Matratzenverband

Staffelwechsel in der Verbandsführung


Bad Arolsen. Auf der Jahrestagung des Matratzenverbandes klang die Aufregung um die BASF-Affäre im Herbst letzten Jahres noch einmal nach und wurde im Rahmen der Veranstaltung aufbereitet. Auch die Auswirkungen der Datenschutz-Grundverordnung wurden intensiv diskutiert. Außerdem gab der Verband
bekannt, das Geschäftsführer Dr. Ulrich Leifeld den Verband Ende dieses Jahres verlassen wird.

Für die diesjährige Jahrestagung des Matratzenverbandes fiel die Wahl des Tagungsortes auf das lauschige Bad Arolsen, dominiert von dem barocken Residenzschloss. Im angrenzenden Hotel fanden die Tagungsgäste eine ansprechende Unterkunft.

Im auch für die Presse öffentlichen Teil der Verbandstagung ging Geschäftsführer Dr. Ulrich Leifeld noch einmal ausführlich auf die Ereignisse um die Schaumverunreinigungen bei BASF ein. Er schilderte in bewegten Worten sein Krisenmanagement, im Schulterschluss mit dem Vorstandsvorsitzenden Thomas Bußkamp, Chef der EuroComfort Gruppe. Letztlich konnte Leifeld in Bad Arolsen feststellen, dass es sich nur um einen Sturm im Wasserglas handelte, da die Verunreinigungen im Ausgangsprodukt keinerlei Auswirkungen auf das Endprodukt Matratze hatten. Ein Produktrückruf seitens der Matratzenanbieter war daher nicht nötig, auch wenn die Stiftung Warentest dies ohne große Sachkenntnis damals sofort forderte.

Was kann man aus
der BASF-Krise lernen?

Dennoch ist der Verband durch dieses Vorkommnis dermaßen sensibilisiert, dass man mit dem Rechtsprofessor Dr. Thomas Klindt eine Koryphäe in Sachen Produktrückruf zur Tagung einlud, um sich in einem Impulsvortrag die wichtigsten Grundlagen der Produkthaftung erklären zu lassen und für die Zukunft gewappnet zu sein.

Produktrückrufe erfolgten in der Regel aus dem heiteren Himmel, so Klindt, und wenn man nicht sehr schnell sehr professionell darauf reagiert, kann solch eine Angelegenheit durch die sozialen Medien ganz schnell eskalieren. Die Produkthaftung ist dem Professor zufolge auch nicht verhandelbar: Wenn ein gefährliches Produkt auf dem Markt ist, ist der Hersteller dafür verantwortlich. Da helfe auch das Argument nicht, dass man mit dem Käufer oder Nutzer des Produktes keine direkte Geschäftsbeziehung habe.

Zusätzlich verkompliziert wird die Produkthaftung dadurch, dass es diverse Aufsichtsbehörden im In- und Ausland gibt, die bei der Entscheidung über einen Produktrückruf ein Wort mitzureden haben. Und, so Klindt, diese Behörden sind heutzutage untereinander über Datenaustausch miteinander vernetzt, sodass ein Rückruf in einem Land für ein Unternehmen schnell zu einem multinationalen Waldbrand ausarten kann - sofern man seine Produkte in diese Länder exportiert. Der Rat von Klindt: Man sollte als Unternehmen und Unternehmer wissen, welche Produkte in den Ländern welchen Gesetzen unterliegen.

Damit nicht genug, können Modifikationen an einem Produkt dazu führen, dass auf einmal weitere Gesetze zu beachten sind, die man vorher nicht auf dem Schirm haben musste. Etwa, wenn eine Matratze auf einmal eine elektronische Massagefunktion erhält, oder ein Rahmen motorisiert wird. Eindringlich rät der Anwalt den Zuhörern, sofort zu handeln, sobald auch nur der Verdacht besteht, dass ein Produkt unsicher ist. "Denn wenn danach ein zweiter Fall passiert, wird das Problem wegen Unterlassens noch größer", erklärt Klindt.

