Interview des Monats: Möbel-Zentral-Einkauf (MZE), Neufahrn
"Das Geheimnis des Erfolges ist der Mut
Mit weit über 250 Fachgeschäften sieht sich der MZE als Deutschlands mitgliederstärkster Bettenverband. Allmählich geht es für Vertriebsleiter Helmut Stauner und das MZE-Team auf die Zielgerade für die Vorbereitungen zum Messepark Göttingen, in dem die Leitmesse Schlafen ein wichtiger Anlaufpunkt für die gesamte Bettenbranche geworden ist. Haustex sprach mit Stauner über die aktuellen Herausforderungen des Bettenfachhandels und die Vorbereitungen auf Göttingen.
Haustex: Bevor wir auf die Leitmesse Schlafen zu sprechen kommen, ein kurzer Blick zurück. Wie verlief das vergangene Jahr für Ihre Mitglieder und den MZE?
Helmut Stauner: Ich bin der Meinung, 2017 spiegelt die Situation von 2016. Faktisch gab es mehr Verlierer als Gewinner. Und zu den Gewinnern zählen eigentlich nur die Händler, die über einen überdurchschnittlich hohen Boxspring-Umsatz verfügen. Andererseits gehören die Händler zu den Verlierern, bei denen die Ergonomie vorrangig und starr im Fokus steht. So sagen es unsere Zahlen. Insgesamt sind also die Umsätze rückläufig gewesen, für den Handel und somit auch für den MZE beziehungsweise die Mondschein-Schiene.
Haustex: Wünscht also der Kunde überwiegend schön und gut zu schlafen, legt weniger Wert auf Problemlösungen?
Stauner: Das trifft es ziemlich gut. Er möchte schön und gut schlafen. Aber den guten Schlaf setzt er voraus, wenn er zum Bettenfachhändler kommt. Darüber möchte er nicht groß beim Händler philosophieren. Er möchte darum einfach ein schönes Bett. Das ist ein Trend.
Haustex: Die Kompetenz des inhabergeführten Bettenhandels speist sich im Schlafbereich jedoch im Wesentlichen aus der Ergonomie-Beratung, die beim Boxspring-Bett nicht gefragt ist. Wie kann er auf Boxspring-Betten umschwenken, ohne sich bei der Ergonomie unglaubwürdig zu machen?
Stauner: Das Kaufmotiv des Kunden ist entscheidend. Wenn man ein schönes Bett kaufen möchte oder einen Schlafraum neu gestalten möchte, dann wird man Geschäfte bevorzugen, die das in ihrer Unternehmensgeschichte repräsentieren. Entsprechend ist es bei der Frage nach Spezialisten für Schlafprobleme. Die Frage ist, ob man beide Ansprüche miteinander verbinden kann?
Ich glaube ja, denn es gibt Händler, die das so praktizieren. Entscheidend sind natürlich die vorhandene Verkaufsfläche und die finanzielle Kraft, denn ich muss auch werblich beides bespielen können. Kleinere Anbieter sollten sich auf einen der beiden Bereiche fokussieren. Unter Umständen bedarf es dann einer Veränderung des gesamten Geschäftskonzeptes. Der Markt straft momentan doch genau jene ab, die kein klares Geschäftskonzept haben.
Ein paar Zahlen: Der Bettenfachhandel hält im Markt für Bettwäsche noch einen Umsatzanteil von rund zehn Prozent. Bei Bettwaren sind wir vielleicht noch bei elf Prozent, kommend von knapp 20 Prozent. Bei diesen Produktgruppen sind wir schon längst nicht mehr die erste Adresse. Auf der anderen Seite kommen neue Produkte wie Boxspring-Betten hinzu, die einen Marktanteil von 40 plus x haben. Und wir, die Bettenfachhändler, haben einen Anteil von zehn Prozent.
Haustex: Also erzielen Boxspring-Betten im Markt für Betten und Schlafsysteme rund 40 Prozent des Gesamtumsatzes? Und im eigentlichen Bettenfachhandel werden nur zehn Prozent des Bettenumsatzes damit erzielt?
