Teppiche auf der Domotex, Hannover

Handmade-Look und sanfte Töne


Kurze Wege, neue Strukturen, viele Inspirationen hat die Domotex für 2018 versprochen, und überhaupt wohnt jedem (Neu-)Anfang ja ein Zauber inne. Ein besonders großer ging von der neu und ausgesprochen schön gestalteten Halle 2 (klassische Knüpfteppiche) aus. Im Maschinenwebbereich ist die Technik inzwischen so weit, dass das Ergebnis (fast) wie Handarbeit aussieht. Dezente Farben und subtile Oberflächenstrukturen sind hier gefragt - ebenso wie bei den handgeknüpften Designerstücken in der Lifestyle-Halle 9. Der Teppich, der alle Trends zusammenfasst, wäre diesmal der recyclingfähige maschinengewebte pastellfarbene Berber mit Fransen.

Die Domotex hat umstrukturiert. Und das hat einer Warengruppe offenbar besonders gut getan: dem handgefertigten klassisch gemusterten Knüpfteppich. Der nahm die Einkäufer gleich am Eingang Nord in Halle 2 in Empfang, und zwar in seiner vollen Pracht: bunt, lebendig, vielseitig ... und gleichzeitig übersichtlich, ansprechend und inspirierend gestaltet. Dadurch, dass viele Importeure und Großhändler ihre Stände wegen der Umbelegung der Messehallen völlig neu konzipieren mussten, hatte der Bereich einen "angenehm aufgeräumten Basarcharakter" erhalten: Teppichstapel gab es zwar immer noch, aber auch viele ansprechend dekorierte Wände, Ecken und Nischen. Und auf den ersten Blick wurde klar, dass Orientteppiche weit mehr sind als "rote Ware", dass traditionelle Handarbeitstechniken sich sehr gut mit kreativen neuen Ideen vereinbaren lassen. Davon zeugte etwa der stilvoll-edle Auftritt von Amini/ABC Italia direkt am Eingang oder das große, farbenfrohe Angebot von F+H Farhadian (Schwerpunkt iranische Gabbeh und Loribaft) gleich daneben. Rezas aus Dänemark zeigte "50 % mehr moderne Teppiche als im Vorjahr - und die Kunden waren begeistert". Demgemäß soll die moderne, skandinavisch inspirierte Produktion weiter ausgebaut werden.

Der ebenfalls iranische Exporteur Nishaburi zeigte sich auf seinem geschmackvollen neuen Stand von einer besonders modernen Seite. "Man muss mit Elan auf die jüngere Generation zugehen", hatte Nasser Nishaburi im Vorjahr gesagt; jetzt macht er vor, wie es funktionieren kann: mit einem Re-Branding in Richtung organisch-grafische Dessins (natürlich handgearbeitet) an einem in hellen Farben gestalteten Stand. Ein eher seltener Anblick im Knüpfteppich-Angebot war hingegen der Mainstream-Perser vom Typus Bidjar oder Nain. Wer klassische Werkstattteppiche aus dem Iran zeigte, hatte hauptsächlich sehr hochwertige Ware im Gepäck - ausgesprochen fein geknüpft und aus Seide.

Große Vielfalt aus Afghanistan

Die größte Vielfalt tat sich diesmal in Sachen "Teppiche aus Afghanistan" auf: an den Ständen von Oritop und ABC Italia etwa mit Neuinterpretationen musealer Knüpfungen und Textilien wie Mamluks, Bucharas (mit großflächigen, farbigen Göls) oder Susanis in aktuellen Einrichtungs-Trendfarben. Afghan Bazar zeigte fröhlich-bunte Belutschteppiche und Afghan-"Shaggys", die ein bisschen an marokkanische Beni Ouarain erinnern. Auch Flachgewebe generell - und speziell afghanische Kelims - waren stark vertreten und gut nachgefragt. Gern mit Struktur, etwa partiell eingeknüpftem Flor oder erhabenen dickeren Webstellen.

Sehr schön gestaltet und immer gut besucht: der türkische Auftritt, organisiert durch die Exporteursvereinigung IHIB, inklusive Wettbewerb für junge Designer und eindrucksvolle Vorführungen rund um die Seidengewinnung und -verarbeitung.

Ungebrochen ist im Orientbereich der Vintage-Trend, der alten Knüpfteppichen neues Leben einhaucht. Nachdem die Patchwork-Phase weitestgehend abgeebbt ist, werden jetzt höherwertige, vor allem feine persische "vintagige" Stücke stark nachgefragt - mit einem gewissen Etwas: überfärbt, bestickt oder mit eingearbeiteten farbigen Puscheln. Ebru bietet eine sehr hochwertige Version mit farbig umstickten Löchern. Impulse für kreative Ideen rund um alte Teppiche gehen oft vom türkischen Anbieter Bereket Hali in Istanbul aus, dem "Erfinder des Patchworkteppichs". Und der zeigte auch diesmal, wo es in der Vintage-Zukunft langgehen könnte: mit seinen in ein Hanf-Flachgewebe eingearbeiteten alten Teppichfragmenten.

