Bettenhaus Manz, Tuttlingen

Hersteller übernimmt 100 Jahre altes Fachgeschäft


Tuttlingen. Wenn ein Hersteller Ambitionen im Endkundengeschäft entwickelt, sieht das der Handel nicht gerne. Patrick Ogris ist das bewusst: Der Chef von DOC hat dennoch das Tuttlinger Bettenhaus Manz übernommen. Er verspricht sich durch die Nähe zum Endkunden Lerneffekte für Hersteller wie Händler. 100 Jahre nach seiner Gründung ist das Fachgeschäft jetzt neu ausgerichtet worden.

Wer 1918 ein Unternehmen gründete, blickte in düsterer Zeit hoffnungsfroh in die Zukunft. Die Familie Manz in Tuttlingen gehörte offenbar zu den Optimisten und eröffnete im Jahr des Kriegsendes eine Weißzeugnäherei und Knopffabrik. In den folgenden hundert Jahren durchlief das Unternehmen, das bis heute den Namen der Gründerfamilie trägt, viele Wandlungen.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges konzentrierte sich Manz auf den Handel mit Stoffen und die Näherei, Anfang der Sechziger-Jahre kam Matratzen und Betten ins Sortiment, seither ist das Unternehmen Mitglied im Bettenring. An den heutigen Standort zog das Fachgeschäft 1980, seither wechselte die Leitung einige Male, und auch mehrere Umbauten und Modernisierungen prägten die Firmengeschichte der vergangenen Jahrzehnte.

Zum runden Geburtstag stand wieder eine Zäsur an: Seit Januar 2018 ist Patrick Ogris Inhaber des Bettenhauses Manz - alles andere als ein Unbekannter in der Branche. Der Schweizer ist ebenfalls Inhaber des Schlafsystemherstellers DOC mit seiner Marke Philrouge. Nach einer Umgestaltung ist das Haus seit März stark auf die Marke ausgerichtet.

Die Übernahme des Fachgeschäftes sieht Ogris als Versuch: "Jeder weiß, dass der Handel in den kommenden Jahren dezimiert wird", ist er sicher. "Wir möchten uns hier wie im Modell anschauen, wie der Fachhandel in Zukunft funktionieren kann", so Ogris. Ein größeres Engagement im Handel solle daraus nicht werden. "Ich möchte als Hersteller nicht in Konkurrenz zu den Händlern treten", betont er, mahnt aber auch: "Hersteller und Händler müssen näher zusammenrücken, um den neuen Firmen wie Zalando & Co. die Stirn bieten zu können." Tuttlingen ist dafür eine Art Testlabor.

Im Falle des Bettenhauses Manz bedeutet dies, dass Ogris für seine Marke Philrouge die erste Etage des Geschäftes reserviert hat, in der die meisten Liegeflächen angesiedelt sind. "Ich glaube nicht an einen Monobrand-Store, aber an überzeugende Shop-in-Shop-Konzepte", sagt der Inhaber. So wird Philrouge als Hauptmarke inszeniert, im Erdgeschoss befindet sich aber auch eine Tempur-Präsentation, und Dormabell-Produkte werden bei Manz ebenfalls geführt.

Aus Sicht von Orgis hat sich das Fachgeschäft Manz damit "vom Gemischtwarenladen zum Kompetenzzentrum Schlafen" entwickelt. In einer Stadt wie Tuttlingen ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt: Die 35.000 Einwohner zählende Gemeinde zwischen Bodensee, Schwarzwald und Schwäbischer Alb ist ein weltweit führender Standort für Medizintechnik mit vielen entsprechend gut ausgebildeten Bewohnern. 20.000 Einpendler kommen täglich hinzu. Die Stadt in der kaufkräftigen Region ist ein attraktiver Standort, zumal es kein weiteres Bettenfachgeschäft am Ort gibt.

