Interview des Monats: Frankenstolz, Mainaschaff

"Wir sind wahrscheinlich der Einzige, der in dieser Breite komplett in Deutschland produziert


Mit dem Ableben des Frankenstolz-Firmengründers Herbert Neumeyer und dem Ausscheiden des langjährigen Geschäftsführers Eberhard Künstler, musste sich das Unternehmen, die Unternehmensgruppe unter dem neuen CEO Andreas Eule neu finden. Die Präsentation auf den Messen im Januar hat gezeigt, dass man wieder Tritt gefasst hat. Haustex sprach mit Andreas Eule und Vertriebsleiter Stefan Sickenberger über notwendige Veränderungen, die Stärken der Unternehmensgruppe und Zukunftspläne.

Haustex: Herr Eule, seit gut einem halben Jahr sind Sie CEO bei Frankenstolz. Sie treten damit in die großen Fußstapfen gleich zweier Frankenstolz-Urgesteine: des Firmengründers Herbert Neumeyer und des Geschäftsführers Eberhard Künstler. Wie geht es Ihnen damit?

Andreas Eule: Als angestellter Geschäftsführer steht es mir nicht an, mich mit Herrn Neumeyer zu vergleichen, der das Unternehmen in mehr als 50 Jahren aufgebaut hat und immer mit seinem eigenen Geld im Risiko gewesen ist. Auch Eberhard Künstler war sehr lange, sehr erfolgreich im Unternehmen tätig. Allerdings immer mit Herrn Neumeyer über sich, der das letzte Wort gehabt hat. Der Vorteil für mich ist, dass ich als Externer ganz neu ins Unternehmen gekommen bin. Ich muss die Dinge anders angehen, mit Strukturen, Systemen, mit Delegation und mit Organisationsformen arbeiten. Aufgrund des Wechsels von einem inhabergeführten zu einem durch einen Fremdgeschäftsführer geführten Unternehmen ist der Wechsel so deutlich, dass eine direkte Vergleichbarkeit nicht gegeben ist.

Haustex: Wie verlief Ihre Karriere vor dem Eintritt bei Frankenstolz?

Eule: 20 Jahre bin ich Geschäftsführer oder Vorsitzender einer Geschäftsführung gewesen. Zuerst in kleineren und dann in größeren Unternehmen.

Haustex: Im Grunde sind Sie aber jemand, der seit 30 Jahren in einem Konzern gearbeitet hat, Akzo Nobel.

Eule: Richtig, aufgeteilt in zwei interessante Phasen. Ich bin als Diplom-Ingenieur Maschinenbau 1988 zu Akzo Nobel gekommen. Dort habe ich zwölf Jahre lang in Konzernstrukturen gearbeitet. Danach ging der Konzern an einen Finanzinvestor, der wiederum ganz andere Methoden als ein Konzern hat. In meinem dritten beruflichen Abschnitt bin ich nun zu einem Unternehmen mit familiengeführten Strukturen gewechselt.

Allerdings sind wir eine gemeinnützige Stiftung, wodurch wir nicht so stark unter dem Rentabilitätsdruck stehen, wie andere Unternehmen. Das war übrigens mit ein Grund für mich, in diese Branche zu wechseln.

Haustex: Profitabel sollte Frankenstolz aber schon arbeiten.

Eule: Völlig richtig. Aber das Geld, das wir bei Frankenstolz verdienen, können wir zu einem guten Teil in Wachstum, Modernisierung und die Mitarbeiter stecken. Bei Konzernen, Familienunternehmen und Private-Equity-Beteiligungen fließt immer ein mehr oder minder großer Teil des Gewinns aus dem Unternehmen an die Gesellschafter. Natürlich wollen wir auch gemeinnützige Projekte unterstützen, aber eine sehr hohe Priorität hat auch das Wohl des Unternehmens und der Mitarbeiter.

Haustex: Erklären Sie bitte die neue Organisation der Frankenstolz-Gruppe.

Eule: Wir haben oben die gemeinnützige Stiftung. Der Stiftungsrat repräsentiert die Gesellschafter an dem Stiftungsvermögen. Es besteht aus der Firmengruppe Frankenstolz plus den anderen Vermögenswerten, die Herr Neumeyer besessen hat. Der Stiftungsrat hat einen Stiftungsvorstand bestellt, der für die Geschäftsführung der Ansprechpartner ist. An ihn berichten wir.

