Heimtextil Frankfurt
Großer Zuspruch für das neue Hallenkonzept
Frankfurt. Die veränderte Struktur der Heimtextil hat sich bewährt: Insbesondere für die neue Marken-Halle 12 gab es viel Lob. Auch die Halle 11 der Bettwarenhersteller kam bei Ausstellern und Besuchern gut an. Die Leitmesse inszenierte das Thema Schlafen als einen der kommenden Lifestyle-Trends und bot einmal mehr die weltweit größte Auswahl an Haus- und Heimtextilien. Einem 15-Jahreshoch auf Ausstellerseite stand unter anderem dank des Schneechaos im Alpenraum ein leichter Besucherrückgang gegenüber. Eines der Highlights war die Verleihung des Haustex-Stars an die Bettenfachhändler des Jahres.
Der Schnee von gestern und die aktuelle weiße Pracht waren zwei Themen, die bei der Heimtextil 2019 reichlich Anlass für Gesprächsstoff boten. Der Wirbel um die neue Hallenstruktur, der dem Messeteam um Meike Kern in den vergangenen beiden Jahren das Leben nicht immer leicht gemacht hatte, war mehr oder weniger vergessen - der Schnee von gestern war in Frankfurt endgültig abgetaut. Das neue Hallenkonzept ist nicht nur aufgegangen, es fand, bis auf einzelne Ausnahmen, allenthalben ein positives Echo.
Die aktuelle Wetterlage hingegen bescherte der Messe ein leichtes Minus in den Besucherzahlen: Rund 67.500 Besucherinnen und Besucher sorgten nach Angaben der Messe Frankfurt 2019 für eine geschäftige Stimmung in den Hallen, 68.584 Besucher waren es im vergangenen Jahr. Den Schwund führt die Messe auf die erschwerten Anreisebedingungen aufgrund der Unwetter im Alpenraum sowie die Flughafenstreiks in Deutschland zurück. Ein bayerischer Bettenfachhändler beispielsweise musste am Morgen nach der Anreise auf dem Absatz kehrtmachen, nachdem ihn ein Anruf ins heimische Schneechaos zurückbeorderte; andere werden im Zweifel gar nicht erst gekommen sein.
Rund 1.000 Besucher weniger - eine wohl verschmerzbare Größenordnung angesichts der äußeren Verhältnisse, zumal konstatiert werden darf, dass auch abseits dessen die Quantität tendenziell etwas abnimmt - die zunehmende Konzentration in der Handelslandschaft führt schließlich auch dazu, dass die Zahl der Einkäufer sinkt. Allgemeiner Tenor an den Ständen: Die Qualität muss stimmen, die Quantität ist nicht so entscheidend.
Was man indes dem inhabergeführten Bettenfachhandel ins Stammbuch schreiben darf: Er war schon mal zahlreicher auf der Messe vertreten. Selbst wenn man die Vertreter der eigenen Lieferanten schon im Haus gehabt haben mag oder in Kürze mit den Messeneuheiten erwartet: Den Besuch der Heimtextil kann dies nicht ersetzen. Neuheiten, Deko-Ideen, Vorträge, persönlicher Austausch: All dies sollte den Weg an den Main eigentlich rechtfertigen, zumal in Zeiten, in denen es der stationäre Fachhandel nicht leicht hat und nach Inspirationen sucht.
Immerhin: Auf Ausstellerseite verbuchte die Heimtextil ein 15-Jahreshoch mit 3.025 Ausstellern aus 65 Ländern. Detlef Braun, Geschäftsführer der Messe Frankfurt, sah eine neue Benchmark gesetzt: "Die Qualität der Entscheider überzeugte die Aussteller ebenso wie die Zahl neuer, vor allem internationaler Geschäftskontakte aus 156 Ländern", betonte der Messe-Chef. "Aussteller und Besucher nahmen das neue Messekonzept hervorragend an und bestätigten die Stellung als weltweit wichtigsten Branchentreffpunkt."
