Katag
Das Living-Segment gewinnt im Modehandel wieder an Bedeutung
Bielefeld. Europas größter Fashion-Dienstleister KATAG möchte im Living-Segment künftig stärker punkten. Haus- und Heimtextilien spielen für den Einkaufsverbund bislang eine eher untergeordnete Rolle. Angesichts des wachsenden Online-Wettbewerbs im Modehandel können Bettwäsche, Handtücher & Co. aber auch den stationären Textilhäusern zu mehr Frequenz verhelfen - wenn die Abteilungen attraktiv gestaltet sind.
Wir müssen die Randsortimente wieder stärker in den Fokus rücken", sagt Angelika Schindler-Obenhaus. Im KATAG-Vorstand ist die Managerin für die Ressorts Einkauf, Vertrieb, Marketing und IT verantwortlich. Die KATAG ist Europas größter Fashion-Dienstleister. Doch nicht nur im Bereich der Damen- und Herrenmode ist das Unternehmen mit einem Jahresumsatz von zuletzt 1,13 Mrd. Euro unterwegs.
Auch das Living-Segment wird bespielt, wenngleich in überschaubarem Ausmaß: "Haus und Heimtextilien befinden sich umsatztechnisch im einstelligen Bereich", erklärt Schindler-Obenhaus. "Das liegt vor allem daran, dass nicht alle unsere Partner diese Abteilungen führen." Und es soll sich ändern: "Wir haben an den Sortimenten gearbeitet, um hier wieder mehr Modernität und Inspiration einziehen zu lassen. Das hat in den letzten Jahren etwas Federn gelassen, muss man selbstkritisch sagen."
Die KATAG verfügt über rund 350 Anschlusshäuser mit 1.600 Verkaufspunkten. 154 Partnerunternehmen führen Haus- und Heimtextilien. "Das ist immerhin rund die Hälfte unserer Anschlusshäuser", sagt die Vorstandsfrau. 96 Industriepartner sind im Bereich der Haus- und Heimtextilien in der Zentralregulierung gelistet. Angelika Schindler-Obenhaus blickt optimistisch in die Zukunft des Living-Segments: "Ich könnte mir durchaus vorstellen, dass wir hier eine Renaissance erleben." Denn es gibt einen Trend, und der heißt: hin zum Department Store, also dem textilen Kaufhaus, das verschiedene Sortimente unter einem Dach vereint.
Nicht nur in der Schlafbranche kämpfen inhabergeführte stationäre Fachgeschäfte mit Frequenzrückgang, Onlineanbietern und einer Konzentration der Handelslandschaft. Auch in der Bekleidung herrscht harter Wettbewerb. "2018 hatten wir ein sehr, sehr schwieriges Jahr, das auf viele schwierige nochmal eines oben drauf setzt", sagte KATAG-Vorstandsvorsitzender Dr. Daniel Terberger unlängst im Interview mit der Fachzeitschrift Textilwirtschaft. "Dieser Strukturprozess hat sich nicht geändert und läuft auch schon seit vielen Jahren."
Es gibt sogar einzelne Unternehmer, die glauben, dass der reine Textilmodehändler in fünf Jahren tot sei. So weit würde Terberger sicher nicht gehen, auch Angelika Schindler-Obenhaus wirkt nach mehr als 30 Jahren in der Branche gelassen. Doch auch sie beobachtet einen Wandel im Angebot vieler Modehäuser: "Erst wollten die Kaufhäuser zu Textilfachhändlern werden, was wir über die Jahre begleitet haben. Und jetzt wollen viele von ihnen Department Stores werden." Zurück in die Zukunft?
Die Entwicklung wird in Bielefeld jedenfalls aufmerksam beobachtet. Seit Mai 2018 arbeitet Ines Buchna als Head of Home and Living bei der KATAG. Sie kümmert sich nicht nur um die Kollektionserstellung, die Planung der Sortimente oder die Orderorganisation in diesem Produktsegment. Buchna soll auch DOB-orientierte Häuser im Living-Bereich mit entsprechender Expertise unterstützen. "Wir glauben, dass der Anteil der Haustextilien wieder größer werden könnte, auch in einem heutigen Modefachgeschäft", sagt Buchna. Angelika Schindler-Obenhaus ergänzt: "Es gehört wieder dazu, mehrere Welten unter einem Dach anzubieten, und nicht nur Textilien, die gerade eine relativ schwierige Konjunktur haben. Ich glaube, dass sich das gut befruchten kann."
Beispiele wie das Würzburger Textilkaufhaus Schlier zeigen, dass dies funktioniert. Dort wurde die Living-Abteilung gerade mit dem Haustex-Star ausgezeichnet: Schlier, nicht nur KATAG-Mitglied, sondern auch im Bettenring, hatte sein Obergeschoss im Stil des Industrial Chic aufwändig saniert und zu einem gut frequentierten Anziehungspunkt für Haustextilien und Bettwaren entwickelt, von dem auch der Rest des Hauses profitiert. Das Modehaus Baltz in Bochum zählt ebenfalls zu den KATAG-Leuchttürmen. Das Living-Thema mit Wohnambiente, Bettwäsche oder Badtextilien wird auch hier, neben Mode, Sport und Schuhen, aufwändig zelebriert.