Stauner: Exakt, das ist der Markt. Ich habe gerade eine verlässliche Zahl über einen großen Möbelhändler erhalten, der in den ersten Monaten dieses Jahres sogar 70 Prozent des Betten-Umsatzes mit Boxsprings gemacht hat, nur noch 30 Prozent mit Matratzen und Rahmen.
Haustex: Trotz der rasanten Entwicklung scheint der Boxspring-Trend kein Strohfeuer zu sein.
Stauner: Der Bettenfachhandel möchte es nicht hören und ist damit nicht glücklich. Er hat Schwierigkeiten, sich damit zu identifizieren, weil er das Gefühl hat, dass all das, was er 20 Jahre und länger zu Schlafsystemen erklärt hat, auf einmal nicht mehr gelten soll. Das kann ich nachvollziehen. Ganz abgesehen von dem zusätzlichen logistischen Aufwand, den ich beim Verkauf von Boxspring-Betten betreiben muss. Das Boxspring-Bett ist darum nicht unbedingt der Freund des Bettenfachhandels.
Aber der Trend ist nun einfach mal da, und ich glaube, dass er die nächsten zwei, drei Jahre weiter steigen wird, um danach vielleicht wieder abzufallen, auf welches Niveau auch immer. Ich glaube dass textile Betten, also Polsterbetten mit normalen Schlafsystemen, zusammen mit Boxspring-Betten lange Bestand haben werden.
Haustex: Wenn ich es richtig verstehe, sollte sich demzufolge der kleinflächige Bettenfachhandel eher auf das Thema Boxspring als auf ergonomisches Schlafen konzentrieren?
Stauner: Ich denke, der Verbraucher hat verstanden, dass alleine eine große Auswahl nicht die Lösung sein kann. Natürlich hätten wir alle gerne eine Riesenauswahl, kombiniert mit einer perfekten Beratung, und das jederzeit. Aber dieses Geschäftsmodell gibt es nicht. Entweder ich habe große Auswahl und schlechte Beratung oder weniger Auswahl und dafür Beratungskompetenz, vielleicht sogar auf Termin.
Erst einmal überlegt der Verbraucher jedoch, wohin er überhaupt geht. Darum macht es Sinn, eine kompetente Boxspring-Betten-Abteilung zu haben und damit in die Kommunikation zu gehen. Ob der Kunde, wenn er dann im Laden ist, tatsächlich ein Boxspring-Bett oder ein Polsterbett mit individuell angepasstem Schlafsystem kauft, da lässt sich vieles steuern.
Haustex: Schließlich sind immer noch 60 Prozent des Bettenumsatzes nicht Boxspring-Betten.
Stauner: Ich will jetzt nicht sagen, dass man nur noch Boxspring-Betten haben sollte und Schlafsysteme komplett rauswirft. Unsere Stärke ist natürlich das individuelle Schlafsystem, davon leben wir noch. Aber von zehn Kunden, die vor 15 Jahren Matratzen und Rahmen gekauft haben, kaufen heute vier Boxspring-Betten. Das ist mir zu viel, als dass man diese Leute vernachlässigen könnte. Man muss die Chance bekommen, auch mit diesen vier reden zu können. Das geht nur, wenn ich Boxspring-Betten führe.
Im MZE gibt es viele gute Beispiele. Der Umsatzanteil der Boxspring-Betten liegt bei uns bei 26 Prozent, das ist immer noch unter dem Markt, aber weit über unseren Marktbegleitern.
Haustex: Und wie gelingt ihnen das?
Stauner: Diese Händler waren von Anfang an am Thema Boxspring dran und konnten sich so in ihrer Region dafür einen Namen machen. Davon profitieren sie heute. Inzwischen springt jeder auf dieses Thema auf, entsprechend schwieriger ist es, sich mit diesem Thema als neuer Anbieter Gehör zu verschaffen.
Haustex: Wie sehen Sie die Zukunft von Bettwäsche und Bettwaren im Bettenfachhandel? Eine Konzentration auf Schlafsysteme trägt nicht unbedingt zu einer attraktiven Optik des Geschäfts bei.
