Fachverband Matratzenindustrie e.V.
Umstrittene Matratztentests – Branche will sich gegen Stiftung Warentest wehren
Essen. Die Matratzenbranche wehrt sich gegen die Tests aus Berlin: Unter Federführung des Fachverbandes der Matratzenindustrie wurde eine "Initiative für mehr Transparenz und Neutralität bei der Stiftung Warentest" ins Leben gerufen. Aktuell lässt der Verband prüfen, ob und welche juristischen Schritte gegen die StiWa möglich sind. Parallel soll eine Medienkampagne die Aktivitäten begleiten
Vorsicht Test" - wenn in den kommenden Wochen ein solcher Warnhinweis an den Eingangstüren deutschen Bettenfachgeschäfte prangt, ist dies das Ergebnis einer Branchenoffensive gegen die Stiftung Warentest. "Vertrauen Sie Ihrer Meinung - mehr als einem Test" werden die potenziellen Fachhandelskunden auf Plakaten aufgefordert.
Stein des Anstoßes ist der Matratzentest in der Oktober-Ausgabe des Magazins "Test" unter der Überschrift "Die Besten der Besten". Die StiWa hatte für den aktuellen Matratzentest "die Topmodelle aus Tests der vergangenen zehn Jahre eingekauft, geprüft und miteinander verglichen", so die Redaktion. Dieser Test weise Ungereimtheiten auf, erklärt der Fachverband Matratzenindustrie, und vernachlässige die zahlreichen Neuheiten und Weiterentwicklungen, die es aktuell auf dem Markt gebe. "Dennoch wird ein weiteres Mal die gleiche Eine-für-alle-Matratze als Testsieger präsentiert", so der Verband.
"Marktneuheiten zu untersuchen, war dieses Mal nicht das Ziel, kann aber in Zukunft durchaus wieder im Fokus stehen, so wie wir vor einiger Zeit bereits Matratzen, die nur im Internet angeboten werden, untersucht haben", erklärte hierzu Heike van Laak, Abteilungsleiterin Kommunikation bei der Stiftung Warentest, auf Nachfrage der Haustex. Untersucht wurden aktuell Schaumstoff-, Latex- und Taschenfederkernmodelle. Während bei Latex ein Modell des Anbieters Allnatura siegte und Hersteller Malie mit einer TFK-Matratze zum Testsieger gekürt wurde, erregt vor allem das Schaum-Ergebnis die Gemüter: Hier siegte Anbieter Bett1.de mit seinem Modell "Bodyguard" - der nach Angaben der StiWa besten jemals getesteten Matratze. Das Modell war 2015 erstmals untersucht worden.
"Weitere Jahre
massiver Werbung"
"Es reicht", sagt Dr. Ulrich Leifeld, Geschäftsführer des Matratzenverbandes. "Wir sind der Meinung, dass eine zur Neutralität verpflichtete Verbraucherorganisation wie die Stiftung Warentest nicht seit 2015 immer wieder massiv eine einzelne Matratze hätte hervorheben dürfen, die noch dazu angeblich für jeden passen soll." Dem Verband erscheine zweifelhaft, "dass seit 2015 nur eine Matratze am besten abschneidet und immer wieder hervorgehoben wird." Deren Logolizenz laufe im November nach drei Jahren massiver Werbung mit dem Testsiegel ab. "Was wir dramatisch finden: Dieser Trend wird sich fortsetzen, denn der jüngste Test ist der Auftakt für weitere Jahre massiver Werbung unter dem Siegel von Stiftung von Warentest."
Der aktuelle Matratzentest bestätige den Eindruck zahlreicher Akteure der Matratzenbranche, dass die Stiftung "mit dem fortwährenden Hervorheben einer Einheitsmatratze ihre Marktmacht missbraucht", erklärt der Verband. "Konsequent werden der Reihe nach alle Mitbewerber aus Industrie, stationärem Handel und Online-Handel niedergeschrieben, um einen einzelnen Testsieger über Jahre besonders gut dastehen zu lassen." Es sei wenig verbraucherorientiert, "dass alte Matratzen immer wieder getestet werden, statt marktorientiert gängige aktuelle Produkte zu prüfen", so der Verband.
"Ob die Auswahl noch der aktuellen Verbreitung im Markt entspricht, können wir leider nicht sagen", antwortete StiWa-Vertreterin van Laak auf eine entsprechende Frage der Haustex. "Es gibt keine verlässlichen Marktdaten und unsere Bitte an die Hersteller, uns über neue Produkte am Markt zu informieren, hat ebenfalls keine zuverlässigen Ergebnisse gebracht", so van Laak.
