Tarkett Holding GmbH

Tarkett arbeitet nach neuer "Öko-Innovationsstrategie"


Wachstum, Investitionen, Zukäufe, neue Öko-Innovationsstrategie. Christian Claus und Tilo Höbel vom Bodenbelagskonzern Tarkett haben auch in Zukunft viel vor. Die Leitthemen bei allem - auch auf der BAU: Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit.

BTH Heimtex: Tarkett wird auf der BAU ausstellen. Was erwartet die Besucher auf dem Messestand?

Tilo Höbel: Tarkett ist in der Bodenbelagsbranche seit Jahren Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit, dies zeigen wir auch wieder auf der BAU. Offizielle Premiere wird dort unser neues Produkt ID Revolution feiern. Es ist der erste Designbelag ohne PVC, der eine Cradle-to-Cradle-Zertifizierung in Gold hat. Er besteht zu über 80 % aus recycelten oder bio-basierten Materialien. Mit der Linoleum-Linie Lino Originale, der homogenen Bahnenware IQ One und der Teppichfliesenkollektion Desso Gold haben wir auch in anderen Produktsegmenten Gold-zertifizierte Bodenbeläge, mit denen wir uns bei den Themen Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit stark positionieren. Uns ist es wichtig, gesunde und recycelte Materialien zu verwenden, verantwortungsvoll mit den Ressourcen umzugehen und soziale Standards einzuhalten. Wie wir das konkret umsetzen, werden die Besucher auf unserem Messestand in München sehen.

BTH Heimtex: Aus was für Materialien produzieren Sie ID Revolution?

Höbel: ID Revolution ist ein elastischer Designbelag auf Basis von synthetischen Thermoplasten nach der EN 14565. Die Planken und Fliesen bestehen hauptsächlich aus Kreide, recyceltem PVB - das ist ein Klebstoff in Form von Zwischenfolien für Autowindschutzscheiben und Sicherheitsglas - sowie dem Biokunststoff PLA. Der Designbelag wird entweder vollflächig verklebt oder kann unter bestimmten Voraussetzungen und mit entsprechender Fixierung auch lose verlegt werden. Zur BAU ist die Kollektion komplett lieferfähig.

BTH Heimtex: Wie positionieren Sie das Produkt im Vertrieb?

Höbel: Größeres Potenzial wird das Produkt in den Segmenten Alten- und Pflegeheime, Hotellerie und im Ladenbau haben; es steht aber allen Bereichen offen. Eine strikte Zuordnung zu einzelnen Segmenten halten wir für veraltet. Unsere Kunden werden am Ende entscheiden, für welchen Einsatzzweck - basierend auf ihren Bedarfen und Anforderungen - unsere Kollektion ID Revolution am besten geeignet ist.

Auch aus diesem Grund haben wir unsere Vertriebsorganisation in den letzten drei Jahren angepasst und stetig weiterentwickelt. Wir sind durch unser vielfältiges Produktsortiment breit aufgestellt, gehen in den einzelnen Segmenten aber auch sehr in die Tiefe und arbeiten hoch spezialisiert. Wir versuchen in allen Segmenten und Vertriebskanälen alle unsere Kunden bei Haptik, Design und Funktion unserer Produkte zu begeistern. In den Regionen bilden wir Teams, die sich aus Kollegen aus den unterschiedlichen Bereichen zusammensetzen. Sie arbeiten eng zusammen, gehen kundenspezifisch vor und verfolgen gemeinsame Teamziele.

Christian Claus: Wir verfolgen einen kundenzentrierten Ansatz, bei dem wir in Teamarbeit spezifische Marktsegmente wie beispielsweise das Gesundheitswesen intensiv und kompetent bearbeiten. Bei dieser Umkehrung des Organisationsprinzips von der Produktionsfixierung eines Herstellers hin zur Fokussierung auf die Kunden und ihre Bedarfe ist die D/A/CH-Organisation von Tarkett in den letzten Jahren schon gut vorangekommen. Das spiegelt sich nicht zuletzt auch in den Umsätzen wider, die deutlich gewachsen sind.

