ter Hürne: Traditionelles Handwerk trifft Hightech
"Parkett soll unsere Kernidentität werden"
Auch wenn ter Hürne im Bodenbereich auf mehreren Säulen steht und sich die noch junge Produktgruppe Designböden derzeit am dynamischsten entwickelt: Parkett kommt eine besondere Rolle im Sortimentsmix und in der Zukunftsplanung zu.
Wenn Bernhard und Erwin ter Hürne im nächsten Jahr das 60-jährige Jubiläum ihres Unternehmens begehen, feiern sie damit zugleich dessen erfolgreiche Restrukturierung und Neupositionierung. In den ausgehenden 2000er-Jahren durchlebte ter Hürne schwere Zeiten: Markt- und umfeldresultierende Probleme wie die weltweite Finanzkrise, der Ausfall einiger großer (Baumarkt-)Kunden, der Exportschwerpunkt auf Ländern, die besonders unter der Finanzkrise litten und auch interne Fehlentscheidungen, wie Bernhard ter Hürne nicht verhehlt, hatten das Familienunternehmen in Schieflage gebracht.
Um sich daraus zu befreien, war es nicht mit einigen halbherzigen Maßnahmen getan, komplettes Umdenken war gefragt. Im Jubiläumsjahr 2009 startete die Neuorganisation - ein Kraftakt, bei dem alles hinterfragt wurde: "Was wollen wir? Was können wir? Welche Kunden möchten wir?" Bernhard ter Hürne erinnert sich: "Wir haben ter Hürne komplett reformiert, die Marke relauncht und unser Geschäftsmodell neu ausgerichtet." Damit einher ging unter anderem eine neue Verbraucheransprache über eine neue Sortimentsarchitektur, die sich an den Farben der Produkte orientiert, nicht an technischen Merkmalen. "Denn das primäre Entscheidungskriterium des Endkunden ist die Farbe." Die Zweitmarke Gründorf ging in der Hauptmarke ter Hürne auf.
Der Turnaround ist inzwischen gelungen. Seit 2015 befindet sich das Unternehmen wieder im Aufschwung. 2016 erzielte es einen regelrechten Wachstumsschub, 2017 konsolidierte sich der Umsatz, weil man sich von margen- und ertragsschwachen Geschäften trennte,
dafür wurde wieder die Gewinnzone erreicht.
Produkt-, Design- und
Trendkompetenz für Parkett
Und im laufenden Jahr 2018 hat sich der Auftrieb fortgesetzt: in der ersten Jahreshälfte konnte ein Plus von über 10 % realisiert werden, und Bernhard ter Hürne sieht keinen Grund, "warum die zweite Jahreshälfte und auch das Folgejahr 2019 nicht an die positive Entwicklung der letzten Zeit anknüpfen sollten." Für das Gesamtjahr rechnet er mit einem Umsatzzuwachs auf 60 Mio. EUR. Dabei erweisen sich derzeit bei ter Hürne Designbeläge wie auf dem Gesamtmarkt als "hochgradig dynamisch", wobei die Produkte auf HDF-Träger am meisten zulegen. Bei Laminat wachse man "gegen den Markttrend". Parkett hat momentan in Deutschland zu kämpfen, wie auch die aktuellen Halbjahreszahlen der Föderation der europäischen Parkettindustrie (FEP) bestätigen. Bernhard ter Hürne ficht das nicht weiter an. "Das Gesamtpaket, das Parkett mitbringt - wohngesund, natürlich und nachhaltig, hat Zukunft", ist er überzeugt.
Deshalb kommt Parkett auch eine tragende Rolle im Selbstverständnis und der Strategie des Familienunternehmens zu: "Parkett soll unsere Kernidentität werden." Dazu will man ein eigenständiges, unverwechselbares Profil etablieren bzw. stärken. "Wir wollen uns mit dem, was wir anbieten, relevant von anderen abgrenzen", sagt ter Hürne klar. Als elementare Inhalte der Marke ter Hürne sollen Qualität, Ästhetik und Wohngesundheit kommuniziert werden.
"Ohne technische Innovationen
können wir nicht überleben"
Mit der Herstellung von Mehrschichtparkett wurde 2001 begonnen. Bernhard ter Hürne kennt jede Ecke, jede Anlage, jeden Produktionsschritt in dem riesigen Werk, das sich über eine Gesamtfläche von 100.000 m
2 erstreckt, bis ins Detail. Sein Bruder und er sind hier mittendrin aufgewachsen, die Familie bewohnte ein Appartement in dem von Vater Otger ter Hürne 1959 gegründeten Betrieb. Die Fertigung ist modern, qualitätsorientiert und effizient, mit besonderem Fokus auf einer optimalen Ressourcenausschöpfung: "Wir tauschen Anlagen nicht aus Abschreibungsgründen aus, sondern wenn wir einen Effizienzgewinn sehen."