"Üblicherweise orientiert sich die Stiftung an der Marktbedeutung der Produkte. Das ist bei Matratzen leider nicht so einfach möglich, da kein unabhängiges Marktforschungsinstitut entsprechende Daten erhebt", ergänzt Dr. Holger Brackemann, Bereichtsleiter Untersuchungen bei der Stiftung. "Deshalb recherchieren wir die Angebote im stationären und im Online-Handel und wählen in wechselnden Produktsegmenten (wie zum Beispiel Schaumstoff oder Latex) marktrelevante Matratzen aus."
Neutralität und
Transparenz vermisst
Doch es ist nicht allein die Produktauswahl, die dem Matratzenverband missfällt. Ihm geht es um Neutralität in der Berichterstattung und die Transparenz bei den Tests. Beides sieht die Branche nicht gegeben und kritisiert beispielsweise, "dass Testtabellen und Berichte immer wieder einseitig auf einen einzelnen Anbieter und seine Einheitsmatratze verweisen". So übe die Stiftung starken Einfluss auf den Matratzenmarkt aus. Der Matratzenverband sei mit vielen anderen Branchenvertretern der Ansicht, "dass Stiftung Warentest so dazu beiträgt, eine gesamte Branche - Hersteller, stationären Handel, Online- Handel, aber auch Start-Ups - ins Wanken zu bringen." Drastische Umsatzeinbrüche, Insolvenzen und Rückzüge aus dem deutschen Markt bestätigten diesen Eindruck, heißt es.
"Bett1 tut uns weh, das merken wir", erklärte auch Thomas Fehr, Geschäftsführer der ABK, während der Cheftagung seines Verbandes in Weimar, die parallel zur Veröffentlichung des Testberichtes stattfand. "Es geht uns aber nicht um das Produkt oder das Geschäftsmodell von Bett1. Aber: Bett1 wirbt mit einem Slogan, dessen Hintergrund uns nicht in Ordnung erscheint", so Fehr. Es gebe einen begründeten Anfangsverdacht, dass hier etwas nicht sauber laufe. "Und der ist so begründet, dass jetzt etwas passiert." Der "Initiative für mehr Transparenz und Neutralität" des Matratzenverbandes hätten sich binnen kürzester Zeit auch stationäre Händler, Online-Händler und bedeutende Einkaufsverbände der Branche angeschlossen. "Für uns als Verband ist es Ehrensache, da mitzumachen", erklärte Fehr vor seinen Gesellschaftern in Weimar.
Doch was genau soll nun geschehen? "Wir werden jetzt in Ruhe prüfen, ob und wie man juristisch gegen die Stiftung Warentest vorgehen kann", erklärte Dr. Ulrich Leifeld im Gespräch mit der Haustex. Außerdem habe man Kontakt zu vielen Journalisten aufgenommen, um diese zu kritischen Recherchen zu animieren. Die Zurückhaltung in Leifelds Äußerungen hat ihren Grund - die StiWa verfügt nicht nur über eine große Marktmacht, sondern ist auch juristisch ein schwer zu packender Gegner. "Da braucht man einen langen Atem und eine gut gefüllte Kriegskasse", drückte es Thomas Fehr aus. "Es geht darum, die Glaubwürdigkeit der Stiftung in Zweifel zu ziehen."
Die versteht in Sachen Glaubwürdigkeit und Transparenz naturgemäß keinen Spaß - und spielt den Ball zurück: "In den Sitzungen des Fachbeirats Matratzen haben wir das Prüfprogramm in den letzten Jahren immer zur Diskussion gestellt. Dabei gab es keine grundsätzliche Kritik an unserem Vorgehen, geschweige denn einen alternativen Vorschlag, wie Matratzen geprüft werden sollen", sagt Dr. Holger Brackemann.
Doch aus Sicht des Matratzenverbandes gibt es genau hier verschiedene Ungereimtheiten. Die Prüfkriterien seien so ausgerichtet, dass sie von den Anforderungen der Verbraucher an Matratzen erheblich abwichen: "Gemäß einer unabhängigen Verbraucherumfrage zu den Kaufkriterien für Matratzen in Deutschland rangiert der Komfort mit 70 Prozent an erster Stelle, gefolgt von einer hohen Verarbeitungsqualität mit 47 Prozent", argumentiert der Matratzenverband. "Bei Stiftung Warentest wird der Liegekomfort innerhalb der Rubrik Liegeeigenschaften mit geprüft. Insgesamt fließt diese Rubrik aber nur mit 35 Prozent in die Gesamtbewertung ein."
Wie die Ergebnisse genau zustande kämen oder was einen zum Experten bei der Stiftung Warentest qualifiziere, bleibe offen. Auch ob die Experten vor allem in den Kategorien "Handhabung" und "Deklaration und Werbung" nach eigenem Belieben bewerten, sei unbekannt. "Doch gerade über diese Kategorien sind 20 Prozent der Gesamtbewertung zu erzielen. Hier fordern wir mehr Transparenz", so der Matratzenverband. "Wir wollen nachvollziehen können, wie die Stiftung Warentest zu ihren Testergebnissen für Matratzen kommt."