Stauner: Eines der Hauptprobleme des stationären Bettenhandels ist gefunden zu werden - sowohl im Netz als auch am Ort. Dafür benötige ich einen unverwechselbaren USP. Ich muss mich als Händler also auf irgend etwas fokussieren. Wofür stehe ich aber, wenn ich auf 300 Quadratmetern das gesamte Sortiment von Matratzen, Lattenrosten, Bettwaren, Bettwäsche, Frottier anbiete? Das ist genau die Vertriebsform, die der Verbraucher durch Nichtachtung abstraft.
Bettwäsche wird zwar weiterhin gekauft, aber zu 90 Prozent nicht im Bettenfachhandel. Wer heute Bettwäsche anbietet, hat heute keine Lagerdrehung von ehedem ein bis zweimal im Jahr und schreibt in diesem Segment oftmals rote Zahlen. Für viele Fachhändler ist dieses Sortiment deshalb betriebswirtschaftlich einfach nicht mehr sinnvoll. Dann bin ich doch lieber in meinem Auftritt klar fokussiert und nehme die vielleicht weniger attraktive Ladengestaltung in Kauf. Hat Swiss Sense Bettwäsche, hat Concord Bettwäsche?
Ich kenne ein sehr gutes Beispiel aus dem Sektor Glas, Porzellan, Keramik. Ein ehemaliger Vollsortimenter in diesem Bereich mit 80 Quadratmetern Verkaufsfläche hat alles ausgelistet und sich auf japanische Messer konzentriert. Da ist er jetzt der König und erreicht Kunden aus einem großen Umkreis.
Was nicht heißen soll, dass es nicht Händler gibt, die in diesen Segmenten nach wie vor erfolgreich sind. Aber auch dort werden die Abteilungen zugunsten einer klareren Kernaussage häufig reduziert.
Haustex: Mit welchen Erwartungen sind Sie in das laufende Jahr gegangen?
Stauner: Es gibt das schöne Zitat, dass der Bettenfachhandel zunehmend eine experimentelle Wissenschaft wird. Genau so sehe ich es auch. Es gibt nicht den einen Königsweg. Jeder muss für sich den Weg finden, und den Agilen im Bettenhandel gelingt das auch. Sie haben die Kraft und die Potenz, die Veränderungen einzuleiten und neue Wege zu gehen.
Haustex: Man muss heute also etwas riskieren?
Stauner: Genau, man muss den Mut dazu haben. Das Geheimnis des Erfolgs ist der Mut. Aber man darf den Zeitpunkt nicht verpassen, bis es irgendwann zu spät ist. Das Gemeine ist ja, dass jede Veränderung, die man einleitet, nicht sofort greift. In der Regel dauert es 24 bis 36 Monate, bis sich der betriebswirtschaftliche Erfolg einstellt. Leider brechen viele vorher ab, weil sie meinen, die Maßnahme funktioniere nicht.
Jetzt haben viele dank guter Jahre in der Vergangenheit noch die Möglichkeit zu handeln. Jetzt sind wirkliche Unternehmer gefragt. Es gab zwei, drei Jahrzehnte, wo man mit mittlerer Qualifikation als Unternehmer noch ganz gut durchgekommen ist. Aber bei den heutigen Herausforderungen sind echte Unternehmer gefordert.
Haustex: Um Neues zu wagen, bedarf es auch der nötigen Inspiration.
Stauner: Da sind natürlich wir als Verbände auch gefragt. Jede Verbundgruppe hat ihre Erfa-Gruppen, ihre Teams, in denen Gleichgesinnte vereint sind, ob man auf Inspirationsreise geht oder Inspirationsgespräche führt, ob es die Messen sind, das sind doch alles unsere Inspirationsquellen. Aus solchen Kreisen entstehen die Ideen, von denen ich denke, dass sie auch schon da sind. Wir haben alle eine Vorstellung davon, wo es hingehen könnte. Die Jahre 2017 bis 2019 sind sicherlich die Findungsjahre.
