ABK-Cheftagung in Weimar

Mit Mut zur Veränderung die Zukunft gestalten ABK-Cheftagung in Weimar


Veränderung braucht Mut, sie kann aber auch Spaß machen: Die ABK-Cheftagung in Weimar sollte die Gesellschafter des Einkaufsverbandes ermuntern, sich den Zukunftsfragen des Handels zu stellen und Neues zu wagen. Dabei setzte ABK-Geschäftsführer Thomas Fehr unter anderem auf die Unterstützung des Improvisationstheaters Steife Brise aus Hamburg. Best-Practice-Beispiele von Händlern zeigten erste Ergebnisse der geplanten Wachstumsinitiativen.

Veränderung löst häufig Ängste aus - und mit Humor geht es bekanntlich besser. Das Improvistationstheater Steife Brise aus Hamburg verband als roter Faden die unterschiedlichen Zukunftsthemen der ABK-Cheftagung und umrahmte spielerisch und mit vielen Lachern die Vorträge. Zudem wagte die Steife Brise auch ein kleines Experiment, indem Ensemblemitglied Youssef Rebahi-Gilbert am Ende des Tages in einem 90-minütigen Solo über Kontakt und Kommunikation in Zeiten des Wandels sprach - und dabei provokant-lustig versuchte, die Zuhörer aus der Reserve zu locken.

Das gefiel nicht allen, was vielleicht auch daran lag, dass Rebahi-Gilbert unangehme Fragen stellte wie diese: "Haben sie in 30 Jahren noch eine Daseinsberechtigung? Und muss Beratung dann noch so sein, wie sie heute ist, weil wir das schon immer so gemacht haben?" Unter anderem am Beispiel des US-Anbieters Casper hielt er den Händlern den Spiegel vor: "Casper installiert Spielplätze ohne jeglichen Kaufdruck - und Sie hoffen darauf, dass sich der Bettenhandel nicht verändert." Dabei hebele Casper die Beratung aus, also genau die Stärke des stationären Handels, auf die man zu recht stolz sei: "Sie sagen: Wir haben die beste Beratung! Casper sagt: Wir haben die eine Matratze, die für alle passt. Wir brauchen keine Beratung."

Eine Crux, in der sich viele Fachhändler befinden - denn die Versprechen der Onlineanbieter verfangen beim Kunden. Und der kaufe entsprechend weniger stationär. Der Vortrag von Rebahi-Gilbert blieb nicht ohne Widerspruch. Genau darauf war er angelegt, denn der Impro-Schauspieler wollte die Händler dazu bewegen, gedankliche Komfortzonen zu verlassen. "An dem Punkt, an dem man sich völlig verunsichert fühlt, braucht es Mut, um die notwendigen Veränderungen anzugehen." Rehabi-Gilbert wünschte den Anwesenden diesen Mut, auch wenn sein Humor nicht von allen geteilt wurde. Kalt aber ließ er wohl niemandem im Saal.

Humor kann angesichts der aktuellen Wettbewerbssituation zumindest nicht schaden. "Wir reden im Moment über einen sehr schwierigen Markt", erklärte Thomas Fehr in Weimar, insbesondere der Matratzenmarkt verzeichne ein negatives Wachstum. Und da ist das Thema Bett1 mit einem geschätzten Marktanteil von zehn bis zwölf Prozent nur eine von mehreren Baustellen. Der Handel im Netz boomt. "Die Wachstumskurve liegt beim Onlinehandel, auch wenn ein Teil der Onliner gerade vom Markt verschwindet", so Fehr. "Es werden die überbleiben, die stark sind, und die werden den Markt weiter sehr stark beeinflussen."

Der ABK-Geschäftsführer verwies auf das Beispiel der Bettzeit-Gruppe, die unter anderem mit den Marken Emma und Dunlopillo erfolgreich ist. Fehr hatte den Anwesenden ein Zitat von Martin Schillo mitgebracht, einem der Geschäftsführer von Dunlopillo: "Wenn man den Kunden über alle Marketing-Touchpoints von TV über Informationen im Internet und den Werbeflyer des Händlers bis hin zum POS konsequent mit den gleichen Produkten und damit Werbebotschaften versorgt, wird das die Abschlussquote enorm steigern."

