Saint-Gobain Weber: Konzept gegen Fachkräftemangel
Vorsprung durch Maschinentechnik
Vor gut zehn Jahren verabschiedete sich Saint-Gobain Weber aus dem Estrich-Massengeschäft und schwenkte um auf pumpfähige Spachtelmassen und Dünnestriche sowie die passende Maschinentechnik. Aus dem reinen Estrichhersteller ist ein erfolgreicher Boden-Vollsortimenter geworden, der sich mit einem kleinen aber feinen Sortiment auf Verlegewerkstoffe inklusive Spachtelmassen und Klebstoffe sowie Estriche und Industrieböden konzentriert. -FussbodenTechnik fragte in der Düsseldorfer Zentrale nach, worin die Stärken bestehen.Ein großer Automobilhersteller wirbt mit einem Slogan, den Saint-Gobain Weber leicht modifiziert übernehmen könnte: "Vorsprung durch Maschinentechnik". Während viele vom Fachkräftemangel reden, hat Saint-Gobain Weber schon vor vielen Jahren ein passendes Konzept entwickelt, das auf Unterstützung des Verarbeiters durch Maschinentechnik beruht. Ganz besonders der Pump Truck mit seinen pumpfähigen mineralischen Produkten hat sich bewährt und erspart viel Handarbeit beim Hereintragen von Säcken, Anmischen des Materials und dessen Einbau. Mittlerweile sind bereits vier Fahrzeuge plus ein Mixmobil im bundesweiten Einsatz. Aufgrund der guten Auslastung wird Pump Truck Nummer fünf nicht mehr lange auf sich warten lassen. Die Fahrzeuge sind in Stuttgart, Freiburg, Mainz und Berlin stationiert.
Frei nach dem Slogan "We care" (Wir kümmern uns) ist Weber enger an die Kunden herangerückt. Ihre Betreuung erfolgt - nach einem Intermezzo der Vertriebsbündelung - jetzt wieder mit hauseigenen Spezialisten für jeweils drei Geschäftsfelder: neben Boden- und (keramischer) Fliesenverlege-Systeme sind das Putz- und Fassaden- sowie Bautenschutz- und Mörtelsysteme. In jeder der drei Welten gibt es eigenständige Teams mit Vertriebsleiter, Marktmanager, Produktmanager, Anwendungstechnikern und Außendienstmitarbeitern. "Das Segment Fliesen- und Bodensysteme ist zwar das kleinste, jedoch das, was am stärksten wächst und viel Potenzial verspricht", sagte Christian Poprawa, Direktor Vertrieb und Marketing bei Saint-Gobain Weber.
50 Fachleute für
Boden und Fliese im Einsatz
Das Potenzial noch stärker wecken soll die neue Vertriebsleiterin Fliesen- und Bodensysteme, Sandra Wouters, die im Oktober 2017 ins Unternehmen gekommen ist. Sie führt ein sechsköpfiges Verkaufsleiterteam, das wiederum 50 Mitarbeiter für Boden und Fliese steuert. Neu ist auch ein eigenes Team mit Objektmanagern, das Bauherren, Planer und Verarbeiter bei Bau oder Sanierung von großen Objekten unterstützt.
De facto hat Saint-Gobain Weber viel mehr zu bieten als reine Maschinentechnik. Obwohl sie nicht als Vollsortimenter im Markt wahrgenommen werden, beweist das Portfolio das Gegenteil. Zum Sortiment gehören pumpfähige Spachtelmassen, dünnschichtige Aufbauten mit Fußbodenheizung sowie Trittschalldämmsysteme, aber genauso Bodenbelagsklebstoffe und mineralische Industrieböden. Für eine fachgerechte Fußbodenkonstruktion fehlen eigentlich nur noch Bodenbeläge, die aber mit Ausnahme von Sichtspachtelmassen und den genannten Industrieböden nicht auf der Oberfläche im Fokus stehen.
Die Klassifizierung als Vollsortimenter bestätigt Poprawa: "Wir sind immer noch ein bisschen in Richtung Estrich getrieben. De facto sind wir aber ein bauchemischer Hersteller und spielen tatsächlich im oberen Segment mit. Das müssen wir stärker ins Bewusstsein rücken."
Wie das gelingt, beantworten Christian Poprawa, Direktor Vertrieb und Marketing, Günter Fischer, Marktmanager Boden und Sandra Wouters, Vertriebsleiterin Fliesen- und Bodensysteme, im Interview.
FussbodenTechnik: Wofür steht Saint-Gobain Weber im Segment Boden? Und warum sind Sie ein guter strategischer Partner?
Günter Fischer: Wir sind ein guter Partner für den Bodenleger und den Bodenfachhandel, da wir die Kernkompetenzen von drei starken Marken vereinen, die in unserem heutigen Unternehmen aufgegangen sind: das Know-how und die Erfahrung von Weber im Trockenmörtel, von Maxit bei Spachtel- und Ausgleichsmassen sowie Estrichen und das Wissen von Deitermann in der Bauchemie.