Haustex: Kann es sein, dass die Händler, die eigentlich Handlungsbedarf hätten, eher zu denen gehören, die diese Chancen nicht nutzen, während die Erfolgreichen die Möglichkeiten des Verbandes voll ausschöpfen?
Stauner: Ja, häufig ist das so. Selbst gute Händler können einen Megatrend wie One-fits-all oder Boxspring-Betten nicht aufhalten, aber sie haben relativ schnell eine Antwort darauf gefunden und werden daran nicht kaputt gehen. Selbst über die zweite Reihe, vielleicht nicht ganz so mutig wie die erste Reihe der Händler, mache ich mir keine großen Sorgen.
Das Problem ist eher die dritte Reihe, die, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr die Kraft hat, mit den Veränderungen Schritt zu halten. Allerdings ist es auch nicht damit getan, eine Maßnahme zu installieren und das war es dann. Ein Konzept ist nichts Statisches und muss jeden Tag überprüft und gegebenenfalls feingesteuert werden. Das können manche Händler leider nicht.
Haustex: Erschöpft sich der Handlungsspielraum des Verbandes darin, die Händler in ihrem Tun zu begleiten?
Stauner: Natürlich nicht. Wir unterstützen Sie auch darin, aus der Vergleichbarkeit herauszukommen. Denn der Beratungsklau ist ein tagtägliches Problem. Davor müssen wir uns und unsere Partner schützen. Darum sind die Händler gut beraten, wenn sie noch sensibler darauf achten, mit fachhandelstreuen Lieferanten zusammenzuarbeiten, und dass sie noch stärker die Sortimente ihrer Verbände nutzen. Ich kenne die Zahlen der Großfläche, die ist in der Hinsicht sehr viel weiter. Dort liegt der Anteil der Eigenmarke bei etwa 60 Prozent, bei uns beträgt er gerade mal 14 Prozent.
Wenn also ein Kunde ins Geschäft kommt, dann sollte man ihn auch gut beraten und eine im Bettenhandel übliche Abschlussquote von zumindest 60, besser noch 80 Prozent, erzielen. Der Appell an den Handel, aus der Vergleichbarkeit herauszukommen, ist für mich ein Thema, das ich in den kommenden Monaten bei meinen Vorträgen fast gebetsmühlenartig wiederholen werde.
Haustex: Das Grundproblem scheint offenbar zu sein, dass der qualifizierte Bettenhandel einfach ein Imageproblem hat, sodass der Konsument denkt, er könnte gut ohne ihn auskommen?
Stauner: Ganz so krass ist es noch nicht, aber das Image des Bettenfachhandels ist dank zahlloser negativer Publikationen tatsächlich ramponiert. Wenn wir eine Veränderung im Bettenfachhandel erreichen wollen, dann brauchen wir als Branche ein stärkeres Wir-Gefühl. Der Wettbewerber ist längst nicht mehr der Bettenfachhändler in der gleichen Stadt. Im Gegenteil, beide kämpfen ja für die gleiche Sache. Stattdessen sind es die anderen Vertriebsformen. Die Branche wäre darum wirklich gut beraten, wenn sie mehr zusammenrücken würde.
Wir haben beim VDB darum eine Gemeinschaftsaktion des Bettenfachhandels ins Leben gerufen, die bei der Tagung im April in Braunschweig vorgestellt wird. Es ist das erste Mal, dass unsere Branche verbandsübergreifend eine Kampagne startet, begleitet von ABK, Bettenring und MZE. Sie ist von langer Hand und sehr professionell vorbereitet worden und enthält eine klare Botschaft. Denn dem Verbraucher wird klar gemacht, wie wichtig ein funktionierender Bettenfachhandel ist.
Wenn es uns nicht gelingt, den Bettenfachhandel als erste Adresse für gesunden Schlaf zu profilieren, haben wir keine Daseinsberechtigung. Ich hoffe, dass viele Fachhändler nach Braunschweig kommen und dann diese Chance ergreifen. Es ist meines Erachtens der richtige Weg.
Haustex: Ein Problembereich sind außerdem die angeblichen One-fits-all-Matratzen, die man auch nicht außer Acht lassen darf.