Zu Lebzeiten von Herrn Neumeyer war er im Grunde alles in einem: Gesellschafter, Aufsichtsrat und Geschäftsführer. Jetzt haben wir eine klare Aufsichts- und Gewaltenteilung in der Gruppe.

Dann gibt es noch die Herbert Neumeyer Holding, deren Vorsitzender ich bin. In dieser Holding befinden sich die drei Unternehmen Frankenstolz als größte Einheit, Centa Star und Häussling. Ich sitze als Geschäftsführer sowohl in der Holding als auch in den drei Einzelgesellschaften. Wir sind insgesamt fünf Geschäftsführer, die nach den Regeln des Stiftungsvorstands regelmäßig an ihn zu berichten haben. Das sind außer mir die Kollegen Paul Lebold und Volker Maidhof bei Frankenstolz sowie Thomas Müller bei Centa Star und Markus Ertel bei
Häussling.

Damit haben wir eine ganz andere Entscheidungsstruktur als zu Zeiten von Herrn Neumeyer. Von ihm habe ich nur die Rolle des operativen CEOs übernommen. Die Aufgaben von Gesellschafter und Aufsichtsrat liegen jetzt in anderen Händen. Insofern kann man auf keinen Fall sagen, dass ich der Nachfolger von Herrn Neumeyer sei. Dadurch werden die Fußstapfen, in die ich trete, doch deutlich kleiner.

Haustex: Dennoch haben Sie mit Frankenstolz ein Unternehmen vorgefunden, das in seinem Konstrukt in unserer Branche wohl ziemlich einmalig war: ein Großunternehmen, zugeschnitten auf nur eine Person. Ihre Aufgabe dürfte es daher gewesen sein, im operativen Bereich neue Strukturen einzuziehen.

Eule: Das ist richtig. Ich komme aus Unternehmen, in denen jeder an seinem Posten ersetzbar sein muss, auch der Geschäftsführer. Das führt bei uns dazu, dass ich den Mitarbeitern bei Frankenstolz vermitteln musste, dass auf sie nun mehr Verantwortung zukommt. Denn man kann das nicht alles auf eine Person an der Spitze zuschneiden. Als erstes hatten wir Verantwortung an die nächsten Ebenen zu delegieren. Das mussten alle erst einmal lernen.

Haustex: Hat aber sicherlich manche Entscheidungen deutlich beschleunigt, wenn nicht alles über den Bottleneck Geschäftsführung laufen muss?

Sickenberger: Sowohl als auch, beides ist möglich. Grundsätzlich ist das aber richtig. Herr Neumeyer hat in den 50er Jahren mit acht Mitarbeitern begonnen, irgendwann waren es dann 80, 200. Da funktionierte seine Führungsart sicherlich auch noch, aber irgendwann, mit mehreren Standorten und über 800 Mitarbeitern, wird es deutlich schwieriger.

Eule: Die Entwicklung von Frankenstolz entspricht durchaus denen von Familienunternehmen generell, die stetig wachsen. Häufig schafft der Eigentümer aber schon vor seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen Strukturen, die den Einstieg von externen Geschäftsführern erleichtern. Teilweise zieht sich die Familie sogar komplett aus dem operativen Geschäft heraus. Das war hier nicht so. Daher war es meine vorrangige Aufgabe, ein klares Prozessdenken und klare Strukturen einzuführen.

Wir werden aus Frankenstolz jetzt keinen Großkonzern oder ein Private-Equity-Unternehmen machen. Das Traditionelle von Frankenstolz ist natürlich auch eine ganz klare Stärke.

Haustex: Was verstehen Sie unter traditionell?

Eule: Unsere Kunden wissen, dass Sie bei uns eine traditionell gute Qualität bekommen. Und Frankenstolz weiß auch noch, was das ist. Außerdem laufen wir nicht jedem neuen Trend hinterher. Beispielsweise das Online-Geschäft. Ja, dieser Bereich ist stark gewachsen und wird weiter wachsen, aber es wird auch noch ein Dasein jenseits der Internet-Vermarktung geben. Wir vergessen die anderen Märkte nicht. Es wird auch weiterhin einen traditionellen Vermarktungsweg geben, der seine Berechtigung hat. Letztlich möchte der größte Teil der Verbraucher beim Matratzenkauf beraten werden.