Solche Veränderungsprozesse haben in vielen Industrien stattgefunden. Sie sind dann erfolgreich, wenn das Management die wesentlichen Entscheidungskompetenzen an die Mitarbeiter vor Ort delegiert, damit schnell und unkompliziert nah am Kunden entschieden werden kann.

Eine solche Autonomie schafft gleichzeitig die Voraussetzung dafür, dass sich die einzelnen Teammitglieder in den Regionen untereinander effektiv und direkt abstimmen können. Ein weiterer Vorteil: Teamziele und individuelle Ziele des einzelnen Außendienstmitarbeiters werden verzahnt und verstärken sich gegenseitig. Wenn es gut läuft, reguliert sich ein solches Organisationsprinzip auf vielen Gebieten selbst.

Grundvoraussetzung dafür sind natürlich fachlich sowie kommunikativ und sozial kompetente Mitarbeiter. Die haben wir. Vor allem sind viele Tarkett-Vertriebler schon lange dabei, kennen sich untereinander gut und stehen für personelle Kontinuität.

BTH Heimtex: Blicken wir von der Organisation zu den Produkten. Tarkett führt mittlerweile wieder alle Bodenbeläge außer keramischen Fliesen. Welche sind die wichtigsten Produktgruppen?

Claus: Wir sind stolz darauf, sowohl in Bezug auf Umsatz als auch Volumen nach wie vor der größte europäische Bodenbelagshersteller zu sein. Unsere vielfältigen homogenen und heterogenen PVC-Produkte sowie Linoleum stehen dabei weltweit und auch in der D/A/CH-Region für die größten Anteile am Umsatzvolumen. Unser Ziel ist es, bei allen Produktgattungen unter den Top 3 zu sein beziehungsweise dort hinzukommen. Das sind wir schon heute bereits bei allen PVC-Bodenbelägen, bei Linoleum, bei Teppichfliesen durch den Zukauf von Desso und nach einer beeindruckenden Aufholjagd mittlerweile ebenso bei LVT.

BTH Heimtex: Bei Parkett sind Sie von diesem Ziel aber noch weit entfernt

Höbel: Im Holzbereich im deutschsprachigen Raum haben wir tatsächlich noch einen längeren Weg zu gehen. Der Markt wächst nicht. An der Bereitschaft der Holz- und Baustoffhändler, ihre Lieferanten zu wechseln, müssen wir auch in Zukunft kontinuierlich arbeiten. Wir positionieren uns als zuverlässiger Parkettlieferant, der auch in diesem Segmentbereich nicht nur auf Nachhaltigkeit setzt - beispielsweise arbeiten wir überwiegend mit nachhaltig zertifizierten Forstwirtschaften zusammen -, sondern auch funktional ausgereifte Produkte mit trendorientierten Design- und Farbwelten bietet.

Claus: Schauen wir auf Europa insgesamt, also schließen Osteuropa mit ein, wo wir stark sind, dann zählen wir uns mit unseren fünf Parkettwerken heute schon zu den Top 5 im Markt.

BTH Heimtex: Tarkett hat einige Übernahmen getätigt, zuletzt wurden zwei Hersteller von textilen Belägen - Desso in den Niederlanden sowie Lexmark in den USA - gekauft. Sind weitere geplant, auch im Holzbereich?

Claus: Tarkett will Komplettanbieter für Bodenbeläge sein. Sowohl Aufsichtsrat als auch Vorstand haben deswegen beschlossen, weiter intensiv nach externen Wachstumsmöglichkeiten zu suchen. Es muss aber intelligent und passend investiert werden. Finanziell dazu in der Lage ist der Konzern.