Stauner: Ich glaube, dass der Markt für diese Matratzen weiter wachsen wird. Er ist ja schon von 2016 auf 2017 bedeutend gestiegen. Warum ist das so? Der Kunde möchte seinen Einkauf verstehen, Produkt und Produktgeschichte müssen einfach verständlich sein. Das können die One-fits-all-Anbieter.
Der Fachhandel hat es in den letzten Jahren genau umgekehrt gemacht, hat sehr komplex beraten, wofür er nun abgestraft wird. Ich habe den Eindruck, dass uns der Kunde das unbewusst übel nimmt. Das wird ja auch medial geschürt. Beides beflügelt den Trend zur vermeintlich einfachen Matratzen-Lösung.
Darum glaube ich, dass der Anteil dieser Matratzen weiter steigen wird. Großes Aber: Dagegen spricht, dass der kritische und bewusst handelnde Verbraucher, der Kunde des Fachhandels, dieses Geschichte nicht glaubt. Die Frage ist nur, wie groß die Schnittmenge derer ist, die früher beim Fachhandel gekauft haben und den Versprechen der One-Fits-All nun glauben. Das können wir nicht beziffern. Ich glaube jedenfalls, dass die preisorientierten Vertriebssysteme stärker unter diesem Trend leiden als der Bettenfachhandel.
Haustex: Nun ist die Matratze in der Regel ein weißes Etwas, in das der Endverbraucher nicht blicken kann. Also muss der Fachhandel das Produkt notgedrungen erklären, um die unterschiedlichen Preise zu rechtfertigen. Jetzt bekommt er dafür auch noch Prügel.
Stauner: Er hat es in meinen Augen einfach überzogen. Der Kunde kommt ins Geschäft, weil er einfach nur gut schlafen möchte. Und dann fängt der Handel an, kompliziert zu beraten, sodass der Kunde den Ausführungen notgedrungen vertrauen muss. Und jetzt suggeriert die Werbung von Casper & Co., dass dies alles Lug und Trug und nicht nötig sei. Wir sind dadurch ein wenig entlarvt worden, was sich jetzt negativ auswirkt.
Haustex: Soll sich also der Handel den ganzen Aufwand mit Vermessungen und Kernmodellen sparen?
Stauner: Nein, für einen Teil der Verbraucher mag eine standardisierte Matratze ergonomisch für den normalen Anspruch reichen. Aber ausreichend ist eben nur ausreichend. Nach wie vor haben wir auch Verbraucher mit höheren Ansprüchen und Spezialfälle, die mit Standards nicht klarkommen. Das hat selbst die Stiftung Warentest nie in Frage gestellt. Ihr geht es in ihren Bewertungen eher um die breite Masse.
Haustex: Also braucht die breite Masse wirklich nicht die Matratzen des Fachhandels?
Stauner: Der Fachhandel führt ja nicht nur Premium-Produkte, sondern ebenfalls standardisierte Produkte. Die Internet-Firmen bewegen sich in Preisregionen, die der Fachhandel also ebenfalls bieten kann. Zum Beispiel unser sehr erfolgreiches IPNOmed System nach dem HEIA Prinzip.
Das andere ist das Service-Paket, das den Fachhandel vom Internet unterscheidet. Viele Käufer von One-fits-all senden ihre Matratze nur deshalb nicht zurück, weil ihnen der Aufwand zu groß ist. Wenn ein Kunde im Fachhandel nicht zufrieden ist, dann ruft er dort an. Und das ist gut so, das ist ein Mehrwert den wir bieten. Im Prinzip kann der Kunde im Fachhandel alles abfordern, was er im Internet bekommt und erhält noch einen Mehrwert dazu.
Haustex: Was könnte der Fachhandel noch unternehmen, um der rückläufigen Kundenfrequenz etwas entgegen zu setzen?