Sickenberger: Wir hecheln nicht jedem Trend hinterher. Es ist eine Stärke von Frankenstolz, dass man uns überall findet, wir sind auf allen Märkten zuhause. Wir lassen darum das Beste von allem in die jeweiligen Kanäle einfließen. Und andersherum profitieren wir davon, indem wir eine Fülle von Informationen aus diesen Vertriebswegen bekommen, die wir intern nutzen können.

Eule: Nach den neuesten Management-Theorien müsste Frankenstolz sich eigentlich nur auf ein Segment spezialisieren, beispielsweise nur Online, oder nur Discounter oder nur Möbelkunden. Wir sehen unsere Stärke aber gerade darin, dass wir traditionell so breit aufgestellt sind. Wir sind wahrscheinlich der einzige Anbieter, der zu 100 Prozent in Deutschland produziert, der so breit aufgestellt ist. Diese Tradition wollen wir bewahren. Wir werden unseren Kunden, wie es bei anderen Herstellern der Fall ist, nicht mit eigenen Konzepten Konkurrenz machen, auch nicht mit eigenen Online-Geschäften.

Sickenberger: Das bringt langfristig auch nichts. Warum sollte man dann noch mit uns zusammen arbeiten? 100 Prozent made in Germany ist Herausforderung genug. Da müssen wir unseren Kunden nicht auch noch Konkurrenz machen.

Haustex: Herbert Neumeyer haben Sie aber persönlich nicht mehr kennen gelernt?

Eule: Nein, leider nicht. Die Position des Geschäftsführer habe ich offiziell zum 1. Juli 2017 übernommen. Damals lebte der Inhaber ja schon nicht mehr.

Haustex: Die ersten Wochen waren sicherlich erst einmal damit erfüllt, dass Sie sich einen Überblick über das Unternehmen verschaffen mussten?

Eule: Genau, deshalb habe ich zunächst in beratender Funktion schon ein Vierteljahr vorher angefangen, weil ich noch zeitlich eingeschränkt war. Das bot mir die Chance, in aller Ruhe Zahlen, Systeme und Prozesse anzusehen. In der Zeit war ja auch noch Herr Künstler da, der sich um das Kommerzielle und das Finanztechnische gekümmert hat. Das hat sicherlich geholfen.

Haustex: Welche ersten Maßnahmen habe Sie ab dem 1. Juli ergriffen?

Eule: Als erstes haben wir Abläufe, Regeln und Regelungen schriftlich formuliert und festgelegt. Außerdem haben wir die interne Informations- und Kommunikationspolitik neu gestaltet.

Sickenberger: Und Verantwortung wurde nach unten delegiert. Früher lief fast jede Entscheidung bei Herrn Neumeyer auf. Das ist jetzt anders. Erst, wenn eine Frage in der Abteilung selbst nicht geklärt werden kann, geht sie eine Instanz höher. Das hat vieles vereinfacht.

Haustex: Die neuen Entscheidungswege mussten sicherlich erst einmal gelernt waren, denn die Mitarbeiter kannten dies bislang nicht.

Eule: Wir haben zu Anfang sehr viel mit den Mitarbeitern kommuniziert, ihnen die Stärken und Schwächen des Unternehmens erklärt und natürlich, wo wir hin wollen. Dadurch können die Mitarbeiter viel besser nachvollziehen, warum wir die verschiedenen Maßnahmen ergriffen haben. Die Unternehmensstrategie ist für sie nun transparenter als zu Herrn Neumeyers Zeiten.

Haustex: Wie weit sind Sie mit Ihren Maßnahmen inzwischen gediehen?

Eule: Ich kam ins Unternehmen, als die gesamte Marktlage für Bettwaren und Matratzen auch schon mal angenehmer war. Die gesamte Matratzen-Industrie steht durch Preiserhöhungen in der Schaumindustrie unter einem sehr hohen Druck. So schnell, wie unsere Lieferanten die Preise erhöhen, können wir diese Erhöhungen unmöglich weiter geben. Dann kam auch noch die Schaumstoff-Krise, ausgelöst durch BASF. Und der Online-Markt nahm und nimmt unseren Kunden zusätzlich Marktanteile ab.

