiger Produktion und mit künstlerischem Anspruch. Das kommt auch im Objekt gut an.
Eine Reinigungskraft schrubbt eine Installation des Künstlers Joseph Beuys sauber; eine Rentnerin füllt im Neuen Museum Nürnberg ein Kreuzworträtsel-Kunstwerk aus. Man kann sich nicht immer sicher sein, was genau Kunst ist und was eigentlich weg kann. Bei den Designs des Berliner Labels Reuber Henning allerdings schon. Die handgefertigten Teppiche haben einen hohen künstlerischen Anspruch und fügen sich gleichzeitig so harmonisch ins moderne Wohnumfeld ein, dass klar ist: Sie sind gekommen, um zu bleiben. Erstens, weil die Teppiche und Flachgewebe aus hochwertigem Material so sorgfältig verarbeitet sind, dass sie mehrere Leben lang halten. Und zweitens, weil die zeitgenössischen Designs der Berliner die jahrhundertealte Teppichtradition nie aus dem Blick verlieren. "Was heute gut aussieht, soll übermorgen ein moderner Klassiker sein", erklärt Geschäftsführerin Franziska Reuber, die den Teppich als "modernes Herdfeuer" im Wohnbereich sieht: einen Ruhepol, der Wärme spendet und Sicherheit gewährt. Und der im Gegensatz zu vorübergehenden Modeerscheinungen lange gefällt.
"Teppiche sind die ältesten beweglichen Möbel", heißt es bei Reuber Henning: Sie dienten früher als Schlaf- und Sitzgelegenheit, hatten neben ihrer optischen Wirkung also auch einen ganz konkreten Nutzen. Dieser Tradition bleiben die Berliner treu: Ihre Teppiche machen sich nicht selbst zur Hauptattraktion des Raumes, sie passen sich ein - sie harmonieren, statt zu dominieren. Hauptzielgruppe ist der Fachhandel; mit ihren neuen Flachgeweben wollen die Berliner auch verstärkt den gehobenen Möbelhandel ansprechen.
Step-Label für Nachhaltigkeit
Neverland, Shallow, 4-Minute Rug - die Namen der Teppiche deuten es schon an: Bei ihren Designs setzt das Gestalterteam um Franziska Reuber und Birgit Krah auf "sinnlichen Minimalismus, humorvolle Zitate aus Kunst und Pop-Kultur und eine Brise femininer Poesie".
Bei der Herstellung wiederum legt man Wert auf eine nachhaltige Produktion. Alle Reuber-Henning-Teppiche tragen das Label Step: Die Schweizer Non-Profit-Organisation setzt sich für gute Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in den Produktionsgebieten ein, insbesondere für angemessene Löhne, den Ausschluss von Kinderarbeit und umweltverträgliche Produktionsmethoden.
"Bei der Auswahl unserer Manufakturen war uns eine familiäre Atmosphäre sehr wichtig - und dass man sich speziell mit Maßarbeit auskennt", erklärt Franziska Reuber. Denn die Reuber-Henning-Teppiche entstehen als Einzelbestellungen, nicht als Massenware. Regelmäßig reist man in die Herstellungsländer Nepal (Knüpfteppiche) und Indien (Flachgewebe), um neue Ideen und Techniken weiterzuentwickeln.
Reuber Henning, das sind drei engagierte Berliner: die Geschäftsführer und Inhaber Franziska Reuber (vormals Henning) und Thorsten Reuber sowie Birgit Krah, die gemeinsam mit Franziska Reuber für Design und Marketing zuständig ist und sich außerdem um Vertrieb und Kommunikation kümmert. Franziska Reuber hat darüber hinaus die Produktion im Blick, Thorsten Reuber die Unternehmensstrategie.
Teppiche, die die
Handarbeit erkennen lassen
Zufälle, charakteristische Unregelmäßigkeiten und die Natur prägen den Look typischer Reuber-Henning-Teppiche. Die Farben erscheinen nicht durchgehend homogen, sondern zeigen einen lebendigen Abrasch, in dem man die Handarbeit erkennt. Das Design spielt mit dem Unperfekten; gleichzeitig ist jedes Exemplar ein perfekt gearbeitetes Einzelstück.
