EUCA-Jahreshauptversammlung, Hamburg

Und es war Sommer ...


Die Zeiten für den handgeknüpften Teppich werden nicht leichter, gute Geschäfte waren 2018 eher die Ausnahme. Die Jahreshauptversammlung der European Carpet-Importers Association (EUCA) führt dies auch auf den langen, heißen und entsprechend einrichtungsunfreundlichen Sommer 2018 zurück. Hinzu kommt, dass sich die Konzentration im Möbelhandel fortsetzt.

Der Markt ist komplex bis schwierig" - mit diesen Worten begrüßte der EUCA-Vorstandsvorsitzende Dr. Ali Ipektchi die zu gut 60 % beschlussfähig anwesenden Mitglieder der 13. Jahreshauptversammlung Ende November. Fakt ist, dass der Facheinzelhandel immer stärker wegbricht, das Geschäft sich also weitestgehend auf die Fläche verlagert, hin zu den Möbelmärkten. Wenn überhaupt, sind höherwertige handgefertigte Teppiche, insbesondere klassisch gemusterte Orientteppiche, bei den Möblern zu finden, deren Abteilungen aber immer weiter schrumpfen. Entsprechend schrumpft auch das Angebot und "monotonisiert" - und das in einer Branche, die sich doch gerade durch ihre große Vielfalt auszeichnet. Hinzu kommt der Mangel an fachkundigem Personal, sowohl im Einkauf als auch im Verkauf. Und nicht zuletzt steckt dem Teppichhandel ein Jahrhundertsommer in den Knochen, der von März bis November flächendeckend den gesamten deutschen Einzelhandel ausgedörrt hat. International schlagen die erneuten US-Saktionen zu Buche.

Die Marktlage:
Der lange, heiße Sommer

"2018 war das erste Jahr, in dem ausnahmslos jeder Marktteilnehmer schlecht weggekommen ist", berichtete Jens-Peter Höge. "Und zwar in allen Preisschienen, sogar den unteren, die sonst noch Plus gemacht haben." Selbst Online-Anbieter hätten gelitten - unter der brennenden Sonne Europas, die die Menschen ins Freibad, an den Strand, in den Wald und an alle möglichen Orte getrieben hat, nur nicht in den Einzelhandel. Wer denkt unter den Voraussetzungen noch über textile Inneneinrichtung nach?

Entsprechend früh - schon im Mai oder Juni - wurden im Teppich-Einzelhandel Einkaufsstopps verhängt. Und weil ein Großteil der eingekauften Ware noch nicht an Mann oder Frau gebracht werden konnte, ist davon auszugehen, dass die Einkäufer für ihre Dispositionen für den Sommer 2019 entsprechend zurückhaltender sein werden. Immerhin war 2018 "das erste Jahr, in dem die Branche keinen bedeutenden Abgang in der Fläche zu verzeichnen hatte", so Höge. Die Konzentration im Möbelhandel habe sich allerdings fortgesetzt und dabei auch große und vermeintlich starke Teilnehmer wie Finke und Dodenhof erwischt. Stabiler stünden die Fachmärkte da, darunter tut sich der reine Teppich-Filialist Kibek durch seine aufwendige und durchdachte Werbung hervor, die statt des einzelnen Produktes verstärkt Wohn- und Farbwelten zeigt. "Diese Werbung wird der ganzen Branche zugute kommen."

Weniger Einbußen mussten die Discounter hinnehmen - und konnten insofern Teppich-Marktanteile hinzugewinnen. Insbesondere preislich treffen sie den Nerv des Verbrauchers. Selbst die großen Lebensmitteldiscounter ziehen über Aktionsware mit. Auch das Internet spielt eine wachsende Rolle, zumindest bei der günstigeren Ware und als Informationsquelle. Insgesamt werden - gerade wegen des anhaltenden Trends zu Parkett, Laminat und LVT - sicher nicht weniger Teppiche verkauft als vorher, sondern eher mehr. Der Großteil sind allerdings günstige Maschinenwebteppiche.

Im Großen und Ganzen zufriedener als die "konsumigen" Anbieter steht der moderne Hochwertbereich da: Gerade auch weil im Einzelhandel nicht mehr ausreichend Platz für das Angebot ist, entdecken die High-End-Unternehmen eine neue Vertriebsschiene für sich und wenden sich über Inneneinrichter und -architekten an die gut situierten Verbraucher.

Die Gewinner:
Flachgewebe und Felle

Trotz Hitze und sonstigen Schwierigkeiten steht eine Produktgruppe doch noch ziemlich gut da, und das sind die Handwebteppiche; bei einem großen Möbler machen sie sogar 30 % des Abteilungsumsatzes aus. Früher waren Handwebteppiche überwiegend in Süddeutschland beliebt, jetzt nehmen sie nach und nach auch norddeutsche Wohnräume ein - zumal sie in (fast) jedem Sondermaß angefertigt werden können. Überhaupt laufen Flachgewebe gut, am besten noch solche mit Outdoor-Eignung. Die sind dann auch mit dem heißen Wetter oder überhaupt jedem Wetter kompatibel. Und die ebenfalls relativ neuen Fellteppiche erreichen zusätzliche Käuferschichten.

Berichte aus den Ursprungsländern

Indien: Das indische Angebot spiegelt die ICE in Varanasi am besten wider: Erstmals fand die Messe in einer staatlich finanzierten neuen Halle statt: einem modernen Gebäude, das technisch auf dem neusten Stand ist. Traditionelle Ware sieht man hier kaum noch, dafür umso mehr Modernes, insbesondere viele Flachgewebe. Kaschmir-Seidenteppiche erleben zurzeit einen erschreckenden Einbruch.