Sickenberger: Das letzte Jahr war allgemein sehr herausfordernd und in diesem Umfang für die Branche komplett neu. Dadurch hatte Herr Eule einen sehr schweren Start. Das erste, was er vertreten durfte, war eine Preiserhöhung. Und dann kam BASF. Trotzdem ist er auf den Messen im Januar nicht von erbosten Kunden über den Stand gejagt worden.

Eule: Um auf Ihre Frage zurückzukommen, wenn wir das Ziel der geplanten Veränderungen mit 100 Prozent nehmen, dann wären wir ohne die Markschwierigkeiten bei deutlich über 50 Prozent, jetzt haben wir etwas weniger als 50 Prozent umgesetzt. Was aber in der Kürze der Zeit immer noch sehr anständig ist und zeigt, dass wir sehr motivierte Mitarbeiter haben.

Haustex: Nach Ihrer Analyse von Frankenstolz, welche Stärken fanden Sie im Unternehmen vor und gegebenenfalls welche Schwächen?

Eule: Ich muss erst einmal meine Kollegen in den Schwesterfirmen loben. Sowohl Thomas Müller als auch Markus Ertel machen einen Top-Job und haben ihre Unternehmen exzellent im Griff. Bei diesen beiden Firmen sind keine großen Veränderungen nötig. Die Stärke der Gruppe liegt darin, dass alle drei Unternehmen, Frankenstolz, Centa Star und Häussling, über ein exzellentes Markt- und Kunden-know-how über die gesamte Breite des Marktes verfügen, vom Möbelhandel über den stationären Fachhandel bis zu den Online-Anbietern. Es gibt keinen, der über ein so breites Wissen verfügt.
Ich habe unsere Kunden zum Teil schon mehrmals gesprochen. Ich habe dort erfahren, wie intensiv unsere Vertriebsleute mit ihnen kommunizieren, was für ein Know-how sie haben und welche Anerkennung sie bekommen. Das ist eine ganz klare Stärke.

Das Zweite ist, wir haben sehr motivierte Mitarbeiter, die, drittens, obendrein sehr gut improvisieren können. Darauf sind sie seit Jahren geschult. In einem stringent geführten Konzern gibt es so etwas nicht. Dieses Improvisationsvermögen müssen wir uns erhalten, in gewissen Regeln eingebettet.

Außerdem verfügen wir über eine sehr solide, zum Teil höchst moderne Produktion in unseren fünf Werken. Drei von Frankenstolz und je eine für Häussling und Centa Star. Und nicht zuletzt, ich sprach es schon an, sind wir der wahrscheinlich einzige Hersteller von Bettwaren, Matratzen, Polster- und Boxspring-Betten, der komplett in Deutschland produziert. Dadurch haben wir auch eine außerordentliche Marktnähe. Mir fällt kein anderer Anbieter ein, auf den das in diesem Umfang zutrifft. Es mag andere Anbieter geben, die komplett in Deutschland produzieren, dann aber nur in einem Produktsegment.

Haustex: Es ist schön und gut, in Deutschland zu produzieren. Aber welchen Vorteil haben Ihre Kunden und der Endverbraucher dadurch?

Eule: Nur für made in Germany alleine bekommen Sie nichts, wenn die Qualität made in India ist. Für uns ist made in Germany allerdings die beste Voraussetzung, dass wir auch die beste Qualität und die höchste Liefertreue erzielen. In beiden Punkten haben wir enorme Fortschritte erzielen können. Qualität und Liefertreue sind unsere wichtigsten Projekte. Wir spüren bereits, dass der Ruf von Frankenstolz, der immer solide, aber nicht perfekt war, durch die eingeleiteten Maßnahmen gewonnen hat.

Sickenberger: Made in Germany ist ein Unterscheidungsmerkmal, das wirkt, wenn man es richtig einsetzt. Wenn der Verbraucher zwei oder drei ähnliche Artikel in der Auswahl hat, dann gibt häufig das Siegel Made in Germany den Ausschlag für den Kauf - selbst, wenn es etwas teurer als die anderen ist. So höre ich es immer wieder im Handel.