Stauner: Gesunder Schlaf ist natürlich die Kernkompetenz. Aber ich glaube, das Feld, das wir im Bereich Schlafen haben, ist viel weiter. Denn gesund schlafen in einer Ferienwohnung, in einem Hotel, in einem Pflegeheim oder im letzten Lebensabschnitt stellt andere Anforderungen an das Produkt und den Verkäufer als im bislang üblichen Geschäft. Außerdem schließt gesund schlafen nicht einen schönen Schlafraum aus. Darum bietet der Schlafraum eine Fülle von Produkten und Möglichkeiten der Vermarktung, die der Bettenfachhändler aufgreifen könnte.
Viele suchen ihr Heil darin, dass sie versuchen, den Kunden einen viel höheren Auftragswert zu verkaufen. Das hat aber seine Grenzen. Nachgewiesener Weise ist ein Kunde bereit, im Schnitt bis zu 20 Prozent über sein ursprüngliches Budget zu gehen. Wenn ein Kunde 3.000 Euro für ein Boxspring-Bett ausgeben möchte, kann man damit rechnen, dass er bis zu 3.600 Euro geht. Aber man kann ihm kein Bett für 6.000 Euro verkaufen. Für einen Nachttisch, einen passenden Teppich oder einen schönen Sessel hat er unter Umständen noch ein Budget frei, weil er diese Artikel finanziell nicht direkt mit dem Bett in Verbindung bringt. Da bieten sich schöne Chancen.
Haustex: Was meinen Sie mit gesund schlafen in Ferienwohnungen?
Stauner: Ich spreche damit den Objektbereich an. Deutschland wird immer mehr zu einem Ferienland. Auch hier greift das 80/20 Prinzip. Rund 20 Prozent der Besitzer von Ferienwohnungen legen Wert auf Qualität in ihren Wohnungen, auch bei Möbeln und Matratzen. Für ihn ist der Fachhandel genau der richtige Ansprechpartner. Ähnlich ist es beim Thema häusliche Pflege, der Zukunftsmarkt schlechthin. Alles Themen, die ein kompetenter Bettenfachhändler angehen könnte.
Für jeden Händler mit seinen individuellen Fähigkeiten bieten sich Chancen. Der eine hat eine künstlerische Ader und liebt es, Schlafräume komplett neu einzurichten. Der andere hat mehr ein medizinisches Faible und ist besser darin, für das Thema häusliche Pflege zu sensibilisieren. Ein weiterer Faktor ist die zur Verfügung stehende Fläche. Für einen Schlafraumeinrichter benötigt man Fläche. Für gesund Schlafen oder Pflege reichen vielleicht schon 150 Quadratmeter.
Haustex: Das Thema Internet zieht sich wie ein roter Faden durch dieses Gespräch.
Stauner: Nicht ohne Grund. Die Digitalisierung wird in der Handelslandschaft eine Revolution auslösen. Wir alle wissen, dass wir erst am Anfang einer Entwicklung stehen. Das eine ist E-Commerce, das andere die digitale POS-Präsentation. Auch dort stehen wir erst am Anfang, weil es derzeit noch gar nicht zu zahlen ist. Das Dritte ist die eigene Internet-Präsentation. Heute schon ist in allen drei Bereiche eine enorm hohe Professionalität erforderlich. So etwas mal eben nebenbei machen zu wollen, wird nicht funktionieren.
Als positives Beispiel kann ich einen Einzelhändler nennen, extrem ländlich gelegen, der sein traditionelles Bettengeschäft vor ein paar Jahren mit einem Markenhersteller im Boxspringbereich umgebaut hat. Plus einen professionellen Online-Shop. Laut Inhaber die beste Entscheidung. Heute wird er mit seiner Homepage bei Google an Nummer zwei hinter dem Markenhersteller ausgewiesen. Dadurch hat er heute ein Einzugsgebiet von fast 150 Kilometern. Die Verzahnung von digital und stationär ist unser Königsweg.
Haustex: Man muss allerdings, so oder so, auch gefunden werden.
Stauner: Das ist die Herausforderung schlechthin, bei der auch wir als Verbände gefragt sind. Das werden die Händler alleine nicht leisten können.
Haustex: Was bietet der MZE in dieser Hinsicht?
Stauner: Wir arbeiten an verschiedenen Projekten. Wir bieten eine Reihe von standardisierten Dienstleistungen, wie Homepage und Social Media - und das günstiger, als die Händler es selbst realisieren könnten.