Berber, made in India

Was schon in der Halle 2 auffiel, setzte sich als Eindruck in den Hallen 3 und 4 fort: Sauber, übersichtlich und schön anzusehen waren die vielen kleinen, durch den indischen Exporteursverband CEPC unterstützten indischen Stände in Halle 3 - das kennt man aus den Vorjahren durchaus anders. Die größeren indischen Anbieter in Halle 4, darunter Agni und Global Overseas, überzeugten durch ein hohes Niveau der Präsentation, von dem sich so mancher europäische Anbieter eine Scheibe abschneiden könnte. Außerdem fielen deutlich weniger offensichtliche Kopien auf als in den Vorjahren. Dafür zu sorgen, dass gar keine mehr gezeigt werden, wäre eine wichtige zukünftige Aufgabe für die Messeleitung.

Naturtöne, Flachgewebe und strukturierte Oberflächen standen im Fokus der indischen Produzenten, dazu immer wieder Langflorteppiche im marokkanischen Stil: ein Thema, das sich grundsätzlich durch alle Bereiche von Handknüpf bis Maschinenweb zog. Das Thema Handloom wächst weiter; inzwischen werden die schnell und günstig gefertigten Hand-Maschinen-Hybridprodukte auch bedruckt und ziehen wohl künftig verstärkt in die Onlineshops ein.

Handknüpf modern: dezente Töne, bewegte Oberflächen

Natur- und Pastelltöne lautet die Devise im modernen Handknüpfbereich, der nun hauptsächlich in den Hallen 8 und 9 stattfand. Die dezenten, meist grafisch gemusterten Teppiche kombinieren gern Grau und Beige mit Rosé oder Gold und setzen als Spielfarben Blau-, Türkis- und Rotnuancen ein. Verläufe sind ein weiterer Trend im modernen Bereich. Und weil es hier farblich so zurückhaltend zugeht, muss die Bewegung auf der Oberfläche stattfinden - in Form dezenter Hoch-Tief-Strukturen, Matt-Glanz-Kontrasten, "sichtbarer" Haptik oder durch die Kombination verschiedener Handarbeitstechniken. Von Struktur und Griffigkeit lebt auch der Handwebbereich, der ebenfalls weiter zulegt; entsprechend versuchen immer mehr Anbieter auf diesen Zug aufzuspringen. Die Farb- und Strukturtrends bei den modernen handgefertigten Teppiche haben sich übrigens ebenso im Maschinenwebbereich durchgesetzt - ganz im Gegensatz zu früher, als beide Segemente noch sehr unterschiedliche optische Schwerpunkte zeigten.

Dass in den Hallen 8 und 9 nicht nur die Farbtöne ruhig waren, sondern es auch von der Besucherfrequenz her eher gemächlich zuging, hat wohl verschiedene Gründe. Zahlreiche Besucher kritisierten, dass die Maschinenwebhallen 5 und 6 wie eine Barriere fungierten, zwischen den eher "traditionsverhafteten" Handknüpfhallen 2 bis 4 und den modern orientierten Design-Handknüpfhallen 8 und 9. Nicht jeder hatte Zeit und Muße, die Maschinenwebhallen zu durchqueren, um auf der anderen Seite nach weiteren Handknüpfanbietern zu suchen; manche vermuteten nach Halle 4 sogar das Ende dieses Bereichs. Und viel zu wenige Besucher haben den von der Messe neu eingeführten kostenlosen Shuttleservice genutzt: eine tolle Neuerung eigentlich, die uneigentlich noch besser erklärt und beworben werden müsste.

Die Maschinenweber:
Perfect imperfection

Dafür, dass Maschinenwebteppiche handgefertigten Teppichen immer ähnlicher werden und schon lange nicht mehr aussehen wie lieblos produzierte Massenware, sorgen Webmaschinen- und Technologieanbieter wie Van de Wiele oder Stäubli. Neue Maschinen fertigen fotorealistische Webteppiche mit 2,5 Mio. Points und 16 Farben (Van de Wiele) oder Vintage-Teppiche mit überzeugendem Used-Look. Und neue Drucktechniken tragen die Dessins so auf, dass sie tief in den Teppichflor eindringen.