Unser Kernmarkt ist Deutschland. Und wenn wir als Unternehmen nicht dafür sorgen, dass unsere Leute in Lohn und Brot sind, dann schießen wir uns doch unseren eigenen Markt ab. Man kann doch, nur als Beispiel, nicht mit einem Kia zum Opel-Werk fahren, um dort gegen den Abbau von Arbeitsplätzen zu demonstrieren. Das passt einfach nicht.

Aber nur das Label Made in Germany reicht uns nicht, wir wollen eines Tages im Markt die Besten sein. Der Weg wird steinig sein, aber wenn wir das hinbekommen, dann ist der Endkunde auch bereit, einen gewissen Mehrpreis dafür zu zahlen im Vergleich zu Importware.

Haustex: Aber es gibt doch wahrscheinlich auch Aspekte, an denen Frankenstolz noch arbeiten muss?

Eule: Sicherlich, wir nennen das Potenzial, das noch geschöpft werden muss. Ein Potenzial ist zum Beispiel, dass wir in der Produktion moderner und agiler werden müssen. Ich habe in meiner Tätigkeit sowohl den technischen Bereich als auch den Kundenbereich kennen gelernt. Daher kann ich Produktion und Vertrieb sehr gut verstehen und ihre jeweiligen Interessen moderieren, sodass man sich gegenseitig besser versteht.

Die Produktion möchte Mengen laufen lassen, der Vertrieb seinen Kunden auch noch die letzte Sondervariante verkaufen. Beide Extrempositionen gehen so natürlich nicht. Inzwischen gelingt es uns, Umstellungen in der Produktion für einen Kunden in so kurzer Zeit zu bewältigen, wie es noch vor einem Jahr nicht im Entferntesten möglich gewesen wäre. Der Durchlauf vom Kundenauftrag in die Produktion und wieder zurück muss generell schneller erfolgen.

Haustex: Haben Sie eine Bereinigung in der Produktpalette vorgenommen?

Eule: Natürlich gehört es auch zum Prozess, dass wir unsere Produktpalette um exotische Artikel ausdünnen. Früher hat man jeden Kundenwunsch erfüllt, ohne zu wissen, ob man ihn überhaupt seriös anbieten kann. Aber nichts ist für beide Seiten frustrierender, als wenn man einem Kunden etwas zusagt und es dann nicht einhält. Stichwort Liefertreue. Häufig haben wir aus Kundenorientierung versucht, für unsere Kunden Dinge zu ermöglichen, die irgend möglich sind, ohne vorher zu prüfen, ob wir überhaupt dazu imstande sind. Deshalb sind wir im Improvisieren so sensationell gut. Letztlich war der Kunde häufig trotzdem enttäuscht, weil wir unser Versprechen doch nicht komplett halten konnten.

Sickenberger: Daraus haben wir gelernt. Das A&O ist, dass wir unsere Zusagen tatsächlich auch einhalten. Wenn ein Kunde nun Spezialwünsche hat, erfüllen wir sie ihm weiterhin gerne. Aber wir sagen nun auch klar, unter welchen Voraussetzungen und in welcher Form dieser Wunsch realisierbar ist. Das machen wir in der Regel an Stückzahlen oder Preisen fest. Dem Kunden ist dadurch wirklich bewusst, dass wir ihm etwas Besonderes außerhalb der Reihe produzieren. Dadurch gibt es Sicherheit auf beiden Seiten und wir vermeiden Enttäuschungen.

Eule: In diesem Bereich sehen wir Verbesserungspotenzial. Die Kunden teilen uns auch mit, dass sie dies zu 100 Prozent akzeptieren.

Haustex: Sie haben schon einige Veränderungen in die Wege geleitet. Was muss jetzt noch kommen?

Eule: In Sachen Liefergeschwindigkeit und Lieferzuverlässigkeit haben wir uns bereits deutlich verbessert, aber wir sind dort noch nicht am Ende. Gegenüber den Kunden müssen wir nun beweisen, dass wir in diesen Punkten auch langfristig sehr gut sind. Klar ist aber auch, dass wir nicht vergleichbar sind mit Internet-Anbietern. Dank der sehr limitierten Produktvielfalt können die ohne Weiteres ab Lager liefern. Wir versprechen unseren Kunden, innerhalb von 15 Werktagen zu liefern. Es kann sein, dass wir schon nach zwölf liefern, aber nach 15 Tagen auf alle Fälle.