Unternehmen können nicht nur von sich aus Produkte zurückrufen, auch Behörden können initiativ werden. Denn es besteht die Pflicht eines jeden Unternehmens, im Fall des Falles die zuständige Behörde über ein Risiko zu informieren. Diese Pflicht besteht laut Klindt in allen EU-Staaten, zahlreichen Ländern, die der EU assoziiert sind sowie nicht mit der EU zusammenarbeiten. Die große Herausforderung liegt laut Klindt darin, dass alle betroffenen Landesbehörden zeitlich koordinierte und synchronisierte Informationen erhalten müssen. Es wäre fahrlässig, die Behörden über mehrere Tage sukzessive abzuarbeiten.

Wie schätzt man jedoch als Unternehmen die Risiken ein, die ein fehlerhaftes Produkt mit sich bringt? Ein probates Mittel ist Klindt zufolge das Risikobewertungstool der EU mit Namen Rapex. Dieses Tool sei bei den Behörden der EU anerkannt und eine gute Methode, um das Thema zu versachlichen.

Schließlich empfiehlt Klindt den Zuhörern, im Fall eines Produktrückrufs professionell und eindeutig in den Markt zu kommunizieren. Besser ist es, eine augenfällige Anzeige zu schalten, als mehrere beschönigende und darum wenig bewirkende hintereinander, nur weil die Marketing-Abteilung negative Folgen befürchtet. Gegebenenfalls, empfiehlt Klindt, sollte man sogar auf solche Fälle spezialisierte Profis zur Krisen-Kommunikation hinzuziehen. Denn eines ist klar: Selbst wenn ein Konsument diesen Rückruf nicht registriert und eines Tages durch das fehlerhafte Produkt zu Schaden kommt, ist das Unternehmen nicht aus dem Schneider und muss für den Schaden haften. Eine breite, umfassende Verbraucherinformation ist deshalb durchaus im Interesse des Unternehmens.

An Online-Präsenz
führt kein Weg vorbei

Dirk Schroeder ist Head of Sales Cooperation and B2B Marketing des Online-Portals moebel.de. Er gab den Tagungsteilnehmern einen Einblick in das Hamburger Unternehmen, ein Tochter-Unternehmen der Pro7Sat1-Gruppe. Moebel.de bezeichnet sich als Deutschlands größtes Möbel- und Einrichtungsportal. Der Anspruch: "Wir wollen die erste Adresse fürs Einrichten sein", so Schroeder. Die aufgetischten Zahlen sind tatsächlich bemerkenswert: Monatlich kommen rund 5 Mio. Besucher auf das Portal. Dort finden sie eine Auswahl von mehr als 3 Mio. Produkten. Darunter sind 250.000 lokale Produkte. Insgesamt betreut das Portal 250 Online-Shops, unter anderem Amazon, Betten.de, Ebay, Habitat, Media Markt, Otto und XXXLutz, um nur einige zu nennen.

"Wir wollen den Konsumenten mit dem Markt verbinden", erklärt der Verkaufsexperte. Das Portal bietet dem Konsumenten einerseits die Möglichkeit, direkt online zu kaufen. Außerdem liefert das Portal Händler-Hinweise, wo man die gesuchten Produkte gegebenenfalls stationär finden kann. Natürlich ist das Thema One-fits-all auch bei moebel.de ein Thema. Freimütig räumt Schroeder ein, dass es sich bei diesen Produkten um ein reines Marketing-Thema handelt. Andererseits biete es den Matratzenanbietern eine echte Chance, mit alternativen Produkten auf das Thema aufzuspringen. "Man kann viel davon lernen", findet Schroeder.

Die Produktsuche erfolgt klassisch: Um aus der Menge von 3 Mio. Produkten das Richtige zu finden, bietet moebel.de zahlreiche Filter an und auch Produkte, die der Besucher in seiner Nähe finden kann. Hat er das passende Teil gefunden, kauft er online oder bei seiner Wunschfiliale in der Nähe (research online, purchase offline; ROPO).

Durch das Tracking seiner Kunden weiß man in dem Hamburger Unternehmen sehr genau, was gekauft wird. Bei den Matratzen beispielsweise liegt der Anteil der Produkte im Preis bis 300 Euro bei 37 Prozent. Gut 27 Prozent zahlen zwischen 300 und 500 Euro für ihre Matratze, gut 31 Prozent sind bereit, mehr als 500 zu zahlen, 17 Prozent blättern sogar mehr als 750 Euro auf die virtuelle Ladentheke. Der Preis, folgert Schroeder, ist somit nicht das Hauptthema beim Kauf einer Matratze. Er findet sogar, dass sich die Branche unter Wert verkauft.