Verbands-Kritik
nicht nachvollziehbar
Brackemann hält dagegen: Jeder Anbieter, dessen Matratzen untersucht werden, erhalte ein genaues Prüfprogramm, das zuvor im genannten Fachbeirat zur Diskussion gestellt wurde - aus seiner Sicht ohne Beanstandungen. "Unser Eindruck ist vielmehr, dass die Hersteller unsere Prüfungen möglichst genau verstehen wollen, vermutlich um sie dann selbst nachzustellen. Deshalb können wir auch nicht nachvollziehen, dass der Fachverband Matratzen-Industrie unsere Testkriterien als wenig sinnvoll bewertet", so Brackeman.
Die Kritik des Matratzenverbandes, dass seit 2015 nur eine Matratze am besten abschneide und immer wieder hervorgehoben werde, wehrt die Stiftung ebenfalls ab: "Es ist ein ganz übliches Vorgehen der Stiftung, auf Produkte aus vorherigen Tests hinzuweisen, die noch im Handel sind, denn schließlich will der Verbraucher nicht unbedingt das neueste Produkt kaufen, sondern vielleicht das beste oder eins mit besonders gutem Preis-Leistungsverhältnis", erklärt Brackemann.
Heike van Laak führt gegenüber der Haustex andere Tests an: "Bei Matratzen war es vor der Bett1-Matratze noch nicht der Fall, aber auch bei elektrischen Zahnbürsten, Objektiven, Kameras und einem Saugroboter haben wir ebenfalls darauf hingewiesen, dass der Testsieger jeweils der/die beste ist. Außerdem empfehlen wir regelmäßig sehr gute oder gute Produkte aus früheren Tests, wenn diese noch angeboten werden." Brackemann ergänzt: "Die Bodyguard-Matratze von Bett1.de hat nun einmal das beste Testergebnis erzielt und kostet nicht viel. Wenn wir ein solches Ergebnis unter den Tisch fallen lassen würden, könnte man uns zu Recht den Vorwurf machen, unsere Leser und Internetnutzer unvollständig informiert zu haben."
Um nicht nur übereinander, sondern auch miteinander zu reden, reiste Verbands-Geschäftsführer Leifeld im August auf Einladung der Stiftung Warentest nach Berlin. Schon zuvor hatte sich der Matratzenverband direkt an das Kuratorium der Stiftung gewandt. Es hat als Aufsichtsgremium unter anderem die Aufgabe, für ein "Höchstmaß an Sachgerechtigkeit und Klarheit" bei der Durchführung der Untersuchungen sowie der Darstellung der Testergebnisse zu sorgen. Ein Ergebnis: Der Verband konnte einen Vertreter für den Fachbeirat der Stiftung benennen. Mitte August brachte Leifeld im persönlichen Gespräch eine Reihe von Kritikpunkten an den Bewertungskriterien und der Durchführung der Matratzentests vor, "aber vor allem auch an der unangemessenen redaktionellen Bearbeitung der Testergebnisse", so Leifeld. "Diese empfinden viele in unserer Branche in ihrer Tonalität als unausgewogen."
"Es kann keine
Einheitsmatratze geben"
Im Nachgang zu dem Termin in der Hauptstadt beschlossen Vorstand und Mitglieder des Matratzenverbandes, initiativ zu werden und ein Zeichen zu setzen - "pro Vielfalt und fairen Wettbewerb in der Branche", wie der Verband es ausdrückt. "Auch Kritik aus anderen Industrien führt mittlerweile dazu, dass Journalisten sich, anders als früher, grundsätzlich bereit zeigen, kritisch über die Stiftung zu berichten, obwohl diese viele Jahrzehnte als unantastbare Autorität des Verbraucherschutzes galt", so der Matratzenverband.
Die Kampagne für mehr Transparenz und Neutralität wird auch von Schlafforscher Professor Jürgen Zulley unterstützt, "um zu unterstreichen, dass es keine Einheitsmatratze geben kann, die für jeden geeignet ist", wie es hierzu heißt. Mit Flyern und Plakaten im Bettenfachhandel und Möbelhäusern sollen Verbraucher nun "über die Kritikpunkte an den Matratzentests der Stiftung aufgeklärt und dafür sensibilisiert, dass eine einzige Matratze nicht für alle geeignet sein kann".
Damit will der Verband die Verbraucher ermutigen, sich zu informieren, sich beraten zu lassen, auszuprobieren und der eigenen Meinung zu vertrauen. "Der Verbraucher sollte sich selbst und seiner Wahrnehmung und Einschätzung vertrauen und nicht blind einem Urteil der Stiftung Warentest aufgrund ihres bisherigen Renommees folgen", findet Matratzenverbands-Geschäftsführer Leifeld. Doch genau das könnte ein frommer Wunsch bleiben.
aus
Haustex 10/18
(Wirtschaft)