Haustex: Kommen wir noch einmal auf das Thema 100 Prozent made in Germany zurück. Das ist zumindest in der Vergangenheit nach meinem Eindruck etwas untergegangen.

Eule: Da haben Sie Recht. Das Thema war bei Frankenstolz zwar immer vorhanden, aber eher latent. Jetzt gehen wir damit ganz bewusst und verstärkt in die Öffentlichkeit. Denn Made in Germany bezieht sich nicht nur auf Frankenstolz, sondern auf die gesamte Lieferkette. Denken Sie an die BASF-Krise. Das Unternehmen hat einen Fehler gemacht und ihn dann auch nach außen kommuniziert. Ich vermute sehr stark, dass beispielsweise ein asiatischer Schäumer in der gleichen Situation stillschweigend darüber hinweg gegangen wäre - wenn ihm die fehlerhafte Charge überhaupt aufgefallen wäre. Ich habe jahrelang in Asien gearbeitet um zu wissen, dass dort Zertifikate leicht zu erhalten sind, ohne dass man alle Vorgaben erfüllt.

Auch wir bei Frankenstolz machen Fehler. Aber wir nehmen dann keine Abkürzung, sondern liefern nur solche Produkte aus, die den Vorgaben des Kunden entsprechen.

Haustex: Frankenstolz gilt in der Wahrnehmung des Marktes eher als Lieferant der Großen, weniger des Fachhandels. Stimmt diese Annahme?

Sickenberger: Sie liegen mit dieser Annahme teilweise richtig. Aber wir möchten in Zukunft auch den Fachhandel stärker betreuen. Darum führen wir unter anderem unser Excellent-Programm seit einem Jahr, speziell entwickelt für den Fachhandel, mit schönen Materialien und schönen Stoffen. Bewusst haben wir dort auf die plakative Nennung von Frankenstolz verzichtet, damit beim Endverbraucher keine Irritation entsteht, wenn er Frankenstolz-Produkte an unterschiedlichen Standorten zu unterschiedlichen Preisen findet.

Wir müssen die Fachhandels-Produkte schützen, indem sie nur dort zu finden sind. Heute ist Excellent zwar noch ein zartes Pflänzchen, aber mit wachsender Tendenz. Im beratenden Fachhandel versuchen wir, uns Vertrauen zurück zu erarbeiten.

Eule: Tatsächlich sind wir nicht nur für die Großen da. Wir leisten uns aus gutem Grund ein dichtes Netz an Außendienstmitarbeitern, die auch den Fachhandel betreuen. Die Marketingaufwendungen für den Fachhandel sind in Relation zum Umsatz überdurchschnittlich hoch im Vergleich zu den Großen. Wir werden vielleicht anders wahrgenommen, aber wir machen auch schon viel für die Kleineren und differenzieren in den Produkten und Materialien nach Absatzmärkten.

Um es noch einmal klar und deutlich zu sagen: Die Großen sind für uns wichtig, aber auch die kleineren Kunden. Durch die Maßnahmen, die wir ergriffen haben und weiter ergreifen werden, sollten wir für die sogenannten Kleinen auch interessanter werden. Im Durchlauf unterscheiden wir nicht mehr nach der Größe eines Kunden, sondern nur noch nach Auftragseingang. Das war nicht immer so.

Sickenberger: Wir müssen viele gute Lieferungen schicken, um eine schlechte vergessen zu machen. Das ist uns klar. Die Schlafoase wird demnächst bei einer großen Kaufhauskette zu finden sein, aber auch bei einigen Häusern einer Textilhaus-Kette. Bei der Schlafoase bekommt man Artikel, die es in der Form aktuell nicht auf dem Markt gibt.

Haustex: Und zwar?

Sickenberger: Das fängt mit der extrawarmen Decke an, die wirklich extrawarm ist. Für die totale Frostbeule. Und wir haben endlich eine Sommerdecke für den Mann, die ihren Namen auch verdient, eine federleichte Decke.