Schwierige konjunkturelle Lage
Ein Thema, das sowohl Aussteller als auch Besucher beschäftigte, war die aktuelle und kommende konjunkturelle Lage. Eine weitere Herausforderung besteht im immer deutlicher zu Tage tretenden Wandel des Handels. Steigende Umsätze und Umsatzanteile im Online-Handel stehen den Bemühungen des stationären Einzelhandels entgegen, die innerstädtischen Geschäfte aufrechtzuerhalten. "Der kleinbetriebliche Fachhandel, aber auch Kauf- und Warenhäuser - und damit das Herzstück unserer Besucherzielgruppen - stehen unter dem Druck des stetig zunehmenden E-Commerce. Gerade diesen Händlern bieten wir mit der Heimtextil und generell unseren Konsumgütermessen eindeutige Perspektiven und vielfältige Inspirationen in einer mehrdeutigen Welt", so Braun weiter.
Dass es die Branche nicht leicht hatte und hat, zeigte sich auch an den Stellungnahmen der Industrie- und Handelsverbände anlässlich der Messe. Nach ersten Hochrechnungen des Bundesverbandes des Deutschen Textileinzelhandels (BTE), unter dessen Dach auch der Verband der Bettenfachgeschäfte (VDB) sitzt, wurde 2018 der Vorjahresumsatz im einstelligen Prozentbereich verfehlt. Insgesamt sei der Wettbewerbsdruck durch expandierende Möbeldiscounter und Online-Shops weiter gestiegen. Für die ersten zehn Monate des Jahres 2018 sprach der Verband im Bereich des Betten-, Haustextilien- und/oder Meterwarenfachhandels von einem Umsatzminus in Höhe von 2,0 Prozent. Für das Jahr 2019 ist man beim BTE "gedämpft optimistisch."
Der Verband der Deutschen Heimtextilien-Industrie (Heimtex) registrierte in der Sparte der mit mit synthetischen Fasern und Naturhaaren gefüllten Bettwaren bis Ende November 2018 einen Umsatzrückgang von 10,3 Prozent: "Die Hauptursache für diese Entwicklung ist in der mehrmonatigen extremen Hitzeperiode in diesem Jahr begründet. In dieser Phase lag das Kaufinteresse an Bettwaren nahezu brach", so Heimtex. Auch beim Verband der Deutschen Daunen- und Federnindustrie (VDFI) klagte man über den "Herbstsommer", der den Start in die abverkaufsstarke Saison deutlich erschwerte oder verzögerte: 63 Prozent der VDFI-Mitglieder klagten über leicht bis stark rückläufige Umsatzentwicklungen. Ein wirtschaftliches Umfeld, bei dem viele auf eine starke Messe setzten.
Schlafen als Lifestyle-Trend
Da traf es sich gut, dass die Heimtextil das Thema Schlafen als einen der kommenden Lifestyle-Trends in den Fokus gerückt hatte. Auf der Messe traten eine Reihe neuer Produkte und Aspekte in den Vordergrund, die den Menschen beim Sensibilisieren und Analysieren seines Schlafverhaltens unterstützen und einen gesunden Schlaf fördern. Das Vortragsareal "Sleep! The Future Forum" bot hierfür einen attraktiven Rahmen, der die inhaltliche Zielsetzung der Messe unterstrich. Hier konnten die Vertreter der nationalen und internationalen Bettenbranche Produktvorstellungen und hochkarätige Redebeiträge zu den Themenfeldern Sustainability, Hospitality, Sport und Digital erleben.
Auch die Verleihung des Haustex-Stars an die Bettenfachhändler des Jahres fand hier einen angemessenen Rahmen, wenngleich einige Besucher die frühere prominente und publikumswirksame Platzierung in der Mitte der Halle 8 vermissten. Man hätte dem Forum gerade wegen seiner inhaltlichen Qualität einen Ort mit stärkerer Frequenz gewünscht, denn das Foyer der Halle 11 liegt eher abseits der großen Besucherströme. Gut gestaltet, aber etwas versteckt platziert - wer hier saß, interessierte sich dann aber auch wirklich für die Vorträge.