Tatsächlich ist es aber für viele Händler eine große Herausforderung, in einem Geschäft die verschiedenen Warenwelten zusammenzubringen und arrondierende Sortimente im Modehandel zu intergrieren. "Es geht um mehr Design-Input, Insprirationen, Dessinierungen, Farben - es geht um Modernität", drückt es Angelika Schindler-Obenhaus aus. Häufig befänden sich die Haustex-Abteilungen im Keller oder in der obersten Etage. "Dann hat man auch oft noch die großflächige Wand mit Spannbettlaken oder Frottierhandtüchern." Beides könne an Attraktivität noch zulegen. "Wenn man ins Ausland schaut, sieht man schon andere Formate, die sicherlich auch etwas Mut erfordern, bei denen man vielleicht auch aus der eigenen Nische herausgehen muss." Künftig wolle man auch bei der KATAG noch mehr Kraft in die Entwicklung des Living-Bereiches stecken.
Doch hierzu braucht es eben auch den Mut der Händler. "Man muss Haus- und Heimtextilien als natürlichen Bestandteil des Hauses sehen", betont Ines Buchna. "Auch wenn es nur eine kleine Abteilung ist, kann ich damit sehr viel bewegen." Die Deutschen seien schließlich sehr gerne zuhause, egal, ob der aktuelle Trend gerade "hygge" oder "cosy" heiße: "Alle wollen es gemütlich haben. Hier muss man als Händler anknüpfen, das muss aber auch in das ganze Lebensgefühl eines Hauses passen, und anders daherkommen als vielleicht noch vor zehn oder zwanzig Jahren."
Die haus- und heimtextilen Sortimente werden bei der KATAG mit der Eigenmarke Living Dreams abgedeckt. Bettwäsche, Bettwaren, Wohndecken, Dekokissen und Frottierwaren präsentiert das Unternehmen regelmäßig in Endverbraucher-Prospekten unter der Überschrift "Traumpreise" und "Lifestyle". Der Name gibt gewissermaßen die Richtung vor: Während im Bekleidungsbereich auch das Premium-Segment bedient wird, deckt die Marke Living Dreams vor allem Einstiegspreislagen ab. "Bei den Prospekten gibt es 8- und 12-Seiter. Bei den 12-Seitern ist auch immer eine Markenseite eines Industriepartners enthalten, der sich dort darstellen kann", erklärt Ines Buchna. "Jedes Mitglied hat außerdem die Möglichkeit, einen solchen Prospekt zu personalisieren und mit eigenem Sortimentsschwerpunkt zu bestücken."
"Unsere Eigenmarken agieren preislich zehn bis fünfzehn Prozent unter den Marken", ergänzt Angelika Schindler-Obenhaus. Das wird zunehmend schwieriger, denn hierfür werden entsprechende Mengen benötigt: "Einerseits möchte der Handel immer höhere Margen, kauft aber immer kleinere Mengen. "Andererseits brauchen wir am Beschaffungsmarkt immer größere Volumen. Das ist eine totale Einbahnstraße, und die werden wir aufbrechen müssen."
Mit dem Living-Sortiment liegt man preislich bei KATAG unter dem des klassischen Bettenfachhandels. Mit Erfolg: "Unsere Eigenmarke ist stark und hat in der letzten Orderrunde ein zweistelliges Plus gemacht", freut sich Ines Buchna. "Die visuell starken Motive, die wir ja auch in den Prospekten zeigen, haben die stärksten Zahlen im Abverkauf. Hier lassen sich entsprechend schöne Welten schaffen, zum Beispiel mit der passenden Decke zur Bettwäsche, mit farblich passenden Dekokissen und so weiter."
Doch die KATAG ist für ihre Mitglieder mehr als ein Einkaufsverbund. Das Serviceangebot reicht von der Betriebsberatung bis zu Projekten zur Digitalisierung, vom Markteting über die Logistik bis zu Schulungen oder Versicherungen. Seit 2014 gibt es eine Kooperation mit dem MZE, außerdem arbeitet das Unternehmen auch mit der Decor Union zusammen; für beide Verbände ist die KATAG Lieferant. "Unser Konstrukt ist nicht immer auf den ersten Blick zu erfassen", erklärt Angelika Schindler-Obenhaus.
Hier ist man Lieferant, da arbeitet man mit den Industriepartnern im Bereich der Zentralregulierung, dort ist man als Verband aber auch wieder eine Plattform, die Handel und Industrie zusammenbringt. Orderveranstaltungen, die stets prominent besetzte Cheftagung oder auch der Markentag in Bielefeld, bei dem sich verschiedene Markenhersteller wie auf einer Messe präsentieren können, runden das Angebot ab. "Genau hier sehen wir auch unsere Rolle", betont Angelika Schindler-Obenhaus: "Eine Orderplattform zu bieten, auf der sich alle Einkäufer und Industriepartner begegnen können."
Die Herausforderungen sind dabei angesichts von Online-Wettbewerb und verändertem Kundenverhalten nicht eben klein: "Wir können nicht immer den billigsten Preis bieten. Das passt auch nicht zu uns, weder zu unserem Qualitätsanspruch noch zu unseren Mengen. Also müssen wir über die Wertigkeit gehen, mehr in Design und Qualität, in Nachhaltigkeit und Produktionsbedingungen. Das wird wie im Food-Bereich auch kommen, darauf müssen wir uns einstellen."
aus
Haustex 03/19
(Wirtschaft)