Für den Fachhandel im engeren Sinn haben wir unser Excellent-Programm. Das fängt schon an mit dem Einleger, der häufig mit Infos überfrachtet wird. Bei uns stehen nur die wirklich notwendigen Infos drauf: welcher Stoff, welche Füllung, wie ist die Waschbarkeit. Der Rest kommt über die Beratung. Dazu eine sehr hochwertige Tasche und die Verarbeitung sehr hochwertiger Stoffe. Präsent ist das Programm nur, wenn der Außendienst es im Handel zeigt. Auf unserer Homepage ist es nicht zu finden.

Man kennt uns natürlich im Bettenhandel. Aber die Plätze dort sind alle vergeben, und man lebt relativ gut auch ohne uns. Jetzt müssen wir zusehen, dass wir die richtigen Produkte und die richtigen Argumente haben, um wieder den Weg zueinander finden. Stichwort Boxspring-Bett, das wir auf den Messen vorgestellt haben. Gerade die kleineren Verbände haben sich sehr positiv geäußert. Auch hier wieder das Argument 100 Prozent made in Germany. Wir müssen es schaffen, wieder Produkte platzieren zu können. Der Rest kommt dann von alleine. An uns soll es nicht scheitern.

Haustex: Die Heimtextil und die imm Cologne waren die ersten Messen für Sie als Frankenstolz-CEO. Wie haben sie die beiden Messen erlebt?

Eule: Beide Messen waren für uns außerordentlich positiv. Ich kenne das Messegeschehen aus meiner früheren Tätigkeit, aber die damaligen Veranstaltungen generierten keine Aufträge, anders als in Frankfurt und Köln. Dort haben wir neue Kundenkontakte mit ganz konkreten Aufträgen gehabt.

Haustex: Obwohl beide Messen keine typischen Ordermessen mehr sind?

Sickenberger: Nicht in dem Sinne, aber wir haben auf der Heimtextil überraschend schöne Aufträge geschrieben. Und auf der imm haben wir einen sehr wichtigen Neukunden gewinnen können, der uns merklich voranbringen wird. Wir haben auch Kontakte knüpfen können zu Firmen, die uns vor Jahren ausgelistet hatten und jetzt registrieren, dass wir wieder für sie interessant sind. Manch einer hat noch vor drei Jahren nicht den Weg auf unseren Stand gefunden, der in diesem Jahr wenigstens mal Hallo gesagt hat.

Eule: Das erfreuliche ist, dass wir inzwischen Kunden bedienen, die es vor etwa fünf Jahren noch gar nicht gab. Heute erzielen wir mit denen siebenstellige Beträge. Was uns ein bisschen schmerzt: Beide Messen sind sehr lang, die Möbelmesse sogar noch ein Stück länger. Wir hätten nichts dagegen, wenn beide Messen einen Tag kürzer wären.

Haustex: Hat der Markt bereits registriert, dass bei Frankenstolz ein frischer Wind weht?

Eule: Ich bin vorsichtig dabei, die gute Messeresonanz nur darauf zurückführen zu wollen. Aber Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige. Es kamen mehrere positive Effekte zusammen, von denen einer die Umstrukturierungen bei Frankenstolz ist. Damit will ich nicht sagen, das Frankenstolz früher schlecht war, eher solide gut. Aber wir wollen eigentlich die Besten sein. Uns ist klar, das ist ein langer Weg.

Haustex: Welche Messeneuheiten standen bei Ihnen im Vordergrund?

Eule: Da haben wir vor allem unsere neue Matratzen-Serie Breath Air. Wir sind von verschiedenen Medienvertretern angesprochen worden, die meinten, wir seien der einzige Aussteller auf den Messen gewesen, der wirklich etwas Neues vorgestellt habe.

Das Konzept ist tatsächlich komplett neu. Die Besonderheit dieser Matratzen ist, dass wir ein sehr atmungsaktives Kernmaterial verarbeiten, und dass man mit diesem dreidimensionalen Geflecht alle Härtegrade einstellen kann. Die Atmungsaktivität ist sogar noch höher als bei einem Taschenfederkern, da hier keine Taschen verarbeitet werden.