Und was sagen die Aussteller zum neuen Hallenkonzept? Schließlich waren vor allem unter ihnen in den vergangenen beiden Jahren die großen Skeptiker zu finden, die etwa mit der Aufgabe der Halle 8 für die Hersteller von Bettwäsche und -waren haderten. Thomas Bußkamp, der mit seiner EuroComfort Group die Messe im vergangenen Jahr sogar ganz gemieden hatte, fand versöhnliche Töne: "Wir hatten eine gute Messe in Frankfurt", so Bußkamp, "und es gab eine sehr gute Frequenz in Halle 11." Sein Unternehmen hatte einen vergleichsweise kleinen Stand, Bußkamp will 2020 mit einer größeren Fläche in die Halle 11 zurückkehren.
Da hier die Anbieter von Bettwaren konzentriert wurden, fürchteten viele im Vorfeld eine langweilige Halle voller weißer Ware. Diesen Eindruck kann man nicht bestätigen, und etwas Fairness ist auch geboten - Bettwäsche-Anbieter haben es mit ihren bunteren Produkten bei der Standgestaltung nun mal wesentlich leichter. Wer Halle 11 aus Richtung des Portalhauses betrat, lief etwa auf den großen und sehr offen gestalteten Stand der Frankenstolz-Gruppe zu und wurde vom Meeresrauschen bei Centa-Star akustisch empfangen. An den Haupttagen Mittwoch und Donnerstag herrschte in der gesamten Halle reger Betrieb, von Langeweile konnte wahrlich keine Rede sein. Und auch kleinere Aussteller profitierten: "Der Mittwoch und der Donnerstag waren pickepackevoll", lobte etwa Dr. Paul-Friedrich Metz von Treude & Metz.
Von manchen Besuchern wurde die Großzügigkeit der alten Halle 11 vermisst, die als Premium-Halle im Bereich Bett, Bad und Tisch, auch dank ihrer breiten Gänge, eine gewisse Eleganz und Großzügigkeit hatte - mit dem Nachteil, dass sie bei weniger Frequenz auch schnell recht leer wirkte. Doch das Markensegment insbesondere der Bettwäsche- und Frottierhersteller fand mit der neuen Halle 12 adäquaten Ersatz. Auch hier gab es allenthalben Lob von Ausstellerseite.
Messe der kurzen Wege
"Wir sind von der neuen Halle 12 begeistert. Das dortige Produktangebot kam bestens an", ließ sich Curt-Bauer-Geschäftsführer Michael Bauer vernehmen. "Wir fanden Halle 8 als gemischten Marktplatz immer gut. Aber die Kundenresonanz in der Halle 12 ist auch nicht schlecht, weil die Einkäufer in Artikelgruppen denken", erklärte Irisette-Geschäftsführer Dr. Frank Bierbaum. "Unsere Kunden lobten die Messe der kurzen Wege", pflichtete Estella-Geschäftsführer Michael Mosch bei. Und auch beim Deckenhersteller Biederlack fand man die neue Markenhalle richtig gut gelungen. "In Halle 12.0 konnten wir uns genau im passenden Umfeld präsentieren", freute sich Marketingleiter Holger Steuter.
Wenn ein Konzept so gründlich verändert wird, wie auf der diesjährigen Heimtextil, bleibt Kritik indes nicht aus. Mit der Halle 9, die unter dem Namen "Beautiful Living" Lifestyle-Produkte wie Tischwäsche, Kissen, Decken oder Fußmatten vereinigte, waren nicht alle glücklich, vor allem jene Aussteller, die sich eher im Bereich der Hochwert-Marken sehen und beispielsweise vorher in Halle 11 das entsprechende Umfeld fanden. So wie Michael Rossmann von Pad Home Design Concept, der ziemlich sauer war: "Ich verstehe nicht, warum ich in Halle 9 stehe. Mein Eindruck: Man hat eine Halle für Bettwäsche gemacht, eine für Weißware, eine für die Asiaten. Und alle, die übrig geblieben sind, hat man in Halle 9 gesteckt." Auch Sander-Geschäftsführer Bert Sander hätte den Stand seines Unternehmens eher in Halle 12 gesehen. Er fand die neue Hallenstruktur gleichwohl belebend, schränkte aber, deutlich diplomatischer als Rossmann, ein: "Wer nur einen Tag auf der Messe ist, kommt nicht unbedingt in die Halle 9."