Nepal: Wenn Teppiche aus Nepal importiert werden, sind sie in der Regel sehr hochwertig. "Das Gesamtvolumen ist längst nicht mehr mit den Quadratmeterzahlen vor zwanzig Jahren zu vergleichen", urteilte Amir Tahbaz Der mittlere und günstigere Bereich ist fast vollständig ins Nachbarland Indien abgewandert, wo das Lohnniveau sehr viel niedriger liegt.

Afghanistan: Große Dürre und seit 40 Jahren Krieg und Terror: Afghanistan ist laut Norbert Preuß (Afghan Bazar) "das Land mit den größten Problemen". Die Taliban haben die Hälfte aller afghanischen Provinzen unter ihrer Kontrolle, viele Bauern haben ihre Dörfer verlassen, ihre Schafe sind verdurstet, die Wolle wird aus anderen Ländern importiert. In erster Linie entstehen hier Kelims und moderne geknüpfte Ware. Den klassischen afghanischen Teppich gebe es kaum noch. Mit seinen vielen ethnischen Gruppen sei das Land praktisch nicht regierbar und drohe bei den Wahlen im nächsten Jahr komplett in einem großen Krieg zu versinken.

Pakistan: Pakistan wird laut Djavid Mohammadi (Tepp-Team) vom US-Markt beherrscht, 60 % des Umsatzes (rund 40 Mio. EUR) gehe dorthin. Das Paradeprodukt der pakistanischen Teppichfertigung, der klassische Ziegler, sei stark rückläufig. Doch auch moderne Teppiche tun sich schwer: "Innovation ist hier kein Garant für gute Geschäfte mehr, nur noch fürs Überleben", so Mohammadi. Dafür seien die Maschinenwebteppich-Anbieter zu stark mit ihren überzeugenden Kopien handgeknüpfter Teppiche. Einer der führenden pakistanischen Produzenten sei inzwischen zum Teil auf die Fertigung von Jeans umgestiegen.

Iran: Nach einem "kurzen, unsicheren US-Frühling" wurden die Hoffnungen der iranischen Teppichanbieter wieder stark dezimiert, berichtete Dr. Ali Ipektchi (Ipek). Nicht nur wegen der erneuten US-Sanktionen, auch die Wirtschaft des Landes stehe schlecht da. Den dramatischen Währungsabsturz habe man zum Teil wieder im Griff, aber: Stabil fühlt sich anders an. Hinzu kommt, dass zahlreiche Großkonzerne wie Banken, Versicherungen, Transporteure und auch Telekommunikationsunternehmen starke Verbindungen in die USA haben und deshalb ihre Irangeschäfte einstellen oder schon eingestellt haben, was den Handel mit dem Iran erschwert.

China: Für den handgeknüpften Teppich dürfte China als Herkunftsland inzwischen die geringste Bedeutung haben. Auf den dortigen Messen sind kaum noch klassische handgeknüpfte Teppiche "made in China" mehr zu sehen; selbst Handtuft ist ein Relikt der Vergangenheit. Umso innovativer ist man in Sachen Produktionsverfahren. Überhaupt sinkt die Bedeutung von China als Exportland: Man hat den Binnenmarkt für sich entdeckt.

Domotex:
Neues Konzept, die Zweite

Im Januar 2018 hat das neue Konzept der Domotex mit vorgezogenen Terminen und veränderter Hallenbelegung seinen ersten Durchlauf absolviert; beim zweiten Mal will man sich noch besser "eingrooven". Thilo Horstmann von der Deutschen Messe berichtete über den derzeitigen Anmeldungsstand und erklärte das ausgearbeitete Konzept für 2019: Im Vergleich zu der Veranstaltung vor zwei Jahren, 2017, könne die Domotex mehr Aussteller und etwas mehr gebuchte Fläche verzeichnen; bemerkbar machten sich allerdings viele Absagen aus der Türkei und dem Iran.

An die neue Domotex mit der veränderten Hallenbelegung müssten sich die Besucher laut Horstmann wie an jede große Veränderung erst noch gewöhnen. "Einiges müssen wir von der Messe aus auch noch optimieren oder besser kommunizieren", räumte er ein. "Zum Beispiel das Shuttlesystem. Im Januar wird es zum einen einen Service geben, der im Rundlauf fährt, darüber hinaus eine Expresslinie, die die Hallen 2 und 9 miteinander verbindet - und Personal, das auf diese Verbindung hinweist."

Ganz neu ist die veränderte, zielgruppenspezifische Besucheransprache. Die drei Hauptzielgruppen der Domotex - Handel, Architekten und Handwerk - werden nun jeweils ihren Interessen und Bedürfnissen entsprechend angesprochen und auf unterschiedliche Landingpages im Internet verwiesen.

Care & Fair

Die Branchenorganisation Care & Fair zur Unterstützung der Kinder in den Knüpfgebieten leidet unter den rückläufigen Importzahlen. "Entsprechend sinken auch die Fördergelder, die wir über die 1%-Abgabe der Importeure beziehen", erklärte der Geschäftsführer Peter Fliegner. Leider hat auch der amerikanische Importeur und langjährige Sponsor Nourison seine Unterstützung eingestellt; dringend benötigt wird nun ein neuer Sponsor für die Klinik in Bhadohi. Doch auch, wenn die Fördergelder zurückgehen: der Betrieb der Projekte sei ungefährdet, da die laufenden Kosten von Sponsoren aus dem internationalen Teppichhandel übernommen werden.•
aus Carpet Magazin 01/19 (Wirtschaft)