Daneben legen wir auch einen starken Fokus auf organisches Wachstum. So haben wir gerade in den letzten Jahren unsere vorhandenen Produktionsstandorte massiv modernisiert und ausgebaut. Die Kapazitäten für Designbeläge beispielsweise sind im polnischen Jaslo sowie in Clervaux in Luxemburg und Konz in Deutschland erhöht und automatisiert worden. Viel Geld haben wir auch in die Zukunftstechnologie Digitaldruck investiert - alles, um für unsere Kunden bevorzugter Partner zu sein mit klarem Profil in den Bereichen Design, Funktionalität und Nachhaltigkeit.

BTH Heimtex: Herr Claus, Sie sind seit einem Jahr als Vice President verantwortlich für die D/A/CH-Region und Osteuropa, seit April 2018 zusätzlich Geschäftsführer von Tarkett in Frankenthal und leiten darüber hinaus die so genannte Sales Excellence-Organisation in Europa. Welche Ziele sollen Sie erreichen?

Claus: In meiner geografischen Zuständigkeit geht es um kontinuierliches, nachhaltiges Wachstum sowie die behutsame Weiterentwicklung unserer Prozesse, der Organisation und vor allem unserer Mitarbeiter. Darüber hinaus darf ich mich auch um einige übergeordnete Themen wie Unternehmenskäufe und das globale Key Account-Management für die Gruppe kümmern. Das operative Geschäft in D/A/CH liegt weiter vertrauensvoll in den Händen von Tilo Höbel. Unser gemeinsames oberstes Ziel ist die Zufriedenheit unserer Kunden.

Ich fokussiere mich dabei vor allem auf Weichenstellungen für die nächsten fünf bis zehn Jahre. Wir wollen langfristig unabhängig sein und zu den profitabelsten Herstellern der Branche gehören. Und das Ganze soll mit Hilfe unserer Öko-Innovationsstrategie erreicht werden, die insbesondere auf den Cradle-to-Cradle-Prinzipien basiert. Dazu gehören Produktentwicklungen wie etwa ID Revolution ebenso wie unser Rücknahmeprogramm "Restart" für das Recycling von Verschnitt und ausgedienten Bodenbelägen.

BTH Heimex: Was bedeutet das konkret?

Claus: Die Bodenbelagsbranche ist im wahrsten Sinne des Wortes ein sehr bodenständiges Geschäft, bei dem die persönlichen Beziehungen zwischen Menschen ausgesprochen wichtig sind. Die meisten Mitarbeiterwechsel finden zudem innerhalb der Branche statt. Nicht zuletzt dies führt leider auch dazu, dass die meisten Anbieter aktuell irgendwie doch sehr ähnliche Dinge machen. Unterschiede nimmt man deswegen schwer wahr.

Kurz gesagt: Meine Aufgabe ist es daher, zu hinterfragen, wie wir Dinge tun, warum wir sie so tun, wie wir sie tun und ob wir sie nicht ganz anders tun können. Wir überlegen beispielsweise, wie der Bodenbelag der Zukunft aussieht oder was Digitalisierung mit unserer Branche macht. Nur mal angenommen, irgendwann kommen Häuser samt Bodenbelag aus dem 3D-Drucker. Welche Rolle spielen dann wir als Bodenbelagshersteller?

Die Tarkett-Führung in Paris möchte keine Scheuklappen haben und holt deswegen auch Leute von außerhalb der Branche - nicht nur, um sich zukünftigen Veränderungen besser zu stellen, sondern vor allem, um sie frühzeitig zu erkennen. Wie so oft, bedarf es allerdings auch hierbei der ausgewogenen Kombination aus Erfahrung und neuen Perspektiven. Es ist schön und macht ausgesprochen Freude, bei Tarkett mit so vielen kompetenten und erfahrenen Kollegen die Zukunft gemeinsam zu gestalten.

Das Gespräch führten Michael Steinert und Jochen Lange. |jochen.lange@snfachpresse.de
aus BTH Heimtex 01/19 (Wirtschaft)