Die besondere Faser, die dort verarbeitet wird, ist ein thermoplastisches Elastomer. Es ermöglicht uns, die dreidimensionale Struktur auch in Höhen von fünf oder zehn Zentimetern herzustellen. Ein 3D-Abstandsgewirke erreicht solche Bauhöhen nicht. Und das Geflecht zeigt auch nach Jahren keinerlei Ermüdung. Von der Resistenz und der Rückstellkraft ist es signifikant höher als alles andere, was es am Markt gibt.

Sickenberger: Das perfekte Produkt für den gehobenen Möbelhandel und den Bettenfachhandel. Diese Häuser können das Produkt erklären und die Argumente dafür liefern.

Haustex: Frankenstolz kommt nun außerdem noch mit Boxspring-Betten. Warum das?

Sickenberger: Richtig, sicherlich ein zweites Highlight bei uns auf den Messen in Form und Farbe. Auch bei diesen Betten produzieren wir 100 Prozent made in Germany. Das normale Boxspring-Bett verkauft sich über das Design. Wir bei Frankenstolz wollen nach wie vor über den Schlafkomfort kommen, über die Matratze, und dann erst zum Boxspring-Bett gehen.

Warum? Viele Händler besitzen ihre Beratungskompetenz in der Ergonomie. Die sollen und können sie mit unseren Boxsprings auch behalten. Erst kommt die Matratze, und dann unser Boxspring-Bett. Wir konnten erste Platzierungen vornehmen. Auch, weil es preislich einfach passt. Unsere Box ist trotzdem gefüllt, und zwar nicht mit Bonnell-Federkernen, sondern mit Taschenfederkernen. Wir wollen auch hier kein Luxus-Anbieter sein. Unsere Boxspring-Betten entsprechen eher dem VW Passat im Automarkt.

Eule: Das ist für den Markt sicherlich nichts Revolutionäres, denn viele können Boxsprings bauen, aber für Frankenstolz ist es ein wichtiger Schritt. Inzwischen werden so viele Boxspring-Betten im Ausland förmlich zusammengehämmert, dass die Handelskunden wegen der Qualitäten allmählich nervös werden. Wenn sie dann hören, dass unsere Betten zu 100 Prozent in Deutschland hergestellt werden, werden sie hellhörig. Wer produziert in unserer Preiskategorie seine Boxsprings denn noch in Deutschland?

Bei Centa-Star, um auf Neuheiten bei den Schwester-Firmen zu kommen, traf das Allergo-Protect-Kissen auf reges Interesse. Die Produkte wirken auf Allergene wie eine Art Magnet, da negativ aufgeladene Teilchen in den Bettwaren die positiv geladenen Allergene binden. Nach der Wäsche sind sie wieder frisch und frei von Allergenen. Bei Häussling haben wir eine verbesserte Body-Perfekt-Linie vorgestellt. Durch neue Stegkonstruktionen erreichen wir nun eine noch bessere und gleichmäßigere Durchlüftung wie gleichmäßige Wärmeisolation.

Haustex: Nun sind Sie noch nicht all zu lange im Unternehmen, die ergriffenen Maßnahmen müssen erst noch komplett umgesetzt werden. Dennoch die Frage: Ist die Unternehmensgruppe, so wie sie ist, gut aufgestellt, oder wären Sie bei passender Gelegenheit nicht abgeneigt für eine weitere Unternehmensakquisition?

Eule: Es gibt für uns ganz klare Prioritäten und wir sind mit der Erledigung unserer Hausaufgaben im Prinzip gut beschäftig. Vorrang hat das Ziel, zu den Besten in der Branche zu gehören. Wenn sich jedoch kurzfristig Opportunitäten ergäben, würden wir uns die auch ansehen. Die nötigen Ressourcen für eine Übernahme hätten wir.

Die Marktstruktur verändert sich, indem es immer größere Kunden gibt und auf der anderen Seite eine extrem fragmentierte Anbieterstruktur. Die logische Schlussfolgerung ist, wenn die Kunden immer größer werden, dass sich irgendwann auch die Anbieterseite konsolidieren muss. Als Dunlopillo in die Insolvenz ging, hatten wir noch nicht die Kapazitäten, um das Unternehmen zu übernehmen. Heute ginge das locker. Also ist nichts ausgeschlossen, aber auch nicht erste Priorität.
aus Haustex 03/18 (Wirtschaft)