Als Ausrufezeichen wollte die Heimtextil einmal mehr ihr Engagement beim Thema Nachhaltigkeit verstanden wissen. Viele Aussteller setzten an ihren Ständen auf grüne Produkte, alleine im Ausstellerverzeichnis "Green Directory" waren rund 150 fortschrittlich arbeitende Unternehmen mit nachhaltig produzierten Textilien gelistet. Ergänzt wurde das Angebot um eine eigene Vortragsreihe sowie themenspezifische Rundgänge. Hinter vorgehaltener Hand gab es Kritik an der Gestaltung des Green Village in Halle 12, also dem Ort, an dem Zertifizierer, Siegelgeber und Verbände das wichtige Thema Nachhaltigkeit präsentierten. "Das hier ist kein Village" monierte eine Ausstellerin die Standgestaltung gegenüber der Haustex. Eine Kombination mit dem Vortragsareal wäre hier vielleicht die bessere Lösung - setzt aber natürlich den vorhandenen Platz voraus, was bei ausgebuchten Hallen eher schwierig werden dürfte.
Last but not least war auch die Messeparty afterwork@heimtextil ein Gesprächsthema - denn auch hier gab es gegenüber den Vorjahren eine große Veränderung. In Halle 8 ging die Haustex-Star-Preisverleihung nahtlos in die Party über. Dank der neuen Halle 12 bot sich 2019 nun erstmals die Möglichkeit, mit Blick auf die Frankfurter Skyline zu feiern. Das Café Copper Moon bot einen hervorragenden Rahmen für die Party, die wiederum etwas mehr Besucher vertragen hätte - vielleicht müssen die neuen Wege auch hier erst noch verinnerlicht werden, insbesondere von den Ausstellern aus Halle 11. Aber all dies sind sicherlich Lernpunkte, die nach einer Premiere einfach auftauchen. Die Location selbst bot im eigentlichen Café-Bereich einen ruhigeren Platz zum Netzwerken, während vor der eigens aufgebauten Bühne schon früh getanzt wurde. Das hervorragende Catering und die Bar ließen keine Wünsche offen, so dass der vorletzte Messetag hier einen guten Ausklang fand, bevor es am wie immer deutlich ruhigeren Freitag in den Endspurt ging.
Die nächste Heimtextil in Frankfurt wird dann wieder eine besondere - es ist die 50. Messe. Die Jubiläums-Ausgabe findet vom 7. bis 10. Januar 2020 statt.
Bett, Bad, Living: Das neue Hallenkonzept im Haustex-Check
Halle 9
Nicht alle Aussteller waren glücklich mit ihrer Platzierung, insbesondere jene, die zuvor in Halle 11 untergebracht waren. Verständlich, aber: Das neue Konzept ist nach Sortimenten sortiert, nicht nach Wertigkeit. Günstig-Anbieter und Premium-Marken stehen auch in anderen Hallen beieinander. Aus Sicht der Einkäufer ist das nachvollziehbar. Geschmackssache war der bunte Teppichboden, der von der Ware ablenkte.
Halle 11
Zwei Foyers und dazwischen viel weiße Ware: Gemessen am Sortiment macht die Halle einen guten Eindruck. Die von vielen im Vorfeld befürchtete Langeweile war kein Thema mehr. Der blaue Teppichboden mit Federn-Optik war eine schöne Idee und thematisch passend. Das neue Vortragsareal war inhaltlich gut gemacht, wurde aber leider hinter einem großen weißen Vorhang etwas versteckt platziert - schade.
Halle 12
Der Neubau bot den Ausstellern ideale Bedingungen, viele lobten das Konzept einer Messe der kurzen Wege. Bei der Gestaltung des Green Villages war noch Luft nach oben. Der Skylineblick zur Messeparty war top, manche Besucher fanden es dort aber zu laut. Praktisch: das großzügige neue Parkhaus der Halle 12. Die U-Bahn-Linie 5 mit einer Station in Nähe des Portalhauses ist in Bau, soll aber erst 2024 fahren.
aus
Haustex 02/19
(Wirtschaft)