Das bestätigt auch das Ergebnis einer Umfrage von moebel.de zum Grund des Matratzenkaufs. Nur acht Prozent sagen, sie hätten ein günstiges Angebot wahrgenommen. 50 Prozent (Mehrfachnennung möglich) geben an, dass es einfach Zeit für eine neue Matratze war, für 30 Prozent war der Kauf eines neuen Bettes Anlass, gleich auch die neue Schlafunterlage dazu zu kaufen. Übrigens kaufen derzeit drei Prozent eine neue Matratze wegen eines Partnerwechsels - nur drei Prozent, wundert sich Schroeder.

Spannend auch die Frage nach dem Kaufort der aktuellen Matratze. 72 Prozent aller Matratzen werden stationär gekauft: 29 Prozent bei Möbelhäusern, 26 Prozent beim Matratzenfachhandel (wozu aber auch das Bettenlager und Matratzen Concord gezählt werden), 13 Prozent bei Discountern und Verbrauchermärkten und nur vier Prozent in Kaufhäusern. 23 Prozent der Matratzen finden online ihren Abnehmern. Je 5 Prozent in Möbel-Online-Shops beziehungsweise One-fits-all-Shops. 13 Prozent werden in Online-Shops von Otto, Amazon und Co. abgesetzt.

Anders sieht es aber aus, wenn man fragt, wo die nächste Matratze gekauft werden könnte. Der Fachhandel liegt mit 74 Prozent vorne (Mehrfachnennungen möglich), knapp vor Möbel- und Kaufhäusern mit 68 Prozent. Aber 56 Prozent erwägen auch den Online-Kauf. Das zeigt die Dynamik, die derzeit im Matratzenhandel herrscht.

Schroeder gibt auch Antworten auf die Frage, warum das Internet derzeit so boomt. 55 der Befragten geben an, dass der Kauf einer neuen Matratze anstrengend ist. 59 Prozent wünschen sich eine höhere Beratungskompetenz vor Ort. 67 Prozent finden, dass die Auswahl an Matratzen nicht zu überschauen ist. "Der Konsument wertschätzt nicht mehr die Komplexität einer Matratze", so seine Schlussfolgerung. Ein Fingerzeig an alle Fachhändler, die ihre Kunden mit vermeintlich wertvollen Produktdetails zum Teil überfordern.

Aktuell kaufe mit einem Anteil von 6 Prozent fast niemand seine Möbel online ein, stellt Schroeder fest. Im Jahr 2022, so seine Prognose, dürfte das mit etwa 20 Prozent schon deutlich anders aussehen. Derzeit recherchieren etwa 61 Prozent der Käufer, die stationär kaufen, vorher im Internet nach geeigneten Produkten (Ropo). In vier Jahren, ist der Internet-Experte sicher, werden es 100 Prozent sein. Wer also in Zukunft erfolgreich Handel betreiben möchte, muss mit profunden Informationen im Internet zu finden sein. Schroeders Appell: "Jeder Händler sollte die digitalen Möglichkeiten nutzen, auch wenn sein Vertrieb nicht online erfolgt."

Welche Ausmaße die Online-Aktivitäten annehmen können, zeigt das Beispiel eines namentlich nicht genannten Partners von moebel.de, der auf dem Portal pro Monat alleine für Klicks einen sechsstelligen Betrag zahlt. Und ein Klick auf eine Matratzen-Anzeige kostet zwischen 36 und 46 Cent. Damit ist aber noch lange nicht gewährleistet, dass der Besucher auch tatsächlich dort seine Matratze kauft.

Thomas Linke, Energiemanager und Energiecontroller vom Industrieparkt Troisdorf (IpTro), erläuterte Möglichkeiten der Verbrauchsoptimierung des Energieeinsatzes in Unternehmen und der Beschaffungsoptimierung. Besonders attraktiv ist dies aktuell, da häufig im Rahmen von Förderprogrammen des Bundes oder des Landes bis zu 80 Prozent dieser Maßnahmen bezuschusst werden können.