Noch entscheidender ist unser Online-Manager Erich Kollmansberger, ein hochqualifizierter Mann, der unseren Händlern tagtäglich zur Verfügung steht. Er bildet die Schnittstelle zwischen unseren Dienstleistern und den Dienstleistern unserer Händler. Auf Deutsch: Er kann einschätzen, ob die eingekauften Dienstleistungen unserer Händler sinnvoll und kostengerecht sind. Durch die Kooperation mit Omnea können wir unsere Händler darin unterstützen, im Google-Ranking deutlich nach vorne zu kommen. Das alles gehört zu unserem Selbstverständnis, denn digitale Sichtbarkeit ist existenziell.
Haustex: Dennoch verkünden Sie, dass Haptik Online besiegt. Wie das?
Stauner: Ja, der Online-Handel wird weiter zunehmen, und die Hemmschwelle für höhere Preislagen im Internet wird stetig abnehmen. Aber ich glaube auf der anderen Seite auch, dass ab einer bestimmten Preislage der Kunde das Produkt seines Begehrens auch eins zu eins erleben, fühlen möchte. Dann reicht ihm das Internet nicht mehr. Besonders bei unseren Produkten, die in Verbindung mit dem Schlaf und dem Schlafzimmer noch eine besondere Sensibilität vermitteln. Wir müssen also digital sichtbar sein, es dann aber schaffen, dass der Kunde zu uns in den Laden kommt. Das kann man ja digital forcieren, indem man auf der Seite immer wieder zum Besuch des Geschäfts einlädt.
Eine weitere Möglichkeit wäre ja, dass der Produzent einen eigenen Online-Shop betreibt, aber der Verkauf über die Handelspartner abgewickelt wird. Dafür fließt eine Provision an den Lieferanten. Ich halte das für einen guten, partnerschaftlichen Weg, den man unterstützen kann.
Haustex: Anderes Thema: Im Juni trifft sich die Branche wieder in Göttingen, zur Leitmesse Schlafen innerhalb des Messeparks Göttingen. Können Sie schon Details zur Veranstaltung verraten?
Stauner: Der MZE ist bekannt dafür, einen langen Atem zu haben. So ist es auch bei der Messe in Göttingen. Alle Besucher bestätigen uns, dass wir dort einen guten Job machen. In diesem Jahr nehmen die Aussteller noch einmal mehr Geld in die Hand, um noch schönere und zum Teil noch größere Stände zu realisieren. Unsere Herausforderung ist allerdings, eine Halle mit 9.000 Quadratmetern so mit Menschen zu füllen, dass man das Gefühl hat, dass dort richtig was los gewesen ist. Das ist bei einer Informationsveranstaltung im Sommer mit Produkten, bei denen nicht zwingend ein Orderbedarf besteht, eine Herausforderung. Mit der Öffnung für die gesamte Branche haben wir einen wichtigen Schritt nach vorne getan. Wir gehen damit auch sehr seriös um, sodass die Hersteller auch ein gutes Gefühl haben, Händler einzuladen, die nicht dem MZE angehören. Wir merken, dass dies von Jahr zu Jahr besser wird. Daher erwarten wir auch in diesem Jahr eine noch höhere Professionalität.
Haustex: Gibt es Veränderungen in der Hallennutzung?
Stauner: Die Ausstellungsfläche ist die gleiche wie im letzten Jahr. Jedoch haben wir uns bewusst von zehn bis 15 Lieferanten getrennt, die nicht perfekt in das Konzept passten, um den verbliebenen Ausstellern etwas mehr Fläche geben zu können. Wir sind diesmal bei gut 100 Ausstellern.
Neue Firmen sind Ekornes mit der Marke Svane, Auping und Miotto. Miotto ist ein sehr interessantes Unternehmen, Tochterunternehmen von Harvey Norman, mit umgerechnet rund 3,3 Milliarden Euro einer der weltweit größten Möbelhändler aus Australien. Dieses Unternehmen kommt nun mit Miotto nach Europa.