Ein Satz, der den ABK-Geschäftsführer nachdenklich machte: "Die kommunizieren die immer gleichen Botschaften immer wieder in den Markt, einfache Botschaften mit den immer wieder gleichen Argumenten", sagte er. "Ich glaube, dass wir viel stärker lernen müssen: Wir brauchen nicht fünf oder zehn Argumente, wir müssen mit möglichst einfachen, immer wiederkehrenden Botschaften versuchen, unsere Kunden zu erreichen."

Auch das Thema Boxspring wächst aus Fehrs Sicht zukünftig weiter. "Allerdings ist das bei einem Durchschnittspreis von 700 Euro nicht das Niveau, das wir Fachhändler abbilden wollen." Fehr nannte die Marke Swiss Sense als erfolgreiches Beispiel im Wettbewerb: Das niederländische Unternehmen mit dem schweizer Namen verfügt mittlerweile über rund 100 Filialen, ein Drittel davon in Deutschland. "Wunderbar gestaltet, optisch ansprechende Präsentationen", urteilte Fehr, "aber auch dort liegt der Durchschnittpreis eines Boxspringbettes nur bei rund 800 Euro."

All dies wirkt sich nicht zuletzt auf das Preisbewusstsein der Konsumenten aus. Hinzu kommt der Dauerbrenner Stiftung Warentest und die "beste jemals getestete Matratze", aber nicht allein sie. Auch hier griff Fehr auf das Beispiel Dunlopillo und ein Zitat zurück, wo man sich über die Auszeichnung als "haltbarste je getestete Matratze" durch die StiWa freuen konnte: "Mit dieser tollen Bewertung wird () das Paradigma, wonach hohe Qualität ein gewisses Gewicht erfordert, aufgebrochen, denn sie hat ein Raumgewicht von nur etwa 30 Kilogramm", hatte Dunlopillo-Geschäftsführer Manuel Müller die StiWa-Note kommentiert.

Das Fazit des ABK-Geschäftsführers zu all dem: "Nicht der Händler steht im Mittelpunkt des Geschehens, nicht das Produkt, sondern der Kunde - er entscheidet darüber, ob er bei uns kauft oder auf anderen Kanälen." Dies geschehe spontan und situativ, der Kunde entscheide sich immer wieder neu, in welchem Kanal er unterwegs sein wolle. "Deshalb müssen wir die digitalen Möglichkeiten in Zukunft deutlich besser spielen, als wir das heute machen", so Fehr. "Wenn der Fachhandel in der Zukunft eine Chance haben möchte, dann müssen wir uns um diese Themen kümmern. Nur den Laden aufzuschließen, das Licht anzuschalten und zu warten, bis der Kunde kommt, reicht bei weitem nicht aus."

Denn da sind irgendwann auch andere, weitaus größere Mitbewerber unterwegs. Amazon etwa eröffnet in den USA in naher Zukunft 3.000 Läden im Lebensmitteleinzelhandel - was auch immer danach noch kommt. Matratzen-Ambieter Casper macht ebenfalls 200 Geschäfte in den USA auf, um einen Fuß in die Tür zu bekommen und im stationären Handel Erfahrungen im Umgang mit Kunden zu sammeln. "Auch wir müssen versuchen, das Klavier auf allen Seiten ordentlich zu spielen", betonte Fehr mit Blick auf diesen Wettbewerb zwischen den Antipoden Online und Offline. "Ich glaube, dass keiner das Spiel gewinnt, sondern diejenigen überleben, die beides können. Nur die Verzahnung von beiden Welten wird eine Zukunftsoption sein. Das bedeutet nicht, dass wir jetzt alle Onlineshops eröffnen müssen, aber wir brauchen eine klare digitale Strategie, eine klare digitale Sichtbarkeit und Präsenz."

Ein Mittel, um hier aktiv zu werden, ist der "digitale POS". Diese verlängerte Ladentheke der ABK bezeichnete der Geschäftsführer als Erfolgsstory. 30Lieferanten und 48 Produktkataloge mit rund 45.000 Artikeln sind bislang eingestellt, 44 Händler mit 120 Anwendungen auf der Fläche nutzen den digitalen POS. "Es wird mit diesem Thema sehr intensiv gearbeitet", so Fehr. In den ersten acht Monaten dieses Jahres wurden 10.000 Produkte in den Warenkorb gelegt, davon knapp 1.000 direkt bestellt. "Die anderen 9.000 wurden wahrscheinlich auf konventionellem Wege über Telefon oder Fax bestellt", so Fehr. "Das hat uns ermutigt, das Thema weiterzuführen."