FT: Saint-Gobain Weber integrierte das Bodengeschäft von Maxit vor zehn Jahren. Wie fällt Ihre Bilanz aus?
Christian Poprawa: Das ist ein erfreuliches Jubiläum und könnte Anlass für eine Kundenaktion sein (lacht). Spaß beiseite. Die Tatsache, dass wir mittlerweile über vier Pump Trucks und ein Mixmobil verfügen, zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir müssen momentan Aufträge verschieben, weil die Fahrzeuge permanent ausgelastet sind. Die Investition in einen fünften Pump Truck ist in Sichtweite. Am liebsten würde ich jedes Jahr einen weiteren anschaffen.
FT: Welche Rolle spielt es, dass Saint-Gobain Weber sein Geschäftsmodell 2016/2017 auf den Prüfstand gestellt und neu ausgerichtet hat?
Poprawa: Wir haben unser Geschäftsmodell und unsere -prozesse umfassend überprüft und mit dem Fokus auf den Kundennutzen neu ausgerichtet. Daraus hat sich eine neue Organisationsstruktur im Vertrieb ergeben. Wir verfügen heute über drei getrennte Geschäftsfelder: Putz- und Fassadensysteme, Bautenschutz- und Mörtelsysteme sowie Fliesen- und Bodensysteme. Alle drei Segmente sind mit jeweils einem Vertriebsleiter, einem Markt- und einem Produktmanager ausgestattet - das erlaubt einen hohen Spezialisierungsgrad. Dies hat zur Aufstockung des Vertriebs geführt, unter anderem ist Sandra Wouters als Vertriebsleiterin Fliesen- und Bodensysteme zu uns gekommen.
FT: Frau Wouters, wie machen Sie das Segment Fliese & Boden noch erfolgreicher?
Sandra Wouters: Meine Aufgabe ist es, das operative Geschäft mit sechs Verkaufsleitern zu steuern, die derzeit für Fliesen- und Bodensysteme unterwegs sind. In der Regel gibt es neben dem Außendienst Boden auch einen auf die Fliese spezialisierten. Beides haben wir voneinander getrennt. Keine Regel ohne Ausnahme: Im Baustofffachhandel haben wir beides zusammengeführt, da dort die Segmentierung und Komplexität nicht ganz so hoch ist. Dort beraten unsere Fliesenmitarbeiter auch den Boden mit.
Fischer: Wir haben nicht nur den Vertrieb neu strukturiert, sondern uns auch in der Anwendungstechnik neu aufgestellt. Damit sind wir jetzt wesentlich fokussierter und näher am Kunden. Der neue Leiter der Anwendungstechnik für Boden und Fliese, Andy Boedecker, lenkt vier Kollegen, die in den Regionen sitzen. Zudem haben wir mit Ronald Schenk einen kompetenten Anwendungstechniker für Verlegewerkstoffe eingestellt.
FT: Welche Bedeutung hat das Segment Fliesen- und Bodensysteme im Unternehmen?
Fischer: Der Boden ist das am schnellsten wachsende Geschäftsfeld bei Saint-Gobain Weber. Es ist immer noch das kleinste, weil die anderen beiden auch gewachsen sind, aber der Boden hat deutlich aufgeholt. Man kann sagen, dass wir die abgesetzten Mengen in den letzten zehn Jahren vervierfacht haben.
Poprawa: Das Segment Fliesen- und Bodensysteme ist ein strategisches Geschäftsfeld, das noch an Wert gewonnen hat. Wir haben vergleichbare und technisch ähnliche Diskussionen bei beiden Gewerken. Spachtelmasse ist für den Fliesenleger ähnlich wie Spachtelmasse für den Bodenleger. Die Zielgruppe ist anders, aber das grundsätzliche Know-how für die Produkte ist vorhanden.
FT: Wo ist Saint-Gobain Weber im Boden stark?
Fischer: Bei den Industrieböden sind wir besonders erfolgreich und innovativ mit unseren zementären Beschichtungen. Reaktionsharze werden als Systemzubehör mit angeboten, die Zukunft sehen wir jedoch eher bei den mineralischen Baustoffen. Bei Dünnestrichen und Ausgleichsmassen orientieren wir uns konsequent an einer Aufwertung des Wohnkomforts durch dünnschichtige Fußbodenbodenheizungen und Trittschalldämmsysteme. Dazu gehört auch, dass praktisch alle unsere Produkte den hohen Anforderungen an emissionsarme Produkte mit EC 1 Plus entsprechen. Dies gilt seit neuestem auch für unsere Calciumsulfat-Fließestriche, womit wir eine Vorreiterrolle in der Branche einnehmen.
FT: Warum haben Sie Calciumsulfat-Fließestriche mit dem Emicode ausgezeichnet?
Fischer: Wir setzen auch bei Verlegewerkstoffen auf das Label EC 1 Plus. Da ein Lieferant ein neues Superfließmittel für Estrich anbot - das den angenehmen Nebeneffekt hatte, dass es sehr emissionsarm ist - haben wir das aufgriffen und ein zusätzliches Argument für das Produkt geschaffen.