Datenschutz: Ab dem 25. Mai weht ein anderer Wind

Verbandsgeschäftsführer Dr. Leifeld sprach vor den Mitgliedern unter anderem die neue Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU an, die am 25. Mai in Kraft tritt und für die Unternehmen teils gravierende Folgen haben wird. Zwar entspricht die EU-Verordnung in weiten Teilen deutschem Recht, aber eben nicht komplett. Neu ist zum Beispiel, dass nun auch sogenannte natürliche Personen bei Verstößen gegen die DSGVO zur Rechenschaft gezogen werden können, etwa Geschäftsführer.

Verpflichtend ist mit Inkrafttreten der Verordnung bei Betrieben ab zehn Mitarbeitern, die mit Datenverarbeitung befasst sind, außerdem die Benennung eines Datenschutzbeauftragten. Ist dies ein Mitarbeiter, so erhält er einen Kündigungsschutz, ähnlich wie bei einem Betriebsratsmitglied. Man kann zwar auch externe Experten mit dieser Aufgabe betrauen, allerdings ist wegen der starken Nachfrage derzeit kaum jemand zu finden. Außerdem stellt sich die Frage, wer sich die Verantwortung für dieses Thema ans Bein binden lassen möchte.

Die DSGVO betrifft die Daten von Mitarbeitern und Kunden. Und besonders unangenehm ist, dass nach außen alle Kunden auf die neue Verordnung aufmerksam gemacht werden müssen. Das alleine reicht jedoch nicht aus, vielmehr muss jeder einzelne Kunden seine explizite Genehmigung dazu geben, dass das Unternehmen auch künftig mit seinen Kontaktdaten arbeiten darf.

Ab dem 25. Mai ist es verboten, mit Daten zu operieren, die nicht diese Genehmigung erhalten haben. Da die Rückmeldungen auf diese Anfragen überschaubar sein dürften, lösen sich schnell wichtige Kundendateien in Luft auf. Speziell dieser Punkt sorgte bei der Diskussion für Unmut. Allerdings ist die neue Verordnung bereits seit 2016 bekannt, sodass im Prinzip genügend Zeit bestanden hätte, sich auf die Umstellung vorzubereiten.

Die Datenschutz-Behörden haben signalisiert, dass sie zum 25. Mai keine hundertprozentig wasserfeste Lösung von den Unternehmen erwartet. Sie selbst müssen auch erst einmal lernen, mit der neuen Verordnung umzugehen. Leifeld empfiehlt seinen Mitgliedern deshalb, vor allem erst einmal die Änderungen vorzunehmen, die nach außen wirken. Zumindest die Homepage sollte deshalb zum Stichtag auf dem neuesten Stand des Rechts sein.

Auf der imm Cologne, berichtet Leifeld, sei das Thema "None-fits-all" auf der Sleep Lounge des Matratzenverbandes beim Fachhandel sehr gut angekommen. Die Besucher hätten honoriert, dass durch die Exponate die ganze Widersprüchlichkeit des Anspruchs herausgearbeitet worden sei, dass eine Matratze für (fast) alle Anforderungen herhalten könne. Wichtig ist es Leifeld, in dem Zusammenhang den Unterschied zum Online-Handel mit Matratzen herauszustellen. Man dürfe den Internethandel mit individuell anpassbaren Matratzen nicht über einen Kamm scheren mit One-fits-all-Matratzen. Das Thema der Sleep Lounge auf der imm Cologne 2019 wird lauten "Die Kunst des Schlafens - Schlafen in der Kunst".

Die zweite Messe, auf welcher der Matratzenverband traditionell ausstellt, ist die Verbrauchermesse Heim+Handwerk in München. Leifelds Erfahrung dort: Es gebe bei den Verbrauchern nach wie vor sehr viel Unkenntnis zum Thema Matratze, sodass die Präsenz des Verbandes dort nach wie vor sinnvoll ist. Interessant fand Leifeld, dass dort keinerlei Nachfragen zur BASF-Problematik aufkamen, obwohl das Thema zu der Zeit noch aktuell war.

Schließlich machte der Verbandsgeschäftsführer noch auf die neu gestaltete Homepage des Verbandes aufmerksam, die seit dem 25. März aufgeschaltet ist. Optisch überzeugen ein neues Farbkonzept und ein neues, modernes Verbandslogo. Inhaltlich ist die Homepage durch ein sogenanntes "responsive design" noch benutzerfreundlicher geworden.

Die nächste Jahrestagung des Matratzenverbandes findet in Wuppertal statt, vom 2. bis 3. April 2019.
aus Haustex 05/18 (Wirtschaft)