Auch der Boxspring-Konfigurator des Verbandes wurde neu konzipiert. Unter anderem wurden eine neue Benutzeroberfläche und eine neue Verknüpfung mit der Warenwirtschaft realisiert und neue, stationäre POS-Möbel entwickelt. Feste Möbel im Laden statt des Tablets in der Hand des Verkäufers sollen den Mitarbeitern Sicherheit und einen konkreten Anlaufpunkt bieten, um mit den Kunden ins Gespräch zu kommen. Neu ist auch das Thema Endkundenkonfigurator, "und davon versprechen wir uns eine ganze Menge", wie Fehr betonte.

Verbraucher können mittels einer eigenen App ihr Wunsch-Boxspringbett auf allen Endgeräten konfigurieren, vom PC bis zum Smartphone. Mit einem entsprechenden Button kann der Kunde mit dem jeweiligen Händler Kontakt aufnehmen und einen Termin vereinbaren. Fehr: "Der Händler erhält so auch vorab schon die Wunsch-Konfiguration des Kunden, um sich entsprechend auf das Verkaufsgespräch vorzubereiten und auch eine ungefähre Preisvorstellung des Kunden zu haben."

Neben diesen Aktivitäten des Verbandes standen in Weimar die Präsentationen jener Fachhändler im Mittelpunkt, die sich im vergangenen Jahr in einer Projektgruppe zusammengefunden haben, um gemeinsam mit einer Unternehmensberatung Zukunftsstrategien für ihre stationären Geschäfte zu entwickenn. Bei der letzten Cheftagung in Regensburg war hierzu gemeinsam mit der Münchner Unternehmensberatung k.newvision der Grundstein gelegt worden, jetzt gab es erste Best-Practice-Beispiele von Kollegen zu Kollegen (siehe gesonderter Kasten). "Die Gruppe hat sich monatlich getroffen und wird sich auch weiterhin ohne den Unternehmensberater treffen", lobte Fehr das Engagement der beteiligten ABK-Gesellschafter. Mit den Themen sei man noch nicht am Ende: "Wir müssen sie weiterentwickeln, und deshalb hat die Projektgruppe auch weiterhin ihre Berechtigung."

Einer der Händler, die sich in diesem Jahr massiv Gedanken über Kundengewinnung und Umsatz machen mussten, ist Julio Munoz Gerteis aus Laufenburg. In seinem Geschäft nahe der Schweizer Grenze war der heiße Sommer ein Frequenzkiller. Gerteis entschied sich für einen ungewöhnlichen Schritt. Als Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr war ihm die Schuhmarke Haix ein Begriff, die auch hochwertige Freizeitschuhe produziert. "Mein Großvater hat immer gesagt, dass man im Leben zwei Dinge brauche: gute Schuhe und ein gutes Bett", erzählte Gerteis seine Motivation, ein ganz neues Produkt im Geschäft auszuprobieren.

Und siehe da: Binnen kürzester Zeit waren 88 Paar verkauft. Dass die Kunden beim Ausprobieren der Schuhe auch durch das gesamte Geschäft laufen, ist ein positiver Nebeneffekt, vor allem aber sind Kunden zu Gerteis gekommen, die er sonst nicht gehabt hätte. Wie nachhaltig das sein kann, wird sich weisen, der Fachhändler sieht den Brückenschlag zwischen gesundem Schlafen und ergonomischem Laufen positiv. "Das passt nicht zu jedem, aber es passt zu ihm", urteilte auch Thomas Fehr, der dieses Beispiel bewusst in die Best-Practice-Reihe aufgenommen hatte.

"Ich bin froh, dass die Kollegen vorangehen, und würde mir wünschen, dass sich auch andere fragen: Könnte das auch etwas für mich sein?" Es müsse noch eine ganze Menge geschehen, um den Fachhandel für die Zukunft gut aufzustellen. "Hier sind Industrie und Händler gemeinsam gefordet, das Thema voranzutreiben. Denn der qualifizierte Fachhandel ist auch ein Stabilitätsfaktor für die meisten unserer Industriepartner. Wir brauchen uns gegenseitig", unterstrich Fehr. "Entscheidend ist, dass wir keine Angst haben vor dem großen Online-Moloch, sondern die Dinge intelligent verbinden." Mit Mut und Humor sollte das gelingen.
aus Haustex 10/18 (Wirtschaft)