FT: Wie sieht es bei den Verlegewerkstoffen aus?
Fischer: Wir haben die Idee eines "Einfach & sicher"-Grundsortiments entwickelt. Beim Boden führen wir ein schlankes Sortiment von zwölf Produkten, das 90 % der Anwendungen abdeckt. In der Fliese sind es 18 Produkte. Wir sind jederzeit bereit, unser Portfolio sinnvoll zu ergänzen. Standard-Fließestriche bieten wir im Nahbereich unserer Werke flächendeckend an.
Poprawa: Wir bevorzugen ein ordentliches, konzentriertes Sortiment, an dem alle Beteiligten Spaß haben. Der Handel, weil sich die Produkte drehen und der Handwerker, weil es sich auf die wirklich notwendigen Produkte konzentrieren kann.
Fischer: Wir haben ein Partnerschaftskonzept mit dem Handel vereinbart, wo wir genau diese Produkte zur Grundlage unserer Zusammenarbeit machen. Diese Produkte muss der Händler auf Lager vorrätig haben, um den Status eines Profi-Depots zu erfüllen. Für uns ist das ein wichtiges Standbein und die Basis für eine gute Zusammenarbeit.
FT: Wie viele Händler sind es, die als Profi-Depot ausgezeichnet sind?
Fischer: In der Fliese sind es weit über 100, im Boden sind es um die 20. Im Bodenbelagshandel gibt es rund 500 Niederlassungen, aber es gibt über 2.800 Baustoffhändler. Darum ist die Präsenz im Bodenbelagshandel deutlich konzentrierter als im Baustofffachhandel.
FT: Bei Saint-Gobain Weber hat die Maschinentechnik eine größere Bedeutung als bei anderen Verlegewerkstoffherstellern. Woran liegt das?
Fischer: Man kann fast sagen: Wer an Weber denkt, denkt an Pump Truck. Das Thema Maschinentechnik haben wir frühzeitig besetzt und konsequent ausgebaut.
FT: Wie schließen Sie die Lücke zwischen dem großen Pump Truck und der kleinen Fördereinheit Weber Biene?
Fischer: Das ist uns mit dem Mini-Pump Truck gelungen. Das ist ein Bully, der eine Mischmaschine M-Tec Duomix transportiert - das ist eine mittlere Maschine für eine bis 5 t Material. Mit diesem Fahrzeug fährt ein Servicetechniker auf die Baustelle und demonstriert den Verarbeitern, wie die maschinelle Verarbeitung funktioniert. Das ist fester Bestandteil unseres Angebots. Wir sagen: Weber Biene fürs Spachteln, Mini-Pump Truck fürs dünnschichtige Ausgleichen und Pump Truck für den dickschichtigen Ausgleich - und das Konzept geht auf.
FT: Ihr Konzept beinhaltet außerdem die Aufwertung des Wohnkomforts. Was bedeutet das?
Fischer: Wir haben im letzten Jahr auf der Messe EPF eine neue Trittschalldämmmatte vorgestellt, die wir exklusiv anbieten. Wir führen jetzt zwei Trittschalldämmsysteme, die in der Form am Markt eine Alleinstellung darstellen. Beide bieten dünnschichtig Aufbauten mit einzigartigen Trittschallminderungswerten. Das sind ideale Lösungen für die Renovierung und das stellen wir gerne unter Beweis: Bei einer Wohnungsbaugesellschaft beteiligen wir uns an einem Pilotprojekt, wo mehrere Trittschalldämm- und Fußbodenheizung-Systeme zum Vergleich eingebaut werden. Wir führen jeweils vor und nach dem Einbau Trittschallmessungen durch. Das machen wir bei vielen Objekten, um Planern und Bauherren Nachweise zu liefern, wie gut unsere Produkte funktionieren.
Neben der Trittschalldämmung sind Fußbodenheizungen das zweite große Thema. In derzeit renovierten Wohnungen aus den 1960er und -70er Jahren möchten viele Bauherren eine Fußbodenheizung einbauen lassen. In der Regel fehlt es an der nötigen Einbauhöhe. Unsere besonders dünnschichtigen Fußbodenkonstruktionen sind prädestiniert, die Wünsche der Bauherren zu erfüllen.
FT: Worin bestand Ihre Motivation, die Verpackung der Produkte auf Foliensäcke umzustellen?
Fischer: Durch die Umstellung auf Foliensäcke konnten wir die Lagerstabilität i. d. R. von 9 auf mindestens 18 Monate erhöhen. Es könnte sogar sein, dass wir die Zusage für die Haltbarkeit noch weiter erhöhen können. Die Wahrscheinlichkeit ist groß. Foliensäcke haben gegenüber Papiersäcken die Vorteile, dass sie nicht mehr vom Aufdruck abfärben und kein Material herausrieseln kann. Die Umstellung auf Foliensäcke bietet also eine ganze Reihe von Vorteilen, von denen unsere Kunden profitieren.
aus
FussbodenTechnik 03/18
(Wirtschaft)