Aber natürlich braucht auch ein solches Geschäft, zumal am Rande der Fußgängerzone, frequenzstarke Sortimente, die im Erdgeschoss platziert sind: Bettwäsche, Bettwaren, Frottierwaren, Nachtwäsche und Küchentextilien - der Name Manz steht in Tuttlingen immer noch für große textile Kompetenz. "Natürlich sprechen wir auch über die modischen Sortimente die Kunden an", sagt Andreas Himmelsbach, der als Diplom-Schlafberater das Bettenhaus als Filialleiter mit 25 Jahren Erfahrungen im Bettenfachhandel führt.

Himmelsbach ist seit drei Jahren im Haus und gerade damit beschäfigt, nach der Umgestaltung der oberen Etage auch im Erdgeschoss die Schlafkompetenz sichtbar zu machen. Auch dort werden jetzt hochwertige Betten ansprechend inszeniert. "Wir setzen das auch in den Frequenzbereichen stärker in Szene, um den Kunden das Gefühl zu geben: So könnte es bei mir zuhause auch aussehen." Denn Ergonomie kommt ohne Emotionalität nicht wirklich aus.

Die Einstiegspreislage beginnt bei Manz bei 699 Euro UVP. "Wer eine 199-Euro-Matratze sucht, kommt nicht zu uns", weiß Himmelsbach. Es gebe ein hohes Qualitätsbewusstsein bei den Kunden: "Die wollen etwas Gutes fürs Geld, und das geben sie dann auch aus." Mit der hohen Individualisierbarkeit der Philrouge-Schlafsysteme soll dieses Kundenbedürfnis befriedigt werden.

Als Hersteller hochwertiger Schweizer Schlafsysteme unterstreicht Ogris die Schwerpunktverschiebung in Richtung ergonomische, individuell anpassbare Schlafsysteme und Boxspringbetten: "Das ist ja das pure Gegenteil von One-fits-all", erklärt der Inhaber. "Wir können in wenigen Sätzen erklären, warum eine gute Matratze im Einstieg bei uns bei 699 Euro kosten muss, weil wir voll dahinter stehen."

Hier sei die Nähe des Herstellers zum Kunden ein wichtiger Vorteil. Aus Sicht von Ogris muss sich der Fachhandel ohnehin auf wenige Marken fokussieren, um sich auf seine maximale Kompetenz zu konzentrieren: "Das schafft einen spürbaren Mehrwert für den Endkunden: ein überzeugendes Sortiment mit Hersteller-Knowhow sowie eine Beratung auf höchstem Niveau."
Das Fazit nach den ersten Monaten fällt sowohl beim Inhaber als auch beim Filialleiter positiv aus. "Wir haben eine sehr hohe Quote an Neukunden erreicht und viele Stammkunden, die uns wiederentdeckt haben", freut sich Himmelsbach. Um das zu erreichen, wurde auf vielen Kanälen geworben. Ein zweiwöchiger Jubiläumsverkauf und ein Pre-Sale für Stammkunden sorgten im Herbst, als das Hundertjährige gefeiert wurde, ebenfalls für Aufmerksamkeit.

"Wir wollen ganzjährig unsere ergonomische Schlafkompetenz vermitteln", sagt Ogris, "aber das braucht Zeit. Es ist viel Arbeit, um so ein Haus wie unseres und seine Leistungen zu kommunizieren." 90 Prozent der Kunden, die ins Geschäft kommen, hätten bereits online recherchiert - auch hier ein Kanal, der nicht vernachlässigt werden darf. "Wir wollen uns dieser Entwicklung nicht entziehen, wir sehen das Netz nicht als unseren Gegner", erklärt Ogris. Ein eigener Online-Shop komme dennoch nicht infrage: "Dafür sind unsere Produkte viel zu beratungsintensiv."

Auch Andreas Himmelsbach ist überzeugt, dass das Alleinstellungsmerkmal der Marke Philrouge ist, sie live im Geschäft zu erleben. "Das ist für die Kunden die Sensation", schwärmt er. Und: Es gebe innerhalb der Marke verschiedene Problemlösungsmöglichkeiten: "Wir zeigen, dass auch bei Boxspring ergonomisches Liegen möglich ist." Oder, wie Ogris es ausdrückt: "Wir zeigen dem Kunden: Das ist unsere Lösung, und die ist die beste für Dich."
aus Haustex 12/18 (Wirtschaft)