Technischer Vorsprung wird als wichtiger USP erachtet - und gepflegt: "Ohne technologische Innovationen können wir hier in Südlohn nicht überleben." Dafür hat sich das Familienunternehmen massiv eigene Engineering-Kompetenz aufgebaut. Vieles im Maschinenpark ist selbst entwickelt oder modifiziert. Nur zwei von vielen Beispielen sind das optoelektronische System, das zusammen mit einem Zulieferer aus der Militärtechnologie konzipiert wurde und Maßhaltigkeit, Stärke, Farbe, Struktur und Holzmerkmale der Lamellen prüft oder ein vollautomatischer Spachtelautomat, der per Vakuummessung Äste extrem sauber und präzise verfüllt, so dass später kein Füllmaterial nachsacken kann.
Unter den Holzarten gibt derzeit auch bei ter Hürne die Eiche mit 80 % Anteil den Ton an. Gefolgt von Esche und Buche, der Rest verteilt sich auf amerikanische Hölzer: Kirsche, Nussbaum, Ahorn. "Weil wir kein nasses Holz durch die Gegend fahren wollen", werden die Decklagen für Landhausdielen fertig zugekauft, vornehmlich in Osteuropa, natürlich aus nachhaltiger Holzwirtschaft. Die Decks für Schiffsboden entstehen dagegen in Eigenregie. Nicht umsonst versteht sich ter Hürne als "Dreistab-Hochleistungsproduzent". Auch hier sind kleine Finessen in den Produktionsprozess eingebaut, die der Qualität des fertigen Bodens zugutekommen sollen: So werden die Decklamellen nur seitlich verleimt und an der Kopfseite gegen Feuchtigkeit imprägniert, denn: eine stirnseitige Verleimung halte mechanischer Belastung nicht dauerhaft stand. Nach der Profilierung erfolgt eine weitere Kantenhydrophobierung. Oder das Decklagenbild: Hier ist man in Südlohn stolz auf besonders schöne Legungen aus unterschiedlich langen Elementen - "nicht parallel und keins unter 250 mm Länge am Rand".
Mittellagen:
80 % Fichtestäbchen, 20 % HDF
Als Trägermaterial werden zu 80 % Fichtestäbchen mit stehenden Jahresringen eingesetzt. Ein kleiner Abstand zwischen den einzelnen Stäbchen wirkt sich positiv auf das Spannungs- und Verzugsverhalten der fertigen Parkettdiele aus. An der Kopfseite sind HDF-Streifen angebracht, die sich exakter fräsen lassen als Sperrholz. Auch HDF-Platten werden als Mittellage verwendet (zu 20 %), extra für ter Hürne produziert und im Feuchteprofil auf die Decklagen eingestellt. Warum HDF? "Höhere Dichte unter der Decklage und eine präzisere Profilierung".
Die 200 m lange und mit 50 m/min überdurchschnittlich schnelle Oberflächenstraße kann variabel mit Lack, UV-Öl oder oxidativ trocknendem Öl gefahren werden. Den Ölanteil beziffert Bernhard ter Hürne im Schnitt auf 60 %; im Baumarktbereich, in Skandinavien, Nordamerika und Asien sei er tendenziell niedriger, dafür deutlich höher in den Beneluxländern und im deutschen Fachhandel. Auch bei der Versiegelung geht ter Hürne einen eigenen Weg: Statt sieben Oberflächen-Aufträge erfolgen neun bis elf, aber nicht mehr Material, sondern dünner. "Das macht die Oberfläche elastischer und strapazierfähiger."
Vorausblickende Bevorratung
Ständig werden Rohstoffe für mehrere Hunderttausend Quadratmeter Fertigware vorgehalten, um Engpässe in der Produktion zu vermeiden und auch Spitzen auffangen zu können. Den Ausstoß beziffert Bernhard ter Hürne auf rund 1,5 Mio. m
2 jährlich, "aber wir können deutlich mehr."
Als Leistungsbausteine einer Marke identifiziert er nicht nur das Produkt, sondern auch Service und Logistik. Standardmäßig werden die Kunden zweimal pro Woche beliefert. Wenn nötig, aber auch "im 24-Stunden-Service und bis zur Gartenstr. 19". Ter Hürne arbeitet zwar mit mehreren Vertragsspeditionen, doch wird die Logistik mit eigenen Disponenten im Haus organisiert. Effizienz ist auch hier ein wichtiges Thema: So werden zusätzlich transportsensible Fremdprodukte gefahren, um die Lkw besser auszulasten.
Neues Schulungs-
und Ausstellungszentrum
Nach dem fulminanten Auftritt auf der Domotex 2018 blieb in Südlohn kaum Zeit zum Luftholen, denn das Jubiläumsjahr 2019 und der Auftritt auf der Münchner Bau nahen. Und dafür hat sich das Unternehmen einiges vorgenommen: Zur Messe stehen mehrere Themen im Vordergrund, unter anderem eine neue Generation der Avatara-Multisense-Böden sowie die neue Digitalstrategie, die neben einem Relaunch der Website auch ein E-Commerce-Konzept einschließt. Zum 60-jährigen Jubiläum im nächsten Jahr will sich ter Hürne dann selbst mit einem neuen Schulungs- und Ausstellungszentrum beschenken.
| Claudia Weidt
aus
Parkett Magazin 06/18
(Wirtschaft)