Miotto ist ein Private Label, mit dem Harvey Norman auch Fremdkunden bedient. Eine sehr schöne Kollektion, die im Schlafbereich nicht nur die Betten anbietet, sondern auch die passenden Teppiche, Nachtschränke, Leuchten und andere Accessoires. Lieferbar innerhalb von zehn Tagen. Miotto wird den größten Stand in Göttingen haben. Eine sehr spannende Marke.
Ebenfalls interessant wird die Firma Hoss sein, die schon auf der MOW zu sehen war. Das bosnische Unternehmen hat Bettgestelle nach verschiedenen Zielgruppen entwickelt. Sehr freue ich mich darüber, dass in diesem Jahr erstmals Lampe Berger als neuer Partner von MZE in Göttingen ausstellen wird. Wer einmal Lampe Berger gekauft hat, kauft das ständig nach, weil er so begeistert davon ist. Also ein Frequenzbringer für den Handel.
Haustex: Werden Sie in diesem Jahr Ihr Vortragsprogramm fortsetzen?
Stauner: Ja, unser Konzept "Vortrag und Leberkäs" werden wir wieder an zwei Tagen anbieten. Themen sind unter anderem "Zukunft gemeinsam gestalten", worüber ich referieren werde. Weitere Referenten sind Carsten Schmidt von Winlocal und Axel Augustin, der die Gemeinschaftsaktion des Bettenfachhandels vorstellen wird. Markus Kamps erzählt etwas zur häuslichen Pflege, Erich Kollmansberger wird zur Auffindbarkeit im Internet berichten.
Fasst man alles zusammen, die Vielzahl der Aussteller und das Vortragsprogramm, ist die Leitmesse für den Bettenfachhandel eigentlich interessanter als die Kölner Möbelmesse. Wir wünschten uns nur, dass dies noch mehr Besucher realisieren würden. Ich hätte nichts dagegen, wenn wir am Messeabend 2.000 statt 1.000 Besucher bewirten könnten. Dann wären unsere Aussteller glücklich und wir natürlich auch.
Haustex: Hand aufs Herz: Was spricht dagegen, eine Messe zu veranstalten, die von allen relevanten Verbänden des Bettenfachhandels unterstützt wird?
Stauner: Die Frage kommt bei der Industrie verständlicherweise immer wieder auf. Ich bin aber der Überzeugung, dass damit niemandem geholfen wäre. Kaum jemand würde selbst unter diesen Umständen länger als zwei Tage auf der Messe bleiben. Der Besucher müsste also in der Zeit das Programm abspulen, das er sonst getrennt auf der Leitmesse und der ABK Open hätte. Die Qualität der Besuche und Gespräche würde darunter leiden, sodass man letztlich die gleiche Messehetze hätte, wie es häufig auf der Heimtextil und der Möbelmesse der Fall ist. Davon hätte niemand etwas. Darum ist es gut so, wie es jetzt ist.
Haustex: Wenn Sie einen Wunsch frei hätten, welcher wäre das?
Stauner: Es muss uns gelingen, dass der Verbraucher spürt, dass es im Bettenfachhandel die besten Verkäufer gibt, wenn es um gesundes Schlafen geht. Das ist zu selten der Fall. Darum liegen unwahrscheinliche Chancen in der Qualifizierung. Der MZE bietet eine Fülle an Fortbildungsmaßnahmen an, die allerdings häufig einfach zu wenig genutzt werden. Die Schulungen finden hier in Neufahrn und Bad Sassendorf bei Dortmund statt. Es ist wichtig, dass die Händler erkennen, dass wir den Bann durchbrechen müssen. Momentan sind es noch zu wenig.
Den Mut für Veränderungen zu haben, ist keineswegs ein Privileg der Jugend. Da habe ich viel von Herrn Dr. Gehse gelernt. Also müssen sich die Händler an die eigene Nase fassen und dürfen sich nicht hinter ihrem Alter verstecken. Man kann jeden Tag beginnen, neue Wege zu gehen. Noch einmal: Das Geheimnis des Erfolges ist der Mut.
aus
Haustex 04/18
(Wirtschaft)