Ganz neu: Flachgewebe
gestreift und monochrom
Ganz neu im Reuber-Henning-Programm sind die Flachgewebe aus reiner Schurwolle, mit denen sich die Berliner auch verstärkt an den gehobenen Möbelhandel wenden. Zum einen als flache Variante der bestehenden Nepal-Knüpfkollektion Stripes. Die neuen handgewebten Streifen kommen aus Indien und vereinen bis zu 40 Farbtöne auf einem Teppich. Harmonisch und gleichzeitig so lebhaft, dass man gern ein zweites, drittes und viertes Mal hinschaut. "Zufall" heißt der geniale Designer dieser Kollektion, dem die Farbfolge auf dem Streifenteppich überlassen wurde. Erhältlich sind sie in verschiedenen Farbfamilien von Grau (Grauland) über Grün (Woodland) bis hin zu Gelb und Rot (Summerland, Loveland). "Der Färbeprozess für die 40 verschiedenen Töne pro Teppich ist so anspruchsvoll und aufwendig, dass er mehr Zeit in Anspruch nimmt als das eigentliche Weben", erklärt Franziska Reuber. Erhältlich sind die Stripes-Flachgewebe in fünf Größen von 170 x 240 cm bis 300 x 400 cm.
Ebenfalls flachgewebt und ab Ende dieses Jahres lieferbar: eine monochrome Serie in einem äußerst breiten Farbspektrum und unterschiedlichen Ausführungen bis hin zu sehr hochwertigen, feinen Qualitäten. Laut Reuber Henning lassen sich diese perfekt mit den Knüpfteppichen der Berliner kombinieren.
Die Knüpfkollektionen:
Streifen, Striche und Strukturen
Sofern man bei Reuber Henning überhaupt von "den" Knüpfteppichen sprechen kann: Die Kollektionen sind ausgesprochen vielseitig und decken ein Spektrum von wohnlich-dezent bis hin zu fröhlich-verspielt ab. In Nepal gefertigt, kommen dabei Tibet-Hochlandwolle, Seide und Nesselfasern zum Einsatz.
Stripes
Die "Mutter" der nach dem Zufallsprinzip gestreiften Flachgewebe ist eine Knüpfkollektion aus Wolle und Seide, die sogar bis zu 70 Farben in einem Teppich vereint - und die darüber hinaus mit jeweils leicht versetzten Streifen und sanftem Schachbrettmuster ("Checker") erhältlich ist.
As Simple As
"So einfach wie" lautet die deutsche Übersetzung des englischen Kollektionsnamens. Die Designs sind schlicht und gleichzeitig wirkungsvoll - durch dezente Farbspiele im Flor, durch kontrastfarbene Abschlüsse, durch großflächige Designs. Hier steht die Wirkung der Farbfläche im Vordergrund.
Texture
Verwaschene Flächen, überdeckte Strukturen und Designs, die an Luftaufnahmen von Gebirgen, Wüstenlandschaften und Seen erinnern, zeigt die Serie Texture aus Wolle und Seide.
4-Minute Rug
Auf die Plätze - fertig - los! Die Entwürfe dieser Serie sind in jeweils höchstens vier Minuten entstanden, weil sich der freie unkontrollierte Strich unter Zeitdruck ganz natürlich entfaltet. Das Ergebnis: Designs voller Spontaneität und Lebensfreude.
Das Objektgeschäft: vom
UN-Hauptquartier bis zum Motel One
Für den Teppich im Allgemeinen gewinnt das Objektgeschäft an Bedeutung. Für Reuber Henning im Speziellen sowieso. Die Entwürfe der Berliner schmücken Wände und Böden. An besonders prominenter Stelle im Quiet Room des UN-Hauptquartiers in New York. Dort bildet der eigens für den Konferenzraum entworfene, 36 Quadratmeter große Teppich "Sprung in die Wolken" eine Silhouette des deutschen Nadelwaldes ab, geknüpft aus Wolle und Seide. Der Teppich ist eine Schenkung des Auswärtigen Amtes an die UN.
Über elftausend Kilometer weiter südöstlich, in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba, hängt eine weitere Sonderanfertigung: Zwei Wandteppiche in der Deutschen Botschaft zeigen überdimensionale Kaffeepflanzen, das wichtigste Exportgut des Landes.
Nur einen Steinwurf vom Berliner Showroom entfernt, in Krampnitz bei Potsdam, liegt der Teppich Shallow Luna von Reuber Henning. Mit seinen zurückhaltenden Grautürkistönen schmückt er die Antivilla des Berliner Architekten Arno Brandlhuber, die ganz auf schnörkellosen DDR-Industriecharme setzt.
Unter den "boden"ständigeren Projekten: Teppiche für die Hotelketten Motel One und Mercure. Mit Handtuft-Qualitäten aus Thailand und Indien kann Reuber Henning Objektkunden schnell und individuell bedienen.•
aus
Carpet Magazin 03/17
(Wirtschaft)