Den technischen Fortschritt machen sich die Maschinenweber zunutze. Bei Balta Home werden häufig Garne mit verschiedenfarbigen Fasern eingesetzt; das verleiht Uniflächen mehr Lebendigkeit und Tiefe. "Perfect imperfection" nennt Marc Dessein von Balta das Prinzip, ein Design inklusive kleiner Unregelmäßigkeiten so präzise durchzuplanen, dass es wirkt, als wäre der Look auf natürliche Weise entstanden, wie durch Zufall. Insgesamt setzt sich bei Uni-Teppichen der Trend zu melierten Faux-Uni-Farbflächen durch. Auch die wirken besonders natürlich, außerdem sind Verschmutzungen darauf nicht so schnell sichtbar. Die farblich lebendigen Garne werden immer häufiger durch Space-dye-Techniken erzeugt.

Handknüpf-Flair erhalten manche Maschinenwebteppiche durch angenähte Fransen - oder dadurch, dass bei der Cross-Woven-Technik die Schussfäden zu Fransen verarbeitet werden. Webteppiche werden immer weicher und dichter; der Flor ist aber deutlich kürzer als bei den inzwischen weitestgehend überholten Shaggys, die man nur noch im Einstiegssegment findet.

Eine Brücke zwischen Maschinenweb- und handgefertigten Teppichen schlägt beispielsweise der Anbieter Verbatex mit seinen sehr hochwertigen maschinengewebten Kollektionen aus und mit Schrumpf-Polyester, Viskose, Wolle und anderen Naturmaterialien. Die Belgier wenden sich im Kern an Händler, die sonst vor allem handgefertigte Textilien verkaufen.

Naturtöne, "Greenery"
und Recyclingfasern

Wie bei den modernen Designerteppichen sind auch bei der Maschinenwebware dezente Natur- und (warme) Grautöne am stärksten gefragt. Dazu kommen nach und nach auch satte, aber nicht zu grelle Farben wie ein tiefes Grün oder Indigoblau. Der "Greenery"-Trend rund um Gras, Natur und Grünpflanzen zeigt sich auf Maschinenwebteppichen mit oder ohne Flor, zum Beispiel auf den mit großen Blättern dessinierten Flachgeweben von Reinkemeier-Rietberg.

Der türkische Weber Merinos setzt verstärkt auf Polyesterfasern und Recycling-Garne: "Umweltverträglichkeit wird immer wichtiger; darauf legen unsere Kunden großen Wert", erklärt Geschäftsführerin Banu Kepekci. Der Anbieter zeigte eine Kollektion aus wiederverwertetem Polyester; in Zukunft will man Teppich-Recycling anbieten. In diese Richtung geht auch Balta mit seinen Single-Material-Qualitäten aus 100 % Polyester oder 100 % Polypropylen: eine gute Voraussetzung für die Wiederverwertung. Und das neu gegründete niederländische Unternehmen House of Modivia hat sich ebenfalls das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben. "Wir versehen jedes Produkt mit einem Pass, der über die Entstehungsgeschichte Auskunft gibt", erklärt die Designerin Sandra Baan.

Accessoires: Poufs und Felle

Irgendwann kommt alles wieder. Dieses Jahr heißt es "Hello again" für Felle und Poufs, für Fransen und Puschel. Die Felle sind schon etwas länger auf dem Einrichtungsmarkt: Zunächst waren sie als kurzhaarige Rinderhäute entweder im Stück oder als Patchworkteppich aufgetaucht; jetzt wünscht man sich längere Tierhaare und einen weicheren Griff. Das entsprechende Fell stammt in erster Linie vom Schaf oder wird als Webpelz dem Schaf-, Wolfs- oder Kaninchenfell nachempfunden.

In Sachen Webfell zeigte der chinesische Anbieter Jambros eine riesige Vielfalt verschiedener Farben, Formen, Dichten und Kunsthaarstrukturen: von kurzflorig bis zottelig, monochrom oder bicolor mit dunkleren Haarspitzen ("Silberwolf"), glatt oder leicht gelockt im Hippie-Stil. Auf der Domotex präsentierte man die ganze Musterpalette; anhand des Besucherfeedbacks legt der Anbieter dann fest, wohin die Reise gehen soll.

Auch Accessoires aus Echt- und Webfellen waren in Hannover ein Riesenthema: Golze und Reinkemeier-Rietberg zeigten Fell-Kissen und -Poufs. Überhaupt, Poufs: Die Sitzkissen waren "das" Messe-Accessoire schlechthin, ebenso aus anderen Materialien wie Flachgeweben, Knüpfteppichen oder aus dickem Garn gestrickt. Praktisch: Poufs sind (meist gut bezahlbare) Mitnahme-Artikel und damit Frequenzbringer, die der Teppich-Einzelhandel ja dringend benötigt.•
aus Carpet Magazin 02/18 (Wirtschaft)